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  • 03.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146296

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 14.01.2015 – 7 K 7391/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Berlin-Brandenburg

    Urt. v. 14.01.2015

    Az.: 7 K 7391/11

    In dem Rechtsstreit
    der A... GmbH,
    Klägerin,
    bevollmächtigt:
    gegen
    das Finanzamt,
    Beklagter,
    wegen Umsatzsteuer 2005 bis 2007
    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Januar 2015 durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
    die Richterin am Finanzgericht ... und
    den Richter am Amtsgericht ...
    sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ...
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007 vom 03.08.2011 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 09.11.2011 werden aufgehoben.

    Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob auch die von der Klägerin erzielten Umsätze aus der Leistung von Verpflegung gemäß § 4 Nr. 16 Umsatzsteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung -UStG- steuerfrei sind.

    Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand in der ambulanten Versorgung von Patienten und dem Erbringen sämtlicher damit zusammenhängender Leistungen liegt. In den Streitjahren erzielte die Klägerin Einnahmen aus ambulanten Pflegeleistungen aus der Pflegekasse für die Pflegestufen I bis III, sonstige Erträge aus ambulanten Pflegeleistungen, aus Verpflegung und aus Betreuungspauschalen.

    Eine Vielzahl der Patienten der Klägerin waren Bewohner des B..., einer Residenz für betreutes, seniorengerechtes Wohnen in bei Bedarf möblierten Appartements in C..., welches von einem Dritten betrieben wurde. Die Bewohner schlossen einen Mietvertrag mit dem Betreiber des B... ab, der die Warmmiete inklusive Reinigung des Appartements beinhaltete. Soweit ein Pflegebedarf bestand, leistete der von der Klägerin angebotene Pflegedienst die pflegerische Versorgung. Auf Wunsch der Bewohner übernahm die Klägerin die Betreuung der Bewohner. Dazu schlossen diese mit der Klägerin einen Betreuungsvertrag ab, der Nachtservice, Veranstaltungsservice / Beschäftigungsprogramme, Gemeinschaftsraum, Vermittlungs- und Beratungsservice zu einer monatlichen Pauschale von 300,00 € beinhaltete. Wünschten die Bewohner Verpflegung, so schlossen sie mit der Klägerin einen weiteren Vertrag über Verpflegung ab. Dieser beinhaltete bei gewählter Vollverpflegung zu einem Monatspreis von 185,00 € Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Kuchen/Gebäck und Abendbrot einschließlich alkoholfreier Getränke. Bei schweren Pflegefällen verabreichte das Pflegepersonal der Klägerin die Speisen und Getränke. Neben dieser ständigen Betreuung bot die Klägerin eine Urlaubspflege im B... an. Die Miete wurde dabei direkt an den Betreiber des B... gezahlt. Die Klägerin übernahm zu einem Tagessatz in Höhe von 15,00 € die Betreuung. Die Kosten für Vollverpflegung betrugen dann 10,00 € pro Tag.

    Zur Erfüllung der Verpflegungsleistung wurde die Klägerin von einem Caterer beliefert, der die Tagesvollversorgung zu einem Preis von 6,00 € pro Tag (186,00 € pro Monat) anbot. Nur das Mittagessen kostete 3,80 € pro Tag. Die Bewohner bestellten auf der Grundlage eines vom Caterer erstellten Speiseplanes die Speisen und Getränke vier Wochen im Voraus. Der Caterer lieferte das Mittagessen als portionierte und einzeln in Einwegverpackungen verpackte Portionen in den Gemeinschaftsraum des B..., teilweise auch in einzelne Appartements. Die Lebensmittel für Frühstück, Nachmittags-Kaffee und Abendbrot lieferte er in größeren Einheiten und nicht vorportioniert. Der Caterer rechnete die Verpflegungslieferungen mit der Klägerin ab, die ihrerseits mit den Bewohnern abrechnete.

    Weder die Miete noch die Verpflegungskosten wurden von den Krankenkassen gezahlt.

