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  • · Fachbeitrag · Stiftung & Recht

    Die Vorstiftung: Der nasciturus des Stifters

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FA StR/FA HGR Leiter des BereichsStiftungsberatung, PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

    | Wer zur Zeit des Erbfalls bereits gezeugt war, gilt als vor dem Erbfall geboren - so der Gesetzgeber in § 1923 Abs. 2 BGB. Dies überträgt er in § 84 BGB auf die noch nicht anerkannte Stiftung. Aber ist die Situation hier wirklich vergleichbar? Der folgende Beitrag stellt den Meinungsstand zur Vorstiftung vor und zeigt Widersprüche in der Argumentation ihrer Gegner auf. |

    1. Mehr Fragen als Antworten

    Da man sich in Literatur und Rechtsprechung darüber einig ist, dass ein ungeborener Erbe noch keine Entscheidungen über sein Erbe treffen kann, verständigte man sich darauf, sowohl für den nasciturus als auch für die ungeborene Stiftung entsprechend § 1912 BGB einen Pfleger zu bestellen. Es fragt sich nur, warum der Gesetzgeber die Vorstiftung dem nasciturus und nicht der Vor-GmbH gleichstellt, wo doch die Vorstiftung durch ihre Organe - entgegen dem nasciturus - für sich selbst sorgen könnte. Ebenso fragt man sich aber auch, warum die Rechtsprechung eine Körperschaftssteuerpflicht rückwirkend auf den Zeitpunkt des Vermögensanfalls anerkennt, die Befreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG oder die Spendenabzugsfähigkeit hingegen nicht. Letztlich stellt sich die Frage, ob es sich bei der Nichtanerkennung der Vorstiftung eher um eine pragmatische Lösung des Staates denn eine konsequente Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Grundsätze handelt.

    2. Rechtliche Situation

    Gemäß § 80 Abs. 1 BGB bedarf es zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung des Stiftungsgeschäfts und der Anerkennung durch die Behörde des Landes, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll. § 84 BGB regelt, dass die Stiftung, die erst nach dem Tode des Stifters als rechtsfähig anerkannt wird, für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden gilt. Eine Frage, die mit stets wiederkehrender Regelmäßigkeit Stifter, ihre Erben und Testamentsvollstrecker, die Finanz- und Zivilgerichte sowie schließlich das Schrifttum beschäftigt, ist, ob die Stiftung bereits vor ihrer Anerkennung gemäß § 80 Abs. 1 BGB - als Vorstiftung - existiert oder nicht. Denn auch beim rechtsfähigen Verein, der eingetragenen Genossenschaft und Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) wird vor der Eintragung in das jeweilige Register eine Vorkörperschaft anerkannt (Eder, ZStV 13, 52). Anlass für derartige Überlegungen sind sowohl steuer-, vor allem aber auch zivilrechtliche Probleme. Solche zivilrechtlichen Hürden, wenn man die Vorstiftung desavouiert, bestehen darin, dass die Handelnden eine persönliche Haftung für Aktivitäten trifft, die diese im Vorgriff auf die geplante und erwartete Anerkennung der Stiftung vornehmen. Ähnlich verhält es sich mit der Übertragung von Vermögen: Ohne eine bestehende Rechtspersönlichkeit kann die Stiftung keine Rechte erwerben und verpflichtet werden. Dafür sind Treuhänder notwendig, was wiederum Probleme nach sich ziehen kann. Steuerrechtlich ergeben sich Probleme, wenn die Anerkennung als steuerbegünstigt scheitert.

    3. Die Möglichkeit des Widerrufs

    Das Schrifttum lehnt die Vorstiftung überwiegend ab. Begründet wird diese Auffassung damit, dass es vor der Anerkennung der Stiftung gemäß § 80 Abs. 1 BGB keine verselbstständigte Vermögensmasse gibt, die die Annahme einer Vorstiftung analog zum Vorverein oder der Vor-GmbH rechtfertigt. Auch wird die Regelung in § 81 Abs. 2 BGB herangezogen. Danach ist der Stifter bis zur Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig zum Widerruf des Stiftungsgeschäfts berechtigt (§ 81 Abs. 2 S. 1 BGB). Dies sogar, wenn die Anerkennung der Stiftung bereits bei der Behörde beantragt worden ist (§ 81 Abs. 2 S. 2 BGB). Vor ihrer Genehmigung ist die Stiftung grundsätzlich ein „rechtliches Nullum“ (FG Hessen 17.9.02, 4 K 2859/02).

     

    Ein schutzwürdiges Interesse des Stifters an einem (insbesondere durch die Erben) unbeeinflussten Fortlauf des Anerkennungsverfahrens, mit dem die Vorstiftung begründet werden könnte, besteht schließlich deshalb nicht, weil die Erben des Stifters unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 S. 3 BGB gerade nicht zum Widerruf berechtigt sind.

     

    Allerdings können z.B. auch die Mitglieder eines Vereins ebenfalls gemeinsam darauf verzichten, die Eintragung des Vereins weiter voranzutreiben. Ebenso verhält es sich mit den Gesellschaftern einer GmbH oder Aktionären einer AG, sodass allein die Widerrufbarkeit des Stiftungsgeschäfts nicht zwingend der Annahme einer Vorstiftung entgegensteht (Schiffer/Pruns, NWB 11, 1258, 1260).

    4. Vergleichbarkeit mit anderen Vorkörperschaften

    Für die Vorstiftung machen ihre Befürworter die bereits erwähnte Vergleichbarkeit mit Vorverein, Vorgenossenschaft und Vorkapitalgesellschaften (GmbH, AG) geltend. Auch dort kann die Gründung noch nach dem Gründungsakt abgebrochen werden, ebenso wie die Stiftung vor Anerkennung durch die Aufsichtsbehörde durch den Widerruf des Stifters beseitigt wird.

     

    • Es ist nicht einzusehen, warum der Stifter oder die von ihm eingesetzten Stiftungsorgane anders behandelt werden sollten als die Gründer eines Vereins, einer Genossenschaft oder einer Kapitalgesellschaft. Sie alle verbindet das Interesse an und der Rechtsanspruch auf Eintragung bzw. Anerkennung. Obschon der Wortlaut in § 11 Abs. 1 und 2 GmbHG sowie § 41 Abs. 1 S. 1 AktG deutlich gegen die Anerkennung einer Vorkapitalgesellschaft spricht, hat man dem Bedürfnis danach aufgrund rechtspragmatischer Gründe nachgegeben. Daran knüpft die Frage an, warum dies dann nicht auch für die Vorstiftung gelten soll (Eder, ZStV 13, 52, 54).

     

    • Demgegenüber wird die Analogie zur Vor-GmbH im Wege der Rechtsfortbildung abgelehnt, weil anders als bei Kapitalgesellschaften (§ 7 Abs. 2 und 3 GmbHG, § 36 Abs. 2, § 36a Abs. 2 AktG) im Gründungsstadium einer Stiftung keine Kapitalaufbringungspflicht besteht (Bamberger-Roth/ Backert, BGB, § 80 Rn. 52). In diesem Zusammenhang stellt sich aber die Frage, weshalb der Vorverein anerkannt wird, wenn es beim Verein doch ebenfalls an einer solchen Kapitalaufbringungspflicht fehlt und die Stiftung und der Verein sich ohnehin rechtsdogmatisch zumindest nahestehen (§ 86 BGB; Eder, ZStV 13, 52, 54/55).

    5. Praktisches Bedürfnis für die Vorstiftung

    Des Weiteren gibt es ein anzuerkennendes praktisches Bedürfnis dafür, die Übertragung von Vermögenswerten auf die Stiftung noch vor der Anerkennung der Stiftung durch die Aufsichtsbehörde zuzulassen, ebenso wie die steuerrechtliche Berücksichtigung von eingezahltem Stiftungsvermögen vor Eintritt der Rechtsfähigkeit bei der Stiftung. Wie Hüttemann (Festschrift für Spiegelberger, 1292, 1293) zutreffend bemerkt, hätte die Anerkennung einer Vorstiftung in haftungsrechtlicher Sicht zur Konsequenz, dass bereits vor Anerkennung der Stiftung Vermögenswerte aus dem Vermögen des Stifters auf die Vorstiftung übertragen werden könnten, mit praktischer Bedeutung z.B. im Hinblick auf die Vermögenszuordnung. Gegenwärtig lässt sich das nur unter Einschaltung von Treuhändern erreichen, was seinerseits Nachteile aufweist. Auch für Pflichtteilsergänzungsansprüche und im Anfechtungsrecht begännen Fristen eher zu laufen.

    6. Parteifähigkeit der Vorstiftung

    Im Fall des LG Heidelberg NJW-RR 91, 969 machte die Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch gegen eine Stiftung in Gründung geltend, die von der Erblasserin testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt worden war. Zur Anerkennung durch die Aufsichtsbehörde war es bis zum Erbfall noch nicht gekommen. Die beklagte Stiftung in Gründung wandte unter anderem ein, dass sie den Pflichtteilsanspruch nicht erfüllen kann, da sie wegen fehlender Genehmigung durch das Regierungspräsidium noch nicht entstanden ist.

     

    Das Gericht entschied, dass die Klage gegen die Stiftung in Gründung zulässig sei, weil sie gemäß § 50 Abs. 2 ZPO analog parteifähig ist. Zwar ist sie noch nicht genehmigt, sodass noch keine juristische Person vorliegt. Auf die werdende Stiftung, die eine notwendige Vorstufe zur juristischen Person ist, finden aber die für die spätere Rechtsform gültigen Rechtsgrundsätze Anwendung. Die werdende Stiftung ist passiv parteifähig, wenn sie im Rechtsverkehr als juristische Person auftritt, was das Gericht in dem Sachverhalt für gegeben hält. Auch wenn man auf die werdende Stiftung die Regelungen des Vorvereins anwendet, der ein nichtrechtsfähiger Verein ist, ist die Stiftung in Gründung analog § 50 Abs. 2 ZPO parteifähig.

    7. Fehlende Stiftungsaufsicht

    Schließlich wird gegen die Vorstiftung vorgebracht, dass sie nicht unter Stiftungsaufsicht steht: Weil das geltende Recht die behördliche Aufsicht über die Stiftung erst mit ihrer Anerkennung beginnen lässt, eine staatliche Aufsicht über die Stiftung in Gründung in den Stiftungsgesetzen der Länder nicht vorgesehen ist und unsere Rechtordnung die mitgliederlose Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit aber nur mit der Maßgabe einer staatlichen Aufsicht zulässt, spricht das Fehlen einer Stiftungsaufsicht im Gründungsstadium ebenfalls gegen die Möglichkeit einer Vorstiftung. Dagegen lässt sich zweierlei anführen:

     

    • Zum einen trifft die Prämisse, die Stiftungsaufsicht sei dem Charakter der Stiftung quasi wesensimmanent, nicht in dieser Tragweite zu, wie die Beispiele kirchlicher und privatnütziger Stiftungen belegen, bei denen die staatliche Stiftungsaufsicht nur sehr rudimentär in Erscheinung tritt (§ 6 Abs. 1 2. HS und Abs. 3 Stiftungsgesetz NRW).

     

    • Zum anderen aber könnte man - wie im Schrifttum vorgeschlagen wurde - die Vorstiftung erst mit Einreichung des Stiftungsgeschäfts bei der Anerkennungsbehörde beginnen lassen und zumindest wäre ab diesem Zeitpunkt eine Aufsicht möglich.

    8. Steuerrechtliche Gesichtspunkte

    Auch steuerrechtlich besteht ein praktisches Bedürfnis für die Vorstiftung, denn so könnte eine Stiftung in Gründung bereits vor ihrer Anerkennung steuerlich abziehbare Spenden von dritter Seite entgegennehmen. Dies kann besonders von Interesse sein, wenn sich der Gründungsvorgang über längere Zeit hinzieht (Hüttemann, a.a.O.). Dies auch besonders deshalb, weil nach der Auffassung des BFH (17.9.03, I R 85/02, BStBl II 05, 149) z.B. von Todes wegen errichtete Stiftungen des privaten Rechts im Fall ihrer Genehmigung auf Grund der in § 84 BGB angeordneten Rückwirkung bereits ab dem Zeitpunkt des Vermögensanfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG subjektiv körperschaftsteuerpflichtig sind, ohne dass sich gleichzeitig die in § 84 BGB angeordnete Rückwirkung auf die Steuerbegünstigung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG auswirken soll. Mit anderen Worten: Körperschaftsteuerpflicht wegen § 84 BGB rückwirkend ja, Steuerbegünstigung dagegen nein (dagegen statt vieler Schiffer/Pruns, NWB 11, 1258, 1262). Allerdings erkennt die Finanzverwaltung für Zuwendungen in den Vermögensstock einer Stiftung nach § 10b Abs. 1a EStG eine Vorverlagerung der Entstehung der Stiftung unter den Voraussetzungen an, dass

    • das Stiftungsgeschäft einschließlich Satzung abgeschlossen ist,
    • das zugesagte Vermögen auf ein der Verfügung des zukünftigen Stiftungsvorstands unterliegendes Sonderkonto eingezahlt worden ist und
    • der Stifter gegenüber der Stiftungsbehörde auf sein Widerrufsrecht nach § 81 Abs. 2 BGB verzichtet hat.

