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  • 22.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110653

    Europäischer Gerichtshof: Schlussanträge vom 13.01.2011 – C-262/09

    Schlußanträge der Generalanwältin 13.1.2011


    SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    VERICA TRSTENJAK

    vom 13. Januar 2011(1)

    Rechtssache C‑262/09

    Wienand Meilicke,

    Heidi Christa Weyde,

    Marina Stöffler

    gegen

    Finanzamt Bonn-Innenstadt

    (Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Köln [Deutschland])

    „Kapitalverkehrsfreiheit – Vermeidung von Doppelbesteuerung von Dividenden – Einkommensteuer – Körperschaftsteuer – Nachweis der Körperschaftsteuervorbelastung – Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten – Äquivalenzgrundsatz – Effektivitätsgrundsatz“

    Inhaltsverzeichnis

    I – Einführung

    II – Rechtlicher Rahmen

    A – Unionsrecht

    B – Nationales Recht

    III – Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

    A – Sachverhalt

    B – Erstes Vorabentscheidungsersuchen und Urteil vom 6. März 2007

    C – Zweites Vorabentscheidungsersuchen

    IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

    V – Vorbringen der Parteien

    A – Erste Vorlagefrage

    B – Zweite Vorlagefrage

    C – Dritte Vorlagefrage

    D – Vierte Vorlagefrage

    VI – Rechtliche Würdigung

    A – Einführende Bemerkungen

    B – Erste Vorlagefrage

    C – Zweite Vorlagefrage

    D – Dritte Vorlagefrage

    E – Vierte Vorlagefrage

    1. Teilfrage 4b

    2. Teilfrage 4a

    VII – Ergebnis

    I – Einführung

    1. Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wendet sich das Finanzgericht Köln im Rahmen eines bei ihm anhängigen Rechtsstreits über die Besteuerung von ausländischen Dividendenausschüttungen ein zweites Mal an den Gerichtshof. Dabei ersucht es im Wesentlichen um Aufklärung darüber, wie es die Vorgaben des Gerichtshofs im Urteil vom 6. März 2007, Meilicke(2), das in Beantwortung seines ersten Vorabentscheidungsersuchens in diesem Ausgangsverfahren ergangen ist, rechtspraktisch umzusetzen hat.

    2. Im Ausgangsverfahren stehen sich Herr W. Meilicke sowie Frau H. C. Weyde und Frau M. Stöffler als Erben des am 3. Mai 1997 verstorbenen H. Meilicke als Kläger einerseits und das Finanzamt Bonn-Innenstadt als Beklagter andererseits gegenüber. Strittig ist u. a. die Anwendung einer nationalen Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Dividenden, die dem verstorbenen H. Meilicke in den Jahren 1995 bis 1997 von Gesellschaften mit Sitz in Dänemark und in den Niederlanden gezahlt worden sind.

    3. Dazu hat der Gerichtshof im Urteil Meilicke festgestellt, dass eine nationale Regelung zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen, nach der die auf Dividendenausschüttungen lastende Körperschaftsteuer durch die Gewährung einer der Körperschaftsteuervorbelastung entsprechenden Einkommensteuergutschrift an die in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner ausgeglichen wird, in gleichwertiger Weise auf inländische Dividenden und auf EU‑ausländische Dividenden Anwendung finden muss.

    4. Wenngleich diese Antwort dem vorlegenden Gericht Klarheit über die im Ausgangsverfahren anzuwendenden Regeln verschafft hat, sieht es sich nunmehr mit dem Problem konfrontiert, dass sich die Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden in der Praxis nur schwer ermitteln lässt. Vor diesem Hintergrund ersucht es den Gerichtshof im Wesentlichen um weitere Aufklärung darüber, wie und unter Beachtung welcher verfahrensrechtlichen Regeln die einkommensteuerliche Anrechnung der auf EU‑ausländischen Dividendenausschüttungen lastenden Körperschaftsteuer im Ausgangsverfahren praktisch zu erfolgen hat.

    II – Rechtlicher Rahmen

    A – Unionsrecht(3)

    5. Die Zusammenarbeit zwischen den Steuerverwaltungen innerhalb der Gemeinschaft ist Gegenstand der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Steuern auf Versicherungsprämien(4).

    6. Gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie kann die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats um die Erteilung aller Auskünfte, die für die korrekte Festsetzung der Einkommen- und Vermögensteuern geeignet sein können, ersuchen. Die zuständige Behörde des um Auskunft ersuchten Staates braucht dem Ersuchen nach dieser Bestimmung nicht zu entsprechen, wenn es scheint, dass die zuständige Behörde des ersuchenden Staates ihre eigenen üblichen Auskunftsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, von denen sie nach Lage des Falles ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks hätte Gebrauch machen können.

    7. Laut Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 77/799 lässt die zuständige Behörde des um Auskunft ersuchten Mitgliedstaats zur Erteilung der Auskünfte gegebenenfalls die erforderlichen Ermittlungen durchführen. Zur Beschaffung der erbetenen Auskünfte verfährt die ersuchte Behörde oder die von ihr befasste Verwaltungsbehörde so, als ob sie in Erfüllung eigener Aufgaben oder auf Ersuchen einer anderen Behörde ihres Landes handelte.

    B – Nationales Recht

    8. Nach den §§ 1, 2 und 20 des Einkommensteuergesetzes vom 7. September 1990(5) in der in den Streitjahren gültigen Fassung (im Folgenden: EStG) werden von Kapitalgesellschaften ausgeschüttete Dividenden, die in Deutschland wohnhaften einkommensteuerpflichtigen Personen zugutekommen, dort als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert.

    9. Nach § 27 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes vom 11. März 1991(6) in der in den Streitjahren gültigen Fassung (im Folgenden: KStG) wird auf Eigenkapital, das der Körperschaftsteuer unterliegt und von in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften als Dividende ausgeschüttet wird, eine Ausschüttungsbelastung zum Satz von 30 % erhoben.

    10. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 20 EStG können Steuerpflichtige von ihrer Einkommensteuerschuld gegenüber dem deutschen Fiskus 3/7 der ihnen von inländischen unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften oder Personenvereinigungen gezahlten Dividenden abziehen, soweit diese aus der Körperschaftsteuer unterliegenden Ausschüttungen stammen und soweit die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Einkommensteuerveranlagung als steuerpflichtige Einnahme erfasst wird.

    11. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG setzt eine Körperschaftsteueranrechnung die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 und 45 KStG voraus.

    12. Gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung vom 16. März 1976 in der in den Streitjahren gültigen Fassung (im Folgenden: AO) ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 9. Dezember 2004(7) wurde § 175 AO mit Wirkung ab dem 29. Oktober 2004 dahin gehend geändert, dass die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung nicht mehr als rückwirkendes Ereignis gilt. Eine Übergangsregelung ist nicht vorgesehen.

    III – Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

    A – Sachverhalt

    13. In den Jahren 1995 bis 1997 bezog der in Deutschland wohnhafte deutsche Staatsangehörige H. Meilicke aus von ihm gehaltenen Aktien niederländischer und dänischer Gesellschaften Dividenden. Auf diese Kapitaleinkünfte wurde in Deutschland Einkommensteuer erhoben, ohne Anrechnung der in den Niederlanden und in Dänemark veranlagten Körperschaftsteuer auf die als Dividenden ausgeschütteten Gesellschaftsgewinne.

    14. Der Einkommensteuerbescheid 1995 für H. Meilicke vom 16. Februar 1998 und der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 7. September 1998 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Einkommensteuerbescheid 1997 für H. Meilicke vom 26. Juli 2000 enthält keinen Vorbehalt der Nachprüfung.

    15. Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind Erben des 1997 verstorbenen H. Meilicke.

    16. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 beantragten die Kläger des Ausgangsverfahrens bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf die für H. Meilicke veranlagte Einkommensteuer auf die Dividenden aus niederländischen und dänischen Aktien aus den Jahren 1995 bis 1997.

    17. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens lehnte diesen Antrag auf Körperschaftsteueranrechnung mit einer Entscheidung vom 30. November 2000 ab, wogegen die Kläger des Ausgangsverfahrens am 16. Januar 2001 Einspruch einlegten. Mit Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002 wurde auch dieser Einspruch abgelehnt. Dabei vertrat der Beklagte des Ausgangsverfahrens im Ergebnis die Ansicht, dass nach damaliger Rechtslage nur die Körperschaftsteuer, die von in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften für die ausgeschütteten Dividenden geschuldet werde, auf die von den Anteilseignern geschuldete Einkommensteuer angerechnet werden könne. Nach Auffassung der Kläger des Ausgangsverfahrens stellt dies eine unerlaubte Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Niederlassungsfreiheit dar, so dass sie vor dem vorlegenden Gericht Klage erhoben.

    B – Erstes Vorabentscheidungsersuchen und Urteil vom 6. März 2007

    18. Mit am 9. Juli 2004 beim Gerichtshof eingegangener Entscheidung hat das vorlegende Gericht das Verfahren ein erstes Mal ausgesetzt und dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG, wonach nur die Körperschaftsteuer einer in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 3/7 der Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet wird, mit Art. 56 Abs. 1 EG und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG vereinbar ist.

    19. In Antwort auf diese Frage hat der Gerichtshof im Urteil Meilicke(8) für Recht erkannt, dass die Art. 56 EG und 58 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer Steuerregelung entgegenstehen, nach der bei einer Ausschüttung von Dividenden durch eine Kapitalgesellschaft ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner dann in den Genuss einer Steuergutschrift kommt, die nach Maßgabe des für die ausgeschütteten Gewinne geltenden Körperschaftsteuersatzes berechnet wird, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im selben Mitgliedstaat hat, nicht aber dann, wenn sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

    C – Zweites Vorabentscheidungsersuchen

    20. Unter Berücksichtigung der im Urteil vom 6. März 2007 enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben ist das vorlegende Gericht nunmehr der Auffassung, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens die Voraussetzungen für die einkommensteuerliche Anrechnung der Körperschaftsteuer, die auf den Dividendenausschüttungen der dänischen und niederländischen Gesellschaften lastet, grundsätzlich erfüllen. Das vorlegende Gericht ist sich jedoch im Unklaren darüber, wie und unter Beachtung welcher verfahrensrechtlichen Regeln und Bedingungen diese Anrechnung praktisch zu erfolgen hat. Es stellt sich insbesondere die Frage, in welcher Weise und von welchen Parteien der Nachweis über die ausländische Körperschaftsteuervorbelastung zu erbringen ist. Ein weiterer Fragenkomplex, mit dem sich das vorlegende Gericht konfrontiert sieht, ist, ob und, wenn ja, in welcher Weise eine einkommensteuerliche Anrechnung der auf EU‑ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer zu erfolgen hat, wenn die tatsächlich geschuldete bzw. entrichtete Körperschaftsteuer faktisch nicht feststellbar ist und sogar höher sein könnte als die auf inländischen Dividenden lastende Körperschaftsteuer. Schließlich stellt es sich ebenfalls die Frage, ob und unter welchen Bedingungen eine nachträgliche Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuervorbelastung trotz Vorliegen von bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen geboten ist.

    21. Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht entschieden, das bei ihm anhängige Verfahren erneut auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1. Stehen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG, der Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des Effet utile einer Regelung – wie § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) – entgegen, wonach die Körperschaftsteuer in Höhe von 3/7 der Bruttodividenden auf die Einkommensteuer angerechnet wird, soweit diese nicht aus Ausschüttungen stammen, für die Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 KStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) als verwendet gilt, obwohl die auf der von einer im EG-Ausland ansässigen Körperschaft bezogenen Dividende lastende tatsächlich entrichtete Körperschaftsteuer faktisch nicht feststellbar ist und höher sein könnte?

    2. Stehen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG, der Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des Effet utile einer Regelung – wie § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) – entgegen, wonach die Anrechnung der Körperschaftsteuer die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) erfordert, die u. a. den Betrag der anrechenbaren Körperschaftsteuer sowie die Zusammensetzung der Leistung nach den unterschiedlichen Teilen des verwendbaren Eigenkapitals auf der Grundlage einer speziellen Eigenkapitalgliederung im Sinne des § 30 KStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) enthalten muss, obwohl die tatsächlich entrichtete anzurechnende ausländische Körperschaftsteuer faktisch nicht festzustellen und die Bescheinigung im Hinblick auf ausländische Dividenden faktisch unmöglich beizubringen ist?

    3. Gebietet es die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG bei tatsächlicher Unmöglichkeit der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne des § 44 KStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) und in Ermangelung der Feststellbarkeit der auf der ausländischen Dividende lastenden tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer die Höhe der Körperschaftsteuerbelastung zu schätzen und gegebenenfalls dabei auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen zu berücksichtigen?