    In ihren Umsatzsteuererklärungen 2005 (Eingang beim Beklagten am 18.08.2006), 2006 (Eingang am 08.11.2007) und 2007 (Eingang am 26.11.2008) erklärte die Klägerin alle ihre Einnahmen als nach § 14 Nr. 16 UStG umsatzsteuerfrei. Die Vorsteuer aus den Rechnungen des Caterers, die dieser mit dem ermäßigten Steuersatz für die gesamte Leistung ausgewiesen hatte, machte sie nicht geltend. Diese Erklärungen galten gemäß § 168 Abgabenordnung -AO- als Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO.

    Der Beklagte führte im Jahr 2009 für die Streitjahre bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Der Prüfer hielt die Erlöse aus Verpflegung - anders als die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen - nicht für durchlaufende Posten, sondern beurteilte diese als steuerbaren Leistungsaustausch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zwischen der Klägerin als Leistender und den jeweiligen Bewohnern als Leistungsempfänger. Er sah die Umsätze nicht als gemäß § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG steuerfrei an, weil die Verpflegung grundsätzlich nicht in den ambulanten Pflegekosten enthalten sei (Abschnitt 99a Abs. 5 Umsatzsteuer-Richtlinien -UStR- 2005, später Abschnitt 99a Absatz 6 UStR 2008). Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften -EuGH- vom 10.09.2002 - C-141/00 (Kügler GmbH, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2002, 513; Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes -BFH- -BFH/NV- 2003, Beilage 1, 30) seien nur Leistungen der Behandlungspflege umsatzsteuerbefreit. Ferner liege auch kein eng verbundener Umsatz im Sinne des Abschnitts 100 Absätze 1 und 2 UStR 2005 vor. Die zusätzliche Erzielung von Einnahmen bestehe schon aufgrund des vereinbarten Entgelts. Es sei auch eine Konkurrenz zu anderen Unternehmen gegeben, weil die Möglichkeit der direkten Versorgung zum Beispiel durch denselben Caterer vorhanden sei. Es handele sich um eine Lebensmittellieferung, die für die zubereiteten Speisen dem ermäßigten Steuersatz und hinsichtlich der Getränke dem Regelsteuersatz unterliege. Angesichts dessen, dass die Klägerin nicht zu einer Aufteilung Stellung genommen habe, erfolge eine Schätzung der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Lieferungen mit 2/3 und der dem Regelsteuersatz unterliegenden Lieferungen mit 1/3 der erzielten Bruttoerlöse. Die übrigen Erlöse der Klägerin sah der Prüfer entsprechend der Umsatzsteuererklärungen der Klägerin als steuerfrei an. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen wird auf den Kurzbericht vom 11.05.2009 (hinter Trennblatt 17 in der Betriebsprüfungsakte) und den geänderten Kurzbericht vom 22.07.2009 (hinter Trennblatt 18 in der Betriebsprüfungsakte), insbesondere Textziffer 7 und 8, verwiesen.

    Der Beklagte folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am 03.08.2011 geänderte Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007, in denen er die vom Prüfer ermittelten Bruttoumsätze zu einem Drittel der Regelbesteuerung und zu zwei Dritteln dem ermäßigten Steuersatz unter Herausrechnung der Nettoverpflegungsumsätze aus den Bruttoeinnahmen unterwarf. Darüber hinaus berücksichtigte er Vorsteuer von 7 % aus den Eingangsleistungen des Caterers, weil dieser nach Stichproben in seinen Rechnungen jeweils 7 % Umsatzsteuer ausgewiesen hatte.

    Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 09.11.2011 als unbegründet zurückwies.

