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  • 28.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142217

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 02.04.2014 – 4 K 3718/12 Erb

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Der Erbschaftsteuerbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2012 wird aufgehoben.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.


    Entscheidungsgründe:

    Die Klage hat Erfolg.

    Sie ist zulässig und begründet.

    Der Erbschaftsteuerbescheid des Beklagten vom 29. Juli 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 1. HS der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Denn der Beklagte hat damit einen Erwerb von Todes wegen nach A sen. der Erbschaftsteuer unterworfen. Ein solcher Erwerb kann vorliegend aber nicht angenommen werden.

    Der vom Beklagten angewandte Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist nicht einschlägig. Hiernach gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird.

    Voraussetzung ist danach insbesondere das Vorliegen eines Vertrags, des sog. Deckungsverhältnisses. Das betrifft das Verhältnis zwischen Versprechendem (dem Vertragspartner) und Versprechensempfänger (dem Erblasser) (zum Dreiecksverhältnis Wälzholz, in Viskorf u.a., ErbStG, 4. Auflage 2001, § 3 Rn. 181 m.w.N.). Ein solcher Vertrag ist vorliegend nicht gegeben. Bei den Statuten der „X“ vom … 2006 sowie dem Beistatut vom … 2007, welche die Zweitbegünstigung des Klägers bestimmen, handelt es sich um keine Verträge im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.

    Das ergibt sich zum einen aus einer am Zivilrecht orientierten Auslegung des Vertragsbegriffs (so allgemein zu dieser Problematik auch Büch, ZEV 2011, 152 m.w.N. zum fehlenden Vertrag zugunsten Dritter; Piltz, ZEV 2011, 236).

    Der in §§ 145 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelte Vertrag setzt als zweiseitiges Rechtsgeschäft zwei übereinstimmende Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme voraus. Demgegenüber wird eine Stiftung im deutschen Recht nicht durch einen Vertrag errichtet. Für die Entstehung einer Stiftung gemäß § 80 Abs. 1 BGB ist unter anderem das Stiftungsgeschäft erforderlich, durch welches die Stiftung nach § 81 Abs. 1 Satz 3 BGB eine Satzung erhalten muss und welche auch die Verfassung bestimmt (zu letzterem Ellenberger, in Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 85 Rn. 1 m.w.N.). Bei dem Stiftungsgeschäft handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (Ellenberger, in Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 80 Rn. 1; Reuter, in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, §§ 80, 81 Rn. 4; Hüttemann/Rawert, in Staudinger, BGB, 2010, § 81 Rn. 2). Von den anderen juristischen Personen des Privatrechts unterscheidet sich die Stiftung nämlich gerade durch ihre nicht verbandsmäßige Struktur, sie verfügt über keine Mitglieder bzw. Gesellschafter, sondern nur ggf. über Destinatäre (Ellenberger, in Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, vor § 80 Rn. 8). Sie ist eine mit Rechtsfähigkeit ausgestattete, nicht verbandsmäßig organisierte Einrichtung, die einen vom Stifter bestimmten Zweck mit Hilfe eines dazu gewidmeten Vermögens dauernd fördern soll (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 25. Oktober 1972 BReg 2 Z 56/72, NJW 1973, 249).

    Dem entspricht auch die Rechtslage bei liechtensteinischen Stiftungen. Denn eine liechtensteinische Stiftung ist in ihrer Funktion und Ausgestaltung einer deutschen Stiftung vergleichbar (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 25. April 2001 II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457). Das ergibt sich für die Errichtung einer Stiftung auch derzeit aus Art. 552 §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 des Personen- und Gesellschaftsrechts Liechtensteins in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juni 2008, Liechtensteinisches Landesgesetzblatt 2008 Nr. 220 (PGRL), wonach eine Stiftung als rechtlich und wirtschaftlich verselbständigtes Zweckvermögen durch einseitige Willenserklärung des Stifters errichtet wird. Dabei legt der Stifter den Stiftungszweck und die Begünstigten fest (Art. 552 § 1 Abs. 1 Satz 2 PGRL), und zwar in der Stiftungsurkunde (Statut) oder der Stiftungszusatzurkunde (Beistatut) (Art. 552 §§ 16, 17 PGRL) (zu den hier nicht einschlägigen Änderungen im Rahmen der Reform des Stiftungsrechts siehe die „Zusammenfassung der wesentlichen Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Stiftungsrecht“ durch die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, http://www1.regierung.li/uploads/media/pdf-llv-rfl-zusammenfassung_unterschiede-de.pdf).

    Danach ist im vorliegenden Fall kein Vertrag gegeben. Denn das Statut ist im Rahmen des Stiftungsgeschäfts als einseitiges Rechtsgeschäft verfasst worden. Gleiches muss auch für das erst später verfasste Beistatut gelten, welches das Statut lediglich ergänzt und dessen Rechtscharakter teilt.