    4. a) Falls Frage 2 verneint wird und eine Körperschaftsteuerbescheinigung erforderlich ist: Sind der Effektivitätsgrundsatz und Effet utile dahin gehend zu verstehen, dass sie einer Regelung – wie § 175 Abs. 2 Satz 2 AO in Verbindung mit Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO – entgegenstehen, wonach u. a. die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung ab dem 29. Oktober 2004 nicht mehr als rückwirkendes Ereignis gilt, wodurch die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer bei bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen verfahrensrechtlich unmöglich gemacht wird, ohne dass eine Übergangsfrist zur Geltendmachung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer eingeräumt worden ist?

    b) Falls Frage 2 bejaht wird und keine Körperschaftsteuerbescheinigung erforderlich ist: Sind die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG, der Effektivitätsgrundsatz und Effet utile dahin gehend zu verstehen, dass sie einer Regelung – wie § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO – entgegenstehen, wonach ein Steuerbescheid zu ändern ist, soweit ein rückwirkendes Ereignis – wie etwa die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung – eintritt und damit bezüglich inländischer Dividenden eine Körperschaftsteueranrechnung auch bei bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden möglich ist, während dies bei ausländischen Dividenden mangels Körperschaftsteuerbescheinigung nicht möglich wäre?

    IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

    22. Die Vorlageentscheidung mit Datum vom 14. Mai 2009 ist am 13. Juli 2009 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen. Im schriftlichen Verfahren haben die Kläger des Ausgangsverfahrens, der Beklagte des Ausgangsverfahrens, die deutsche Regierung sowie die Europäische Kommission Erklärungen eingereicht. An der Sitzung vom 27. Oktober 2010 haben die Vertreter der Kläger des Ausgangsverfahrens, des Beklagten des Ausgangsverfahrens, der deutschen Regierung und der Kommission teilgenommen.

    V – Vorbringen der Parteien

    A – Erste Vorlagefrage

    23. Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine nationale Regelung zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen von als Dividenden ausgeschütteten Gesellschaftsgewinnen mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn nach dieser Regelung die auf Dividendenausschüttungen lastende Körperschaftsteuervorbelastung sowohl im Falle von inländischen als auch von EU-ausländischen Dividenden in Form einer Gutschrift mit einer festen Höhe von 3/7 der Bruttodividende auf die Einkommensteuer angerechnet wird, obwohl die auf den EU‑ausländischen Dividenden lastende Körperschaftsteuer faktisch nicht feststellbar ist und höher als die auf inländischen Dividenden lastende feste Ausschüttungsbelastung von 30 % sein könnte.

    24. Nach Auffassung der Kommission möchte das vorlegende Gericht mit dieser ersten Frage klären lassen, ob sich die Höhe des Betrags an ausländischer Körperschaftsteuer, der nach den Grundsätzen des Urteils Meilicke anzurechnen ist, grundsätzlich nach der effektiven Vorbelastung der Ausschüttung oder vielmehr nach dem gesetzlich festgestellten Bruchteil von 3/7 der Bruttodividende richten soll. Sofern es im Prinzip auf die effektive Vorbelastung ankomme, möchte das vorlegende Gericht zudem wissen, ob dann, wenn es faktisch unmöglich oder unzumutbar ist, diese Vorbelastung festzustellen, auf andere Kriterien abzustellen ist.

    25. Die Kommission trägt vor, dass sich die anzurechnende ausländische Körperschaftsteuer nach der effektiven Vorbelastung der Ausschüttung richten sollte. Diese brauche jedoch nicht höher zu sein als der Bruchteil der Ausschüttung, der im Falle von Dividenden inländischer Gesellschaften angerechnet werde. Sollte es in einem bestimmten Fall unmöglich oder unzumutbar sein, die effektive Vorbelastung festzustellen, so würde dies nichts daran ändern, dass die effektive Vorbelastung den einschlägigen Bezugswert darstelle. Namentlich würde es nicht dazu führen, dass auf alternative Bezugswerte wie etwa den in § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG genannten Betrag von 3/7 der Ausschüttung zurückzugreifen wäre.

    26. Nach Auffassung der deutschen Regierung sowie des Beklagten des Ausgangsverfahrens soll die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer in Höhe der effektiven Steuerbelastung erfolgen, ohne Berücksichtigung mittelbarer Vorbelastungen. Zudem sei der Anrechnungsbetrag durch die Einkommensteuerschuld des Anteilseigners begrenzt, die auf die bezogene Dividende entfalle.

    27. Die Kläger des Ausgangsverfahrens tragen im Ergebnis vor, dass die anzurechnende Körperschaftsteuer nach der von der ausschüttenden Gesellschaft abstrakt geschuldeten Steuer berechnet werden müsse, die unmittelbar oder mittelbar auf den ausgeschütteten Dividenden lastet. Dabei dürfe der Anrechnungsbetrag keinesfalls auf die Einkommensteuerschuld des Anteilseigners begrenzt werden, die auf die bezogene Dividende entfalle.

    B – Zweite Vorlagefrage

    28. Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und unter welchen Bedingungen die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster, die für die Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung inländischer Dividenden auf die vom Anteilseigner geschuldete Einkommensteuer gesetzlich erfordert wird, auch zur Bedingung für die Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden gemacht werden darf.

    29. Nach Auffassung der Kommission muss bei der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage, ob vom Steuerpflichtigen eine Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG hinsichtlich EU‑ausländischer Dividenden verlangt werden kann, zwischen den nötigen Beweisen an sich und den detaillierten Bestimmungen der §§ 44 f. KStG unterschieden werden. Hierzu gelte, dass das Unionsrecht die Mitgliedstaaten normalerweise nicht verpflichte, Steuervorteile ohne die nötigen Belege einzuräumen. Dies bedeute jedoch nicht, dass ein Mitgliedstaat in einer Situation wie der des Streitfalls die bei der Beweisführung einzuhaltenden Formen und anzuwendenden Mittel beliebig bestimmen könne. Vielmehr müsse er sich auf das beschränken, was angesichts des Zwecks der einschlägigen nationalen Vorschrift tatsächlich notwendig sei und daher einem berechtigten Informationsinteresse entspreche. Vor diesem Hintergrund könne der betroffene Mitgliedstaat nicht verlangen, dass sämtliche relevanten Informationen aus einem einheitlichen, von der Körperschaft ausgestellten und genau dem Muster des § 44 KStG folgenden Dokument hervorgehen. Es müsse genügen, wenn die einschlägigen Belege und Informationen der Finanzverwaltung in einer für sie verwendbaren Form vorgelegt würden. Darüber hinaus könne der betroffene Mitgliedstaat nicht auf der Vorlage von Informationen und Belegen bestehen, von denen feststehe, dass sie in dem gegebenen Einzelfall nicht relevant seien. Auch eine solche Forderung wäre unverhältnismäßig.

    30. Die deutsche Regierung ist der Auffassung, dass es weder gegen die Art. 56 EG und 58 EG noch gegen das Äquivalenz- und Effektivitätsprinzip verstoße, wenn von dem Steuerpflichtigen, der eine Steuergutschrift in Anspruch nehmen wolle, eine Steuerbescheinigung bzw. gleichwertige Nachweise über die ausländische Körperschaftsteuer gefordert würden. Wenngleich dieser Nachweis nicht zwangsläufig einem bestimmten Muster entsprechen müsse, sei als Grundlage der Anrechnung prinzipiell nur ein Nachweis zu akzeptieren, der in klarer und nachvollziehbarer Weise Auskunft über die tatsächliche Vorbelastung der erhaltenen Dividenden mit Körperschaftsteuer gebe. Im Übrigen seien die Finanzbehörden nicht dazu verpflichtet, von den Mitteln der grenzüberschreitenden Amtshilfe nach der Richtlinie 77/799 Gebrauch zu machen, um fehlende Angaben und Nachweise des Steuerpflichtigen zu ergänzen.

    31. Zur zweiten Vorlagefrage hat der Beklagte des Ausgangsverfahrens in seiner schriftlichen Stellungnahme vorgetragen, dass weder die Art. 56 EG und 58 EG noch der Effektivitätsgrundsatz und der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit einer nationalen Regelung entgegenstünden, wonach die einkommensteuerliche Anrechnung der auf EU‑ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG erfordere. In der mündlichen Verhandlung dazu befragt, hat der Beklagte des Ausgangsverfahrens diese Auffassung allerdings revidiert und sich im Ergebnis dem Standpunkt der Kommission angeschlossen.

    32. Die Kläger des Ausgangsverfahrens tragen im Ergebnis vor, dass die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG nicht zur Voraussetzung für eine einkommensteuerliche Anrechnung der auf ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer gemacht werden dürfe.

    C – Dritte Vorlagefrage

    33. Mit seiner dritten Vorlagefrage ersucht das vorlegende Gericht um Aufklärung darüber, ob die Art. 56 EG und 58 EG es einem nationalen Gericht gebieten, die auf EU‑ausländischen Dividenden lastende Körperschaftsteuer zu schätzen, wenn die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne des § 44 KStG nicht möglich ist und die tatsächlich entrichtete Körperschaftsteuer nicht festgestellt werden kann. Das vorlegende Gericht fragt außerdem, ob bei dieser Schätzung gegebenenfalls auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen zu berücksichtigen sind.

    34. Nach Auffassung der Kommission kann sich eine Pflicht, die Körperschaftsteuervorbelastung von Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften zu schätzen, aus dem Unionsrecht in Verbindung mit allgemeinen innerstaatlichen Vorschriften zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ergeben. Eine solche Pflicht bestehe insoweit, als ein Steuerpflichtiger in einer vergleichbaren rein inländischen Situation ebenfalls in den Genuss einer Schätzung käme. Unabhängig von solchen innerstaatlichen Bestimmungen zur Schätzung müsse die Finanzbehörde nach Art. 56 EG eine solche Vorbelastung jedoch stets in dem Umfang anrechnen, in dem der Steuerpflichtige sie hinreichend belegt habe, selbst wenn der genaue Umfang der Vorbelastung nicht ermittelt werden könne.

    35. Zur Frage der Berücksichtigung mittelbarer Körperschaftsteuervorbelastungen auf Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften trägt die Kommission vor, dass einem steuerpflichtigen Anteilseigner nach Art. 56 EG ein Anspruch auf Berücksichtigung der Vorbelastungen, die bei Tochtergesellschaften der ausschüttenden Gesellschaft eingetreten seien, zustehe, wenn ein Steuerpflichtiger auch im Fall von Dividenden inländischer Gesellschaften solche Vorbelastungen anrechnen könne.

    36. Die deutsche Regierung trägt einerseits vor, dass eine Berücksichtigung mittelbarer Körperschaftsteuervorbelastungen EU‑ausländischer Dividenden ausscheiden müsse, weil das frühere deutsche Körperschaftsteuersystem darauf ausgerichtet gewesen sei, die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividenden jeweils auf der nächsthöheren Gesellschafterebene zu vermeiden. Es werde allein die Körperschaftsteuer der ausschüttenden Gesellschaft angerechnet. Darüber hinaus setze die Anrechnung der auf Dividenden inländischer Unternehmen lastenden Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Anteilseigners stets die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung voraus. Somit könne auch die im Ausland geschuldete Körperschaftsteuer nur dann auf die Einkommensteuer des Anteilseigners angerechnet werden, wenn dieser Nachweise vorlege, aus denen sich die tatsächlich geschuldete Körperschaftsteuer klar und nachvollziehbar ablesen lasse.

    37. Auch nach Auffassung des Beklagten des Ausgangsverfahrens ist eine Berücksichtigung mittelbarer Körperschaftsteuervorbelastungen EU‑ausländischer Dividenden ausgeschlossen. Zum Nachweis der unmittelbaren Vorbelastungen sei zudem auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Körperschaftsteuerbescheinigung stets erforderlich. Die Frage, ob die nationalen Finanzbehörden, die den Dividendenempfänger besteuerten, gehalten seien, sich aufgrund der Richtlinie 77/799 an die Behörden des anderen Mitgliedstaats zu wenden, um die fehlenden Auskünfte zu erhalten, sei zu verneinen.

    38. Die Kläger des Ausgangsverfahrens bejahen im Ergebnis die Möglichkeit einer Schätzung der nicht feststellbaren Körperschaftsteuervorbelastung von Dividenden ausländischer Gesellschaften. Dabei sei auch die mittelbare Körperschaftsteuervorbelastung zu berücksichtigen.

