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  • · Fachbeitrag · Leserforum

    Gebühren bei der Abstandnahme vom Urkundenprozess im Berufungsverfahren?

    | FRAGE: Ein Fall noch aus dem ersten Halbjahr 2020: Der Mieter unseres Mandanten hat nach ergebnisloser, fristgerechter Mängelanzeige die monatliche Mietzahlung gemindert. Wir haben für unseren Mandanten auftragsgemäß das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzug fristlos gekündigt und im Urkundenprozess die Zahlung rückständiger Miete von 6.000 EUR verlangt. Das Gericht hat die Klage als unstatthaft abgewiesen. Daraufhin haben wir Berufung eingelegt und vom Urkundenprozess Abstand genommen. Letztlich war die Berufung erfolglos. Welche Gebühren können wir abrechnen? |

     

    ANTWORT: Nimmt die klagende Partei vom Urkundenprozess Abstand, geht der Rechtsstreit in ein ordentliches Verfahren über (§ 596 ZPO). Gebührenrechtlich ist das nachfolgende ordentliche Verfahren gemäß § 17 Nr. 5 RVG eine neue Angelegenheit.

     

    Nach dem BGH ist das Abstandnehmen vom Urkundenprozess nach § 596 ZPO auch in der Berufungsinstanz möglich (BGH NJW 11, 2796; NJW 12, 2662). Das Verfahren blieb damit hier in der zweiten Instanz anhängig, jetzt allerdings im ordentlichen Verfahren.

     

    Die Rechtslage bis zum 31.12.20 sah nach Nr. 3100 Abs. 2 VV RVG a. F. vor, dass die Verfahrensgebühr des erstinstanzlichen Urkundenverfahrens auf die Gebühr des ordentlichen Verfahrens anzurechnen war. Dies galt allerdings nicht für Berufungsverfahren.

     

    • Beispiel: Abrechnung bis zum 31.12.20 (alte Gebührentabelle)

    1. Urkundenverfahren

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 6.000 EUR

    460,20 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    hier 19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    91,24 EUR

    571,44 EUR

    2. Ordentliches Verfahren (Berufung)

    1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 6.000 EUR

    566,40 EUR

    Achtung: nach alter Rechtslage keine Anrechnung der 460,20 EUR!

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    hier 19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    111,42 EUR

    697,82 EUR

     

    Beachten Sie | Ähnlich wie für selbstständige Beweisverfahren (Vorbem. 3 Abs. 5 RVG) ist durch das KostRÄG 2021 zum 1.1.21 die Anrechnungsvorschrift nun aber in Vorbem. 3 Abs. 7 RVG aufgenommen worden. Somit greift diese jetzt auch für Berufungsverfahren und die Verfahrensgebühr aus dem erstinstanzlichen Urkundenverfahren ist in der Berufung anzurechnen. Würde der geschilderte Fall also z. B. erst im Jahr 2021 stattfinden, so fiele die anwaltliche Vergütung geringer aus.

     

    • Beispiel: Abrechnung seit dem 1.1.21 (neue Gebührentabelle)

    1. Urkundenverfahren

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 6.000 EUR

    507,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    hier 19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    100,13 EUR

    627,13 EUR

    2. Ordentliches Verfahren (Berufung)

    1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG aus 6.000 EUR

    624,00 EUR

    anzurechnen 1,3-Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 7 VV RVG

    - 507,00 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    hier 19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    26,03 EUR

    163,03 EUR

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 58 | ID 47174426