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  • · Fachbeitrag · Verjährung

    Positives zur Verjährung von Rechtsanwaltsgebühren im Scheidungsverbund

    | Die Verjährung seiner Vergütungsansprüche betrifft jeden Rechtsanwalt. In diesem Zusammenhang hat das OLG Stuttgart jetzt eine für Familienrechtler positive Entscheidung getroffen: Wird nämlich nach Abtrennung einer Folgesache i. S. v. § 137 Abs. 2 FamFG über Teile des Verbunds entschieden, führt dies nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG zur Teilfälligkeit der Gebühren, die hinsichtlich der entschiedenen Gegenstände angefallen wären, wenn nur diese rechtshängig gewesen wären. Jedoch ist für diese Gebühren die Verjährungsfrist nach § 8 Abs. 2 RVG gehemmt, bis das Verbundverfahren endgültig abgeschlossen ist. |

     

    Sachverhalt

    In dem am 26.4.06 beim Familiengericht eingeleiteten Scheidungsverfahren haben die Beteiligten am 17.11.11 einen Vergleich über den Zugewinnausgleich geschlossen. Gleichzeitig hat das Familiengericht die Folgesache nachehelicher Unterhalt aus dem Scheidungsverbund abgetrennt, die Scheidung ausgesprochen, über den Versorgungsausgleich entschieden und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Am 26.3.13 haben sich die Parteien auch über den nachehelichen Unterhalt verglichen. Der Gegenstandswert wurde wie folgt festgesetzt:

    • Ehesache: 9.450 EUR
    • Versorgungsausgleich: 1.890 EUR
    • Zugewinnausgleich: 25.548 EUR
    • nachehelicher Unterhalt: 9.600 EUR

     

    Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beantragte der Rechtsanwalt, folgende Vergütung aus der Staatskasse festzusetzen:

     

    • Diese Festsetzung beantragte der Anwalt (§ 49 RVG a. F.)
    Nicht abgetrennter Verbund

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 36.888 EUR

    508,30 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 36.888 EUR

    469,20 EUR

    1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV RVG aus 25.548 EUR

    354,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    256,79 EUR

    1.608,29 EUR

    Abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt

    1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 9.600 EUR

    314,60 EUR

    1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 9.600 EUR

    290,40 EUR

    1,0 Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV RVG aus 9.600 EUR

    242,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    164,73 EUR

    1.031,73 EUR

     

    Der U. d. G. hat lediglich die Einigungsgebühr der abgetrennten Folgesache nachehelicher Unterhalt festgesetzt. Im Übrigen wurde hinsichtlich der restlichen Vergütung die Einrede der Verjährung erhoben, weil diese nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG bereits mit der Entscheidung vom 17.11.11 (Beendigung des Rechtszugs) fällig geworden sei und die dreijährige Verjährungsfrist somit am 31.12.14 abgelaufen sei. Das OLG Stuttgart hat im Beschwerdeverfahren die Vergütung ‒ mit Ausnahme der Folgesache nachehelicher Unterhalt ‒ wie beantragt am 15.10.15 festgesetzt (28.3.18, 8 WF 57/18, Abruf-Nr. 204261).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Wehrhaftigkeit des Rechtsanwalts hat ihm aus der Staatskasse zusätzliche 1.364,34 EUR eingebracht!

     

    Die Entscheidung zeigt deutlich, dass Kostenfestsetzungsorgane die Frage, wann Rechtsanwaltsgebühren in Verbundsachen im Fall einer Abtrennung fällig werden, und wann diese verjähren, nicht immer richtig erkennen und oft fälschlicherweise Verjährung annehmen. Vorliegend erfolgte durch die Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt am 17.11.11 nämlich keine Lösung aus dem Scheidungsverbund. Die abgetrennte Sache blieb damit Folgesache (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG).

     

    Folge: § 16 Nr. 4 RVG gilt weiter. Das führt dazu, dass das ganze Verfahren als eine Angelegenheit nur einheitlich abgerechnet werden kann.

     

    Wichtig | Zwar führt die Abtrennung zu Teilfälligkeiten der Gebühren (§ 8 Abs. 1 S. 2 RVG). Dies bedeutet, dass die Gebühren, die auf bereits entschiedene bzw. durch Vergleich beendete Gegenstände entfallen, mit Ausspruch der Scheidung und Entscheidung über den Versorgungsausgleich am 17.11.11 fällig wurden, da hinsichtlich dieser Gegenstände der Rechtszug beendet wurde. Hinsichtlich der Gebühren, die sich auf die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt beziehen, trat die Fälligkeit allerdings erst mit der Beendigung des gesamten Verfahrens durch den Vergleich vom 26.3.13 ein.

     

    Das AG hat übersehen, dass nach § 8 Abs. 2 RVG die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB für die bereits am 17.11.11 fällig gewordenen Gebühren bis zum endgültigen Abschluss des als eine Angelegenheit zu behandelnden Verbundverfahrens am 26.3.13 gehemmt und daher bis zur Antragstellung am 13.8.15 noch nicht abgelaufen war.

     

    MERKE | Solange im Scheidungsverbundverfahren über die Scheidung und deren Folgesachen insgesamt noch nicht entschieden ist, besteht vergütungsrechtlich ein Schutz des Rechtsanwalts, weil die Verjährung einheitlich erst mit rechtskräftigem Abschluss des gesamten Verfahrens beginnt.

     

    Folge: Für die zuvor bereits entschiedenen Verfahren (hier: Scheidung, VA, Zugewinn) beginnt die Verjährungsfrist sofort (hier: am 26.3.13). Für die abgetrennten Verfahren gilt das jedoch nicht: Hier beginnt die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahrs (N. Schneider, AGS Kompakt 18, 56, 59) ‒ hier: am 31.12.15.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2018 | Seite 186 | ID 45474418