    D – Vierte Vorlagefrage

    39. Mit seiner vierten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht einerseits wissen, ob eine Auslegung von § 175 AO, in der bis zum 28. Oktober 2004 gültigen Fassung, nach der ein bereits bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid aufgrund der nachträglichen Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG berichtigt werden kann, während eine solche Berichtigung auf der Grundlage von ausländischen Erklärungen oder Bescheinigungen, die den formalen Vorgaben der §§ 44 f. KStG nicht entsprechen, ausgeschlossen ist, mit dem Unionsrecht vereinbar ist (Vorlagefrage 4b). Das vorlegende Gericht fragt zudem, ob der rückwirkende Wegfall dieser in § 175 AO vorgesehenen Möglichkeit der Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide mit dem Unionsrecht vereinbar ist (Vorlagefrage 4a).

    40. Nach Auffassung der Kommission stellt § 175 AO eine Vorschrift über das Verfahren dar, der folglich dem Grundsatz der Äquivalenz genügen müsse. Demnach sei eine innerstaatliche Regelung wie § 175 AO mit dem Unionsrecht unvereinbar, wenn sie es im Fall von Dividenden inländischer Gesellschaften ermögliche, die Körperschaftsteuervorbelastung auch noch nach Eintritt der Bestandskraft des betreffenden Einkommensteuerbescheids anzurechnen, und zwar durch die nachträgliche Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung, die den Anspruch auf Anrechnung der Vorbelastung belege, dieselbe Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide aber nicht ermögliche im Falle von Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften, selbst wenn der Anspruch auf Anrechnung durch die nachträgliche Vorlage anderer geeigneter Dokumente belegt werde.

    41. Darüber hinaus stehe das Unionsrecht der vom vorlegenden Gericht dargestellten rückwirkenden Änderung von § 175 AO entgegen, soweit diese zur Folge habe, dass die nachträgliche Vorlage der erforderlichen Unterlagen für die Anrechnung einer Körperschaftsteuervorbelastung nicht mehr zu einer Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide hinsichtlich EU‑ausländischer Dividenden führen könne, ohne dass eine Übergangsregelung mit einer angemessenen Frist vorgesehen werde, innerhalb deren diese Unterlagen zum Zwecke der Anrechnung eingereicht werden könnten.

    42. Nach Auffassung der deutschen Regierung und des Beklagten des Ausgangsverfahrens ist eine nationale Regelung, nach der die nachträgliche Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne von §§ 44 f. KStG die verfahrensrechtliche Grundlage für eine Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide bilde, während eine solche Berichtigung bei nachträglicher Vorlage ausländischer Bescheinigungen oder Erklärungen, die die formalen Voraussetzungen der §§ 44 f. KStG nicht erfüllen, ausgeschlossen sei, ohne Weiteres mit dem Unionsrecht vereinbar. Darüber hinaus sei die rückwirkende Aufhebung dieser Regelung unter den besonderen Bedingungen des Ausgangsverfahrens auch dann mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn dadurch auch die verfahrensrechtliche Grundlage für eine nachträgliche Anrechnung EU‑ausländischer Körperschaftsteuer rückwirkend und ohne Übergangsregelung entfallen würde. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die im Ausgangsverfahren ratione temporis anwendbare Steuerregelung zur Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung von Dividenden – das sogenannte Vollanrechnungsverfahren – nur bis 2001 gegolten habe. Demnach sei es unionsrechtlich unbedenklich, dass der deutsche Gesetzgeber fast vier Jahre nach Außerkrafttreten des Vollanrechnungsverfahrens bestimmte verfahrensrechtliche Modifikationen vorgenommen habe, die sich auch auf dieses System auswirken.

    43. Entscheidend für die Beantwortung der vierten Vorlagefrage ist nach Auffassung der Kläger des Ausgangsverfahrens, dass die Bundesrepublik Deutschland bis jetzt keine Körperschaftsteuerbescheinigung nach amtlichem Muster für ausländische Dividenden zur Verfügung gestellt habe. Weil die Bundesrepublik Deutschland für die Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden auf der Vorlage einer solchen Bescheinigung bestanden habe, würde es die Durchsetzung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, wenn die Übergangsfrist für die Änderung des § 175 AO so festgestellt würde, dass die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung nach amtlichem Muster für ausländische Dividenden nicht mehr zu einer Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide führen könne, bevor eine solche Bescheinigung überhaupt zur Verfügung gestellt würde.

    VI – Rechtliche Würdigung

    A – Einführende Bemerkungen

    44. Die vier Vorlagefragen, die es im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren zu beantworten gilt, sind unter Verweisung auf verschiedene nationale Steuervorschriften und somit besonders technisch formuliert. Für ein besseres Verständnis scheint es mir geboten, den nationalen steuerrechtlichen Hintergrund dieser Fragen kurz zu umreißen. Dies wird es zudem ermöglichen, die Vorlagefragen auf ihren unionsrechtlich relevanten Kern zu reduzieren.

    45. Das Ausgangsverfahren wirft Fragen der Besteuerung von Dividenden auf, die von unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften an ihre in der Bundesrepublik Deutschland einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner ausgeschüttet werden. Aus dem Vorlagebeschluss und den von den Parteien eingereichten Erklärungen geht hervor, dass inländische Dividenden nach dem ratione temporis anwendbaren nationalen Recht als aus dem für Ausschüttungen verwendbaren Eigenkapital solcher Gesellschaften geleistet gelten. Vor ihrer Ausschüttung unterliegen diese Dividenden in der Regel der von der Gesellschaft geschuldeten Körperschaftsteuer, nach ihrer Ausschüttung an die einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner unterliegen sie der Einkommensteuer.

    46. Um eine Doppelbesteuerung solcher Ausschüttungen zu vermeiden, enthält das im relevanten Zeitraum anwendbare deutsche Steuerrecht eine komplexe Regelung, bei der die von den Unternehmen auf die ausgeschütteten Dividenden geschuldete Körperschaftsteuer den einkommensteuerpflichtigen Anteilseignern in Form einer Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 der Bruttodividende erstattet wird(9).

    47. Ein wichtiges Merkmal dieses Anrechnungssystems ist, dass die variablen Körperschaftsteuersätze, die auf das für Ausschüttungen verwendbare Eigenkapital anwendbar sind, der festen Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 der Bruttodividende angepasst werden. Dies erfolgt im Grunde dadurch, dass im Falle einer Ausschüttung von Dividenden die auf diese Ausschüttung bereits erhobene Körperschaftsteuer erhöht oder gemindert wird, damit im Ergebnis eine körperschaftsteuerliche „Ausschüttungsbelastung“ von 30 % der Bruttodividende hergestellt wird. Einige Teilbeträge der körperschaftsteuerbefreiten Ausschüttungen sind allerdings von der Herstellung dieser „Ausschüttungsbelastung“ ausgenommen und bleiben somit im Ergebnis von der Körperschaftsteuer befreit. Im Fall einer Ausschüttung solchen nicht belasteten Eigenkapitals wird den Anteilseignern im Prinzip keine Steuergutschrift für die Einkommensteuer gewährt. Damit entspricht die Körperschaftsteueranrechnung in Höhe von 3/7 der Dividende in der Regel der tatsächlich von der ausschüttenden Gesellschaft gezahlten Körperschaftsteuer(10).

    48. Um den für die Einkommensteuererklärung der einzelnen Anteilseigner zuständigen Finanzämtern die Feststellung der genauen Höhe der Einkommensteuergutschrift zu ermöglichen, sind die Anteilseigner dazu gehalten, eine Körperschaftsteuerbescheinigung einzureichen, die vom ausschüttenden Unternehmen nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erstellen ist. Aufgrund dieser Bescheinigung lässt sich die effektive Körperschaftsteuervorbelastung der ausgeschütteten Dividenden ermitteln. Wenn diese Körperschaftsteuerbescheinigung nicht vorgelegt wird, ist eine Anrechnung der auf den Dividenden ruhenden Körperschaftsteuer gesetzlich ausgeschlossen.

    49. Ein weiteres Merkmal dieser Regelung ist schließlich, dass die Anrechnung der geschuldeten Körperschaftsteuer unabhängig von ihrer tatsächlichen Entrichtung erfolgt. Nach Darstellung des vorlegenden Gerichts führt die deutsche Steuerregelung jedoch in der Praxis in aller Regel zu dem Ergebnis, dass die Körperschaftsteueranrechnung in Höhe von 3/7 der Bruttodividende der tatsächlich von der ausschüttenden Gesellschaft gezahlten Körperschaftsteuer entspricht.

    B – Erste Vorlagefrage

    50. Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden auf die von den Anteilseignern geschuldete Einkommensteuer in Form einer Gutschrift in Höhe des für inländische Dividenden geltenden festen Bruchteils von 3/7 der Bruttodividenden erfolgen soll bzw. darf, wenn die effektive Körperschaftsteuervorbelastung dieser EU-ausländischen Dividenden nicht feststellbar ist und folglich höher als die auf inländischen Dividenden lastende feste Ausschüttungsbelastung von 30 % sein kann.

    51. Für die Beantwortung dieser Frage sei zunächst daran erinnert, dass der Gerichtshof im Urteil Meilicke(11) festgestellt hat, dass eine Steuerregelung, nach der ein in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner bei einer Ausschüttung von Dividenden durch eine Kapitalgesellschaft dann in den Genuss einer Steuergutschrift kommt, die nach Maßgabe des für die ausgeschütteten Gewinne geltenden Körperschaftsteuersatzes berechnet wird, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz in diesem Mitgliedstaat hat, nicht aber dann, wenn sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, mit den Art. 56 EG und 58 EG unvereinbar ist(12).

    52. Dem Urteil Meilicke lässt sich demnach entnehmen, dass die Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden in gleichwertiger Weise wie die Körperschaftsteuervorbelastung inländischer Dividenden auf die von den einkommensteuerpflichtigen Anteilseignern geschuldete Einkommensteuer angerechnet werden muss.

    53. Diese Pflicht kann unter Heranziehung mehrerer steuerverfahrensrechtlicher Lösungen erfüllt werden(13). Bei seiner Fragestellung geht das vorlegende Gericht davon aus, das hinsichtlich inländischer Dividenden geltende System der Gewährung von Einkommensteuergutschriften auch auf EU-ausländische Dividenden anwenden zu können. Eine solche Vorgehensweise ist mit dem Unionsrecht grundsätzlich vereinbar.

    54. Hinsichtlich inländischer Dividenden wird eine Doppelbesteuerung im Wesentlichen dadurch vermieden, dass die Körperschaftsteuervorbelastung der Dividenden mittels einer Einkommensteuergutschrift ausgeglichen wird, deren Höhe durch den auf die ausgeschütteten Gewinne effektiv anwendbaren Körperschaftsteuersatz bedingt ist: Die „feste“ Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 der inländischen Bruttodividenden entspricht grundsätzlich einer effektiven Körperschaftsteuervorbelastung in Höhe von 30 %(14). Daraus folgt unmittelbar, dass auch die Gewährung von Einkommensteuergutschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung EU‑ausländischer Dividendenausschüttungen bei der effektiven Körperschaftsteuervorbelastung dieser Dividenden anknüpfen muss. Unter effektiver Körperschaftsteuervorbelastung ist in diesem Zusammenhang die von der ausschüttenden Gesellschaft auf die Dividendenausschüttungen tatsächlich entrichtete bzw. zu entrichtende Körperschaftsteuer zu verstehen.

    55. Falls die effektive Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden 30 % oder weniger beträgt, folgt aus diesen Überlegungen, dass eine Einkommensteuergutschrift nach Maßgabe dieser Vorbelastung zu gewähren ist. Im Fall einer nachgewiesenen Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden in Höhe von 20 % genügt es demnach, wenn den einkommensteuerpflichtigen Anteilseignern eine Einkommensteuergutschrift in Höhe von 2/8 der Bruttodividenden gewährt wird. Eine nachgewiesene Körperschaftsteuervorbelastung in Höhe von 25 % muss mit einer Einkommensteuergutschrift in Höhe von 25/75 der Bruttodividenden ausgeglichen werden.

    56. Vor diesem Hintergrund berechtigt erst eine nachgewiesene effektive Körperschaftsteuervorbelastung von 30 % den einkommensteuerpflichtigen Empfänger EU‑ausländischer Dividenden unionsrechtlich zum Erhalt einer den inländischen Sachverhalten nominell entsprechenden Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 der Bruttodividenden. Dies ist auch logisch, denn die Kapitalverkehrsfreiheit verlangt keine steuerrechtliche Besserstellung von Dividenden ausländischer Unternehmen.

    57. Die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet jedoch auch keine steuerrechtliche Besserstellung von Dividenden EU‑ausländischer Unternehmen, so dass in einem Fall, in dem die Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden 30 % oder weniger beträgt, im Ergebnis sowohl eine Einkommensteuergutschrift „nach Maßgabe“ dieser Vorbelastung oder eben eine pauschalierte Anrechnung in Höhe von 3/7 der Dividendenausschüttung als unionsrechtskonform zu werten wären.

    58. Der Fall, in dem die nachgewiesene effektive Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden 30 % übersteigt, ist hingegen differenzierter zu beurteilen.

