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  • · Fachbeitrag · Stiftungsvermögen

    Behandlung von Anleihen in Bilanz und Mittelverwendungsrechnung

    von Dr. Eike Cornelius, Assessor, und Synke Loleit, Assessorin, Abteilung Estate Planning im Private Banking der BHF-BANK AG, Frankfurt am Main

    | Anleihen gelten als der „Baustein“ der Sicherheit und haben in den letzten Jahren viel Freude gemacht. Denn mit dem gesunkenen Zinsniveau befinden sich viele Anleihen auf historischen Höchstkursen. Eine Bilanzierung anhand der aktuellen Marktwerte hat die Summe der Werte des Portfolios und damit das Stiftungsvermögen meist erkennbar aufgebessert. Was aber, wenn dieser Trend sich umkehrt? Kann der Stiftungsvorstand sich darauf bilanztechnisch vorbereiten? Der folgende Beitrag wirft zudem einen Blick auf die Bedeutung von Stückzinsen in der Mittelverwendungsrechnung und zeigt, welche Konsequenzen es hat, wenn Anleihen in einem solchen Niedrigzins-Umfeld über pari erworben werden.  |

    1. Die Zinswende als Risikofaktor für Stiftungsbilanzen

    Betrachtet man die Entwicklung des Zinsniveaus über die letzten Jahrzehnte, zeichnet sich ein eindeutiger Trend ab hin zu immer niedrigeren Zinsen. Ob und wann die Talsohle erreicht ist, ist ebenso schwer abzusehen, wie zukünftige Entwicklungen an den Aktienmärkten. Eine erste Idee, wie sich eine Zinswende anfühlt, konnten Anleger aber in jüngster Zeit bereits bekommen, als die Ankündigung der U.S. Federal Reserve, ihre Ankäufe einzuschränken, zu rasanten Zinssprüngen bei US-Staatsanleihen und auch bei Bundesanleihen führte. In der Folge verzeichneten die Rentenpapiere Kursabschläge, welche das Spiegelbild sind zu den verbesserten Renditen neu emittierter Papiere.

     

    Bei einer scharfen Zinswende kommt es zu erheblichen Abschlägen auf die Marktbewertungen, die das Risikobudget der Stiftung (Cornelius/Loleit, SB 13, 147) stark strapazieren können. Kumulieren sich Aktien- und Anleihenverluste in einem Jahr, ist u.U. sogar der Stiftungsstock in Gefahr. An dieser Stelle ist ein Blick auf die Bilanzierungsgrundsätze notwendig.

     

    1.1 Vorsichtsprinzip bei der Bewertung

    Da es in den meisten Fällen an einer gesetzlichen Verpflichtung zu einer bestimmten Art der Bilanzierung mangelt, besteht hier ein Handlungs- und Ermessensspielraum des Stiftungsvorstands (Hüttemann, DB 13, 1561). Für Stiftungen, deren Vermögen sich weitgehend in Wertpapieren erschöpft, bietet sich nach unserer Erfahrung die Umsetzung des Vorsichtsprinzips an. Danach sind zum Bilanzierungsstichtag solche Wertpapierpositionen abzuschreiben, die im Vergleich zum Vorjahresstichtag einen Wertverlust ausweisen. Buchgewinne hingegen werden bilanziell ausgeblendet und bilden die „stillen Reserven“ der Stiftung, welche erst im Fall einer Realisierung durch Veräußerung in die Bilanz überführt werden.

     

    Das Vorsichtsprinzip funktioniert besonders gut bei den risikotragenden Anlagen, wie z.B. Aktien und Aktienfonds. Denn die Bewertung erfolgt niemals höher als die Anschaffungskosten und dann niedriger, wenn es zwischenzeitlich - d.h. an den Bilanzstichtagen - zu tieferen Kursen gekommen ist. Nach der Erfahrung bilden sich so über die Zeit stille Reserven in den Aktienpositionen, weil die Bilanz jeden Abschwung, aber keinen Aufschwung bei unrealisierten Positionen mitmacht.

     

    Das typische Rentenpapier hingegen hat eine feste Laufzeit und einen Nominalbetrag, zu dem es eingelöst wird. Bei Anwendung des Vorsichtsprinzips wirken sich also die Wertzuwächse aufgrund des gesunkenen Zinsniveaus nicht in der Bilanz aus, jedoch können Verluste aus einer Zinswende das Vermögensergebnis durch Abschreibungen beeinträchtigen, insbesondere bei den Anlagen jüngeren Datums.