    Ihre Klage begründet die Klägerin damit, dass auch die Umsätze aus den Verpflegungsleistungen nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG steuerfrei seien. Es handele sich dem Grunde nach um Umsätze, die mit der ambulanten Pflege von kranken und pflegebedürftigen Personen eng verbunden seien. Dazu würden insbesondere Leistungen der Pflege und der Versorgung gehören. Dazu gehöre auch die hauswirtschaftliche Versorgung, die das Einkaufen und Kochen beinhalte. Dem komme die Klägerin durch den Bezug fertiger Speisen von einem Caterer nach. Es sei nicht erforderlich, dass die Klägerin selbst, zum Beispiel in einer hauseigenen Küche, Verpflegung für die Bewohner zubereite. Es möge sein, dass die Leistungen, die ein Caterer aufgrund einer Leistungsbeziehung direkt an einen Bewohner erbringe, nicht unter den Begriff des eng verbundenen Umsatzes gefasst werden könne. Dies sei im Streitfall aber auch nicht geschehen. Denn die Klägerin habe sich (wenn auch in einem von der Pflege und der Betreuung getrennten Vertrag) selbst gegenüber den Bewohnern zur Lieferung der Speisen verpflichtet und führe dadurch die erforderliche Hilfeleistung zur Vorbereitung und Herstellung der Mahlzeiten aus. Dass sich die Klägerin ihrerseits von einem Caterer beliefern lasse, schade - wie dargestellt - nicht. Das Gesetz mache keine Vorgaben, wie die Klägerin an die Essenportionen komme, die sie an die Bewohner ausgebene. Daher sei ein Einkauf bei einem Hersteller fertig zubereiteter Essensportionen ohne weiteres möglich. Ferner beliefere sie keinen beliebigen Personenkreis (wie ein Caterer) sondern wende sich nur an die von ihr betreuten Personen. Auch sei unschädlich, wenn diese Verpflegungsleistungen nicht von einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch erfasst werden. Auf eine konkrete Leistungspflicht komme es bei der Einordnung von Leistungen als Pflegeleistungen nicht an. Auch das Vertragsbündel ändere daran nichts. Es sei nicht ausschlaggebend, dass mehrere Verträge für die Gesamtheit der in dem B... zu bekommenden Leistungen (Wohnen, Betreuung, Pflege, Verpflegung) abzuschließen seien. Denn es sei auch möglich, diese Verträge nach Art eines Baukastens in einen einheitlichen Vertrag mit einzeln anzuwählenden Komponenten zusammen zu stellen. Der Abschluss einzelner Verträge erhöhe lediglich die Flexibilität.

    Auf die im Schriftsatz vom 10.07.2012 vom Beklagten gestellten Fragen komme es nicht an. Es sei nicht erforderlich, dass die Leistungen allen Patienten gegenüber erbracht werden müssten. Die Steuerbefreiung für Pflegeleistungen sei bereits dann zu gewähren, wenn ein Anteil von mehr als 40 % der erbrachten Pflegeleistungen von Sozialleistungsträgern getragen würde. Dies sei bei ihr, der Klägerin, der Fall, wie auch die Betriebsprüfung keinen Anlass gesehen habe, an diesem Erfordernis zu zweifeln. Bei der engen Verbundenheit komme es auf eine normative enge Verbundenheit, und nicht darauf an, ob die einzelnen Leistungen tatsächlich von Sozialleistungsträgern erstattet würden.

    Der von dem Beklagten herangezogene Aufteilungsschlüssel 1/3 Regelsteuersatz, 2/3 ermäßigter Steuersatz sei nicht nachvollziehbar und unzutreffend. Angesichts der Kosten für das Essen, wobei allein das Mittagessen mit 3,80 € anzusetzen sei, sei der Anteil der dem Regelsteuersatz zu unterwerfenden Getränke (1/3, mithin 2 € brutto) viel zu hoch. Es würden keine teuren Getränke geliefert, so dass der dafür anzusetzende Betrag sehr viel geringer ausfallen müsse. Nach dem Verpflegungsvertrag liege der Anteil der Getränke an der Gesamtverpflegung deutlich unter einem Fünftel. Selbst ein Anteil von einem Siebtel sei angesichts der erbrachten Leistungen noch als hoch einzustufen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007 vom 03.08.2011 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 09.11.2011 aufzuheben und

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären,

    hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung führt er aus, dass es nicht erkennbar sei, welche Bewohner den Verpflegungsservice der Klägerin in Anspruch genommen hätten. Eng mit dem ambulanten Pflegedienst verbundene Umsätze lägen dann sicher nicht vor, wenn der Bewohner, der die Leistung in Anspruch nehme, weder krank noch pflegebedürftig sei, sich also auch selbst versorgen könne, die Betreuungs- und Verpflegungsleistungen der Klägerin aber gerne in Anspruch nehme. Wenn die Bewohner die Leistungen des Caterers direkt mit diesem abrechnen würden, lägen keine eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung und Pflege verbundenen Umsätze vor. Daran ändere die Zwischenschaltung der Klägerin nichts.

