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  • · Fachbeitrag · Gemeinnützigkeit

    Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei unentgeltlichen Leistungen an den Geschäftsführer

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung (bundesweit), PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel

    | Das FG Düsseldorf hat einer gGmbH die Gemeinnützigkeit unter anderem deshalb aberkannt, weil sie unentgeltliche Pflegeleistungen an ihren Geschäftsführer erbracht hatte. Darüber hinaus unterschied sich die gGmbH nicht genug von einem steuerpflichtigen gewerblichen Pflegedienst. Aus diesen Fehlern können auch steuerbegünstigte Stiftungen lernen. |

    Streit um Gemeinnützigkeit einer gGmbH

    Die unentgeltlichen Pflegeleistungen der gGmbH gegenüber ihrem Geschäftsführer würdigte das Finanzamt im Streitjahr 2010 als Mittelfehlverwendungen und verdeckte Gewinnausschüttungen. Es erkannte deswegen die gGmbH nicht mehr als gemeinnützig an.

     

    Ursprünglich war die gGmbH nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer und nach § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreit, weil sie ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO diente. Die Körperschaft förderte folgende gemeinnützige Zwecke: Förderung der Jugendhilfe, Förderung der Altenhilfe, Förderung der Hilfe für Zivilbeschädigte und behinderte Menschen.

     

    Im Jahr 2015 reichte die gGmbH beim Finanzamt eine Anlage zur Steuererklärung 2013 ein. Aus der ergab sich, dass der Geschäftsführer für den Zeitraum 08/2010 bis 12/2010 Pflegeleistungen erhalten hatte. Das Finanzamt setzte daraufhin die Körperschaftsteuer der gGmbH für 2010 fest und berücksichtigte einen Steuerbilanzgewinn sowie verdeckte Gewinnausschüttungen. Der Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid und die Klage der gGmbH waren erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.04.2019, Az. 6 K 3664/16 K,F,AO, Abruf-Nr. 210745).

    FG bejaht Verstoß gegen Gemeinnützigkeitsrecht

    Das Finanzamt hat nach Ansicht des FG der gGmbH zu Recht die Gemeinnützigkeit aberkannt und die Körperschaftsteuer für 2010 unter Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung festgesetzt.

     

    Problem 1: Ungerechtfertigte Bevorzugung des Geschäftsführers

    Die Tätigkeit der gGmbH sei nicht selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 AO gewesen. Der gGmbH-Geschäftsführer habe unentgeltliche Pflegeleistungen in erheblichem Umfang erhalten, die die gGmbH gegenüber anderen Kunden im Streitjahr nur entgeltlich und allenfalls in Ausnahmefällen in den Jahren 2011 bis 2013 verbilligt erbracht habe.

     

    • Trotz Aufforderung habe die gGmbH nicht substantiiert dargelegt und nachgewiesen, dass andere Kunden in vergleichbarem Umfang und bei vergleichbarer finanzieller Leistungsfähigkeit unentgeltliche bzw. teilentgeltliche Pflegeleistungen in erheblichem Umfang erhalten hätten.

     

    • Vereinbarungen zwischen der gGmbH und dem Geschäftsführer bezüglich der unentgeltlichen Pflege gab es nicht, obwohl solche üblich waren.

     

    Wichtig | Für das FG handelt es sich um eine Mittelfehlverwendung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO. Diese Leistungen hätten entweder von vornherein nicht unentgeltlich (oder verbilligt) erfolgen dürfen. Oder aber, wenn dafür ‒ außer der Person des Geschäftsführers als Leistungsempfänger ‒ ausnahmsweise eine sachliche Rechtfertigung bestanden hätte, etwa als Bestandteil einer angemessenen Gegenleistung im Rahmen des Geschäftsführeranstellungsvertrags, hätte dies dokumentiert (Annex zum Anstellungsvertrag) und der geldwerte Vorteil der Lohnbesteuerung unterworfen werden müssen. Dies scheint aber gerade nicht geschehen zu sein.

     

    PRAXISTIPP | Unentgeltliche Leistungen einer steuerbegünstigten Körperschaft an ein Organ disqualifizieren sich nicht per se als Mittelfehlverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO. Hätte die gGmbH im Urteilsfall mehrere hundert (oder tausend) Leistungsempfänger gehabt und diese gleich ‒ bzw. „gleich“ im Rahmen ihrer Bedürftigkeit ‒ behandelt, wäre dies an sich unkritisch gewesen. Erst eine unterschiedliche Handhabung ohne erkennbaren sachlichen Grund nährt diesen Verdacht. Allerdings schauen die Finanzämter bei Personen besonders genau hin, die der Gesellschaft nahestehen ‒ wie hier dem Geschäftsführer. Somit ist auch im Falle der „Gleichbehandlung“ erhöhte Vorsicht geboten.

     

    Problem 2: Steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb

    Die gGmbH hat nach Ansicht des FG durch die Bereitstellung und Organisation eines ambulanten sozialen Pflege- und Assistenzdienstes und durch die Trägerschaft von Pflegeeinrichtungen einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten. Bei dem Betrieb der gGmbH handelt es sich aber nach Ansicht des FG nicht um einen Zweckbetrieb in Form eines Betriebs der Wohlfahrtspflege nach § 66 AO. Der Betrieb des Pflegedienstes und der Pflegeeinrichtungen dürfte nämlich nach § 66 Abs. 2 S. 1 AO nicht „des Erwerbs wegen“ ausgeübt werden. Das habe die gGmbH nicht nachgewiesen und sei somit auch deshalb nicht als gemeinnützig anzuerkennen.

     

    PRAXISTIPP | Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb agiert nach der Rechtsprechung des BFH zwar nicht allein deshalb „des Erwerbs wegen“ im Sinne von § 66 Abs. 2 S. 1 AO, weil er seine Leistungen zu denselben Bedingungen anbietet wie private gewerbliche Unternehmen. Eine den Zweckbetrieb nach § 66 AO ausschließende Erwerbsorientierung ist aber gegeben, wenn Gewinne angestrebt werden, die den konkreten Finanzierungsbedarf des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen, die Wohlfahrtspflege also nur als Vorwand dient, um das eigene Vermögen zu mehren. Die Erzielung von Gewinnen in gewissem Umfang ‒ z. B. zum Inflationsausgleich oder zur Finanzierung betrieblicher Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen ‒ kann geboten sein, ohne in Konflikt mit dem Zweck der Steuerbegünstigung zu stehen (BFH, Urteil vom 27.11.2013, Az. I R 17/12, Abruf-Nr. 146727).

     

     

    Problem 3: Gewinne in drei aufeinanderfolgenden Jahren

    Im Urteilsfall wurden in drei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils Gewinne erwirtschaftet, die den konkreten Finanzierungsbedarf der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre der Körperschaft überstiegen. Hier ist widerlegbar von einer zweckbetriebsschädlichen Absicht der Körperschaft auszugehen, den Zweckbetrieb des Erwerbs wegen auszuüben, so das FG.

     

    PRAXISTIPP | Die Vermutung kann z. B. widerlegt werden, wenn Gewinne aus Marktschwankungen resultieren und folglich unbeabsichtigt erzielt werden. Der konkrete Finanzierungsbedarf umfasst die Erträge, die für den Betrieb und die Fortführung der Einrichtung(en) der Wohlfahrtspflege notwendig sind und enthält auch die zulässige Rücklagenbildung.

     

    Die gGmbH hatte 2010 einen Jahresüberschuss in Höhe von ca. 500.000 Euro erzielt, 2008 einen Jahresüberschuss von ca. 250.000 Euro und 2009 einen in Höhe von ca. 300.000 Euro. Bereits zum 31.12.2009 hatte sie eine „Gewinnrücklage“ in Höhe von ca. 2 Mio. Euro gebildet. Die gGmbH hat trotz Aufforderung des FG nicht dargelegt, dass die in den Jahren 2008 bis 2010 erwirtschafteten Gewinne den konkreten Finanzierungsbedarf ihres wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht überstiegen. Sie hat die konkreten Zweifel, dass sie nicht des Erwerbs wegen tätig gewesen ist, nicht widerlegt.

     

    PRAXISTIPP | In gewissen Maßen darf auch die steuerbegünstigte Körperschaft wirtschaftlich arbeiten und erfolgreich sein. Kritisch wird es dann, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft ‒ wie im Urteilsfall ‒ im Laufe der Zeit immer mehr Mittel thesauriert, als sie für ihre satzungsgemäßen Zwecke verwendet. Die Bildung einer Betriebsmittelrücklage kann nur dann eine Rechtfertigung bilden, wenn die Körperschaft den Anlass und die Notwendigkeit für die Rücklage plausibel macht.