     

    1.2 Steuerliche Betrachtungsweise

    Die Problematik stellt sich auch im nichtsteuerbefreiten Bereich. Nach einer Entscheidung des BFH vom 8.6.11 (I R 98/10, Abruf-Nr. 112822) ist bei festverzinslichen Wertpapieren mit fixem Nominalwert eine Teilwertabschreibung unter ihren Nennwert allein wegen gesunkener Kurse regelmäßig nicht zulässig. Dies gelte auch, wenn die Wertpapiere zum Umlaufvermögen gehören. Das BMF hat die Anwendung der Grundsätze dieses Urteils für alle Fälle angeordnet, in denen es sich um festverzinsliche Wertpapiere

    • im Umlaufvermögen handelt,
    • kein Bonitäts- und Liquiditätsrisiko hinsichtlich der Rückzahlung der Nominalbeträge besteht und
    • die Wertpapiere bei Endfälligkeit zu ihrem Nennwert eingelöst werden können (BMF 10.9.12, IV C 6 - S 2171 - b/0: 005 - DOK: 2012/0828282).

     

    Bereits im Jahr 2000 wurde durch BMF-Schreiben bzgl. des Anlagevermögens veröffentlicht, dass eine Teilwertabschreibung nur bis zum Nominalwert als Untergrenze erlaubt ist (BMF 25.2.00, IV C 2 - S 2171 b - 14/00, Tz. 16 und 17; BStBl I 00, 372). Da der Kurs unterhalb des Nominalwerts am Bilanzstichtag nicht von Dauer ist, stellt der Nominalwert eine Mindestbewertung dar.

     

    1.3 Scheingewinne und -verluste bei Anleihen

    Das Vorsichtsprinzip vermeidet bei Anleihen die zwischenzeitliche Ausweisung von Scheingewinnen, da die spätere Rückzahlung maximal zum Nominalwert erfolgt. Gleichermaßen ist zu empfehlen, Scheinverluste zu verhindern, indem der Nominalwert als Mindestbewertung festgeschrieben wird. Für die Umsetzung ist ratsam, dass beide Grundsätze - Vorsichtsprinzip und Mindestbewertung - in einer verbindlichen Form vom Stiftungsvorstand beschlossen werden. Hierzu können neben Anlagerichtlinien auch Bilanzrichtlinien erlassen werden.

     

    Um die Wertabweichung zwischen Marktkursen am Bilanzstichtag und der Bewertung in der Bilanz transparent zu machen, kann eine Erläuterung im Jahresabschluss erfolgen, welche den Betrag und den temporären Charakter der Differenz hervorhebt.

     

    1.4 Konsequenz für die Bilanzrichtlinien der Stiftung

    Beispielhaft könnten die Bilanzierungsgrundsätze wie folgt formuliert werden:

     

    Musterformulierung / Bilanzrichtlinie einer Stiftung

    Die Stiftung bilanziert nach dem Vorsichtsprinzip.

    Wertminderungen am 31.12. führen zu Abschreibungen, Werterhöhungen zu stillen Reserven, die erst mit der Realisierung bilanzwirksam werden.

    Anleihen können nach dem Grundsatz „bis zur Endfälligkeit“ mit dem Nominalwert als Mindestwert bilanziert werden, sofern die Wertminderung nicht auf eine Verschlechterung der Bonität zurückzuführen ist. Hierüber entscheidet im Einzelfall der Stiftungsvorstand.

     

    2. Erwerb von Anleihen über pari

    Häufig ist zu sehen, dass beim Kauf einer Anleihe „nur“ auf den Kupon geachtet wird. Umso höher der Kupon desto besser. Allerdings wird bei dieser Betrachtung der Einfluss der Kurshöhe der Anleihe auf das Stiftungsvermögen vernachlässigt.