    Eine andere als die im Schätzungswege getroffene Aufteilung der Verpflegung nach Regelsteuersatz und ermäßigtem Steuersatz könne nicht erfolgen. Die Klägerin habe keine Unterlagen, insbesondere keine detaillierte Aufstellung, beigebracht, aus denen sich ein anderer als der geschätzte Aufteilungsmaßstab entwickeln ließe.

    Dem Gericht haben bei der Entscheidung vier Bände Akten (Umsatzsteuer, Betriebsprüfungsakte Betriebsprüfungsstelle, Bilanzen, Körperschaftsteuerakte Band I) und eine Heftung Rechtsbehelfsvorgang des Beklagten zur Steuernummer ... vorgelegen, die dieser für die Klägerin führt.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.

    Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007 vom 03.08.2011 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die streitigen Verpflegungsleistungen sind umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG oder unterliegen jedenfalls der Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG.

    Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unter anderem die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Von diesen Umsätzen sind nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG unter anderem steuerfrei die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung, sowie der Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Bezogen auf die hier streitigen Umsätze einer Einrichtung zur ambulanten Pflege beruht die Vorschrift auf Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Mehrwertsteuersystemrichtlinie -MwStSystRL- (zuvor Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g) der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -6. EG-Richtlinie-), wonach die Mitgliedstaaten unter anderem die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, von der Umsatzsteuer befreien.

    Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG. Es handelt sich bei ihr um eine Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen. Ferner ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass bei der Klägerin in dem dem jeweiligen Streitjahr vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden. Davon geht auch der Beklagte aus. Denn er hat die übrigen Umsätze der Klägerin auch nach Durchführung der Betriebsprüfung vollständig als umsatzsteuerfrei gewertet. Dem stehen die im Schriftsatz vom 10.07.2012 gestellten Fragen nicht entgegen. Der Beklagte hat nach Antwort und Darstellung der Verhältnisse der Klägerin unter Verweis auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung nicht mehr auf einer Antwort bestanden und auch ansonsten keine Zweifel an der Erfüllung dieser Voraussetzungen durch die Klägerin formuliert. Das Gericht hat ebenfalls keine Zweifel an dem Vorliegen dieser Voraussetzungen.

    Streitig ist lediglich, ob die Umsätze aus der Zurverfügungstellung der Verpflegung von der Umsatzsteuer befreit sind. Dies ist zu bejahen.

    Die Verpflegungsumsätze durch Versorgung mit fertig zubereitetem Essen und Getränken zum sofortigen Verzehr durch die Klägerin stellt einen mit einer Einrichtung zur ambulanten Pflege eng verbundenem Umsatz im Sinne des § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG dar.

    Eng verbunden mit einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ein Umsatz, der im Zusammenhang mit einer solchen Behandlung erbracht wird. Der Zusammenhang muss nicht besonders eng ausgelegt werden. Vielmehr soll der Zugang zu solchen Behandlungen nicht durch höhere Kosten versperrt werden, die entstünden, wenn die Behandlungen selbst oder mit ihr verbundene Umsätze der Mehrwertsteuer unterworfen wären. Ausgeschlossen ist eine Befreiung allerdings, wenn die zu beurteilende Leistung nicht im Zusammenhang mit einer etwaigen Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung stünde. Diese Rechtsprechung ist auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g) MwStSystRL entsprechend zu übertragen (Finanzgericht -FG- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.01.2011 - 5 K 5110/07, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2011, 1285 mit weiteren Nachweisen).