    59. Im Rahmen einer die Wirkung der Grundfreiheiten einseitig betonenden Analyse könnte vorgetragen werden, dass die Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 der inländischen Dividenden der Körperschaftsteuervorbelastung in Höhe von 30 % im Prinzip stets in vollem Umfang entspreche, so dass die Körperschaftsteuervorbelastung inländischer Dividenden ohne rechtliche Obergrenze auf die Einkommensteuer angerechnet werde. Daraus könnte wiederum gefolgert werden, dass es auch für die Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden keine rechtliche Obergrenze geben dürfe. Im Rahmen dieser Logik würde eine effektive Körperschaftsteuervorbelastung von 40 % auf EU‑ausländische Dividenden den einkommensteuerpflichtigen Empfänger unionsrechtlich zum Erhalt einer Einkommensteuergutschrift in Höhe von 4/6 dieser Dividenden berechtigen(15).

    60. Eine solche Analyse würde jedoch verkennen, dass das deutsche Steueranrechnungssystem letztlich auf der von der Bundesrepublik Deutschland in Ausübung ihrer Steuerhoheit getroffenen Entscheidung beruht, eine uniforme körperschaftsteuerliche Ausschüttungsbelastung von 30 % auf für Dividendenausschüttungen benutztes Eigenkapital herzustellen. Weil die den Anteilseignern gewährte Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 der Dividendenausschüttung im Ergebnis darauf abzielt, die auf den Dividendenausschüttungen ruhende Körperschaftsteuer auszugleichen, setzt sich in ihr diese von der Bundesrepublik Deutschland getroffene Grundsatzentscheidung fort, Dividendenausschüttungen einem einheitlichen Körperschaftsteuersatz von 30 % zu unterziehen.

    61. Wenn nunmehr die Bundesrepublik Deutschland gehalten wäre, die Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden auch über einen Steuersatz von 30 % hinaus auszugleichen, würde dies bedeuten, dass sie die Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden über das Niveau der inländischen Körperschaftsteuer hinaus aufheben müsste. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Bundesrepublik Deutschland gehalten wäre, die Folgen der von einem anderen Mitgliedstaat in Ausübung seiner Steuerhoheit getroffene Entscheidung, Dividendenausschüttungen mit mehr als 30 % Körperschaftsteuer zu belasten, einkommensteuerrechtlich auszugleichen.

    62. Eine so weitgehende Pflicht kann den Grundfreiheiten nicht entnommen werden. Wenn EU‑ausländische Dividenden mit einer Körperschaftsteuer von über 30 % belastet wurden, steht dem im Inland einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner unionsrechtlich somit lediglich ein Anspruch auf Gewährung einer Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 dieser Dividendenausschüttung zu. Die Unterschiede in der einkommensteuerlichen Anrechnung dieser Vorbelastung im Vergleich zu inländischen Dividenden sind in diesem Zusammenhang als Nachteile einzuordnen, die den Unterschieden zwischen den Körperschaftsteuerregeln der beteiligten Mitgliedstaaten geschuldet sind. Unter Berücksichtigung der den Mitgliedstaaten verbliebenen Befugnisse auf dem Gebiet der direkten Besteuerung(16) sind solche Nachteile im Ergebnis von den betroffenen Steuerpflichtigen hinzunehmen(17).

    63. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf das Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation(18) verwiesen, in dem sich der Gerichtshof u. a. mit einer nationalen Steuerregelung zur Vermeidung der mehrfachen Belastung von an eine gebietsansässige Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden zu befassen hatte. Diese Regelung sah bei Zahlung der Dividenden durch eine gebietsansässige Gesellschaft eine Steuerbefreiung dieser Dividenden und bei Zahlung durch eine gebietsfremde Gesellschaft eine Anrechnung der Vorbelastung vor. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist ein solches System mit den Grundfreiheiten vereinbar, soweit einerseits die Dividenden aus ausländischen Quellen nicht zu einem höheren Steuersatz besteuert werden als die Dividenden aus inländischen Quellen und andererseits eine mehrfache Belastung der Dividenden aus ausländischen Quellen vermieden wird, indem die von der gebietsfremden ausschüttenden Gesellschaft gezahlte Steuer auf die von der gebietsansässigen Empfängergesellschaft zu entrichtende Steuer bis zur Höhe der letztgenannten Steuer angerechnet wird(19). Bezüglich der konkreten Durchführung dieser Anrechnung führte der Gerichtshof anschließend aus, dass in einem Fall, in dem die den Dividenden aus ausländischen Quellen zugrunde liegenden Gewinne im Mitgliedstaat der ausschüttenden Gesellschaft niedriger besteuert werden als im Mitgliedstaat der Empfängergesellschaft, eine Steuergutschrift in voller Höhe der von der ausschüttenden Gesellschaft in deren Sitzstaat gezahlten Steuer zu erteilen ist. Wenn diese Gewinne im Mitgliedstaat der ausschüttenden Gesellschaft hingegen höher besteuert werden als im Mitgliedstaat der Empfängergesellschaft, muss der letztgenannte Staat eine Steuergutschrift nur bis zur Höhe der von der Empfängergesellschaft zu entrichtenden Körperschaftsteuer erteilen(20).

    64. Unter Berücksichtigung des besonderen Kontexts des Ausgangsverfahrens hat der Gerichtshof im Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation demnach im Ergebnis festgestellt, dass die sich aus den Grundfreiheiten ergebende Pflicht zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung nicht so weit zu gehen hat, dass der gebietsansässigen Empfängergesellschaft ausländischer Dividenden auch die über das nationale Steuerniveau hinausgehende Vorbelastung erstattet werden muss. In diesem Zusammenhang muss aus der Perspektive des Unionsrechts eine Doppelbesteuerung nur in Höhe des inländischen Niveaus vermieden werden(21).

    65. Auch im vorliegenden Verfahren ist meiner Auffassung nach davon auszugehen, dass die sich aus der Kapitalverkehrsfreiheit ergebende Pflicht zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung EU‑ausländischer Dividenden nicht so weit zu gehen hat, dass dem in Deutschland einkommensteuerpflichtigen Empfänger EU-ausländischer Dividenden eine Steuergutschrift zu gewähren ist, die über das einheitliche Niveau der nationalen Körperschaftsteuervorbelastung und der entsprechenden Einkommensteuererstattung hinausgeht.

    66. Vor diesem Hintergrund komme ich zu dem Ergebnis, dass den in Deutschland einkommensteuerpflichtigen Empfängern EU‑ausländischer Dividenden, deren effektive Körperschaftsteuervorbelastung 30 % übersteigt, ein Anspruch auf Anrechnung dieser Vorbelastung bis zur Höhe des im Inland geltenden Körperschaftsteuersatzes in Höhe von 30 % zusteht. In einem solchen Fall ist die Gewährung einer Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 der Dividendenausschüttung folglich als unionsrechtskonform zu werten.

    67. Wenn der Gerichtshof, anders als hier vertreten, zu dem Ergebnis kommen sollte, dass auch eine Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden von über 30 % vollumfänglich angerechnet werden muss, würde dies bedeuten, dass eine effektive Körperschaftsteuervorbelastung von 40 % zu einer Einkommensteuergutschrift in Höhe von 4/6 der Dividendenausschüttung führen würde; eine Vorbelastung von 50 % würde zu einer Gutschrift in Höhe von 1/2 der Dividendenausschüttung berechtigen.

    68. Unter Berücksichtigung der potenziell gravierenden Auswirkungen einer solchen Lösung wäre dann zusätzlich zu prüfen, ob die uneingeschränkte Anrechnungspflicht der EU-ausländischen Körperschaftsteuervorbelastung die Kohärenz des nationalen Steuersystems untergräbt und, wenn ja, welche Konsequenzen daraus zu ziehen wären.

    69. In diesem Zusammenhang wäre u. a. zu untersuchen, ob die in Deutschland erfolgte Festsetzung der Ausschüttungsbelastung inländischer Dividenden auf 30 % und die damit korrelierende Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3/7 der Bruttodividende im Normalfall dazu führt, dass diese Gutschrift die auf die Dividenden entfallende Einkommensteuerschuld unterschreitet. Bejahendenfalls wäre auch in den konkreten Verfahren zur Anrechnung EU‑ausländischer Körperschaftsteuervorbelastungen stets zu untersuchen, ob die zu gewährende Einkommensteuergutschrift die auf diese Dividenden entfallende Einkommensteuerschuld des Anteilseigners übersteigt. In den Fällen, in denen die Steuergutschrift diese Steuerschuld in der Tat übersteigen würde, läge möglicherweise eine Beeinträchtigung der Kohärenz des deutschen Steuersystems vor. Auf der Grundlage des allgemeinen Rechtfertigungsgrundes der Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems(22) müsste dann zusätzlich geprüft werden, ob es der Bundesrepublik Deutschland in einem solchen Fall gestattet werden sollte, die Einkommensteuergutschrift für EU‑ausländische Dividenden auf die Einkommensteuerschuld des Anteilseigners zu beschränken, die auf diese EU‑ausländischen Dividenden entfällt.

    70. Zusammenfassend komme ich nach alledem zu dem Ergebnis, dass die Art. 56 EG und 58 EG dahin auszulegen sind, dass sie in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden auf die von den Anteilseignern geschuldete Einkommensteuer in Form einer Gutschrift gebieten, die nach Maßgabe der effektiven Körperschaftsteuervorbelastung dieser Dividenden berechnet wird. Diese Anrechnung muss jedoch nicht über den auf inländische Dividenden anwendbaren Körperschaftsteuersatz hinaus erfolgen.

    C – Zweite Vorlagefrage

    71. Mit seiner zweiten Vorlagefrage ersucht das vorlegende Gericht um Aufklärung darüber, ob und unter welchen Bedingungen die Anrechnung der auf EU-ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer auf die von den Anteilseignern geschuldete Einkommensteuer von der Vorlage einer durch die ausschüttende Gesellschaft nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Muster zu erstellenden Körperschaftsteuerbescheinigung abhängig gemacht werden darf, wenn eine solche Vorlagepflicht auch für die Anrechnung der auf inländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer gilt.

    72. Zur Beantwortung dieser Frage sei zunächst daran erinnert, dass der Gerichtshof im Urteil Meilicke im Ergebnis bestätigt hat, dass dem in Deutschland einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner, der Dividenden von im EU-Ausland ansässigen Gesellschaften erhält, gemäß den Art. 56 EG und 58 EG und unter Berücksichtigung der ratione temporis einschlägigen nationalen Gesetzeslage eine Einkommensteuergutschrift zu gewähren ist, die grundsätzlich nach Maßgabe des für die ausgeschütteten Gewinne geltenden Körperschaftsteuersatzes berechnet wird.

    73. Die Durchsetzung dieses aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechts der betroffenen Anteilseigner setzt jedoch voraus, dass die effektive Körperschaftsteuervorbelastung der Dividenden in dem Mitgliedstaat, in dem die ausschüttende Gesellschaft steuerpflichtig ist, festgestellt werden kann.

    74. Vor diesem Hintergrund ist die zweite Vorlagefrage in dem Sinne zu verstehen, dass der Gerichtshof um Aufklärung darüber ersucht wird, ob eine nationale verfahrensrechtliche Regelung, nach der die Körperschaftsteuervorbelastung für EU-ausländische Dividenden ausschließlich auf der Grundlage einer von den ausschüttenden Gesellschaften zu erstellenden Körperschaftsteuerbescheinigung nach einem besonders detaillierten, gesetzlich vorgeschriebenen Muster nachgewiesen werden kann, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

    75. Diese Frage ist unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Prinzipien zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu beantworten.

    76. Nach dieser Rechtsprechung ist mangels einer einschlägigen Unionsregelung die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, wobei diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz)(23).

    77. In diesem Zusammenhang ist insbesondere fraglich, ob das Erfordernis der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG zum Nachweis der effektiven Vorbelastung, die auf aus dem EU-Ausland stammenden Dividenden lastet, die Ausübung des – durch die Unionsrechtsordnung verliehenen – Rechts auf eine einkommensteuerliche Anrechnung dieser Vorbelastung nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert, so dass ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz vorliegt.

    78. Wenngleich die Beantwortung dieser Frage letztlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, enthält der Vorlagebeschluss eine Fülle von Indizien, die darauf hinweisen, dass das Erfordernis der Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG zum Nachweis der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden sehr wahrscheinlich gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt. Das vorlegende Gericht legt nämlich ausführlich dar, dass die Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG unlösbar mit der komplizierten Regelung zur Herstellung einer Ausschüttungsbelastung von 30 % der Bruttodividenden verbunden ist, wobei letztere Regelung wiederum einige Ausnahmen kennt. Weil die Körperschaftsteuerbescheinigung diese komplizierte körperschaftsteuerliche Regelung im Grunde spiegelt, kann sie im Normalfall nur von solchen Unternehmen ausgestellt werden, die dieser Regelung unterliegen.