     

    Zu differenzieren ist stets, ob eine Zuordnung zu den Stiftungsmitteln oder zum Stiftungsvermögen erfolgt. Der Kurswert der Anleihe selbst ist dem Stiftungsvermögen zuzuordnen. Sofern keine entsprechenden Rücklagen wie die Umschichtungsrücklage oder die freie Rücklage und somit Reserven gebildet worden sind, kann eine Kursminderung der Anleihe schnell zu einem Verlust im Vermögensstock der Stiftung führen. Der Zinsertrag der Anleihe ist wiederrum den Stiftungsmitteln zuzuordnen und unterliegt u.a. im Grundsatz dem Mittelverwendungsgebot (§ 55 Abs. 1 S. 5 AO).

     

    • Beispiel

    Nimmt man eine Anleihe mit einer Restlaufzeit von 4 Jahren, die bei 120 % notiert und einen Kupon von 6 % p.a. hat, erzeugt man einen vorhersehbaren Verlust im Stiftungsvermögen. Der jährliche Kupon darf maximal zu 1/3, d.h. zu 2 % in eine Rücklage gestellt werden (§ 58 Nr. 7a AO) und damit unterliegen 4 % der Mittelverwendungspflicht. Der erlaubten Thesaurierung von 2 % steht ein linearer jährlicher Verlust von 5 % (20 % durch 4 Jahre) gegenüber, wodurch sich im Saldo ein Vermögensverlust von 3 % p.a. ergibt. Deutlich schlechter fällt das Ergebnis aus, wenn nur teilweise bzw. gar nicht von der Rücklagenoption Gebrauch gemacht wird.

     

    Anhand dieser stark vereinfachten Darstellung wird klar, dass bei Anleihekursen deutlich über pari eine Umwandlung des Stiftungsvermögens in laufende Erträge stattfindet. Sofern Umschichtungsgewinne als Ausgleichsposten zu erwarten sind, kann dies auch eine vorrübergehende taktische Erwägung bei temporären Mittelengpässen sein.

     

    Vor dem Hintergrund der schwierigen Märkte gebietet dies eher eine restriktive Nutzung und sollte in der Planung bedacht werden. Besser noch ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kurshöhe und Kuponhöhe.

    3. Stückzinsen in der Mittelverwendungsrechnung

    Beim Kauf einer Anleihe ist der bereits aufgelaufene Zins des Kupons (Stückzins) an den Verkäufer zu entrichten. Umso näher der Kupontermin liegt, desto höher ist der an den Verkäufer zu zahlende Stückzins. Auch hier ist eine exakte Zuordnung in die Vermögens- oder Ertragssphäre der Stiftung essentiell. Die Besonderheit der Stückzinsen liegt darin, dass die eingenommenen Stückzinsen und die gezahlten Stückzinsen dem Stiftungsvermögen bzw. den Stiftungsmitteln unterschiedlich zugeordnet werden.

     

    • Gezahlte Stückzinsen beim Kauf einer Anleihe zählen zu den negativen Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (BMF Schreiben vom 9.10.12 - Einzelfragen zur Abgeltungsteuer - Rn. 51; Harenberg/Zöller, Abgeltungsteuer 3. Aufl. S. 59) und gehören in die Ertragssphäre einer Stiftung. Sie sind in der Mittelverwendungsrechnung zu berücksichtigen.

     

    • Hingegen werden die beim Verkauf einer Anleihe erzielten Stückzinsen seit 1.1.09 als Kursertrag nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG eingeordnet (Kracht, nwb-EV 10, 77, 78; BMF Schreiben vom 9.10.12 - Einzelfragen zur Abgeltungsteuer - Rn. 50). Es ist daher allein konsequent, in den erhaltenen Stückzinsen einen Substanzertrag zu sehen, gegebenenfalls auch einen Umschichtungsgewinn. Erzielte Stückzinsen stellen somit eine Mehrung des Stiftungsvermögens dar.

     

    Am Bilanzstichtag noch offene Stückzinsen (Zinsabgrenzung) sind für die Mittelverwendung nicht relevant, weil es in dem betreffenden Jahr zu keinen Einnahmen mehr kommt. Hier gilt im Zusammenhang mit dem Einnahmenbegriff aus der Vermögensverwaltung die Vorschrift des § 8 EStG (Orth, Stiftungsrechtshandbuch 3. Aufl., § 37 Rn. 422). Über diese Norm kommt es auf das Zuflussprinzip an (Krüger, Schmidt-EStG, 32. Aufl., § 8 Rn. 10). Demnach ist die Zinsabgrenzung selbstverständlich für Zwecke der Bilanz vorzunehmen. Die rechnerisch aufgelaufenen Zinsen zwischen Kupontermin und Bilanzstichtag - typischerweise der 31.12. - steigern das Stiftungsvermögen, sie erhöhen jedoch nicht die Bemessungsgrundlage für die zu verwendenden Mittel. Erst wenn der Kupon ausgezahlt wird, handelt es sich um Einnahmen, die in dem betreffenden Jahr in die Mittelverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO fallen.

