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  • 15.12.2011 · IWW-Abrufnummer 114285

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 29.09.2011 – 2 K 29/09

    1. Ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb teils Zweckbetrieb, teils nicht, wird die steuerbegünstigte Gesamtrichtung also wesentlich beeinträchtigt, so ist insgesamt kein Zweckbetrieb anzunehmen.


    2. Eine Betreuung, Qualifizierung und Beschäftigung benachteiligter Personen, insbesondere Langzeitarbeitsloser, mit dem Ziel einer „Wiedereingewöhnung in die Arbeit” ist gerade nur durch den Einsatz der Personen in einem Arbeitsprozess wie (im Streitfall) dem des Mahlzeitendienstes denkbar.


    3. Der ganz überwiegende Einsatz benachteiligter Personen im Mahlzeitendienst und deren Betreuung ist ein sachlicher Grund für eine steuerrechtliche Begünstigung gegenüber den Wettbewerbern.


    Im Namen des Volkes
    Urteil
    In dem Rechtsstreit
    hat der II. Senat des Thüringer … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung am 29. September 2011 für Recht erkannt:
    1. Die Bescheide für 2001 bis 2005 über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom …. werden dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus dem von der Klägerin unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „Mahlzeitendienst” als steuerfreie Einkünfte aus Zweckbetrieb die Bemessungsgrundlage mindern.
    2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin und der Beklagte jeweils die Hälfte zu tragen.
    3. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    4. Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten im Rahmen der Körperschaft- und Gewerbesteuer darum, ob die Klägerin einen Mahlzeitendienst als steuerbegünstigten Zweckbetrieb geführt hat.
    Die Klägerin ist eine gemeinnützige Gesellschaft zur sozialen Integration und Arbeitsförderung mit beschränkter Haftung (gGmbH). An ihr waren seinerzeit das Jugendsozialwerk A-Stadt e.V. zu 97% beteiligt sowie zwei natürliche Personen zu 3%.
    Zum Gegenstand der Gesellschaft heißt es in § 2 des im Streitzeitraum geltenden Gesellschaftsvertrags: „Der Gegenstand und Zweck der Gesellschaft ist es, Personen und Personengruppen mit Einschränkungen bzw. geringen Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu betreuen, zu qualifizieren und zu beschäftigen. Die Gesellschaft leistet Hilfestellung bei der Wiedereingewöhnung an die Arbeit, verbunden mit Maßnahmen, die eine Verbesserung von Vermittlungsaussichten auf dem Arbeitsmarkt zum Inhalt haben …. Die Gesellschaft ist Mitglied des paritätischen Wohlfahrtsverbandes.” Gemäß § 3 des Gesellschaftsvertrags verfolgt die Klägerin ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung.
    Die Klägerin hat neben weiteren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben einen Mahlzeitendienst unterhalten, mit welchem sie verschiedene Essensempfänger belieferte, insbesondere Kindergärten und Schulen, das Personal der Diakonie, Essen auf Rädern für Privatpersonen. Unter den Essensempfängern befanden sich vier Kindertagesstätten, deren Träger der Jugendsozialwerk e.V. war.
    Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin im Erörterungstermin vom …. lief der Mahlzeitendienst wie folgt ab: In der Küche des Mahlzeitendienstes, wo die Speisen hergestellt wurden, waren mit Ausnahme eines fest beschäftigten Küchenmeisters und eines Kochs mit Ausbildungseignung ausschließlich Langzeitarbeitslose mit entsprechendem Gesundheitspass beschäftigt, die an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilnahmen. Insgesamt führte die Klägerin seinerzeit etwa 600 bis 800 Maßnahmen pro Jahr durch. Solche Maßnahmen wurden für eine bestimmte Zeit vom Arbeitsamt oder vom Ministerium für Arbeit und Soziales in Kofinanzierung mit dem Landkreis bewilligt, z. B. ABM, SAM (Strukturanpassungsmaßnahmen) oder Arbeit statt Sozialhilfe. AB-Maßnahmen und Arbeit statt Sozialhilfe dauerten idR 1 Jahr und SAM dauerten zwischen drei und fünf Jahren. Täglich wurden von den zwei Fachkräften etwa 5 bis 8 in der Küche beschäftigte Maßnahmeteilnehmer angeleitet. Letztere waren in erster Linie als Küchenhilfen an der Speisenherstellung und -verpackung beteiligt. Der Mahlzeitendienst bereitete etwa 1000 Essen pro Tag zu, es handelte sich nicht um verschiedene Mahlzeiten, sondern um ein Essen. Auf die vier Kindergärten des Jugendsozialwerk e.V. entfielen jeweils ca. 150 bis 200 Essen pro Einrichtung. Das Essen wurde von weiteren etwa 3 – 4 Maßnahmeteilnehmern an die Kindergärten ausgefahren. Insgesamt wurde der gesamte Mahlzeitendienst von zwei fest Beschäftigten und ansonsten nur von Maßnahmeteilnehmern bewerkstelligt. Die Klägerin erzielte im Streitzeitraum mit dem gesamten Mahlzeitendienst Umsatzerlöse zwischen 919.092,94 DM (2001) und 665.057,41 EUR (2004) sowie Jahresüberschüsse zwischen 29.442,29 DM (2001) und 105.874,95 EUR (2002). Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 15.04.2008 Bezug genommen.
    Teilnehmer der größten Maßnahme „Arbeit statt Sozialhilfe” arbeiteten nicht nur im Produktionsbetrieb des Mahlzeitendienstes, sondern nahmen daneben etwa zur Hälfte auch an Bildungsmaßnahmen teil. Dabei handelte es sich um Schulunterricht, welcher wöchentlich an zwei Tagen im Block durch eine hauseigene Sozialpädagogin oder auch von externen Kräften abgehalten wurde. Die Klägerin musste im Rahmen der Maßnahmen stets einen Sozialpädagogen vorhalten, sie war anerkannter Bildungsträger. Bei den bei der Klägerin beschäftigten Maßnahmeteilnehmern handelte es sich nach dem unbestrittenen Vortrag um „sehr schwierige” Personen, insbesondere auch um ehemalige Alkoholiker, die im Wesentlichen ohne betreuende Maßnahme nicht in einem Betrieb eingesetzt werden konnten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins Bezug genommen.
    Nach einer Betriebsprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass der überwiegende Teil des Mahlzeitendienstes, der auf die Essenslieferungen an die vier Kindergärten des Jugendsozialwerk e.V. entfiel, ein nicht steuerbegünstigter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sei, nicht aber ein Zweckbetrieb. Es handele sich nicht um einen Betrieb der Wohlfahrtspflege gem. § 66 AO. Dabei stellte das FA darauf ab, dass der gemeinnützige Zweck in der Essenslieferung an die Kinder als hilfsbedürftige Personen (i. S. v. § 53 AO) liegen soll. Das FA verneinte die Zweckerreichung, weil die Leistungen der Klägerin nicht den Kindern unmittelbar zugute kämen. Unmittelbarer Leistungsempfänger sei vielmehr der Jugendsozialwerk e.V. als Träger der belieferten Kindertagesstätten. Den Kindern würden die Leistungen allenfalls mittelbar zugute kommen.
    Diese Feststellungen berücksichtigte das Finanzamt in geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden.
    Das hiergegen angestrengte Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das FA hielt an seiner Auffassung fest, wonach der Mahlzeitendienst kein Zweckbetrieb (i. S. d. § 66 AO) sei.
    Erstmals aufgrund des Sachvortrags im Klageverfahren, insbesondere im Erörterungstermin, macht die Klägerin geltend, der Mahlzeitendienst sei ein Zweckbetrieb i. S. d. § 65 Nr. 1 bis 3 AO. Der Mahlzeitendienst als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb habe mit der Integration von Langzeitarbeitslosen in seiner Gesamtrichtung dazu gedient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Klägerin zu verwirklichen. Die Erreichung des satzungsmäßigen Zwecks, also die Betreuung, Qualifizierung und Beschäftigung der Maßnahmeteilnehmer sei auch nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb zu erreichen gewesen. Der hierdurch entstandene Wettbewerb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art sei zur Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke unvermeidbar gewesen. Denn der sinnstiftende Hauptzweck des Mahlzeitendienstes sei es gewesen, den Maßnahmeteilnehmern durch ihren Einsatz im Mahlzeitendienst und durch die Weiterbildung zu vermitteln, dass sie dazu in der Lage sind, einer sinnvollen Arbeit nachzugehen.
    Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,
    die Änderungsbescheide 2001 – 2005 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag vom …und vom …in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben.
    Die Klägerin beantragt nunmehr,
    die Bescheide für 2001 bis 2005 über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „Mahlzeitendienst” als steuerfreie Einkünfte aus Zweckbetrieb die Bemessungsgrundlage mindern.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte ist der Auffassung, der Mahlzeitendienst der Klägerin stelle keinen steuerbegünstigten Zweckbetrieb i. S. d. § 65 AO dar, da er nicht die Voraussetzungen der Wettbewerbsklausel des § 65 Nr. 3 AO erfülle. Diese verlange, dass die von dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgehende Wettbewerbswirkung auf das zur Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbare Maß reduziert werde. Hieraus folge ein Gebot zur Zurückhaltung am Markt, welches die Klägerin nicht gewahrt habe. Der Mahlzeitendienst der Klägerin sei zur Zweckerreichung, der Integration der eingesetzten Langzeitarbeitslosen, überdimensioniert, was sich insbesondere an der Höhe der Umsätze zeige. Der Zweck hätte auch durch einen kleineren Mahlzeitendienst mit der Zubereitung von etwa 100 – 150 Essen pro Tag erreicht werden können. Werde ein Betrieb dieser Größenordnung steuerbefreit, so führe dies zu einer nicht zu rechtfertigenden Subvention gegenüber Wettbewerbern.
    Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt, wegen dessen Einzelheiten auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Mahlzeitendienst der Klägerin stellt einen steuerbefreiten Zweckbetrieb i. S. d. § 65 AO dar.
    1. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und dem gleichlautenden § 3 Nr. 6 GewStG sind von der KSt und GewSt befreit Körperschaften, die nach ihrer Satzung (siehe unten 2) und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§ 51 bis 68 AO). Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG, § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG). Die Körperschaft verliert die Steuerbefreiung gem. § 64 Abs. 1 AO aber nur, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§ 65 bis § 68 AO) ist.
    2. Die Klägerin verfolgt nach ihrer Satzung gemeinnützige Zwecke i. S. d. § 52 AO, nämlich Personen und Personengruppen mit Einschränkungen bzw. geringen Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu betreuen, zu qualifizieren und zu beschäftigen. Die Gesellschaft leistet Hilfestellung bei der Wiedereingewöhnung an die Arbeit, verbunden mit Maßnahmen, die eine Verbesserung von Vermittlungsaussichten auf dem Arbeitsmarkt zum Inhalt haben.
    3. Die tatsächliche Geschäftsführung des Mahlzeitendienstes entspricht den Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 bis 3 AO und den in der Satzung festgelegten Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit.
    a) Der Mahlzeitendienst der Klägerin erfüllt als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb die Voraussetzungen des § 65 Nr. 1 AO. Danach muss der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dienen, die eigenen steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwirklichen. Da es auf die Gesamtrichtung ankommt (Gesamtbild), muss nicht jede einzelne Tätigkeit unmittelbar steuerbegünstigten Zwecken dienen. Ist aber der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb teils Zweckbetrieb, teils nicht, wird die steuerbegünstigte Gesamtrichtung also wesentlich beeinträchtigt, so ist insgesamt kein Zweckbetrieb anzunehmen (Tipke/Kruse, AO, § 65 Rz. 2).