    79. Nach alledem ist die zweite Vorlagefrage dahin gehend zu beantworten, dass eine nationale Regelung, nach der die einkommensteuerliche Anrechnung der auf EU‑ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer stets die Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG zum Nachweis dieser Vorbelastung erfordert, gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt, soweit dieses Erfordernis die Anrechnung der EU‑ausländischen Körperschaftsteuervorbelastung praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

    D – Dritte Vorlagefrage

    80. Mit seiner dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen, die Art. 56 EG und 58 EG es gebieten, die Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden zwecks Anrechnung zu schätzen, wenn diese nicht feststellbar ist. Das vorlegende Gericht ersucht zudem um Aufklärung darüber, ob dabei gegebenenfalls auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen zu berücksichtigen sind.

    81. Wenngleich das vorlegende Gericht mit dieser Frage an sich lediglich wissen möchte, ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen und in welcher Weise die auf Dividenden EU‑ausländischer Unternehmen lastende Körperschaftsteuer durch Schätzung festgestellt werden darf oder soll, scheint es mir zwecks einer sinnvollen Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens angebracht, im Rahmen der Analyse dieser Frage die Problematik der Beweisführungslast und des Beweisrisikos sowie der Beweiswürdigung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens in ihrer Gesamtheit aufzuarbeiten. Denn das vorlegende Gericht hat an verschiedenen Stellen des Vorabentscheidungsersuchens seinen Zweifel über mehrere Aspekte der Beweisführungslast und der Beweiswürdigung in dem Ausgangsverfahren geäußert, so dass sich auch die Verfahrensbeteiligten zu diesen Punkten geäußert haben. Darüber hinaus kann der Gerichtshof, obwohl er nicht berufen ist, selbst den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits zu bewerten, doch dem vorlegenden Gericht mit Blick auf die Besonderheiten des Sachverhalts alle nützlichen Hinweise geben, die diesem die Lösung des Ausgangsrechtsstreits erleichtern.

    82. Die Frage, in welcher Weise der Einkommensteuerpflichtige und die nationalen Finanzbehörden in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens zur Feststellung der effektiven Körperschaftsteuervorbelastung der EU‑ausländischen Dividenden beitragen müssen, sowie die Frage nach der Rolle des nationalen Gerichts im Rahmen der Beweisermittlung und der Beweiswürdigung müssen auf der Grundlage der Prinzipien zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten beantwortet werden.

    83. Wie ich bereits dargelegt habe, ist das Prinzip der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten in dem Sinne zu verstehen, dass die Ausgestaltung der Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer einschlägigen Unionsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz gewahrt bleiben(24).

    84. Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass der einkommensteuerpflichtige Anteilseigner Existenz und Umfang der auf inländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuervorbelastung durch Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung nachzuweisen hat. Wenn er eine solche Bescheinigung nicht vorlegen kann, findet keine Anrechnung statt. Damit trägt der Steuerpflichtige gemäß der deutschen Steuerregelung nicht nur die Beweisführungslast, sondern ebenfalls das Beweisrisiko. Darüber hinaus steht dem Steuerpflichtigen grundsätzlich nur ein Beweismittel zur Verfügung, nämlich die Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG.

    85. Wie ich bereits in Beantwortung der zweiten Vorlagefrage klargestellt habe, würde das Erfordernis der Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG zum Nachweis der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden gegen den Effektivitätsgrundsatz verstoßen, soweit dadurch die Ausübung des durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechts auf einkommensteuerliche Anrechnung dieser Vorbelastung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird(25). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eo ipso auch die der deutschen Steuerregelung zugrunde liegende Beweislast- und Beweisrisikoverteilung in grenzüberschreitenden Sachverhalten als unionsrechtswidrig einzustufen wäre.

    86. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Regelung, nach der ein im Inland einkommensteuerpflichtiger Anteilseigner die auf EU‑ausländischen Dividenden lastende Körperschaftsteuer nur geltend machen kann, wenn und soweit er die effektive Vorbelastung auch tatsächlich nachweist, mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar ist. Denn eine solche Verteilung von Beweisführungslast und Beweisrisiko zulasten der einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner führt an sich nicht dazu, dass die Ausübung des Rechts auf eine Anrechnung der auf EU‑ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird(26).

    87. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts würde eine solche Verteilung der Beweisführungslast und des Beweisrisikos in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens jedoch de facto dazu führen, dass den Anteilseignern die Körperschaftsteueranrechnung stets verwehrt bliebe(27). Unter Berücksichtigung des in den Streitjahren anwendbaren niederländischen und dänischen Körperschaftsteuersystems sei es nämlich faktisch unmöglich bzw. nur unter Überwindung unzumutbarer Hürden möglich, die effektive Körperschaftsteuervorbelastung der in Rede stehenden niederländischen und dänischen Dividendenausschüttungen nachzuweisen.

    88. Meiner Auffassung nach stehen diese praktischen Bedenken des vorlegenden Gerichts der Unionsrechtsmäßigkeit einer Anrechnungsregelung, nach der der einkommensteuerpflichtige Anteilseigner sowohl die Beweisführungslast als auch das Beweisrisiko hinsichtlich der auf EU‑ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer trägt, nicht entgegen. Denn diese praktischen Bedenken beruhen auf der Ausgestaltung des niederländischen und des dänischen Körperschaftsteuersystems, die nach Darstellung des vorlegenden Gerichts die Feststellung der effektiven Körperschaftsteuervorbelastung von Dividenden nur schwer ermöglichen. Da in diesem Bereich der direkten Besteuerung keine unionsrechtliche Harmonisierung erfolgt ist, sind die Mitgliedstaaten jedoch befugt, unter Wahrung des Unionsrechts diese Aspekte ihres Körperschaftsteuersystems einseitig festzulegen. Eventuelle Nachteile, die sich für den Steuerpflichtigen daraus ergeben können, dass die Mitgliedstaaten diese Befugnisse ohne Abstimmung ausgeübt haben, stellen keine primärrechtlich verbotenen Beschränkungen dar, sofern eine solche Ausübung nicht diskriminierend ist(28). Denn das Unionsrecht begründet keine autonome Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihre nationalen Steuersysteme auch in den Bereichen aufeinander abzustimmen, in denen sie beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung ihre Steuerautonomie beibehalten haben(29).

    89. Weil die in Rede stehende deutsche Regelung zur Verteilung von Beweisführungslast und Beweisrisiko meines Erachtens mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar ist(30) und an sich nicht als Diskriminierung der Anteilseigner EU-ausländischer Gesellschaften gewertet werden kann, sind die Bedenken des vorlegenden Gerichts zur praktischen Unmöglichkeit des Nachweises der effektiven Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden infolge der konkreten Ausgestaltung des dänischen und des niederländischen Körperschaftsteuersystems im Ergebnis als Nachteile für die einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner zu werten, die nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts keine verbotenen Beschränkungen darstellen.

    90. Im Ausgangsverfahren stellt sich ebenfalls die Frage, ob sich in grenzüberschreitenden Fällen eine Verschiebung der Beweisführungslast von den einkommensteuerpflichtigen Anteilseignern zu den Finanzbehörden aus der Richtlinie 77/799 folgern lässt. Meines Erachtens ist auch diese Frage zu verneinen.

    91. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Mitgliedstaat auf die Richtlinie 77/799 berufen, um die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats um alle Auskünfte zu ersuchen, die er für die zutreffende Festsetzung der von dieser Richtlinie erfassten Abgaben benötigt(31). Dazu sieht Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie u. a. vor, dass die nationalen Finanzbehörden die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats um Auskünfte ersuchen können, die ihnen selbst nicht zugänglich sind. Nach Auffassung des Gerichtshofs lässt die Verwendung des Wortes „können“ in diesem Zusammenhang erkennen, dass die nationalen Finanzbehörden zwar die Möglichkeit haben, die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats um Auskunft zu ersuchen, dass sie hierzu aber nicht verpflichtet sind. Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, zu beurteilen, in welchen konkreten Fällen ihm Informationen über Umsätze von auf seinem Hoheitsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen fehlen, und zu entscheiden, ob es in diesen Fällen gerechtfertigt ist, einen anderen Mitgliedstaat um Auskunft zu ersuchen(32).

    92. Im Rahmen ihrer Entscheidungen über die Übermittlung eines Amtshilfegesuchs gemäß der Richtlinie 77/799 haben die Mitgliedstaaten jedoch stets den Äquivalenzgrundsatz zu beachten. Soweit die nationalen Behörden, die für die Erhebung der Einkommensteuer auf inländische Dividendenausschüttungen zuständig sind, nach gängiger Praxis die Behörden, die für die Erhebung der Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Gewinne zuständig sind, um Auskunft ersuchen, wenn die Höhe der Körperschaftsteuervorbelastung aus irgendeinem Grund zweifelhaft ist, gebietet es der Äquivalenzgrundsatz, dass die für die Erhebung der Einkommensteuer zuständigen Behörden auch in grenzüberschreitenden Fällen auf der Grundlage der Richtlinie 77/799 die für die Erhebung der Körperschaftsteuer zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, im Zweifelsfall um Auskunft über die Körperschaftsteuervorbelastung der betreffenden Dividenden ersuchen.

    93. Zu der Frage, mit welchen Beweismitteln der einkommensteuerpflichtige Anteilseigner den Beweis der auf EU‑ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer zu erbringen hat, habe ich bereits ausgeführt, dass das Erfordernis der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG höchstwahrscheinlich nicht mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar ist.

    94. Der Effektivitätsgrundsatz erfordert zudem, dass dem einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten eingeräumt werden, diesen Beweis auch tatsächlich zu erbringen(33).

    95. Die Frage, welche Beweismittel vor diesem Hintergrund in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens zugelassen werden müssen, lässt sich nicht in abstracto beantworten. Im Normalfall dürfte allerdings davon auszugehen sein, dass dem Anteilseigner einer im EU‑Ausland niedergelassenen Kapitalgesellschaft die Beweisführung übermäßig erschwert würde, wenn von diesem Unternehmen ausgestellte Erklärungen oder Bescheinigungen nie als Beweismittel angenommen würden. Verwaltungstechnische Schwierigkeiten des Finanzamts bei der Verifikation ausländischer Beweismittel reichen in diesem Kontext nicht aus, um solche Beweismittel pauschal zurückzuweisen(34). Dennoch steht es den Mitgliedstaaten zu, auf der Vorlage stichhaltiger Belege zu bestehen, die den Finanzämtern in der Praxis die Möglichkeit bieten, hinreichend genau zu prüfen, ob und in welcher Höhe Körperschaftsteuer auf EU‑ausländische Dividenden von der ausschüttenden Gesellschaft geschuldet wurde(35).

    96. Die Beweiswürdigung bleibt in diesem Zusammenhang letztlich Sache der nationalen Gerichte, unter Beachtung des Effektivitäts- und des Äquivalenzgrundsatzes.

    97. Auch die Frage des vorlegenden Gerichts, ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen, die Art. 56 EG und 58 EG es gebieten, die effektive Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden zu schätzen, wenn diese nicht feststellbar ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Aufgaben und Zuständigkeiten des nationalen Richters bei der Beweiswürdigung in ähnlichen Steuerverfahren, die nur innerstaatliche Sachverhalte betreffen, abschließend beantworten. Eine richterliche Schätzung der Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden wäre unter Berücksichtigung des Äquivalenzgrundsatzes nämlich dann geboten, wenn der nationale Richter im Rahmen der Beweiswürdigung in ähnlichen Steuerverfahren, die nur innerstaatliche Sachverhalte betreffen, ebenfalls zur Schätzung einer nicht konkret feststellbaren Steuervorbelastung verpflichtet wäre.

    98. Wenn der nationale Richter nach dem relevanten nationalen Steuerverfahrensrecht hingegen nicht zu solchen Schätzungen verpflichtet ist, ließe sich diese Pflicht auch nicht aus dem Effektivitätsgrundsatz folgern. Denn wie ich bereits ausgeführt habe(36), ist eine nationale Regelung nach der ein im Inland einkommensteuerpflichtiger Anteilseigner die auf Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften lastende Körperschaftsteuer nur geltend machen kann, wenn und soweit er die effektive Vorbelastung auch tatsächlich nachweist, als solche mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar. Daraus folgt unmittelbar, dass der Effektivitätsgrundsatz keine richterliche Schätzung der Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden erfordert, wenn diese Vorbelastung nicht nachgewiesen werden kann.