     

    PRAXISHINWEIS | Anleihen sollten nicht ohne wichtigen Grund zeitnah vor dem Kupontermin verkauft werden, um so die Leistungskraft der Stiftung aus dem ordentlichen Ergebnis zu sichern.

     

    Anleihen sollten nicht mit hohen Stückzinsen erworben werden, es sei denn, der Kupontermin fällt in das gleiche Kalenderjahr/Wirtschaftsjahr.

     

    4. Bilanzkommunikation

    Sowohl unter den Mitgliedern der Stiftungsorgane wie auch gegenüber der Stiftungsaufsicht und in Bezug auf das Finanzamt ist es ein Gebot der Selbstverständlichkeit, dass alle Bilanzprinzipien und auch die Anlagerichtlinien in ihrer Wirkung und Bedeutung für den jeweiligen Abschluss erläutert werden. Dies schafft Klarheit über Maßnahmen zur Erhaltung des Stiftungsvermögens, einschließlich der Risikojustierung. Kurzfristige Wertminderungen bei Anleihen können von solchen aus Aktien getrennt werden, deren Dauer nicht absehbar ist. Stille Reserven werden zusätzlich gestärkt, wenn sie nicht durch temporäre „Anleihen-Verluste“ gemindert werden. Hierfür bedarf das Thema der Veränderung von Bonitäten besonderer Beobachtung.

     

    Zugunsten des Stiftungszwecks sollten nach Möglichkeit anlagepolitische Maßnahmen unterbleiben, die sich zulasten der Mittelverwendungsrechnung auswirken. Es empfiehlt sich, Ausnahmen hiervon in einem Anhang zum Jahresabschluss zu erläutern.

     

    FAZIT | Ob wir den Höhepunkt der Anleihenhausse hinter uns haben und die große Zinswende bevorsteht, kann niemand sicher vorhersagen. Aber vielen Stiftungsvorständen wird gerade jetzt klar, dass Anleihen, die zuletzt mit Ihren aktuellen Marktkursen deutlich über pari bewertet wurden, ein erhebliches Verlustpotenzial in sich bergen. Auf Sicht bis zur Rückzahlung sind die Verluste vom heutigen Niveau aus quasi vorprogrammiert.

     

    Anhand der steuerlichen Bewertungsgrundsätze kann die Stiftungsbilanz Abschreibungen unter die Rückzahlungsnominalwerte vermeiden, solange keine Verschlechterung der Bonität eingetreten ist. Der Stiftungsvorstand sollte entsprechende Bilanzierungsgrundsätze verabschieden. Es bietet sich an, diese als Ergänzung zu den Anlagerichtlinien zu verfassen.

     

    Beim Erwerb von Anleihen ist auf die Verschiebung von der Vermögens- zur Ertragsspähre zu achten, soweit Anleihen über pari gekauft werden, die im Fall des „Durchhaltens“ zu sicheren Vermögensverlusten führen („pull-to-par-Effekt“).

     

    Schließlich sind Auswirkungen der Stückzinsen in der Mittelverwendungsrechnung zu berücksichtigen. Gezahlte Stückzinsen vermindern unmittelbar den laufenden Ertrag; erhaltene Stückzinsen zählen steuerlich als Kursgewinn zur Vermögensspähre und stellen somit keinen Ertrag im Rahmen der Mittelverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO dar. Bei all diesen Vorgängen ist Transparenz das höchste Gebot. Abweichungen zwischen Marktbewertung und Bilanz sind genauso offenzulegen wie die Anlagepolitik für das Zustandekommen der Mittel, welche unter Berücksichtigung von § 58 Nr. 7 AO mindestens der Zweckverwirklichung zuzuführen sind.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 215 | ID 42385462