    Der Einsatz der benachteiligten Personen (insbes. Langzeitarbeitslose) im Mahlzeitendienst diente dem steuerbegünstigten Satzungszweck der Klägerin, Personen mit Einschränkungen oder geringen Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu betreuen, zu qualifizieren und zu beschäftigen und wieder an Arbeit zu gewöhnen. Dadurch, dass der Mahlzeitendienst bis auf die zwei anleitenden Köche ausschließlich mit den benachteiligten Personen besetzt war, diente der Mahlzeitendienst auch in seiner Gesamtrichtung, nicht nur zu einem Teil dazu, die steuerbegünstigten Satzungszwecke der Klägerin zu verwirklichen.
    b) Des Weiteren erfüllt der Mahlzeitendienst die Voraussetzungen des § 65 Nr. 2 AO. Nach dieser Vorschrift kann ein Zweckbetrieb nur vorliegen, wenn die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nur durch einen solchen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erreicht werden können. Die steuerbegünstigten Zwecke müssten ohne die wirtschaftliche Betätigung nicht erreichbar sein. Das ist nur der Fall, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb sich von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen lässt, vielmehr als das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks anzusehen ist (st. Rspr., z. B. BFH-Urteil vom 16.12.2009 I R 49/08, BStBl II 2011, 398). So liegt der Fall hier.
    Eine Betreuung, Qualifizierung und Beschäftigung der Maßnahmeteilnehmer mit dem Ziel einer „Wiedereingewöhnung in die Arbeit” ist gerade nur durch den Einsatz der Personen in einem Arbeitsprozess wie dem des Mahlzeitendienstes denkbar.
    c) Schließlich erfüllt der Mahlzeitendienst auch die Anforderungen des § 65 Nr. 3 AO. Dieser verlangt für die Annahme eines Zweckbetriebs, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.
    Die Frage, ob der Wettbewerb bei Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbar ist muss nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17.02.1010 I R 2/08, BStBl II 2010, 1006, m.w.N), der sich der erkennende Senat anschließt, vor dem Hintergrund der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Wettbewerbsneutralität beantwortet werden. Ein steuerlicher Eingriff in den Wettbewerb muss durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Es ist eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem intakten Wettbewerb und an der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten abzuwägen. Ist der steuerbegünstigte Zweck auch ohne die steuerlich begünstigte Tätigkeit zu erreichen, so ist die steuerliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs vermeidbar. Demgegenüber ist der Wettbewerb bei einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unvermeidbar, wenn die Leistungen notwendiges Mittel zur Erreichung eines ideellen Zwecks sind, den Wettbewerber ihrerseits nicht verfolgen (BFH-Urteil vom 17.2.1010 I R 2/08, BStBl II 2010, 1006, juris Tz. 30 f.) Der Wettbewerbsgedanke tritt insbesondere zurück, wenn die Leistung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nur darin besteht, auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbare Personen beruflich zu qualifizieren und/oder sozialpädagogisch zu betreuen, um sie auf eine Tätigkeit im normalen Arbeitsprozess vorzubereiten (BFH-Urteil v. 26.04.1995 I R 35/93, BStBl II 1995, 767, juris, Tz. 20 ff., insbes. Tz. 25 zur sog. arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft).
    Letzteres ist bei der Klägerin der Fall. Der ganz überwiegende Einsatz benachteiligter Personen im Mahlzeitendienst und deren Betreuung ist ein sachlicher Grund für eine steuerrechtliche Begünstigung gegenüber den Wettbewerbern. Die Klägerin beschäftigt in ihrem Mahlzeitendienst, sowohl in der Küche als auch für die Auslieferung des Essens – von den zwei notwendigen Anleitungs- oder Ausbildungspersonen abgesehen – ausschließlich auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Personen (Langzeitarbeitslose) und betreut diese zum großen Teil sozialpädagogisch an zwei Tagen wöchentlich. Dies ist bei anderen am Markt tätigen, nicht steuerbegünstigten Mahlzeitendiensten nicht der Fall. Die ausschließliche Beschäftigung der Langzeitarbeitslosen im Mahlzeitendienst nebst deren sozialtherapeutischer Betreuung ist notwendiges Mittel zur Erreichung des ideellen Zwecks der Klägerin, die beschäftigten Personen durch Einsatz in einem normalen Arbeitsprozess, d. h. am Markt, wieder an normale Arbeit heranzuführen. Diesen Zweck verfolgen (potentielle) Wettbewerber nicht. Diese beschäftigen nicht nahezu ausschließlich den bei der Klägerin geförderten Personenkreis und betreuen diesen auch nicht umfänglich sozialtherapeutisch.
