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  • · Fachbeitrag · Allgemeines Persönlichkeitsrecht

    Keine Entschädigung wegen in Hauspostille des Vermieters abgedruckter Fotos eines Mieterfestes

    Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre (BGH 8.4.14, VI ZR 197/13, Abruf-Nr. 141726).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerinnen, Großmutter, Tochter und Enkelin, nehmen die Beklagte - eine Wohnungsbaugenossenschaft - auf Zahlung einer Geldentschädigung und von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung und Verbreitung eines Fotos in Anspruch. Bei dem jährlich stattfindenden Mieterfest der Beklagten wurden Fotos gefertigt, unter anderem das beanstandete Foto, auf dem im Vordergrund - ohne Namensnennung - die Klägerinnen zu 1 und 2 zu sehen sind, wie sie die Klägerin zu 3, ein Kleinkind, füttern. Dieses Foto veröffentlichte die Beklagte in ihrer Broschüre „Informationen der Genossenschaft“ neben weiteren neun Fotos, auf denen Teilnehmer des Mieterfestes, einzeln und in Gruppen, zu sehen sind. Die Broschüre wurde in einer Auflage von 2.800 Stück hergestellt und an Genossenschaftsmieter verteilt. Auf ein vorgerichtliches Anwaltsschreiben der Klägerinnen gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, den ebenfalls begehrten „Schadenersatz“ (3.000 EUR) und die Abmahnkosten zu zahlen. Die hierauf gerichteten Klagen sind in allen Instanzen erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Den Klägerinnen steht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Grund: Die Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung war auch ohne ihre Einwilligung zulässig.

     

    Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (BGHZ 171, 275; BGH VersR 12, 116, 192, 1043; VersR 13, 1178), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (BVerfGE 120, 180) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (EGMR NJW 04, 2647; 06, 591; 12, 1053). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt.

     

    Bei dem beanstandeten Foto handelt es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören.

     

    Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und es bedarf gerade bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln. Die danach vorzunehmende Abwägung fällt hier zulasten der Klägerinnen aus. Das sind die Gründe des BGH:

     

    • Die Bildberichterstattung in der Informationsbroschüre der Beklagten zeigt repräsentativ insgesamt zehn Bilder von Teilnehmern des Mieterfestes, sowohl in Gruppen, als auch einzeln. Die Bilder fangen Szenen des Fests ein, die ein harmonisches Zusammensein von Jung und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigen. Es wird der Eindruck vermittelt, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehungen bestehen. In diesen Zusammenhang passt gerade das Bild der Klägerinnen, welches drei Generationen vereint. Das Mieterfest ist ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung. Die Informationsbroschüre der Beklagten, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen.
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    • Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Beklagten zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien. Die Beklagte kann sich unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren. Die Bildberichterstattung der Beklagten über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.

     

    • Die Beeinträchtigung der Rechte der Klägerinnen durch das veröffentlichte Foto ist dagegen gering. Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Beklagte schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das Mieterfest 2010 berichtet werden würde. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Foto heimlich angefertigt wurde, auch wenn die Klägerinnen die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben. Die Informationsbroschüre der Beklagten wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des Mieterfestes stammten.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung betrifft alle Vermieter, die in ihren Hausmitteilungen oder Informationsbroschüren nicht nur textlich über Mieterfeste oder ähnliche Mieterveranstaltungen berichten. Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das heißt: Grundsätzlich entscheidet allein die abgebildete Person, ob und in welcher Weise sie der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Bildpräsentation in den allgemeinen Medien oder - wie hier - lokal begrenzt in einer nur für die Mieter bestimmten Broschüre der vermietenden Wohnungsbaugenossenschaft erfolgen soll.

     

    Hiervon abweichend erlaubt § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte unabhängig von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG. Die Vorschrift nimmt nach der gesetzgeberischen Intention und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu beachten. Der BGH hält auch für Veranstaltungen von geringem öffentlichem Interesse daran fest, dass schon die Beurteilung, ob die Veröffentlichung dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte erfordert. Das heißt: Auch bei der Organisation eines Mieterfestes von nur lokalem Interesse darf der veranstaltende Vermieter Fotos der beteiligten Mieter nur veröffentlichen, wenn diese damit einverstanden sind oder die Abwägung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu seinen Gunsten ausfällt. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht weder ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung noch auf Geldentschädigung, andernfalls kann der Mieter wegen Verletzung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung aus § 1004 Abs. 1 S. 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG Unterlassung der Veröffentlichung verlangen. Daneben kann ein Entschädigungsanspruch des Mieters in Betracht kommen.

     

    Die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erstreckt sich nach § 23 Abs. 2 KUG nicht auf eine Verbreitung oder Schaustellung, durch die ein - hier nicht geltend gemachtes - berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Das kann z.B. der Fall sein, wenn das Bild unvorteilhaft oder ehrverletzend ist.

    Quelle: Seite 150 | ID 42826190