    Die Verpflegungsumsätze der Klägerin stellen mit einer Einrichtung zur ambulanten Pflege eng verbundene Umsätze in diesem Sinne dar. Zwar sind die Verpflegungsleistungen der Klägerin keine mit den sonstigen von ihr erbrachten Pflegeleistungen oder Betreuungsleistungen als einheitliche Leistung verbundene Leistungen. Denn insoweit spricht die Vereinbarung in getrennten Verträgen gegen eine Zusammenfassung der Verpflegungsleistungen mit den anderen von der Klägerin erbrachten Leistungen zu einer rechtlich verbundenen einheitlichen Leistung (siehe dazu BFH, Urteil vom 04.05.2011 - XI R 35/10, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2011, 836). Dies hindert allerdings nicht die Annahme eines Zusammenhangs mit der Einrichtung zur ambulanten Pflege, der für die erforderliche enge Verbundenheit ausreichend ist.

    Die Klägerin erbringt als Einrichtung zur ambulanten Pflege Pflegeleistungen. Zu diesen Pflegeleistungen gehören dem Grunde nach auch die Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung kranker und hilfsbedürftiger Personen. Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes zur hauswirtschaftlichen Versorgung kranker und hilfsbedürftiger Personen sind als Leistungen zur Haushaltshilfe, die von Versicherungsträgern gemäß § 38 Sozialgesetzbuch -SGB- V anerkannt werden, als eng mit dem Betrieb der Einrichtung zusammenhängend zu beurteilen. Diese Leistungen sind von der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG erfasst (BFH, Urteil vom 30.07.2008 - XI R 61/07, BStBl. II 2009, 68, Tz. 12 bis 14 mit weiteren Nachweisen). Zu diesen Leistungen gehören der Einkauf und die Zubereitung der Mahlzeiten. Dies kann auch durch Lieferung von fertig zubereiteten Speisen erfüllt werden.

    Darüber hinaus gehört die Versorgung mit Essen und Getränken zu den bei pflegebedürftigen Personen sicherzustellenden Grundbedürfnissen, wenn die pflegebedürftige Person dabei Unterstützung benötigt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Nutzer des Verpflegungsservices der Klägerin selbst eine Pflegestufe (I - III) zuerkannt bekommen haben. Auf eine qualifizierte Pflegebedürftigkeit mit Pflegestufe kommt es nicht an, weil auch Personen ohne Pflegestufe pflegebedürftig sein können, nur nicht so qualifiziert, dass sie Anspruch auf Leistungen zum Beispiel aus der Pflegeversicherung haben. Darüber hinaus bezweckt die Befreiungsvorschrift auch die Entlastung von Selbstzahlern von der Umsatzsteuer (Zuerkennung einer Pflegestufe [I - III] ist nicht erforderlich, siehe BFH, Urteil vom 19.03.2013 - XI R 45/10, BFH/NV 2013, 1348).

    In diesem Zusammenhang ist es unschädlich, dass dann, wenn die pflegebedürftige Person ihr Essen aufgrund eines eigenen von ihr mit einem Caterer abgeschlossenen Vertrages bezieht, kein mit § 4 Nr. 16 UStG eng verbundener Umsatz vorliegen würde. Dies liegt daran, dass der Caterer keine nach § 4 Nr. 16 UStG begünstigte Einrichtung ist, weil er die weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 UStG nicht erfüllt und weil er mit seinen Leistungen in Wettbewerb zu Anbietern ähnlicher Leistungen tritt. Denn er tritt an den allgemeinen Markt heran, mit dem Ziel, möglichst viele Personen zu beliefern.

