Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Erstberatung

    Anwaltsgutscheine erlaubt: AGH legt Regeln fest

    | Dürfen Anwälte mit kostenfreier Erstberatung werben? Und wie sieht es mit einer kostenlosen Deckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung aus? Ist sie sogar in Form von Gutscheinen erlaubt? Ja, sagt jetzt der AGH Hamm. Er macht aber klare Ansagen zu Texten und Motiven. |

     

    Sachverhalt

    Ein Anwalt warb mit vier bebilderten Anzeigen. Interessierte konnten einen darauf befindlichen Gutschein vorlegen. Im Gegenzug erhielten sie eine kostenfreie Erstberatung. Der Anwalt beantragte, der AGH Hamm möge entscheiden, dass er seine anwaltlichen Pflichten hiermit nicht schuldhaft verletzt.

     

    Entscheidungsgründe

    Der AGH sah bei drei Motiven den Verdacht einer schuldhaften Pflichtverletzung. Sie seien mit dem berufsrechtlichen Gebot nicht vereinbar, sachlich und berufsbezogen zu unterrichten (3.6.16, 2 AGH 1/16, Abruf-Nr. 188753). Die beanstandeten Motive zeigten Folgendes:

     

    • einen Mann am Schreibtisch und eine Frau, die auf dessen Krawatte auf dem Schreibtisch tritt. Text: „Diskriminierung am Arbeitsplatz?“ und „Kündigungsschutz?“;

     

    • eine Person auf einer Trage unter einer weißen Decke, an deren Zeh ein Namensanhänger hängt mit der Aufschrift: „War nicht rechtzeitig beim Anwalt“, Begleittext: „Gehen Sie nicht zu irgendeinem Anwalt, sondern zum Fachanwalt! Kommen Sie rechtzeitig zu mir!“;

     

    • ein dunkelhaariges Mädchen und mehrere Flüchtlingsgruppen, Begleittext: „Deutschland braucht die Zuwanderung junger Fachkräfte. Helfen wir ... gemeinsam“, zusätzlicher Hinweis: 10 Prozent des Nettohonorars werden bei Vorlage des Gutscheins gespendet;

     

    Der AGH: Die beiden ersten Motive seien reißerisch und ohne Informationswert. Das Flüchtlingskind in der dritten Anzeige habe mit der anwaltlichen Rechtsdienstleistung nichts zu tun. Die Spendenzusage diene allenfalls nebenbei der Absicht, zu helfen. In erster Linie sollten Mandanten angelockt werden, die derartigen Hilfsaktionen positiv gegenüberstehen. Anwaltliche Werbung sei unzulässig, wenn eine reißerische oder sexualisierende Darstellung die Aufmerksamkeit des Betrachters erregt und der Informationswert in den Hintergrund rückt. Ohnehin sei jede Werbemaßnahme unzulässig, bei der Anlass, Zweck oder Begleitumstände das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Integrität und Unabhängigkeit gefährde (siehe auch AGH Hamm 9.5.14, 1 AGH 3/14).

     

    Das vierte Motiv hielt der AGH hingegen für zulässig. Es zeigte eine junge lächelnde Frau. Der Begleittext in einer Denkblase lautete: „Wie praktisch: Bei diesem Anwalt kann ich mich zunächst kostenfrei beraten und meine Ansprüche prüfen lassen“.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die gute Nachricht: Gutscheine und Gutschein-Anzeigen sind zulässig! Sie dürfen sogar ironisch, zuspitzend oder satirisch gefärbt sein. Als Marketingmittel geschickt eingesetzt, können Sie für den Anwalt einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Allerdings muss der potenzielle Mandant erkennen, zu welchen Konditionen die Erstberatung angeboten wird. Holen Sie die Meinung der Anwaltskammer ein, falls Sie bezweifeln, ob Ihre Motive zulässig sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Wer einen Fachanwaltstitel erwerben will, kann für die notwendigen Fallzahlen auch Erstberatungen berücksichtigen. Dies gilt, selbst wenn sich das Mandat nach der Beratung erledigt. Die Gutscheinwerbung kann also auch gezielt forciert werden, um mehr Erstberatungen zu akquirieren und damit schneller die in der FAO vorgegebenen Fallzahlen zu erreichen.

     

     

     

    Wichtig | Auch Werbetassen sind zulässig (BGH 27.10.14, AnwZ (Brfg) 67/13, Abruf-Nr. 173157). Vorsicht jedoch, wenn Sie Motive von körperlicher Züchtigung, häuslicher Gewalt oder einem Suizidversuch verwenden wollen. Hier kann schnell - wie im Fall des BGH - der Adressatenkreis sowie sein Rechtsschutzbedürfnis abgewertet sowie ins Lächerliche gezogen und für die „Werbebotschaft“ instrumentalisiert werden. So wird eine gut gemeinte Idee unzulässig.

     

    Weiterführende Hinweise

    • So grenzen Sie zulässige Werbemaßnahmen von unzulässiger Schockwerbung ab, AK 15, 57
    • Chance: Schriftliches Beratungsangebot unter Umständen erlaubt, AK 14, 1
    Quelle: Ausgabe 12 / 2016 | Seite 217 | ID 44325510