    Auch die weitere Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist vorliegend nicht gegeben. Danach müssen im sog. Valutaverhältnis zwischen Versprechensempfänger (Erblasser) und Erwerber (Dritten) alle subjektiven und objektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung vorliegen (Wälzholz, in Viskorf u.a., ErbStG, 4. Auflage 2001, § 3 Rn. 182). Die Bereicherung des Dritten muss auf einer Entreicherung des Versprechensempfängers beruhen, die Bereicherung des Begünstigten aus dem Vermögen des Erblassers herrühren (BFH, Urteil vom 13. Mai 1998 II R 60/95, BFH/NV 1998, 1485; zur Problematik in Fällen wie dem vorliegenden Büch, ZEV 2011, 152; Piltz, ZEV 2011, 236).

    Das ist hier aber nicht der Fall. Denn aus der Systematik der Stiftungsbesteuerung im ErbStG ergibt sich, dass erbschaftsteuerlich kein Anspruch des A sen. gegenüber der Stiftung als Erstbegünstigten aus dessen Vermögen auf den Kläger als Zweitbegünstigten übergehen und der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann (zu dieser Problematik allgemein Piltz, ZEV 2011, 236).

    Aus den Regelungen der §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 und 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG ist ersichtlich, dass bei Errichtung einer Stiftung erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich Vermögen auf diese als selbständigen Rechtsträger übergeht. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass dieses Vermögen in der Stiftung ggf. über Generationen hinweg gebunden bleibt. Das Vermögen könne über mehrere Generationen hinweg vererbt werden, ohne dass Erbschaftsteuer gezahlt werden müsse. Um das in Familienstiftungen gebundene Vermögen aber einmal im Generationenwechsel der Erbschaftsteuer zu unterwerfen (Zweiter Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 7/1333, S. 3), hat der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG den Tatbestand einer Ersatzerbschaftsteuer geschaffen. Dieses Tatbestandes hätte es nicht bedurft, wenn die gerade familienstiftungstypische Regelung einer Zweitbegünstigung nach dem Tod des Erstbegünstigten unter § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu subsumieren gewesen wäre. Hiervon ging bei Schaffung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auch der Gesetzgeber aus, indem er ausdrücklich erwähnt, dass bei einer Stiftung bisher nur das Stiftungsgeschäft der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliege, während eine Nachfolge in der Person des Begünstigten nicht zur Erbschaftsteuerpflicht führe (Zweiter Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 7/1333, S. 3).

    Schließlich kann es von keiner Bedeutung sein, ob in Fällen mit Auslandsbezug - wie dem vorliegenden - die persönliche Steuerpflicht überhaupt die Möglichkeit der Besteuerung des Stiftungsgeschäfts nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG eröffnet hat. Denn die Systematik der Tatbestände des § 3 und § 7 ErbStG ist nicht von der Frage der persönlichen Steuerpflicht nach § 2 ErbStG abhängig. Maßgeblich ist allein, dass die Vorschriften der §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 und 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG, anders als der Beklagte meint, schon nach ihrem Wortlaut auch auf die Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, Anwendung finden.

    Nach den obigen Ausführungen ist das Vermögen des A sen. schon zur Zeit der Errichtung der „X“ auf diese als selbständigen Rechtsträger übergegangen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (FG Bremen, Urteil vom 16. Juni 2010, 1 K 18/10 (5), EFG 2010, 1801 bei Verfügungsbeschränkungen der Stiftung) oder anderer Tatbestände des § 3 Abs. 1 ErbStG ausnahmsweise deshalb in Betracht kommen könnte, weil nach den Besonderheiten des Einzelfalles das Vermögen erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich weiterhin dem A sen. hätte zugerechnet werden müssen. Eine Zurechnung zum Stifter persönlich nach Stiftungserrichtung kann nämlich nur in Betracht kommen, wenn schon das Stiftungsgeschäft im Hinblick auf Zwecke der Steuerhinterziehung zivilrechtlich nicht anerkannt werden kann (OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 30. April 2010 I-22 U 126/06, 22 U 126/06, ZEV 2010, 528) oder die Stiftung im Hinblick auf tatsächliche und rechtliche Verfügungsbeschränkungen im Verhältnis zum Stifter erbschaft- und schenkungsteuerlich nicht Erwerber des vom Stifter übertragenen Vermögens geworden ist (BFH, Urteil vom 28. Juni 2007 II R 21/05, BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669; auch unter Bezugnahme hierauf nimmt das OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Juni 2009, 5 U 40/09, ZEV 2010, 265, in einem solchen Fall ein Scheingeschäft an). Hierfür ist vorliegend nichts vorgetragen oder ersichtlich. Insbesondere hat A sen. keinen sog. Mandatsvertrag geschlossen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.