    Anders als der Beklagte ist der erkennende Senat nicht der Auffassung, dass sich die im Urteil des FG Brandenburg vom 25.11.1998 (2 K 825/96 G, EFG 1999, 199) niedergelegte Ansicht, welche die oben dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des BFH einschränkt, auf den hier vorliegenden Streitfall übertragen lässt.
    Nach dieser Ansicht soll § 65 Nr. 3 AO eine Zurückhaltung am Markt gebieten (ebenso FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.02.2002 II 374/98, EFG 2002, 739). Diese Zurückhaltung werde durch eine aktiv ausgeprägte Teilnahme des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs am Markt verletzt. In seinem Urteil kam das Gericht zu dem Schluss, dass sich der zu beurteilende Kantinenbetrieb insbesondere wegen seiner hohen Umsätze kaum von kommerziell geführten Kantinenbetrieben unterscheide, so dass kein rechtfertigender Grund für eine Wettbewerbsbeeinträchtigung durch eine Steuerbegünstigung vorliege.
    Nach Auffassung des erkennenden Senats enthält § 65 Nr. 3 AO kein generelles Gebot der Zurückhaltung am Markt, insbesondere keine Umsatzgrenze. Der nach dieser Norm zulässige Umfang der Tätigkeit eines Zweckbetriebs ist individuell danach zu bestimmen, inwieweit die Tätigkeit zur Erfüllung der jeweiligen steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.
    Im hier vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass in dem Mahlzeitendienst, anders als bei Wettbewerbern, nahezu ausschließlich die sog. Maßnahmeteilnehmer beschäftigt waren und parallel sozialtherapeutisch betreut wurden. Es handelte sich nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Klägerin um „schwierige Personen”, insbesondere auch um ehemalige Alkoholiker, die ohne Betreuung nicht in einem Betrieb eingesetzt werden können. Wollte man aus § 65 Nr. 3 AO ein generelles Zurückhaltungsgebot in Form einer Umsatzbegrenzung ableiten, so würde dies im hier zu beurteilenden Fall zu einer Zweckvereitelung führen. Der Zweck der Beschäftigung der Maßnahmeteilnehmer liegt darin, diese Personen in reale Arbeitsprozesse zu integrieren, um ihnen einen Wiedereinstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern. Die Teilnahme am Wettbewerb, also auch das Ausführen von Umsätzen, ist daher zur Zweckerreichung unvermeidbar. Ein reiner „Innenbetrieb”, der keine Ausgangsumsätze ausführt oder auch ein Betrieb, der nur begrenzt Ausgangsumsätze ausführt, also nicht oder nur limitiert am realen Marktgeschehen teilnimmt, kann nicht zur Erreichung der Zwecke der Klägerin führen, zumal typischerweise das Erzielen hoher Umsätze oder Gewinn der realen Arbeitswelt immanent ist.
    4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 137 Satz 1 FGO. Grundsätzlich sind dem unterlegenen Teil die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO). Hiervon abweichend können die Kosten ganz oder teilweise dem obsiegenden Teil auferlegt werden, wenn die Entscheidung auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen können und sollen (§ 137 Satz 1 FGO). Der entscheidungserhebliche Sachverhalt wurde von der Klägerin erstmals im Klageverfahren vorgetragen, obwohl ihr dieser Vortrag bereits im Vorverfahren möglich war. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung dazu verpflichtet war, den Sachverhalt umfänglich aufzuklären und rechtlich zu würdigen. Da nicht genau feststellbar ist, inwieweit die Nichtaufklärung vom Beklagten oder von der Klägerin mangels eigener Mitwirkung verursacht wurde, hält der Senat eine hälftige Teilung der Kosten für ermessensgerecht. Nähere Aufklärung durch den Senat ist im Rahmen der Kostenentscheidung als Nebenentscheidung nicht zu betreiben.
    5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
    6. Der Senat hat die Revision wegen der Abweichung von den genannten Urteilen des FG Brandenburg und des FG Schleswig-Holstein gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenKStG § 5 Abs. 1 Nr. 9, AO § 65 Nr. 1, AO § 65 Nr. 2, AO § 65 Nr. 3