Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Corona-Krise

    Teilleistungen: Folgen für die Anwaltsvergütung durch die regulären Umsatzsteuersätze seit 1.1.21

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Eine Teilleistung i. S. v. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 UStG liegt vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 3 UStG). Teilleistungen und damit Teilfälligkeiten spielen in der anwaltlichen Praxis bei eigenständigen gebührenrechtlichen Angelegenheiten i. S. von § 15 Abs. 2 RVG eine Rolle. Der folgende Beitrag zeigt erstens, wie sich die Änderungen des ‒ zunächst durch die Corona-Krise reduzierten und dann auf den regulären angehobenen ‒ Umsatzsteuersatzes auf anwaltliche Teilleistungen (Beispiele 1 und 2) auswirken (zu den Grundsätzen RVG prof. 21, 14; RVG prof. 20, 124). Der Beitrag zeigt außerdem zweitens die Folgen der Umsatzsteueränderung bei Vorschusszahlungen (Beispiel 3). |

    1. Urkunden- und Nachverfahren

    Die Änderungen des Umsatzsteuersatzes zum 1.1.21 während des laufenden Mandats sind insoweit unbeachtlich, als der Anwalt Teilleistungen noch vor der „Neuregelung“ vorgenommen hat. In einem Mandat kann es aber zu Teilleistungen kommen, die ggf. unterschiedlich zu versteuern sind.

     

    • Beispiel 1: Teilleistungen bei Urkunden- und Nachverfahren

    Im September 20 leitet der Anwalt über 10.000 EUR ein Urkundenverfahren nach §§ 592 ff. ZPO ein. Nach mündlicher Verhandlung im Dezember ergeht dazu ein Vorbehaltsurteil. Es folgt das Nachverfahren ab Dezember ‒ das Gericht entscheidet darüber im Februar 21.

     

    Lösung

    Nach § 17 Abs. 5 RVG sind Urkunden- und Nachverfahren zwei verschiedene Angelegenheiten. Die Vergütung für das Urkundenverfahren ist nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit dem Vorbehaltsurteil im Dezember 20 fällig geworden, die Vergütung für das Nachverfahren dagegen erst im Februar 21. Für die Umsatzsteuer kommt es nicht darauf an, ob das gesamte erstinstanzliche Verfahren eine einzige Leistung i. S. d. UStG ist oder ob es sich um zwei Leistungen handelt. Selbst bei einer einheitlichen Leistung ist das Urkundenverfahren eine Teilleistung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 UStG, für die hier 16 Prozent gilt. Für das Nachverfahren beträgt der Umsatzsteuersatz 19 Prozent.

    Abrechnung Urkundenverfahren

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR

     

    725,40 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR

     

    669,60 EUR

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.415,00 EUR

    16 Prozent Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    226,40 EUR

    1.641,40 EUR

    Schlussabrechnung

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR

     

    725,40 EUR

    Gemäß Vorbem. 3 Abs. 7 VV anzurechnen:

    1,3 aus 10.000 EUR

     

    - 725,40 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 10.000 EUR

     

    669,60 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    689,60 EUR

    19 Prozent Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    131,02 EUR

    820,62 EUR

     
    • Beispiel 2: Teilleistungen bei Ermittlungsverfahren und Hauptsache

    Rechtsanwalt R wird im Juli 20 im Ermittlungsverfahren von Mandant M beauftragt. Gegen einen Strafbefehl legt R im November 20 auftragsgemäß Einspruch ein. Er wird außerdem mit der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens beauftragt. Im Februar 21 ergeht in der Hauptverhandlung ein Urteil.

     

    Lösung

    Das Ermittlungsverfahren und das nachfolgende Hauptsacheverfahren sind gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 10 RVG). Das Ermittlungsverfahren ist mit 16 Prozent und das Hauptsacheverfahren ist mit 19 Prozent Umsatzsteuer zu versteuern.

    Abrechnung Ermittlungsverfahren (Mittelgebühren)

    Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG

    200,00 EUR

    Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV RVG

    165,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    385,00 EUR

    16 Prozent Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    61,60 EUR

    446,60 EUR

    Abrechnung Hauptverfahren AG

    Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV RVG

    165,00 EUR

    Terminsgebühr, Nr. 4108 VV RVG

    275,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    460,00 EUR

    19 Prozent Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    87,40 EUR

    547,40 EUR

     

    PRAXISTIPP | Dasselbe gilt für den Fall eines bedingten Prozessauftrags, z. B. wenn der Anwalt zunächst außergerichtlich, später dann gerichtlich tätig wird. Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich hier ebenfalls um Teilleistungen. Die Umsatzsteuer entsteht mit der Ausführung der jeweiligen Teilleistung.

     

    2. Vorschusszahlungen

    Gemäß § 9 RVG kann der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern. Auch der Vorschuss unterliegt der Umsatzsteuer. Daher ist darauf zu achten, die Umsatzsteuer auf den Nettovorschuss zu erheben und gesondert in der Rechnung auszuweisen.

     

    PRAXISTIPP | Da es für die Bemessung des Umsatzsteuersatzes auf die Fälligkeit der Vergütung (§ 8 Abs. 1 RVG) ankommt, muss ggf. nachversteuert werden. Das ist der Fall, wenn sich der Umsatzsteuersatz nach Zahlung des Vorschusses, aber vor Fälligkeit der Vergütung erhöht. Der Anwalt kann dann beim Auftraggeber nachliquidieren. Wichtig: Dies betrifft gerade den Fall, dass sich die Umsatzsteuer zum 1.1.21 erhöht hat.

     
    • Beispiel 3: Vorschusszahlung

    Bevor Rechtsanwalt R auftragsgemäß im Juli 20 Klage auf Zahlung von 15.000 EUR erhebt, fordert er vom Mandanten folgenden Vorschuss:

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 15.000 EUR

     

    845,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    865,00 EUR

    16 Prozent Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    138,40 EUR

    1.003,40 EUR

    Nach einer mündlichen Verhandlung ergeht im Januar 21 ein Urteil.

     

    Lösung

    Die vorschussweise mit 16 Prozent zu versteuernde Verfahrensgebühr war mangels eines Fälligkeitstatbestands gemäß § 8 Abs. 1 RVG noch nicht fällig. Daher liegt auch keine Teilleistung i. S. d. UStG vor. Somit ist nachzuversteuern. Insofern ergibt sich folgende Schlussrechnung:

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 15.000 EUR

     

    845,00 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 15.000 EUR

     

    780,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.645,00 EUR

    19 Prozent Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    312,55 EUR

    abzgl. gezahlt netto

    - 865,00 EUR

    abzgl. gezahlter Umsatzsteuer

    - 138,40 EUR

    Restforderung

    954,15 EUR

     

    Weiterführende Hinweise

    • Corona-Krise: Folgen für die Anwaltsvergütung: Seit dem 1.1.21 gelten wieder die regulären Umsatzsteuersätze, RVG prof. 21, 14
    • Corona-Krise: Auswirkungen der Umsatzsteuersenkung zum 1.7.20, RVG prof. 20, 124
    Quelle: Ausgabe 02 / 2021 | Seite 23 | ID 47027884