     

    Auch kein Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO

    Bei dem Betrieb der gGmbH handelt es sich auch nicht um einen Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO, so das FG. Auch wenn im Urteilsfall die Anforderungen der spezielleren Regelung des § 66 AO nicht vorlägen, schlösse dies nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht aus, dass die gGmbH mit ihrem Pflegedienst einen Zweckbetrieb nach den allgemeinen Merkmalen des § 65 AO unterhalten könne (z. B. BFH, Urteil vom 21.09.2016, Az. V R 50/15, Abruf-Nr. 190265).

     

    Der Zweckbetrieb nach § 65 AO setzt ‒ kumulativ ‒ voraus, dass

    • er in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO) und
    • die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und
    • der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO).

     

    Nach Ansicht des FG war es nicht gerechtfertigt, die gGmbH gegenüber anderen Unternehmern durch die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG zu begünstigen. Denn sie habe nicht nachgewiesen, dass ihre Tätigkeit in ihrer Gesamtrichtung nur den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecken diene; insbesondere dass sie den Betrieb des Pflegedienstes und der Pflegeeinrichtungen nicht des Erwerbs wegen ausübe. Ferner sei nicht erkennbar, dass die gGmbH sich von einem steuerpflichtigen gewerblichen Pflegedienst mit Gewinnerzielungsabsicht unterscheide.

    Bedeutung des Urteils für steuerbegünstigte Stiftungen

    Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung ist die Entscheidung des FG Düsseldorf nachvollziehbar. Sämtliche Fehler hätten sich auch vermeiden lassen, insbesondere

    • die Erbringung von unentgeltlichen Leistungen an den Geschäftsführer ohne sachlichen Grund,
    • der Betrieb des Pflegedienstes und der Pflegeeinrichtungen um des Erwerbs wegen sowie schließlich
    • die Zuführung von Mitteln der gGmbH zu einer ‒ dem Grunde und ihrer Höhe nach angreifbaren ‒ Betriebsmittelrücklage statt der Verwendung für die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke.

     

    Für den Geschäftsführer, der die Leistungen in Anspruch genommen hat, kann es teuer werden: Die von ihm zu verantwortende Aberkennung der Gemeinnützigkeit und die steuerlichen Nachteile (Nachzahlung der Ertragsteuern, Zinsen etc.) können eine persönliche Haftung nach sich ziehen.

     

    Wichtig | Die gGmbH hat noch nicht klein beigegeben. Sie hat beim BFH Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. beim BFH: V B 46/19).

     

    PRAXISTIPPS | Steuerbegünstigte Stiftungen im Bereich der Wohlfahrtspflege ziehen folgende Schlüsse:

    • Entfaltet die Stiftung wirtschaftliche Aktivitäten im Rahmen von Zweckbetrieben und/oder steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, darf sie insgesamt nicht die Absicht haben, damit Gewinne zu erzielen. Eine wirtschaftliche Betätigung schließt zwar die Selbstlosigkeit nicht aus, sie darf jedoch nicht im Vordergrund stehen.
    • Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Bereich der Wohlfahrtspflege agiert nicht allein deshalb „des Erwerbs wegen“ nach § 66 Abs. 2 S. 1 AO, weil er seine Leistungen zu denselben Bedingungen anbietet wie private gewerbliche Unternehmen. Maßgeblich ist, dass mit dem Betrieb keine Gewinne angestrebt werden dürfen, die über seinen konkreten Finanzierungsbedarf hinausgehen.
    • Erhalten bestimmte Personen oder Gruppen im Bereich der Wohlfahrtspflege Sonderkonditionen, muss es dafür klare Vorgaben geben. Aus denen muss hervorgehen, dass diese Personen nicht besonders begünstigt werden.
     

    Weiterführende Hinweise

    • Theuffel-Werhahn, Beitrag „Was dem einen sein Zweckbetrieb, ist dem FA sein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb“, SB 9/2019, Seite 165 → Abruf-Nr. 45991089
    Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 207 | ID 46185843