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  • 15.12.2020 · IWW-Abrufnummer 219482

    Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Beschluss vom 13.10.2020 – 4 Ta 71/20


    Tenor:

    Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 20.05.2020 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 16.04.2020 - 2 Ca 653/19 wird zurückgewiesen.

    Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.



    Gründe



    I.



    Vorliegend begehrt der im Wege der Prozesskostenhilfe der Klägerin beigeordneten Prozessbevollmächtigten eine Verzugsschadenpauschale i.H.v. 40,00 € (§ 288 Abs. 5 BGB), weil seine Kostenrechnung von der Landeskasse verspätet bezahlt worden ist.



    Mit Beschluss vom 25.04.2019 ist der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M aus M bewilligt worden. Mit Schriftsatz vom 15.05.2019, beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangen am 15.05.2019, hat dieser einen Antrag auf Festsetzung von PKH-Gebühren beim Arbeitsgericht Magdeburg gestellt. Mit weiterem Schriftsatz vom 15.05.2019, beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangen am 25.06.2019, hat der Kläger seinen Festsetzungsantrag in Form einer Mahnung wiederholt und den erneut beantragten Gebühren in Höhe von insgesamt 1.247,12 € einen Anspruch auf die Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB i.H.v. 40,00 € hinzugefügt. Mit Verfügung vom 27.06.2019 sind die beantragten Gebühren bis auf die Verzugspauschale festgesetzt worden.



    Mit Schriftsatz vom 03.07.2019 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Erinnerung wegen der Absetzung der Verzugspauschale eingelegt.



    Die beteiligte Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht hält die Erinnerung für unbegründet, weil § 55 RVG lediglich auf § 104 Abs. 2 ZPO verweise und damit eine Anwendung des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO mit der dort geregelten Verzinsung ausschließe. Auch würde es sich vorliegend bei dem Rechtsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Landeskasse nicht um ein Schuldverhältnis handeln, weshalb die Vorschriften der §§ 286, 288 BGB nicht zur Anwendung kommen würden.



    Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat seine Erinnerung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.06.2017 (B 2U 13/15 R) aufrechterhalten, nach der § 288 BGB auf öffentlich-rechtliche Vergütungsansprüche anzuwenden sei. Außerdem hat er auf die Richtlinie 2000/35/EG vom 29.06.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr hingewiesen.



    Mit Beschluss vom 16.04.2020 (2 Ca 653/19) hat das Arbeitsgericht Magdeburg die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückgewiesen, worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.05.2020 "sofortige Beschwerde" eingelegt und die zuvor geäußerten Rechtsstandpunkte vertieft hat. Mit weiterem Beschluss vom 26.05.2020 hat das Arbeitsrecht Magdeburg der Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.



    Von der weiteren Darstellung der Sach- und Rechtslage wird entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und insbesondere auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 16.04.2020, den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 26.05.2020 und die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 03.07.2019, 13.08.2019 und 20.05.2020 Bezug genommen.



    II.



    Die von dem Arbeitsgericht Magdeburg gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist unbegründet.



    1. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 RVG steht dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse des Landes Sachsen-Anhalt zu, da das Verfahren vor einem Gericht des Landes Sachsen-Anhalt betrieben worden ist. Gemäß § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse bestimmt sich ausschließlich nach § 55 RVG.



    a) Während bei der in § 11 RVG geregelten Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung gegen den Auftraggeber gemäß § 11 Abs. 2 S. 3 RVG i. V. m. § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO auf Antrag die Verzinsung des festgesetzten Betrages mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB angeordnet wird (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, § 11 RVG, Rn. 256), verweist § 55 Abs. 5 S. 1 RVG nicht auf § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, sondern nur auf § 104 Abs. 2 ZPO. Dies hat zur Folge, dass eine Verzinsung des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts in keinem Fall auszusprechen ist (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, § 55 RVG, Rn. 57; Sommerfeldt in BeckOK RVG, § 55 RVG, Rn. 47). Auch das LSG Thüringen kommt in seinem Beschluss vom 15.06.2015 (L 6 SF 723/15 B) zu dem Ergebnis, dass eine Verzinsung für beigeordnete Rechtsanwälte gemäß § 55 RVG nicht in Frage kommt, weil hierfür im Gesetz keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist.



    b) Wenn schon die Verzinsung des Gebührenanspruchs des beigeordneten Rechtsanwaltes deswegen ausscheidet, weil im RVG keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist, gilt dies erst recht für den Unterfall der gesetzlichen Verzinsung bei Verzug, der Verzugspauschale des § 288 Abs. 5 BGB. Auch deren Anwendung ist in den §§ 48 bis 55 RVG nicht vorgesehen, eine entsprechende Festsetzung scheidet deshalb aus.



    2. Eine direkte Anwendung der §§ 286, 288 Abs. 5 BGB scheidet deshalb aus, weil zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Landeskasse des Landes Sachsen-Anhalt kein vertragliches Schuldverhältnis besteht. Zu keinem Zeitpunkt wurde zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Landeskasse eine Vereinbarung über die Erbringung von Rechtsanwaltsleistungen geschlossen. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angezogene Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB steht im 2. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches, welches mit "Recht der Schuldverhältnisse" überschrieben ist.