    99. Die Frage, ob im Rahmen der Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden auch mittelbare Vorbelastungen zu berücksichtigen sind, lässt sich nicht in abstracto beantworten. Wie ich bereits dargetan habe, ist das Urteil Meilicke(37) in dem Sinne zu deuten, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Anrechnung der Körperschaftsteuer, die auf den aus den Niederlanden und Dänemark stammenden Dividenden lastet, grundsätzlich in gleichwertiger Weise zu erfolgen hat wie die Anrechnung der Körperschaftsteuer, die auf den aus Deutschland stammenden Dividenden lastet(38). Vor diesem Hintergrund sind mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen EU‑ausländischer Dividenden bei der Feststellung der Höhe der Einkommensteuergutschrift zu berücksichtigen, wenn und soweit auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen inländischer Dividenden die Höhe der den Anteilseignern gewährten Einkommensteuergutschrift bedingen.

    100. Nach alledem ist die dritte Vorlagefrage dahin gehend zu beantworten, dass es mangels einer einschlägigen Unionsregelung Sache der Mitgliedstaaten ist, die Regeln zur Verteilung der Beweisführungslast und des Beweisrisikos sowie zur richterlichen Beweiswürdigung, die für die Ermittlung der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden gelten, zu bestimmen, wobei sie den Äquivalenzgrundsatz und den Effektivitätsgrundsatz beachten müssen. Aus dem Effektivitätsgrundsatz ergibt sich keine Pflicht zur richterlichen Schätzung der nicht feststellbaren Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden. Eine solche Pflicht besteht allerdings nach dem Äquivalenzgrundsatz, wenn ein nationales Gericht in einer vergleichbaren rein inländischen Situation zu einer entsprechenden Schätzung verpflichtet wäre. Soweit mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen inländischer Dividenden die Höhe der den Anteilseignern gewährten Einkommensteuergutschrift bedingen, sind auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen EU‑ausländischer Dividenden zu berücksichtigen.

    E – Vierte Vorlagefrage

    101. Bei seiner vierten Vorlagefrage geht das vorlegende Gericht von der Feststellung aus, dass der Einkommensteuerbescheid 1997 für H. Meilicke vom 26. Juli 2000 keinen Vorbehalt der Nachprüfung enthält, so dass mittlerweile Bestandskraft eingetreten ist. Gemäß § 175 AO, in der bis zum 28. Oktober 2004 gültigen Fassung, konnte ein solcher Einkommensteuerbescheid trotz eingetretener Bestandskraft berichtigt werden, soweit ein Ereignis eintrat, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hatte (rückwirkendes Ereignis), wobei die nachträgliche Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG als rückwirkendes Ereignis einzuordnen war. Mit dem EU‑Richtlinien‑Umsetzungsgesetz vom 8. Dezember 2004(39) (im Folgenden: Änderungsgesetz vom 8. Dezember 2004) wurde § 175 AO mit Wirkung vom 29. Oktober 2004 ohne Übergangsfrist in dem Sinne geändert, dass die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung nicht mehr als rückwirkendes Ereignis galt. Damit entfiel die Möglichkeit der Bestandskraftdurchbrechung von Einkommensteuerbescheiden durch die nachträgliche Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung rückwirkend ab dem 29. Oktober 2004.

    102. Für den Fall, dass der Gerichtshof die zweite Vorlagefrage in dem Sinne beantworten sollte, dass die einkommensteuerliche Anrechnung der auf EU‑ausländischen Dividenden ruhenden Körperschaftsteuer von der Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG abhängig gemacht werden darf, möchte das vorlegende Gericht einerseits wissen, ob die rückwirkende Änderung von § 175 AO mit dem Unionsrecht vereinbar ist (Vorlagefrage 4a).

    103. Für den Fall, dass der Gerichtshof die zweite Vorlagefrage in dem Sinne beantworten sollte, dass die Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden auch mit anderen Mitteln als durch die Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG nachgewiesen werden kann, möchte das vorlegende Gericht andererseits wissen, ob eine Auslegung von § 175 AO, in der bis zum 28. Oktober 2004 gültigen Fassung, nach der ein bereits bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid aufgrund der nachträglichen Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG berichtigt werden kann, während eine solche Berichtigung auf der Grundlage von Erklärungen oder Bescheinigungen bezüglich EU-ausländischer Dividenden, die den formalen Vorgaben der §§ 44 f. KStG nicht entsprechen, ausgeschlossen ist, mit dem Unionsrecht vereinbar ist (Vorlagefrage 4b).

    104. Weil die zweite Vorlagefrage meines Erachtens in dem Sinne zu beantworten ist, dass die Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden auch mit anderen Mitteln als durch Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG nachgewiesen werden kann, werde ich im Folgenden zunächst auf Vorlagefrage 4b eingehen. Vor dem Hintergrund dieser Analyse werde ich anschließend die in Vorlagefrage 4a angesprochene Problematik der rückwirkenden Änderung von § 175 AO erörtern. Denn obwohl diese Teilfrage ausdrücklich nur für den Fall gestellt wurde, dass die auf EU‑ausländischen Dividenden lastende Körperschaftsteuer durch Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG nachzuweisen ist, ist sie ebenfalls für den Fall relevant, dass dieser Nachweis mit anderen Mitteln erbracht werden darf.

    1. Teilfrage 4b

    105. Die Teilfrage 4b, ob eine nationale Regelung, nach der ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid zwecks Anrechnung(40) der auf versteuerten Dividenden lastenden Körperschaftsteuer berichtigt werden kann, wenn diese Vorbelastung durch die nachträgliche Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG nachgewiesen wird, während eine solche Berichtigung bei der nachträglichen Vorlage von Erklärungen oder Bescheinigungen bezüglich der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden, die den formalen Vorgaben der §§ 44 f. KStG nicht entsprechen, ausgeschlossen ist, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, ist erneut auf der Grundlage der Prinzipien zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu beantworten.

    106. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine Regelung, nach der eine nachträgliche Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide zwecks Anrechnung der auf versteuerten Dividenden lastenden Körperschaftsteuer nur hinsichtlich Dividenden inländischer Gesellschaften, nicht hingegen hinsichtlich Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften möglich ist, als eine die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkende Schlechterstellung EU‑ausländischer Dividenden zu werten und somit grundsätzlich verboten ist(41). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Unionsrechtsordnung den einkommensteuerpflichtigen Empfängern EU-ausländischer Dividenden in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ein Recht auf nachträgliche Berichtigung der in bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden festgestellten Besteuerung von diesen Dividenden zwecks Anrechnung der darauf lastenden Körperschaftsteuer gewährt, soweit eine solche nachträgliche Berichtigung auch von einkommensteuerpflichtigen Empfängern inländischer Dividenden beantragt werden kann.

    107. Gemäß den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Prinzipien zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ist die Ausgestaltung der Verfahren zur Durchsetzung dieses Rechts mangels einer einschlägigen Unionsregelung Sache der Mitgliedstaaten, soweit der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz gewahrt bleiben(42). In diesem Zusammenhang ist hier insbesondere fraglich, ob eine Übertragung des für inländische Dividenden geltenden Erfordernisses der nachträglichen Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG zum Nachweis der Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt.

    108. Die Beantwortung dieser Frage nach einer eventuellen Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes ist letztlich Sache des vorlegenden Gerichts. Dennoch enthält der Vorlagebeschluss eine Fülle von Indizien, die darauf hinweisen, dass das Erfordernis der nachträglichen Vorlage einer Bescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG zum Nachweis der Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz darstellen würde. Denn wie ich bereits im Rahmen der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage erörtert habe, ist die Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG unlösbar mit der komplizierten Regelung zur Herstellung einer Ausschüttungsbelastung in Höhe von 30 % der Bruttodividenden verbunden, so dass EU‑ausländische Unternehmen, die dieser Regelung nicht unterliegen, im Normalfall eine solche Bescheinigung auch nicht erstellen können(43).

    109. Falls das vorlegende Gericht einen Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz feststellen sollte, erfordert dieser Grundsatz zudem, dass dem einkommensteuerpflichtigen Empfänger EU‑ausländischer Dividenden die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten eingeräumt werden, den Beweis über die ausländische Körperschaftsteuervorbelastung zwecks Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide nachträglich anzutreten(44).

    110. Die Frage, welche Beweismittel in diesem Fall zugelassen werden müssen, lässt sich nicht in abstracto beantworten. Dennoch dürfte im Normalfall davon auszugehen sein, dass dem Anteilseigner einer im EU-Ausland niedergelassenen Kapitalgesellschaft die Beweisführung übermäßig erschwert würde, wenn von dieser Kapitalgesellschaft ausgestellte Erklärungen oder Bescheinigungen in diesem Zusammenhang nie als Beweismittel angenommen würden. Den Mitgliedstaaten steht es allerdings zu, auf der Vorlage stichhaltiger Belege zu bestehen. Die Beweiswürdigung bleibt dabei erneut Sache der nationalen Gerichte, unter Beachtung des Effektivitäts- und des Äquivalenzgrundsatzes(45).

    111. Nach alledem ist Teil b der vierten Vorlagefrage dahin gehend zu beantworten, dass eine nationale Regelung, nach der eine Berichtigung der in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid festgestellten Besteuerung von Dividenden inländischer sowie EU-ausländischer Unternehmen zwecks Anrechnung der auf diesen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer nur unter Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG möglich ist, gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt, wenn dadurch eine Berichtigung der Besteuerung von Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

    2. Teilfrage 4a

    112. Mit seiner Teilfrage 4a möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Änderung einer nationalen steuerverfahrensrechtlichen Regelung, die dazu führt, dass die Berichtigung der in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid festgestellten Besteuerung von Dividenden inländischer sowie EU‑ausländischer Gesellschaften aufgrund der Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG rückwirkend ausgeschlossen wird, gegen Unionsrecht verstößt.

    113. Unter Berücksichtigung meines Antwortvorschlags auf Teilfrage 4b ist die Verweisung des vorlegenden Gerichts auf die „Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG“ in diesem Zusammenhang als eine Verweisung auf das unionsrechtskonforme Erfordernis der Vorlage eines „gültigen Nachweises der Körperschaftsteuervorbelastung“ zu deuten. Nur diese Umformulierung ermöglicht eine sachdienliche Beantwortung dieser Vorlagefrage.

    114. Ferner ist hervorzuheben, dass das vorlegende Gericht bei der Formulierung dieser Vorlagefrage ausdrücklich von dem Standpunkt ausgegangen ist, dass die in Rede stehende Gesetzesänderung so allgemein gefasst ist, dass sie nicht nur auf die Vermeidung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuern gerichtet ist und gleichermaßen für gebietsfremde wie für gebietsansässige Steuerpflichtige gilt. Der Akte sind keine eindeutigen Informationen zu entnehmen, die dieser Einschätzung des vorlegenden Gerichts entgegenstehen.

    115. Die Zweifel des vorlegenden Gerichts an der Unionsrechtmäßigkeit der mit Gesetz vom 8. Dezember 2004 vollzogenen Änderung des deutschen Steuerverfahrensrechts, wobei die Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide aufgrund der nachträglichen Vorlage von gültigen Nachweisen über die Körperschaftsteuervorbelastung inländischer sowie EU‑ausländischer Dividenden ab dem 29. Oktober 2004 und somit rückwirkend ausgeschlossen wurde, liegt darin begründet, dass infolge dieser Gesetzesänderung einkommensteuerpflichtige Empfänger EU‑ausländischer Dividenden ohne Übergangsfrist eine nach alter Rechtslage gegebene verfahrensrechtliche Möglichkeit verloren haben, einen Anspruch auf Anrechnung der auf versteuerten Dividenden lastenden Körperschaftsteuer trotz Bestandskraft des betreffenden Einkommensteuerbescheids geltend zu machen.

    116. Diese Vorlagefrage ist erneut auf der Grundlage der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Prinzipien zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu beantworten. Dabei ist im Ergebnis die Frage zu beantworten, ob im Rahmen der mit dem Gesetz vom 8. Dezember 2004 vollzogenen Änderung des deutschen Steuerverfahrensrechts der Effektivitätsgrundsatz verletzt wurde.

    117. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung, nach der Steuerbescheide nach einem angemessenen Zeitablauf bestandskräftig werden, mit dem Unionsrecht grundsätzlich vereinbar ist, auch wenn diese Regelung dazu führen sollte, dass Einkommensteuerfestsetzungen aus der Vergangenheit nach einem bestimmten Zeitablauf nicht mehr angefochten werden können und die Ausübung von aus dem Unionsrecht erwachsenden Ansprüchen dadurch vereitelt wird.

    118. Dazu ist einerseits hervorzuheben, dass eine solche Bestandskraftregelung ihrem Wesen nach zur Rechtssicherheit beiträgt, die in ständiger Rechtsprechung als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt wird(46), und dabei sowohl die Steuerpflichtigen als auch die Finanzbehörden schützt. Andererseits ist auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verweisen, nach der die Anwendung von angemessenen nationalen Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist, so dass der Ablauf solcher Fristen auch die Ausübung von sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechten und Ansprüchen vereiteln kann(47).