     

    • Dagegen meint das FG Baden-Württemberg (8.2.11, 4 K 4080/09, DStRE 12, 537), dass das Steuerrecht aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit an das Zivilrecht anknüpfen muss. Deshalb muss die Stiftung zum Zeitpunkt der Zuwendung der Spende zivilrechtlich bereits existieren. Die Praxis der Finanzverwaltung wird im Übrigen auch deshalb für zweifelhaft gehalten, weil ein Verzicht auf das Widerrufsrecht nach § 81 Abs. 2 BGB nicht möglich ist (MüKo/Reuter, BGB, 6. Aufl., § 81, Rn. 74a).

    9. Ergänzungspfleger für die Vorstiftung

    Gemäß § 84 BGB gilt die Stiftung für Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden, wenn die Stiftung erst nach dem Tod des Stifters als rechtsfähig anerkannt wird. Der Regelungsmechanismus entspricht dem des § 1923 Abs. 2 BGB, wonach als vor dem Erbfall geboren gilt, wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits gezeugt war. So wie der noch nicht geborene, aber bereits gezeugte Erbe (nasciturus) aufgrund § 1923 Abs. 2 BGB erbfähig wird, wird dies durch die Fiktion in § 84 BGB auch der Stiftung in Gründung ermöglicht. Für den nasciturus ordnet § 1912 Abs. 1 BGB an, dass er zur Wahrung seiner künftigen Rechte - soweit diese einer Fürsorge bedürfen - einen Pfleger erhält. Daraus wird abgeleitet, dass auch für die Stiftung in Gründung zur Wahrung ihrer Interessen als Zuwendungsempfängerin analog § 1912 Abs. 1 BGB ein Pfleger zu bestellen ist (Reuter, a.a.O., Rn. 74; Schiffer/Pruns, NWB 11, 1258, 1261). Gegenständlich ist die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten auf die Zuwendungen des Stifters beschränkt. Im Übrigen soll im Namen der zukünftigen Stiftung ohne Vertretungsmacht gehandelt werden können. Nach der Anerkennung hat der Vorstand der Stiftung (unter staatlicher Rechtsaufsicht) darüber zu entscheiden, ob er die bis dahin schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfte genehmigt oder nicht (Reuter, a.a.O.). Damit geht der für die Stiftung in Gründung Handelnde indessen ein erhebliches Haftungsrisiko ein (§ 179 Abs. 1 und 2 BGB).

    10. Treuhandstiftung als Interimslösung

    Im Einzelfall sollte geprüft werden, ob sich eine (nichtrechtsfähige) Treuhandstiftung als Interimslösung anbietet, wenn sich der Stifter aus haftungsrechtlichen oder steuerlichen Gründen schon vor der Anerkennung der Stiftung die als Stiftungsvermögen vorgesehenen Gegenstände entäußern möchte. Dabei bedarf es in jedem Fall der Einschaltung eines Dritten, weil der Stifter nicht zugleich Treuhänder und Treugeber in einer Person sein kann. Dem Treuhänder werden die als Stiftungsvermögen zugedachten Gegenstände mit der Auflage übertragen, sie nach Anerkennung der vom Stifter errichteten Stiftung auf diese zu übereignen. In der Notwendigkeit eines zweifachen Übertragungsaktes liegt der Nachteil dieser Lösung: So fällt z.B. bei Immobilien doppelt Grunderwerbsteuer an, wenn keine Befreiungsvorschrift eingreift. Somit streitet auch dieser Aspekt für ein praktisches Bedürfnis nach der Vorstiftung.

     

    FAZIT | Eine Reihe pragmatischer Gründe sprechen für die Anerkennung der Vorstiftung. De lege lata ist jedoch davon auszugehen, dass es ein solches Institut nicht gibt. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, dies zu ändern, wenn man das praktische Bedürfnis dafür sieht. Bis dahin müssen Stifter andere Wege wählen, um zum Ziel zu gelangen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 195 | ID 42313046