    Auch unter Beachtung der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.06.2017 (B 2 U 13/15 R) scheidet auch eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 5 BGB aus. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts beschäftigt sich mit einem Zinsanspruch aus einem von der dortigen Beklagten anerkannten Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag und sieht in der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation eine planwidrige Gesetzeslücke (a. a. O., Rn. 15). Eine solche durch die Rechtsprechung auszufüllende planwidrige Gesetzeslücke besteht bei der gemäß § 55 RVG festzusetzenden Vergütung nicht. Vielmehr besteht durch die in § 55 Abs. 5 S. 1 RVG vorgenommene Verweisung nur auf § 104 Abs. 2 ZPO eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dahingehend, dass eine Verzinsung ausgeschlossen ist. Zwar regt der Deutsche Anwaltsverein offensichtlich seit dem Jahr 2011 an, bei einer zukünftigen Gesetzesänderung eine Verzinsung ab Eingang des Festsetzungsantrages vorzusehen (so Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, § 55 RVG, Rn. 57), mit dieser politischen Forderung hat er sich aber bis jetzt nicht durchgesetzt. Im Übrigen setzt sich die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht mit § 288 Abs. 5 BGB im speziellen auseinander, sondern nur allgemein mit der Frage der entsprechenden Anwendbarkeit der Verzugsvorschriften des BGB.



    3. § 55 Abs. 5 S. 1 RVG, der eine Zinspflicht und eine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB ausschließt, verstößt nicht gegen die Richtlinie 2011/7/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Hierzu ist zunächst auszuführen, dass die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführte Richtlinie 2000/35 EG gemäß Art. 13 der Richtlinie 2011/7/EU mit Wirkung vom 16.03.2011 aufgehoben worden ist. Sie ist durch die Richtlinie 2011/7/EU ersetzt worden.



    a) Diese Richtlinie 2011/7/EU findet auf die in §§ 48-55 RVG geregelten Vergütungsansprüche für im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwälte keine Anwendung, da es sich vorliegend um gesetzliche Ansprüche und nicht um Ansprüche aus "Geschäftsverkehr" im Sinne der Richtlinie handelt. Nach einer Entscheidung des EuGH vom 09.07.2020 (C-199/19) fallen unter den in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/7/EU definierten "Geschäftsverkehr" alle zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen als Entgelt für "Handelsgeschäfte" geleisteten Zahlungen (EuGH 09.07.2020 - C-199/19, Rn. 22). In Rn. 29 der vorgenannten Entscheidung ist ausgeführt, dass ein "Rechtsgeschäft", das eine wirtschaftliche Tätigkeit betrifft, im konkreten Fall ein Mietvertrag, unter "Geschäftsverkehr" im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/7/EU fallen kann.



    b) Vorliegend basiert der Vergütungsanspruch nach §§ 48-55 RVG weder auf einem Handelsgeschäft noch auf einem Rechtsgeschäft, also auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem beigeordneten Rechtsanwalt und der Landeskasse, sondern auf dem Gesetz. Es handelt sich also nicht um einen Anspruch aus "Geschäftsverkehr", die Anwendung der Richtlinie 2011/7/EU scheidet somit aus.



    4. Im Übrigen kommt es bei der vorliegenden Entscheidung nicht auf die Frage der Rechtsnatur des Verfahrens über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an, das der Bundesgerichtshof als öffentlich-rechtliches Subventionsverhältnis der Daseinsfürsorge einordnet, bei dem die bedürftige Partei dem bewilligenden Staat als Antragsteller gegenübertritt (BGH 10.10.2012 - IV ZB 16/12, Rn. 24) und auch nicht auf das Rechtsverhältnis zwischen PKH-Antragsteller und Rechtsanwalt. Denn streitgegenständlich ist das Rechtsverhältnis zwischen dem beigeordneten Prozessbevollmächtigten und dem Land, welches durch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs. 2 ZPO entsteht und dem beigeordneten Prozessbevollmächtigten einen Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse nach §§ 45-55 RVG erwachsen lässt.



    5. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin war daher zurückzuweisen.



    Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG) und unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).

    Vorschriften§ 288 Abs. 5 BGB, § 55 RVG, § 104 Abs. 2 ZPO, § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, §§ 286, 288 BGB, § 288 BGB, Richtlinie 2000/35/EG, § 69 Abs. 2 ArbGG, § 33 Abs. 3 S. 2 RVG, § 45 Abs. 1 S. 1 RVG, § 48 Abs. 1 RVG, § 11 RVG, § 11 Abs. 2 S. 3 RVG, § 247 BGB, § 55 Abs. 5 S. 1 RVG, §§ 48 bis 55 RVG, 288 Abs. 5 BGB, Richtlinie 2011/7/EU, Richtlinie 2000/35 EG, Art. 13 der Richtlinie 2011/7/EU, §§ 48-55 RVG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/7/EU, § 121 Abs. 2 ZPO, §§ 45-55 RVG, § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG, §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG