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  • · Fachbeitrag · Prozesskostenhilfe

    Terminsgebühr bei Verzicht auf mündliche Verhandlung

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, B. A., Leipzig

    | Sie wollen im PKH-Verfahren eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG abrechnen, obwohl ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde? Das dürfen Sie auch, sagt das OVG Lüneburg. Denn für den Anwalt soll es keinen finanziellen Anreiz geben, unbedingt mündlich zu verhandeln. |

     

    Sachverhalt

    Der Anwalt vertrat in einer verwaltungsgerichtlichen Angelegenheit den Kläger, für den er PKH bewilligt erhalten hatte. Er beantragte nach Abschluss des Verfahrens, eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 308,40 EUR festzusetzen.

     

    Das Gericht lehnte zunächst ab, setzte dann aber die Terminsgebühr auf die Erinnerung des Anwalts in gewünschter Höhe fest. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des gegnerischen Anwalts: Für den Vergütungsantrag sei nur die seit PKH-Bewilligung entfaltete Tätigkeit zu berücksichtigen. Eine solche Tätigkeit gebe es nicht. Dass (konkludent) eine vorangegangene Erklärung aufrechterhalten wird, sei keine „Tätigkeit“.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OVG wies die Beschwerde zurück: Die Gebühr entstehe auch, wenn die Parteien in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, einverstanden sind, dass gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder alternativ ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Dass der Anwalt nach PKH-Bewilligung „aktiv verfahrensfördernd“ tätig ist, steht in der Vorschrift nicht. Sie sei, so das OVG, auch nicht derart einschränkend auszulegen (30.7.19, 2 OA 819/18, Abruf-Nr. 211210).

     

    Relevanz für die Praxis

    Nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr sowohl, wenn der Anwalt gerichtliche Termine als auch außergerichtliche Termine und Besprechungen wahrnimmt. Darüber hinaus regelt das Gesetz Ausnahmetatbestände, in denen eine ‒ fiktive ‒ Terminsgebühr entsteht, ohne dass der Anwalt einen Termin wahrnimmt.

     

    Zu diesen Ausnahmetatbeständen gehört Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG. Danach entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Das war hier der Fall.

     

    MERKE | Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG soll verhindern, dass für den Anwalt ein gebührenrechtlicher Anreiz entsteht, darauf zu bestehen, dass eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird. Vielmehr soll der Rechtsanwalt die Entscheidung, ob auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden kann, ohne Rücksicht auf finanzielle Erwägungen allein nach verfahrensbezogenen Gesichtspunkten treffen. Dies soll der Verfahrensbeschleunigung und zugleich der Entlastung der Gerichte dienen.

     

    Die Vorschrift honoriert daher nicht eine konkrete verfahrensfördernde Handlung, sondern fingiert das Entstehen der Gebühr für die Wahrnehmung eines Termins auch in Fällen, in denen die maßgebliche Verfahrenshandlung ‒ die Wahrnehmung eines Termins ‒ aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten unterbleibt.

     

    Die Vorschrift dient daher insbesondere nicht dazu, eine besonders gute Verfahrensvorbereitung finanziell zu belohnen, die den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ermöglicht. Es kommt allein darauf an, ob das Gericht aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat.

     

    Das war hier der Fall. Das Einverständnis war erklärt und wirkte auch nach der Bewilligung von PKH fort. Das reicht für den Anspruch auf die Terminsgebühr aus.

     

    MERKE | Die gegenteilige Auffassung hätte zur Folge, dass ein Prozessbevollmächtigter allein aus gebührenrechtlichen Gründen genötigt wäre, seinen Verzicht auf die mündliche Verhandlung zu wiederholen oder andere verfahrensrechtlich nicht unbedingt erforderliche Erklärungen abzugeben. Das ist mit dem Sinn und Zweck der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG unvereinbar.

     

    Vorliegend bestätigt eine Kontrollüberlegung diese Feststellung: Denn hätte das Gericht mündlich verhandelt, hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Terminsgebühr unstreitig erhalten, ohne dass weitere Erklärungen schriftsätzlicher Art erforderlich gewesen wären.

     

    Soll mithin eine Gleichstellung erfolgen, sind derartige weitere Erklärungen ebenfalls nicht zu verlangen. Anders liegt der Fall z. B., wenn der Einspruch eines Anwalts gegen ein Versäumnisurteil verworfen wird und es bei einer Terminsgebühr von 0,5 nach Nr. 3105 VV RVG (statt einer Gebühr von 1,2) bleibt (RVGprof 19, 165).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Durch Telefonat ausgelöste Terminsgebühr unterliegt Kostenfestsetzung, RVG prof. 19, 162
    • Terminsgebühr kann für Haupt- und Unterbevollmächtigten anfallen, RVG prof. 18, 204
    • Einspruch gegen Versäumnisurteil verworfen? Keine Terminsgebühr!, RVG prof 19, 165
    Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 195 | ID 46125639