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  • · Fachbeitrag · Vollstreckungskosten

    Anwaltsfreundlich: Bonitätsprüfung lässt festsetzungsfähige Vergütung entstehen

    | In der Praxis ist es üblich, dass sich Anwälte Akten im Rahmen der „Dauerüberwachung“ in regelmäßigen Zeitabschnitten (ca. alle zwei Jahre) vorlegen lassen und daraufhin erneut die Bonität des Schuldners prüfen. Wenn diese schlecht ausfällt, werden zunächst keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen, sodass die Akte wieder in die „Dauerüberwachung“ gelangt. Fraglich ist, ob durch die Bonitätsprüfung jeweils gesondert eine 0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG anfällt und ob diese Gebühr auch nach § 788 ZPO festsetzungsfähig und damit vom Schuldner zu erstatten ist. Das LG Landshut hat dies nun anwaltsfreundlich bejaht. |

     

    Sachverhalt

    Der Gläubigervertreter hatte in den Jahren 2013 bis 2019 alle zwei Jahre Einwohnermelde- und Bonitätsauskünfte betreffend den Schuldner eingeholt. Die Bonitätsauskünfte ergaben dabei regelmäßig, dass eine Gläubigerbefriedigung aussichtslos erscheint. Die für die Auskünfte entstandenen Auslagen und Kosten des Gläubigervertreters von insgesamt 4 x 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG in Höhe von insgesamt 1.153,90 EUR beantragte der Gläubiger, gegen den Schuldner nach § 788 ZPO festsetzen zu lassen. Der Rechtspfleger lehnte dies ab, da solche Gebühren wegen geringfügiger Tätigkeiten nicht entstanden seien. Zudem stellten diese Kosten lediglich Vorbereitungstätigkeiten dar; er könne sie daher nur festsetzen, wenn eine Vollstreckungsmaßnahme tatsächlich durchgeführt worden sei. Das LG hob im Rahmen der sofortigen Beschwerde die Entscheidung auf und setzte die Kosten antragsgemäß fest (LG Landshut 19.12.19, 32 T 3724/19, Abruf-Nr. 213626).

     

    Relevanz für die Praxis

    Das LG hat richtig entschieden. Der Rechtspfleger als Kostenfestsetzungsorgan hat wichtige Grundsätze nicht erkannt:

     

    Für den Anfall einer 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG kommt es nicht darauf an, dass ein Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger) beauftragt bzw. eine die Vollstreckung vorbereitende Tätigkeit mit Außenwirkung vorgenommen werden muss. Denn die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Zwangsvollstreckung beginnt nicht erst mit dem Antrag auf staatlichen Zwang. Entscheidend ist der Auftrag des Mandanten und das Tätigwerden des Anwalts innerhalb dieses Auftrags.

     

    MERKE | Das bedeutet: Die Gebühr entsteht bereits mit der Entgegennahme der Information bzw. mit der Prüfung, ob eine Vollstreckungsmaßnahme überhaupt Sinn macht und daher angebracht ist. Im vorliegenden Fall war dies gegeben: Denn der Rechtsanwalt hat Bonitätsauskünfte eingeholt und sich entschieden, von einer Beauftragung eines Vollstreckungsorgans abzusehen. Das genügt zur Entstehung der Gebühr (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., 3309 VV RVG, Rn. 34, 37).

     

    Die Annahme des Rechtspflegers, wegen der angeblichen Geringfügigkeit sei die Notwendigkeit und damit die Möglichkeit einer Festsetzung nach § 788 ZPO entfallen, weil vorliegend der Gläubiger eine Handelsgesellschaft mit kaufmännischer Erfahrung ist, hat das LG ebenfalls verneint. Denn der BGH (RVG prof. 07, 2; VE 06, 91) hat entschieden: Die Einschaltung eines Rechtsanwalts bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ist im Zivilprozess immer als notwendig anzusehen. Das gilt selbst dann, wenn ein Großunternehmen die Vollstreckung betreibt.

     

    Vorliegend stellt jede der vier Bonitätsanfragen als eigene Vollstreckungsmaßnahme eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit nach § 15 Abs. 2 RVG dar. Sie lässt somit jeweils eine gesonderte 0,3-Verfahrensgebühr entstehen.

     

    MERKE | Eine bloße Vollstreckungsmaßnahme und damit eine gebührenrechtliche Angelegenheit liegt vor, wenn die einzelnen Teilakte in einem inneren Zusammenhang zueinanderstehen und der jeweils nächste Akt sich als eine Fortsetzung der vorgehenden Vollstreckungshandlung darstellt. Dies ist z. B. im Fall einer vorherigen Einholung einer Einwohnermeldeamtsauskunft mit anschließender eingeleiteter Vollstreckung der Fall. In diesem Fall entsteht für das Einholen der Einwohnermeldeamtsauskunft keine gesonderte 0,3-Verfahrensgebühr (BGH VE 04, 50).

     

    Vorliegend ist zudem zu berücksichtigen, dass der Anwalt die Auskünfte im Abstand von jeweils zwei Jahren eingeholt hat. Ist eine Vollstreckungsmaßnahme beendet, ist die nächste Maßnahme eine neue Angelegenheit. Beendet ist eine Vollstreckungsmaßnahme, wenn der Gläubiger befriedigt ist oder ein Vollstreckungsversuch als fruchtlos abgebrochen wird.

     

    MERKE | Hier musste der Gläubigervertreter aufgrund der von ihm eingeholten Bonitätsauskünfte jeweils entscheiden, ob die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden soll oder nicht. Aus Kostengründen endete diese Tätigkeit des Rechtsanwalts dann damit, dass er von einer Vollstreckung abgesehen hat, um nach zwei Jahren dann eine erneute Prüfung vorzunehmen. Hätte der Gläubigervertreter im Abstand von zwei Jahren staatliche Vollstreckungsmaßnahmen beantragt, die jedoch ergebnislos verlaufen wären, und dann nach weiteren zwei Jahren wiederum einen Vollstreckungsversuch unternommen, wären jeweils gesonderte 0,3-Verfahrensgebühren angefallen. Folge: Die Tatsache, dass sich der Rechtsanwalt dazu entschieden hat, keine staatlichen Maßnahmen zu beantragen, weil diese lediglich mit Kosten verbunden gewesen wären, steht dem Anfall von insgesamt viermal 0,3-Verfahrensgebühren nicht entgegen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kosten eines Zwangsvollstreckungsvergleichs, RVG prof. 07, 2
    • BGH: Vergleichskosten können notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung sein, VE 06, 91
    • Kosten einer Einwohnermeldeamts-Anfrage sind mit der Vollstreckungsgebühr abgegolten, VE 04, 50
    Quelle: Ausgabe 03 / 2020 | Seite 42 | ID 46308798