    Die Klägerin tritt nicht in einen Wettbewerb zu anderen Essenslieferanten (Caterer oder Restaurants mit Lieferservice), der dazu führen würde, dass auch die Leistungen der Klägerin aus Wettbewerbsgesichtspunkten nicht umsatzsteuerfrei belassen werden könnten. Denn zum einen betreffen Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung immer Bereiche, die auch im Wettbewerb zu privaten Anbietern stehen. Diese Leistungen werden üblicherweise nicht nur von Pflegediensten angeboten, sondern auch von anderen Unternehmen, die nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sind und auch die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. Eine Überschneidung dieser Tätigkeitsbereiche ist nicht zu vermeiden. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung immer umsatzsteuerpflichtig sind. Dies würde dem Zweck der Befreiung von Umsatzsteuer widersprechen, Pflegeleistungen nicht durch die Belastung mit Umsatzsteuer zu verteuern. Eine gewisse Konkurrenz zu Unternehmen, die hauswirtschaftliche Dienstleistungen anbieten, ist daher hinzunehmen und noch mit dem Begünstigungszweck vereinbar. Zum anderen verhält sich die Klägerin nicht wie andere Essenslieferanten im Wettbewerb. Sie bietet die Verpflegungsleistungen nur den von ihr betreuten Personen an und tritt nicht an den allgemeinen Markt heran. Insbesondere leistet sie nicht an Besucher oder an andere, auswärtige Personen. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie ihrerseits die von ihr benötigten Speisen und Getränke bei dem Caterer dreimal wöchentlich im Voraus bestellt und damit nicht spontan auf einen Bedarf, zum Beispiel durch Besucher, reagieren kann. Ferner hat sie keine Möglichkeit des Bezugs dieser Leistungen durch nicht von ihr betreute Personen geschaffen. Sie hält keine Räumlichkeiten vor, in denen Nichtbewohner des B... diese Leistungen in Anspruch nehmen könnten (Café oder ähnliches). Auch berechnet sie gegenüber den von ihr belieferten Personen keinen Gewinnaufschlag. Sie bezieht die Vollverpflegung pro Person für einen Tag für 6,00 € von dem Caterer (bei 30 Tagen mithin 180,00 €, bei 31 Tagen 186,00 €) und gibt sie ihrerseits für 185,00 € monatlich an die verpflegten Personen wieder ab.

    Darüber hinaus führt die Befreiung dieser Verpflegungsleistungen bei der Klägerin dazu, dass sie den gemäß § 4 Nr. 18 UStG umsatzsteuerbefreiten Wohlfahrtsverbänden im Hinblick auf die Verpflegungsleistungen, die diese im Rahmen von "Essen auf Rädern" anbieten, gleichgestellt wird.

    Eine Behandlung als umsatzsteuerpflichtig ist auch nicht deshalb geboten, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Personen die von der Klägerin angebotenen Verpflegungsleistungen in Anspruch nehmen, obwohl sie auch zu einer Selbstversorgung und Ausführung der entsprechenden hauswirtschaftlichen Verrichtungen in der Lage wären (zum Beispiel ein Ehepaar, bei dem der eine Ehepartner pflegebedürftig und der andere gesund und nicht pflegebedürftig ist, die aber zusammen im B... wohnen und - für den Nichtpflegebedürftigen - nur aus Bequemlichkeit die Verpflegung von der Klägerin beziehen). Selbst wenn man diese Umsätze als nicht mit der Einrichtung der Klägerin zur ambulanten Pflege eng verbunden ansähe und damit als nicht von der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG erfasst, so würde zu Gunsten der Klägerin die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG gelten. Da die nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e) UStG umsatzsteuerfreien Umsätze der Klägerin nicht zu deren Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG gehören, müsste die Klägerin für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im jeweiligen vorangegangenen Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 17.500,00 € mit den an nicht pflegebedürftige Personen ausgeführten Umsätzen einhalten. Bei insgesamt erzielten Umsätzen von 40.415,01 € (2005), 50.579,80 € (2006) und 50.475,17 € (2007) wäre etwa ein Drittel dieser Umsätze noch unschädlich. Anhaltspunkte dafür, dass der Anteil der an nicht pflegebedürftige Personen geleistete Teil der Verpflegungsleistungen der Klägerin dieses Drittel überstiegen hätte, sind nicht ersichtlich. Auch der Beklagte hat dies nicht vorgetragen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO.

    Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, weil der genaue Umfang der umsatzsteuerfreien Leistungen einer Einrichtung zur ambulanten Pflege noch ungeklärt ist.

    RechtsgebietUStGVorschriften§ 4 Nr. 16 UStG