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  • · Fachbeitrag · Verfahrenskostenhilfe

    VKH: Wenn das Gericht „Mehrarbeit“ verlangt…

    | Um die wirtschaftlichen Voraussetzungen von VKH zu beurteilen, ist grundsätzlich nur tatsächlich erzieltes Einkommen des bedürftigen Beteiligten heranzuziehen. Fiktives Einkommen kann nur ausnahmsweise angerechnet werden, wenn das Gericht konkrete Anhaltspunkte dafür feststellen kann, dass der Beteiligte offensichtlich vorhandene Erwerbsmöglichkeiten leichtfertig ungenutzt lässt und dadurch seine Bedürftigkeit, die er ohne Weiteres beheben könnte, in missbräuchlicher Weise selbst herbeiführt. Dass der Beteiligte einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, reicht dafür als Anhaltspunkt für sich allein nicht aus (OLG Dresden 31.5.18, 20 WF 430/18, Abruf-Nr. 202307 ). |

     

    Im betreffenden Fall arbeitete der VKH-Antragsteller nur 30 Stunden. Das Gericht rechnete dem vom Antragsgegner tatsächlich erzielten monatlichen Nettoeinkommen von rund 1.950 EUR ein fiktives Jahreseinkommen (netto) in Höhe von weiteren 4.500 EUR hinzu, da der Antragsgegner nur 30 statt 40 Wochenstunden arbeitete. Da er aber tatsächlich nur über die Mittel aus seiner 30-Stunden-Tätigkeit verfügt, könnten auch nur diese beim berechneten Einkommen herangezogen werden, so das OLG.

     

    Dass der Antragsteller keine Angaben macht, warum er nicht vollschichtig arbeitet, bedeutet keinen rechtsmissbräuchlichen Antrag. Der Antragsgegner sei nicht dazu verpflichtet darzulegen, was er konkret unternommen hat, um eine vollschichtige Beschäftigung zu erlangen. Dass es abstrakt möglich ist, mehr Arbeitsstunden zu leisten, genügt nicht.

     

    MERKE | Dass der Antragsteller dies aber doch nachweisen muss, kann allenfalls verlangt werden, wenn dem Gericht konkrete Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegen. Um ein fiktives Einkommen anzusetzen, muss das Gericht also feststellen, dass es tatsächlich eine vollschichtige, zumutbare Erwerbsmöglichkeit gibt, die der VKH-Antragsteller aber offenkundig leichtfertig nicht nutzt. Das Gericht muss dann konkret feststellen, dass

    • der Arbeitgeber ein entsprechendes Angebot gemacht und der VKH-Antragsteller es grundlos abgelehnt hat oder
    • der Arbeitgeber einer höheren Zahl von Wochenarbeitsstunden tatsächlich zustimmt oder
    • es eine realistische und in jeder Hinsicht gleichwertige Erwerbschance bei einem anderen Arbeitgeber gleicher Branche mit annähernd gleichem Gehalt gibt.
     

    Weiterführende Hinweise

    • VKH: Mutwilligkeit einer beabsichtigten Rechtsverfolgung, RVG prof. 17, 19
    • VKH-Beiordnung erstreckt sich auch auf Mehrvergleich außerhalb § 48 Abs. 3 RVG, RVG prof. Sonderausgabe 1/18, 13
    • Verhältnis PKH-/VKH-Prüfungsverfahren zum Hauptsacheverfahren: Probleme vermeiden, RVG prof. 17, 109
    Quelle: Ausgabe 09 / 2018 | Seite 146 | ID 45389266