    119. Hier stellt sich jedoch die besondere Frage, ob eine Gesetzesänderung, mit der eine Regelung zur Berichtigung von bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden, die auch zur nachträglichen Ausübung von aus dem Unionsrecht erwachsenden Steueranrechnungsansprüchen herangezogen werden kann, rückwirkend und ohne Übergangsfrist aufgehoben wird, mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar ist.

    120. Für die Beantwortung dieser Frage ist von der soeben getroffenen Feststellung auszugehen, dass eine nationale Regelung, nach der Steuerbescheide nach einem angemessenen Zeitablauf bestandskräftig werden, mit dem Unionsrecht grundsätzlich vereinbar ist. Daraus folgt unmittelbar, dass auch eine Gesetzesänderung, mit der eine nationale Regelung, die eine Berichtigung von Steuerbescheiden trotz eingetretener Bestandskraft unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, abgeändert und teilweise aufgehoben wird, grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

    121. Der Effektivitätsgrundsatz sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebieten es jedoch, dass eine solche Gesetzesänderung erst nach Ablauf einer angemessenen Übergangsfrist in Kraft tritt.

    122. In Bezug auf den Effektivitätsgrundsatz sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass nationale Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen. Wenn nunmehr eine Änderung des Steuerverfahrensrechts vorgenommen wird, wobei durch die Verschärfung der Regeln zur Bestandskraft von Steuerbescheiden die Durchsetzung von bestimmten, aus dem Unionsrecht erwachsenden Ansprüchen ausgeschlossen wird, ohne dass eine angemessene Übergangsfrist vorgesehen wird, erschwert dies die Ausübung dieser Rechte übermäßig, so dass in einem solchen Fall ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz grundsätzlich zu bejahen ist(48).

    123. In Bezug auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes hat der Gerichtshof zudem entschieden, dass eine Verletzung dieses Grundsatzes anzunehmen ist, wenn einem Steuerpflichtigen durch eine Änderung des nationalen Rechts rückwirkend ein ihm zuvor zustehender Anspruch auf Erstattung von Abgaben genommen wird, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden(49).

    124. Das hier in Rede stehende Änderungsgesetz vom 8. Dezember 2004 enthält keine angemessene Übergangsregelung. Infolge dieser Gesetzesänderung entfiel die Möglichkeit der Bestandskraftdurchbrechung von Einkommensteuerbescheiden durch die nachträgliche Vorlage von gültigen Nachweisen über die Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden ab dem 29. Oktober 2004. Dadurch wurde den einkommensteuerpflichtigen Anteilseignern rückwirkend die Möglichkeit genommen, in Anwendung der bis dahin geltenden nationalen Regelungen trotz eingetretener Bestandskraft der betreffenden Einkommensteuerbescheide einen Steueranrechnungsanspruch geltend zu machen. Weil diese rückwirkende Änderung der Gesetzeslage die Ausübung von bereits entstandenen, aus der Unionsrechtsordnung folgenden Rechten praktisch unmöglich machte, verstößt sie gegen den Effektivitätsgrundsatz. Zugleich stellt sie einen Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz dar.

    125. Das Fehlen einer angemessenen Übergangsfrist im Änderungsgesetz vom 8. Dezember 2004 führt jedoch nicht eo ipso dazu, dass die alte Regelung zur Berichtigung der in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid festgestellten Besteuerung von Dividenden EU-ausländischer Gesellschaften unbegrenzt fortgelten muss(50). Eine solche Rechtsfolge würde über das Ziel eines effektiven Rechtsschutzes hinausschießen und daher gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

    126. Vor diesem Hintergrund gebieten es der Effektivitätsgrundsatz und der Vertrauensgrundsatz in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, dass eine Übergangsfrist für das Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 8. Dezember 2004 bestimmt wird, während deren einkommensteuerpflichtige Anteilseigner auf der Grundlage von gültigen Nachweisen über die Körperschaftsteuervorbelastung EU‑ausländischer Dividenden eine Berichtigung von bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden beantragen konnten.

    127. Diese Übergangsfrist muss grundsätzlich so bemessen sein, dass den einkommensteuerpflichtigen Anteilseignern, die ursprünglich der Ansicht waren, ihren Anspruch auf Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden unbefristet ausüben zu können, eine angemessene Zeit blieb, um diesen Anspruch geltend zu machen. Sie müssen auf alle Fälle die Möglichkeit erhalten haben, ihren Antrag nicht mit der Überstürzung vorzubereiten, zu der sie eine Dringlichkeit zwingen würde, die außer Verhältnis zum Fehlen einer Geltendmachungsfrist steht, auf die sie ursprünglich zählen durften(51).

    128. Für die konkrete Bestimmung dieser Übergangsfrist für die Anwendbarkeit der vorliegend in Rede stehenden neuen Steuerverfahrensregeln ist einerseits zu beachten, dass es bis zum Änderungsgesetz vom 8. Dezember 2004 keine Frist gab, innerhalb deren der Antrag auf Berichtigung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids gestellt werden musste. Andererseits ist davon auszugehen, dass einzelne steuerpflichtige Anteilseigner nicht ohne Weiteres bei den ausschüttenden Gesellschaften einen gültigen Nachweis über die Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden beantragen konnten, sondern dass dafür zuerst noch eine gewisse Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet werden musste.

    129. Vor diesem Hintergrund komme ich zu dem Ergebnis, dass die Dauer der Mindestübergangszeit, die notwendig ist, damit die Effektivität der Geltendmachung der durch das Unionsrecht verliehenen Ansprüche dadurch gewährleistet wird, dass es den einkommensteuerpflichtigen Empfängern EU‑ausländischer Dividenden, die die gewöhnliche Sorgfalt anwenden, erlaubt wurde, Kenntnis von dem Änderungsgesetz vom 8. Dezember 2004 und der neuen Regelung zu nehmen und ihren Antrag auf Berichtigung der betroffenen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide unter Bedingungen vorzubereiten und zu stellen, die ihre Erfolgschancen nicht beeinträchtigen, bei vernünftiger Betrachtung mit zwölf Monaten angesetzt werden muss.

    130. Nach alledem ist Teil a der vierten Vorlagefrage dahin gehend zu beantworten, dass die Änderung einer nationalen Regelung, die dazu führt, dass die Berichtigung der in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid festgestellten Besteuerung von Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften aufgrund der Vorlage eines gültigen Nachweises der auf diesen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer rückwirkend und ohne Übergangsfrist ausgeschlossen wird, wodurch auch eine Anrechnung dieser Körperschaftsteuervorbelastung rückwirkend ausgeschlossen wird, gegen den Effektivitätsgrundsatz und den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt. Für das Inkrafttreten einer Regelung wie der des Änderungsgesetzes vom 8. Dezember 2004 gebieten diese beiden Grundsätze die Beachtung einer angemessenen Übergangsfrist, die zwölf Monate ab der Verkündung dieses Gesetzes nicht unterschreiten darf.

    VII – Ergebnis

    131. Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Finanzgerichts Köln wie folgt zu antworten:

    1. Die Art. 56 EG und 58 EG sind dahin auszulegen, dass sie in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Anrechnung der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden auf die von den Anteilseignern geschuldete Einkommensteuer in Form einer Gutschrift gebieten, die nach Maßgabe der effektiven Körperschaftsteuervorbelastung dieser Dividenden berechnet wird. Diese Anrechnung muss jedoch nicht über den auf inländische Dividenden anwendbaren Körperschaftsteuersatz hinaus erfolgen.

    2. Eine nationale Regelung, nach der die einkommensteuerliche Anrechnung der auf EU‑ausländischen Dividenden ruhenden Körperschaftsteuer stets die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG zum Nachweis dieser Vorbelastung erfordert, verstößt gegen den Effektivitätsgrundsatz, soweit dieses Erfordernis die Anrechnung der EU‑ausländischen Körperschaftsteuervorbelastung praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

    3. Mangels einer einschlägigen Unionsregelung ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln zur Verteilung der Beweisführungslast und des Beweisrisikos sowie zur richterlichen Beweiswürdigung, die für die Ermittlung der Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden gelten, zu bestimmen, wobei sie den Äquivalenzgrundsatz und den Effektivitätsgrundsatz beachten müssen. Aus dem Effektivitätsgrundsatz ergibt sich keine Pflicht zur richterlichen Schätzung der nicht feststellbaren Körperschaftsteuervorbelastung EU-ausländischer Dividenden. Eine solche Pflicht besteht allerdings nach dem Äquivalenzgrundsatz, wenn ein nationales Gericht in einer vergleichbaren rein inländischen Situation zu einer entsprechenden Schätzung verpflichtet wäre. Soweit mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen inländischer Dividenden die Höhe der den Anteilseignern gewährten Einkommensteuergutschrift bedingen, sind auch mittelbare Körperschaftsteuervorbelastungen EU‑ausländischer Dividenden zu berücksichtigen.

    4. Eine nationale Regelung, nach der eine Berichtigung der in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid festgestellten Besteuerung von Dividenden inländischer sowie EU‑ausländischer Unternehmen zwecks Anrechnung der auf diesen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer nur unter Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung im Sinne der §§ 44 f. KStG möglich ist, verstößt gegen den Effektivitätsgrundsatz, wenn dadurch eine Berichtigung der Besteuerung von Dividenden EU-ausländischer Gesellschaften praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

    5. Die Änderung einer nationalen Regelung, die dazu führt, dass die Berichtigung der in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid festgestellten Besteuerung von Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften aufgrund der Vorlage eines gültigen Nachweises der auf diesen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer rückwirkend und ohne Übergangsfrist ausgeschlossen wird, wodurch auch eine Anrechnung dieser Körperschaftsteuervorbelastung rückwirkend ausgeschlossen wird, verstößt gegen den Effektivitätsgrundsatz sowie gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Für das Inkrafttreten einer Regelung wie der des EU‑Richtlinien‑Umsetzungsgesetzes vom 8. Dezember 2004 gebieten diese beiden Grundsätze die Beachtung einer angemessenen Übergangsfrist, die zwölf Monate ab der Verkündung dieses Gesetzes nicht unterschreiten darf.

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    1 – Originalsprache der Schlussanträge: Deutsch. Verfahrenssprache: Deutsch.

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    2 – Urteil vom 6. März 2007, Meilicke u. a. (C-292/04, Slg. 2007, I-1835).

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    3 – In Anlehnung an die im EUV und im AEUV verwendeten Bezeichnungen wird der Begriff „Unionsrecht“ als Gesamtbegriff für Gemeinschaftsrecht und Unionsrecht verwendet. Soweit es im Folgenden auf einzelne primärrechtliche Bestimmungen ankommt, werden die ratione temporis geltenden Vorschriften angeführt.

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    4 – ABl. L 336, S. 15, in der durch Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Steuerwesen anlässlich des Beitritts Bulgariens und Rumäniens geänderten Fassung (ABl. L 363, S. 129).

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    5 – BGBl. I 1990, S. 1898.

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    6 – BGBl. I 1991, S. 638.

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    7 – BGBl. I 2004, S. 3310.

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    8 – Oben in Fn. 2 angeführt.

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    9 – Im Ergebnis führt diese Anrechnung dazu, dass die auf den Dividenden lastende Körperschaftsteuer als vorweg gezahlte Einkommensteuer des Anteilseigners behandelt wird und bei dessen Besteuerung in voller Höhe zu berücksichtigen ist. Vgl. dazu Mössner, J., „Rückgewähr europarechtswidrig erhobener Steuern“, in Europa im Wandel: Festschrift für Hans-Werner Rengeling, Köln, 2008, S. 339, 341 f. Teil dieses Systems ist, dass die Einkommensteuergutschrift als der Einkommensteuer unterliegende Einnahmen einzuordnen ist. Vgl. dazu Gosch, D., „Anrechnung ausländischer Steuern nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache ‚Manninen‘ trotz Bestandskraft?“, DStR 2004, 1988, 1989.

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    10 – So ausdrücklich das vorlegende Gericht in seiner Vorlageentscheidung, S. 30 und 43. Soweit die Ausführungen der Kläger des Ausgangsverfahrens in der schriftlichen Stellungnahme sowie in der mündlichen Verhandlung diese Feststellungen des vorlegenden Gerichts ergänzen bzw. in Abrede stellen, sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und denen der Mitgliedstaaten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die Vorabentscheidungsfragen einfügen, in prozessrechtlicher Hinsicht grundsätzlich von den Feststellungen des vorlegenden Gerichts auszugehen hat. Vgl. Urteile vom 8. September 2010, Winner Wetten (C‑409/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35), vom 27. Oktober 2009, ČEZ (C‑115/08, Slg. 2009, I‑10265, Randnr. 57), vom 2. Oktober 2008, Heinrich Bauer Verlag (C‑360/06, Slg. 2008, I‑7333, Randnr. 15), und vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri (C-482/01 und C-493/01, Slg. 2004, I-5257, Randnr. 42).

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    11 – Oben in Fn. 2 angeführt.

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    12 – Im Urteil Meilicke hat der Gerichtshof im Ergebnis seine ständige Rechtsprechung bestätigt, nach der die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese jedoch ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben müssen, vgl. Urteile vom 1. Juli 2010, Dijkman und Dijkman-Lavaleije (C-233/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20), vom 3. Juni 2010, Kommission/Spanien (C-487/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37), vom 17. September 2009, Glaxo Wellcome (C‑182/08, Slg. 2009, I‑8591, Randnr. 34), vom 7. September 2004, Manninen (C-319/02, Slg. 2004, I-7477, Randnr. 19), und vom 29. April 1999, Royal Bank of Scotland (C-311/97, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 19).

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    13 – Vgl. Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation (C‑446/04, Slg. 2006, I‑11753), in dem der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein Mitgliedstaat, der bei inländischen Dividenden eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung auf der Grundlage eines Steuerbefreiungssystems zu vermeiden bezweckt, die hinsichtlich ausländischer Dividenden erforderliche gleichwertige Behandlung auf der Grundlage eines Vorsteueranrechnungssystems erreichen darf, soweit der Steuersatz für ausländische Dividenden nicht höher ist als bei inländischen Dividenden und der im Ausland gezahlte Betrag bis zur Höhe der inländischen Steuern angerechnet wird. Für eine eingehende Analyse der Grundsatzfrage der Gleichwertigkeit von Befreiungs- und Anrechnungsmethode zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividenden vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Kokott vom 11. November 2010 in den noch anhängigen verbundenen Rechtssachen C-436/08 und C-437/08 (Haribo und Österreichische Salinen, Nrn. 15 ff.).

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    14 – Siehe Nrn. 46 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

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    15 – So beispielsweise Stuhrmann, G., § 36 EStG, Rz. 29a, in Blümich – Kommentar EStG · KStG · GewStG (Hrsg. Heuermann, B.), Verlag Franz Vahlen, München, 106. Ergänzungslieferung (Stand Mai 2010), wonach die EuGH‑Rechtsprechung in dem Sinne zu deuten sei, dass die ausländische Körperschaftsteuer nach dem Steuersatz anzurechnen sei, der im Sitzland der ausschüttenden Gesellschaft gelte. Dadurch könne sich ein Anrechnungsbetrag ergeben, der 3/7 der Bruttodividende über- oder unterschreite. In diesem Sinne auch Lüdicke, J., „Pending Cases Filed by German Courts I: The Meilicke, CLT-UFA, Keller Holding, Lasertec, Rewe Zentralfinanz, Ritter-Coulais, Kolumbus Container Services, and Stauffer Cases“, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), ECJ: recent developments in direct taxation, Wien, 2006, S. 113, 119.

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    16 – Zur Beachtung der den Mitgliedstaaten verbliebenen Befugnisse auf dem Gebiet der direkten Besteuerung in der Rechtsprechung des EuGH vgl. Lenaerts, K., „Die Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der direkten Besteuerung“, EuR 2009, S. 728, 737 ff.

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    17 – Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Geelhoed in der Rechtssache Test Claimants in the FII Group Litigation (C‑446/04, Urteil oben in Fn. 13 angeführt, Nr. 45), sowie vom 23. Februar 2006 in der Rechtssache Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (C-374/04, Slg. 2006, I-11673, Nrn. 43 ff.).

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    18 – Oben in Fn. 13 angeführt. Seinem Inhalt nach wurde dieses Urteil bestätigt in dem Beschluss vom 23. April 2008, Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation (C-201/05, Slg. 2008, I-2875).

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    19 – Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation (oben in Fn. 13 angeführt, Randnrn. 48 ff.).

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    20 – Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation (oben in Fn. 13 angeführt, Randnrn. 51 f.).

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    21 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott vom 11. November 2010 in den verbundenen Rechtssachen C-436/08 und C-437/08 (oben in Fn. 13 angeführt, Randnrn. 153 ff.).

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    22 – Nach ständiger Rechtsprechung können nationale Regelungen, die den freien Kapitalverkehr beschränken, aus den in Art. 58 EG genannten Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses unter der Voraussetzung gerechtfertigt sein, dass sie dazu geeignet sind, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; vgl. Urteil Dijkman und Dijkman-Lavaleije (oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 49). Zur Qualifizierung der „Notwendigkeit der Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems“ als zwingenden Grund des Allgemeininteresses vgl. Urteile vom 27. November 2008, Papillon (C-418/07, Slg. 2008, I-8947, Randnr. 43), Meilicke u. a. (oben in Fn. 2 angeführt, Randnrn. 26 ff.), Manninen (oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 42) und vom 28. Januar 1992, Bachmann (C-204/90, Slg. 1992, I-249, Randnrn. 21 ff.).

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    23 – Urteile vom 8. Juli 2010, Bulicke (C-246/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25), vom 12. Februar 2008, Kempter (C-2/06, Slg. 2008, I-411, Randnr. 57), vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a. (C-222/05 bis C-225/05, Slg. 2007, I-4233, Randnr. 28), und vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnr. 43).

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    24 – Siehe Nr. 76 dieser Schlussanträge.

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    25 – Siehe Nr. 79 dieser Schlussanträge.

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    26 – Vgl. Urteil vom 27. Januar 2009, Persche (C-318/07, Slg. 2009, I-359), in dem der Gerichtshof zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Art. 56 EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Einrichtung die Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen steuerlichen Vergünstigung erfüllt (Randnr. 72 und Tenor). Zugleich hat der Gerichtshof jedoch ebenfalls hervorgehoben, dass die beteiligten Finanzbehörden, wenn die Nachprüfung der von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Auskünfte sich als schwierig erweist, durch nichts daran gehindert sind, bei Nichtvorlage der Nachweise, die sie für die zutreffende Steuerfestsetzung als erforderlich ansehen, den beantragten Steuerabzug zu verweigern (Randnr. 69). Zu dieser letzten Überlegung vgl. Urteile vom 18. Dezember 2007, A (C-101/05, Slg. 2007, I‑11531, Randnrn. 58 f.), vom 11. Oktober 2007, ELISA (C-451/05, Slg. 2007, I-8251, Randnrn. 95 ff.), und vom 30. Januar 2007, Kommission/Dänemark (C-150/04, Slg. 2007, I-1163, Randnr. 54).

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    27 – Vorlageentscheidung vom 14. Mai 2009, S. 44.

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    28 – Vgl. Urteil Kommission/Spanien (oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 56), in dem der Gerichtshof zum Thema der unabgestimmten Ausübung von Besteuerungsbefugnissen durch die Mitgliedstaaten ausdrücklich hervorgehoben hat, dass die Nachteile, die sich aus der parallelen Ausübung der Besteuerungsbefugnisse der verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben können, keine nach dem EG-Vertrag verbotenen Beschränkungen darstellen, sofern eine solche Ausübung nicht diskriminierend ist. In diesem Sinne auch Urteile vom 16. Juli 2009, Damseaux (C‑128/08, Slg. 2009, I-6823, Randnr. 27), vom 20. Mai 2008, Orange European Smallcap Fund (C‑194/06, Slg. 2008, I-3747, Randnrn. 41, 42 und 47), und vom 14. November 2006, Kerckhaert und Morres (C-513/04, Slg. 2006, I‑10967, Randnrn. 19, 20 und 24).

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    29 – Vgl. in diesem Zusammenhang Urteile vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt (C‑157/07, Slg. 2008, I-8061, Randnr. 50), vom 28. Februar 2008, Deutsche Shell (C-293/06, Slg. 2008, I-1129, Randnr. 43), und vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services (C-298/05, Slg. 2007, I-10451, Randnr. 51).

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    30 – Siehe Nr. 86 dieser Schlussanträge.

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    31 – Urteile ELISA (oben in Fn. 26 angeführt, Randnr. 92) und Kommission/Dänemark (oben in Fn. 26 angeführt, Randnr. 52).

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    32 – Urteile Persche (oben in Fn. 26 angeführt, Randnr. 65), und vom 27. September 2007, Twoh International (C-184/05, Slg. 2007, I-7897, Randnr. 32).

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    33 – Vgl. in diesem Zusammenhang auch Urteil vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer (C‑386/04, Slg. 2006, I‑8203, Randnr. 49), in dem der Gerichtshof hervorgehoben hat, dass eine nationale Regelung, die es den Steuerpflichtigen in einem grenzüberschreitenden Besteuerungsfall absolut unmöglich macht, die für die Feststellung einer Steuerbefreiung relevanten EU‑ausländischen Nachweise zu erbringen, nicht unter Verweisung auf die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle als zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann.

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    34 – Vgl. Urteile Persche (oben in Fn. 26 angeführt, Randnr. 55) und Centro di Musicologia Walter Stauffer (oben in Fn. 33 angeführt, Randnr. 48).

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    35 – Vgl. Urteil Persche (oben in Fn. 26 angeführt, Randnrn. 54 und 60), Heinrich Bauer Verlag (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 41), vom 25. Oktober 2007, Geurts und Vogten (C-464/05, Slg. 2007, I‑9325, Randnr. 28), und ELISA (oben in Fn. 26 angeführt, Randnr. 95).

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    36 – Siehe Nr. 86 dieser Schlussanträge.

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    37 – Oben in Fn. 2 angeführt.

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    38 – Siehe Nr. 52 dieser Schlussanträge.

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    39 – BGBl. I 2004, S. 3310.

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    40 – Soweit ersichtlich, sieht sich das vorlegende Gericht in diesem Zusammenhang u. a. mit dem verfahrensrechtlichen Problem konfrontiert, dass eine einkommensteuerliche Anrechnung der auf den Dividenden lastenden Körperschaftsteuer voraussetzt, dass die zu erstattende Körperschaftsteuervorbelastung vom Anteilseigner als eine der Einkommensteuer unterliegende Einnahme versteuert wird. Hinsichtlich von einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid erfasster Dividendenausschüttungen setzt dies voraus, dass dieser Bescheid zwecks Versteuerung der anzurechnenden Körperschaftsteuervorbelastung trotz Bestandskraft abgeändert werden kann.

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    41 – Eine solche unterschiedliche Behandlung von inländischen und EU‑ausländischen Dividenden könnte folglich nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn sie entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. Urteile Kommission/Spanien, oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 47, vom 8. November 2007, Amurta, C-379/05, Slg. 2007, I-9569, Randnr. 32, und Manninen, oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 29). Hier sind keine Umstände ersichtlich, die zu einer objektiven Unvergleichbarkeit der nachträglichen Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide hinsichtlich Dividenden inländischer Gesellschaften einerseits und der nachträglichen Berichtigung hinsichtlich Dividenden EU‑ausländischer Gesellschaften andererseits führen könnten. Darüber hinaus sind keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses ersichtlich, die eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich einer nachträglichen Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide in Bezug auf inländische bzw. EU‑ausländische Dividenden rechtfertigen könnten.

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    42 – Siehe Nr. 76 dieser Schlussanträge.

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    43 – Siehe Nr. 78 dieser Schlussanträge.

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    44 – Siehe Nr. 94 dieser Schlussanträge.

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    45 – Siehe Nr. 95 dieser Schlussanträge.

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    46 – Vgl. Urteile vom 12. Februar 2008, Kempter (C-2/06, Slg. 2008, I-411, Randnr. 37), und vom 13. Januar 2004, Kühne (C-453/00, Slg. 2004, I-837, Randnr. 24).

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    47 – Vgl. Urteile Bulicke (oben in Fn. 23 angeführt, Randnr. 36), vom 15. April 2010, Barth (C-542/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 28 ff.), vom 29. Oktober 2009, Pontin (C-63/08, Slg. 2009, I‑10467, Randnr. 48), und vom 24. März 2009, Danske Slagterier (C‑445/06, Slg. 2009, I‑2119, Randnr. 32).

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    48 – Vgl. in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Änderung von nationalen Ausschlussfristen für die Rückforderung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Beträgen: Urteil vom 24. September 2002, Grundig Italiana (C-255/00, Slg. 2002, I-8003, Randnrn. 35 ff.), und vom 11. Juli 2002, Marks & Spencer (C-62/00, Slg. 2002, I-6325, Randnrn. 36 ff.).

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    49 – Urteil Marks & Spencer (oben in Fn. 48 angeführt, Randnr. 46).

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    50 – Vgl. dazu Urteil Grundig Italiana (oben in Fn. 48 angeführt, Randnr. 41).

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    51 – Ebd., Randnr. 38.

    Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg