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  • 28.07.2014 · IWW-Abrufnummer 171902

    Landesarbeitsgericht München: Beschluss vom 04.03.2014 – 1 Ta 416/12

    1. Die Erinnerung der Staatskasse gegen eine Kostenfestsetzung im Prozesskostenhilfeverfahren ist an keine Frist gebunden.



    2. Eine Verwirkung einer Erinnerung der Staatskasse gegen eine Kostenfestsetzung im Prozesskostenhilfeverfahren kann frühestens zum Ablauf des auf die Kostenfestsetzung folgenden Kalenderjahres eintreten.



    3. Ein Rechtsanwalt, der eine Überzahlung seiner Vergütung aus der Staatskasse erkennt, kann nicht darauf vertrauen, dass der überzahlte Betrag nicht zurückgefordert wird.


    Tenor: Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigen der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 13.11.2012 (Az.: 21 Ca 4666/10) wird zurückgewiesen. Gründe: I. Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung. Der der Klägerin durch Beschluss vom 09.06.2009 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Prozessbevollmächtigte hat diese im zugrunde liegenden erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht vertreten. Das Verfahren hat durch einen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 28.04.2010 sein Ende gefunden. Mit Schreiben vom 01.06.2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Festsetzung seiner ihm aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung beantragt. Aus dem durch das Gericht auf EUR 6.180,-- festgesetzten Streitwert hat er dabei eine Prozesskostenhilfevergütung von EUR 981,75 und eine Regelvergütung von EUR 1.585,68 errechnet. Im Schreiben ist angegeben, dass der Prozessbevollmächtigte EUR 1.139,43 Vorschüsse erhalten hat. Durch Beschluss vom 09.06.2010 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf EUR 981,75 festgesetzt. Mit einem am 29.09.2011 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat dagegen die Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht München Erinnerung eingelegt. Sie hat beantragt, den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 09.06.2010 aufzuheben, die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf EUR 446,25 festzusetzen und einen Betrag von EUR 535,50 zurückzufordern. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass bei Festsetzung der Vergütung die durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin angegebenen Vorschüsse übersehen worden seien, so dass eine Überzahlung aus der Staatskasse vorliege. Richtig sei daher von folgender Berechnung auszugehen: |Gegenstandswert EUR|Vergütung §§ 45, 49 RVG EUR|Vergütung §§ 13 RVG EUR 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG|6.180,00|299,00|487,50 1,2 Terminsgebühr 3104 VV RVG|6.180,00|276,00|450,00 1,0 Einigungsgebühr 1000, 1003 VV RVG|6.180,00|230,00|375,00 Auslagenpauschale 7002 VV RVG||20,00|20,00 Zwischensumme||825,00|1332,50 19 % MwSt 7008 VV RVG||156,75|253,18 Zwischensumme||981,75|1.585,68 Differenzgebühren, § 50 RVG|||603,93 Angegebene Vorschusszahlungen|||1.139,48 Abzüglich Differenzgebühren|||603,93 Auf die Vergütung anrechenbarer Betrag § 58 RVG||535,50| Verbleibt ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse||446,25| Abzüglich Festsetzung vom 09.06.2010||981,75| Überzahlung||535,50| Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hält die Erinnerung für verfristet und die Forderung der Staatskasse für verwirkt. Er habe den Betrag von EUR 535,50 an die Klägerin weitergeleitet, nachdem der Betrag nicht zeitnah durch die Staatskasse zurückgefordert worden sei. Durch Beschluss vom 13.01.2012 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung der Bezirksrevisorin abgeholfen, den Beschluss vom 09.06.2010 aufgehoben, die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf EUR 446,25 festgesetzt und einen Betrag vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Höhe von EUR 535,50 zurückgefordert. Die Erinnerung der Staatskasse sei weder verfristet noch die Rückforderung verwirkt. Gegen den Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch einen am 06.02.2012 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt. Durch Beschluss vom 13.11.2012 hat der Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts die Erinnerung zurückgewiesen. Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 29.11.2012 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am 30.11.2012 bei dem Arbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der der Kammervorsitzende nicht abgeholfen und sie am 20.12.2012 dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt hat. II. 1. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 13.11.2012 ist gemäß der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und gemäß der §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG auch sonst zulässig. 2. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 13.01.2012 zurückgewiesen. Denn in dem Beschluss hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu Recht die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zustehende Vergütung auf EUR 446,25 festgesetzt und den ihm zuviel ausbezahlten Betrag von EUR 535,50 zurückgefordert. a) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht dem Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 13.01.2012 nicht entgegen, dass der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bereits am 09.06.2010 ergangen und die Erinnerung der Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht München erst am 29.11.2011 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist. aa) Die Erinnerung der Bezirksrevisorin war weder verfristet noch verwirkt. Die Einlegung der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 56 Abs. 2 RVG ist an keine Frist gebunden (vgl. OLG Naumburg RPfl. 2012, 156; Riedel/Sußbauer/Schmahl RVG 9. Aufl. § 56 Rz. 5; Gerold/Schmidt/Müller-Raabe RVG 21. Aufl. § 56 Rz. 7). Dies folgt schon daraus, dass § 56 Abs. 2 RVG für das Erinnerungsverfahren im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren nicht auf § 33 Abs. 3 RVG sondern lediglich auf § 33 Abs. 7 RVG verweist. Damit hat der Gesetzgeber mit dem Justizkommunikationsgesetz vom 22.03.2005 klargestellt, dass eine Erinnerung weder an eine Frist gebunden ist (vgl. OLG Brandenburg JurBüro 2010, 308) noch eine Verwirkung eintreten kann, nachdem § 20 GKG nicht entsprechend anwendbar ist (vgl. Hartmann KostG 43. Aufl. § 56 RVG Rz. 6). Vielmehr ist die Erinnerung selbst dann noch zulässig, wenn wie hier, die festgesetzte Vergütung bereits ausgezahlt ist (vgl. OLG Thüringen JurBüro 2006 366; LAG München vom 23.12.2013 - 1 Ta 246/12). bb) Selbst wenn im übrigen von der Möglichkeit der Verwirkung der Erinnerung auszugehen wäre, wäre diese hier nicht eingetreten. Denn es entspricht - soweit ersichtlich - allgemeiner Meinung, dass selbst in diesem Fall das Erinnerungsrecht der Staatskasse frühestens mit Ablauf des mit der Kostenfestsetzung folgenden Jahres erlischt (vgl. OLG Rostock JurBüro 2012, 197; OLG Brandenburg JurBüro 2010, 308; OLG Koblenz RPfl 1993, 290; Gerold/Schmidt/Müller-Raabe aaO. § 55 Rn. 44). Die Erinnerung der Bezirksrevisorin ist noch vor Ablauf dieses Zeitraumes bei dem Arbeitsgericht München eingegangen. b) Die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle im Beschluss vom 13.01.2012 ist auch zutreffend. Im Gegensatz zur unrichtigen Festsetzung vom 09.06.2010 sind in der Festsetzung vom 13.01.2012 die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin selbst angegebenen Vorschüsse berücksichtigt. Die Richtigkeit dieser Berechnung bestreitet der Prozessbevollmächtigte der Klägerin selbst nicht. Soweit er meint, eine Rückforderung sei aber wegen Entreicherung und/oder Verwirkung nicht mehr möglich, ist dies unzutreffend. Für die Frage einer Verwirkung fehlt es nicht nur am Zeitmoment (s.o.) sondern auch am erforderlichen Umstandsmoment. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat kein Verhalten der Staatskasse dargelegt, das einen Vertrauenstatbestand hätte begründen können, dass die zuviel gezahlte Vergütung nicht zurückgefordert wird. Eine bloße Untätigkeit kann einen Vertrauenstatbestand nicht begründen (vgl. BAG vom 20.04.2010 - AP Nr. 63 zu § 1 BetrAVG; BAG vom 12.12.2001 - AP Nr. 65 zu § 612 BGB). Auch eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB kommt nicht in Betracht. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin übersieht, dass die §§ 812 ff. BGB auf öffentlich- rechtliche Rechtsverhältnisse ohnehin nicht anwendbar sind (vgl. Palandt/Sprau BGB 72. Aufl. Einf. vor § 812 BGB Rz. 9). Im Übrigen ergibt sich aus dem eigenen Sachvortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass ihm ein fehlender Rechtsgrund für die Zahlung des Betrages von EUR 535,50 bekannt war. Auf eine erkennbar auf einem Versehen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beruhenden Festsetzung der Vergütung konnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht vertrauen (vgl. KG JurBüro 2009, 32). 3. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München war daher zurückzuweisen. Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG) und unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

    RechtsgebieteBGB, GKG, RVGVorschriftenRVG § 56 Abs. 2 RVG § 33 Abs. 7 RVG § 33 Abs. 3 GKG § 20 BGB § 242 BGB § 818 Abs. 3