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  • 09.09.2011

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 27.07.2011 – 1 Ta 134/11

    1. Bei wirtschaftlicher Identität zwischen einem Kündigungsschutzantrag und einem Entgeltantrag sind beide Anträge nicht gesondert zu bewerten, sondern es ist auf den jeweils höheren abzustellen. Wirtschaftliche Identität beider Streitgegenstände ist dann gegeben, wenn der Erfolg der Entgeltklage von dem der Kündigungsschutzklage unmittelbar abhängt.

    2. Der Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ist im Hinblick auf dessen vorübergehende Bedeutung sowie seinen im Vergleich zu einem Schlusszeugnis geringeren wirtschaftlichen Wert grundsätzlich nur mit einem halben Bruttomonatsgehalt zu bewerten.

    3. Die Vierteljahresgrenze gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG stellt keinen Regelwert, sondern lediglich die Obergrenze für den vom Gericht nach freiem Ermessen festzustellenden Wert dar. Bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von sechs bis zwölf Monaten ist der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in typisierender Betrachtungsweise grundsätzlich auf zwei Bruttomonatsverdienste festzusetzen.


    Tenor:

    Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 21.02.2011 - 1 Ca 1001/10- wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

    Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

    Gründe

    I. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mainz - 1 Ca 1001/10- und begehrt eine höhere Festsetzung des Gegenstandswerts seiner anwaltlichen Tätigkeit.

    Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 04.08.2009 zu einem Bruttomonatsverdienst von 1750,-€ beschäftigt. Mit ihrer am 01.06.2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat sie sich gegen die ihr gegenüber ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 27.05.2010 zur Wehr gesetzt. Sie hat beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch diese Kündigung (Antrag zu 1) und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wurde (Antrag zu 2). Außerdem hat sie beantragt, ihr ein sich auf Führung und Leistung erstreckendes Zwischenzeugnis zu erteilen, die Beklagte zur Zahlung von rückständigem Lohn in Höhe von 129,98 € netto zu verurteilen und hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1 bzw. zu 2, die Beklagte zur Zahlung von 1750,-€ brutto zu verurteilen.

    Im Kammertermin vom 22.12.2010 haben die Parteien den Rechtsstreit durch Vergleich beendet, in welchem sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.08.2010, die Erfüllung bzw. Abgeltung sämtlicher Urlaubsansprüche, das Nicht-Aufrechterhalten von Vorwürfen der Beklagten gegen die Klägerin, die Einigung über die vollständige Erfüllung von Vergütungszahlungen bis einschließlich Mai 2010, die weitere Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zu seiner Beendigung zu einer monatlichen Brutto-Vergütung von 1500,--€, die Abgeltung sämtlicher weitergehender Ansprüche zwischen den Parteien, das Erteilen eines wohlwollenden, qualifizierten Zeugnisses durch die Beklagte sowie -als letzte Ziffer- die Verpflichtung der Klägerin, bei Meidung eines pauschalierten Schadensersatzes in Höhe von 500,-€ für den Fall der Zuwiderhandlung negative Äußerungen über die Beklagte zu unterlassen.

    Der Klägervertreter hat ausweislich des Protokolls im Kammertermin im Anschluss an den Abschluss des Vergleichs erklärt, dass er auf eine Streitwerterhöhung betreffend die letzte Ziffer des Vergleichs verzichte.

    Das Arbeitsgericht hat nach Anhörung der Klägerin persönlich und ihres Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 21.02.2011, letztgenanntem am 07.03.2011 zugestellt, den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf 5250,- € für Verfahren und Vergleich festgesetzt.

    Hiergegen hat der Klägervertreter mit bei Gericht am 14.03.2011 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die geltend gemachten Annahmeverzugsgehälter seien streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da sie über die Kündigungsfrist hinaus geltend gemacht worden seien und da man sich über diese vergleichsweise geeinigt habe.

    Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

    Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Gegenstandswert sei für Verfahren und Vergleich mit drei Bruttomonatsgehältern festgesetzt worden. Der Kündigungsschutzantrag sei dabei mit zwei, der Antrag auf Zwischenzeugniserteilung mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt bewertet worden. Der Feststellungsantrag sei nicht streitwerterhöhend. Ebenso verhalte es sich mit dem Zahlungsantrag, da dieser mit dem Kündigungsschutzantrag wirtschaftlich identisch sei und nicht darüber hinaus gehe.

    II. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig. Die Beschwer übersteigt den nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG erforderlichen Beschwerdewert von 200,-€.

    Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch nicht im Wege, dass der Kläger im Kammertermin den Verzicht auf eine Gegenstandswerterhöhung wegen der letzten Klausel des Vergleichs erklärt hat, da er die Wertfestsetzung unter diesem Gesichtspunkt nicht angreift, sondern nur eine höhere Festsetzung wegen der Zahlungsansprüche geltend macht.

    Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

    Den Verfahrenswert hat das Arbeitsgericht nicht zu niedrig angesetzt.

    Zutreffend ist die Festsetzung von zwei Bruttomonatsgehältern für den Kündigungsschutzantrag. Gemäß § 23 RVG i.V.m. § 42 Abs. 3 Satz 1GKG ist für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts, auf die das Arbeitsgericht bereits verwiesen hat, erfolgt hier gemäß einer pauschalierenden Betrachtungsweise eine Bewertung von zwei Bruttomonatsgehältern für Arbeitsverhältnisse, die -wie vorliegend- mehr als ein halbes aber weniger als ein ganzes Jahr angedauert haben (BAG, Beschl. v. 30.11.1984, NZA 1985, 369 oder LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 07.04.2010, -1 Ta 88/10). Diesen Grundsätzen hat der arbeitsgerichtliche Wertfestsetzungsbeschluss auch entsprochen, in dem er vorliegend zwei Bruttomonatsgehälter in Ansatz gebracht hat.

    Die Bewertung des auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichteten Antrags hat das Arbeitsgericht, wie es in seiner Nicht-Abhilfeentscheidung selbst ausgeführt hat, mit einem Bruttomonatsgehalt eher zu hoch angesetzt, weil für ein reines Zwischenzeugnis nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (s. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 01.09.2010 -1 Ta 181/10) grundsätzlich ein halbes Bruttomonatsgehalt festzusetzen ist. Da der Grundsatz der reformatio in peius im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG gilt (vgl. z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 02.07.2009 -1 Ta 141/09 und Beschl. v. 01.09.2010 -1 Ta 181/10 m.w.N.), bleibt es insoweit bei der arbeitsgerichtlichen Festsetzung.

    Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch dem allgemeinen Feststellungsantrag -Antrag zu 2- keinen eigenständigen Wert zugemessen, da er eine rein prophylaktische Bedeutung für den Rechtsstreit hatte und die Parteien nicht über einen konkreten weiteren Beendigungstatbestand neben der streitigen Kündigung vom 27.05.2010 gestritten haben (s. auch LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.09.2009 -1 Ta 209/09; Beschl. v. 01.09.2010 -1 Ta 181/10).

    Für das Verfahren konnte aus den Zahlungsanträgen, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, keine Werterhöhung folgen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, bestand zwischen dem Kündigungsschutzantrag und dem Zahlungsantrag eine wirtschaftliche Identität. Der Erfolg der Entgeltklage hing vorliegend allein vom Erfolg der Kündigungsschutzklage ab, da die Klägerin Lohnzahlungen für den Monat Juni 2010, also unmittelbar für den Zeitraum nach Ausspruch der streitgegenständlichen fristlosen Kündigung eingefordert hat. In einem solchen Fall sind wegen des sozialen Schutzzwecks des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht beide Anträge gesondert zu bewerten, sondern nur der höher zu bewertende Antrag, hier der mit zwei Bruttomonatsgehältern bewertete Kündigungsschutzantrag (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.08.2009 -1 Ta 170/09; Beschl. v. 21.07.2008 -1 Ta 123/08).

    Die Festsetzung für das Verfahren war nach alledem nicht abzuändern.

    Auch die Gegenstandswertfestsetzung für den Vergleich hält der beschwerdegerichtlichen Überprüfung stand.

    Die in Ziffer eins formulierte Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war -so wie auch für den Verfahrenswert vorgenommen- aufgrund der zwischen sechs und zwölf Monate andauernden Vertragsbeziehung der Parteien mit zwei Bruttomonatsgehältern zu bewerten. Eine höhere Bewertung ergibt sich, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, nicht daraus, dass die Parteien im Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses nach hinten verschoben haben. Selbst bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage mit dem Ergebnis eines unbefristeten Fortbestands des Arbeitsverhältnisses würde sich der Gegenstandswert nach dem Wortlaut von § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG nach den dort genannten Grundsätzen bemessen. Dies muss erst recht dann gelten, wenn die Kündigung lediglich abgemildert wird, indem z.B. ein späteres Beendigungsdatum vergleichsweise vereinbart wird (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.08.2010 - 1 Ta 139/10). Deshalb sind Vergleichsvereinbarungen über ein Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes und eine dadurch erfolgende zeitlich begrenzte Weiterbeschäftigung als von der Regelung des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG erfasst und damit als nicht streit- bzw. gegenstandswerterhöhend anzusehen (LAG Rheinland-Pfalz, aaO. und Beschl. v. 17.10.2008 -1 Ta 192/08).

    Die Regelung über die Urlaubsansprüche sind nicht werterhöhend, da ausweislich der Sitzunsprotokolle und Schriftsätze der Parteien nicht ersichtlich ist, dass damit eine Streitigkeit der Parteien beseitigt wurde, wie es die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts im Sinne der Nr. 1000 Anlage 1 zum RVG verlangt.

    Ebenso verhält es sich mit der Vereinbarung über das Nicht-Aufrechterhalten von Vorwürfen der Beklagten gegen die Klägerin. Vorwürfe, die über das in der fristlosen Kündigung beanstandete und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten Anlass bietende Verhalten hinausgehen, standen zwischen den Parteien nicht im Streit. Die im Vergleich angesprochenen Vorwürfe sind als Kündigungsgründe bereits Gegenstand der streitgegenständlichen Kündigung und somit bei der Wertbemessung bereits berücksichtigt.

    Eine Erhöhung ergibt sich auch nicht aus der vergleichsweise getroffenen Vereinbarung, das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt, dem 15.08.2010, ordnungsgemäß auf der Basis eines Bruttoverdiensts von 1500,-€ abzurechnen. Denn die Lohnzahlungsverpflichtung ist in der Vereinbarung über das weitere Bestehen des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungszeitpunkt hinaus bereits mitgeregelt und hat von daher keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung (s. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 04.05.2010 -1 Ta 55/10).

    Im Gegensatz zu den Klageanträgen haben die Parteien im Vergleich die Erteilung eines Arbeitszeugnisses, folglich eines End- und nicht nur eines Zwischenzeugnisses, geregelt. Da das Arbeitsgericht den Zeugnisanspruch aber für das gesamte Verfahren ohnehin schon mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet hat, ist er berücksichtigt.

    Nach alledem war der Gegenstandswert für den Vergleich ebenfalls nicht zu beanstanden, so dass die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen war.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer gem. § 97 Abs. 1 ZPO aufgrund seines Unterliegens.

    Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

    VorschriftenGKG § 42 Abs. 3, RVG § 23, RVG § 33, ZPO § 97