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  • · Fachbeitrag · Verfahrensgebühr

    Gebührenanrechnung bei selbstständigem Beweisverfahren mit Hauptsacheverfahren

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Kommt es nach einem selbstständigen Beweisverfahren zum Hauptsacheverfahren, ist die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Der folgende Beitrag zeigt anhand unterschiedlicher Konstellationen, wie die Anrechnung richtig durchgeführt wird. |

    1. Normalfall

    Im Normalfall haben das Beweisverfahren und das anschließende Hauptsacheverfahren denselben Wert.

     

    • Beispiel 1: Beweisverfahren mit folgendem Hauptsacheverfahren

    Der Anwalt führt ein Beweisverfahren über Baumängel von 30.000 EUR. Es findet ein Sachverständigentermin statt, an dem er teilnimmt. Anschließend kommt es zum Hauptsacheverfahren, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

     

    In beiden Verfahren entsteht jeweils eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG und eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG. Die 1,3-Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens ist anschließend auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG). Eine Anrechnung der Terminsgebühr findet nicht statt.

     

    • 1. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 30.000 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    985,40 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    909,60 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.915,00 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    363,85 EUR

    Gesamt

    2.278,85 EUR

     

     

    • 2. Rechtsstreit (Wert: 30.000 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    985,40 EUR

    gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG anzurechnen, 1,3 aus 30.000 EUR

    ./. 985,40 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    909,60 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    929,60 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    176,62 EUR

    Gesamt

    1.106,22 EUR

     

    2. Hauptsacheverfahren mit höherem Wert

    Werden im Hauptsacheverfahren weitere Ansprüche geltend gemacht, übersteigt also der Werte des Hauptsacheverfahrens den des Beweisverfahrens, so wird die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens voll angerechnet. Es bleibt dann wegen des höheren Verfahrenswerts im Rechtsstreit allerdings nach Anrechnung noch ein Restbetrag der Verfahrensgebühr.

     

    • Beispiel 2: Hauptsacheverfahren mit höherem Wert

    Der Anwalt führt ein Beweisverfahren über Baumängel von 30.000,00 EUR. Es findet ein Sachverständigentermin statt, an dem er teilnimmt. Anschließend kommt es zum Hauptsacheverfahren über die Mängel und weitere Schadenersatzansprüche von 20.000 EUR. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Urteil.

     

    Anzurechnen ist die Verfahrensgebühr jetzt nur nach dem Wert des Beweisverfahrens, soweit sich der Gegenstand im Rechtsstreit fortsetzt (analog Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV RVG), also nach 30.000 EUR.

     

    • 1. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 30.000 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    985,40 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    909,60 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.915,00 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    363,85 EUR

    Gesamt

    2.278,85 EUR

     

     

    • 2. Rechtsstreit (Wert: 50.000 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    1.359,80 EUR

    Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG anzurechnen, 1,3 aus 30.000 EUR

    ./. 985,40 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    1.255,20 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.649,60 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    313,42 EUR

    Gesamt

    1.963,02 EUR

     

    3. Hauptsacheverfahren mit geringerem Wert

    Werden im Hauptsacheverfahren geringere Ansprüche geltend gemacht, wird die Anrechnung wie folgt vorgenommen.

     

    • Beispiel 3: Hauptsacheverfahren mit geringerem Wert

    Im selbstständigen Beweisverfahren werden Baumängel von 100.000 EUR behauptet. Der Sachverständige stellt Baumängel von nur 10.000 EUR fest. Anschließend wird Hauptsacheklage auf Beseitigung der festgestellten Baumängel in Höhe von lediglich 10.000 EUR erhoben.

     

    Anzurechnen ist die Verfahrensgebühr nur aus dem geringeren Wert des Beweisverfahrens, also soweit sie dort nach 10.000 EUR angefallen wäre.

     

    • 1. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 100.000 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    1.760,20 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    1.624,80 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    3.405,00 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    646,95 EUR

    Gesamt

    4.051,95 EUR

     

     

    • 2. Rechtsstreit (Wert: 10.000 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    631,80 EUR

    gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG anzurechnen, 1,3 aus 10.000 EUR

    ./. 631,80 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    583,20 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    603,20 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    114,61 EUR

    Gesamt

    717,81 EUR

     

    4. Vorherige außergerichtliche Tätigkeit mit gleichem Wert

    Ist dem Beweisverfahren eine außergerichtliche Vertretung vorausgegangen, wird die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens zur Hälfte, höchstens zu 0,75, angerechnet, da dies dann das erste nachfolgende gerichtliche Verfahren nach Teil 3 VV RVG ist (OLG Stuttgart AGS 08, 383).

     

    Die Geschäftsgebühr wird dann allerdings nicht nochmals auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits angerechnet. Vielmehr wird nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG die volle Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits angerechnet und nicht nur der um die Anrechnung der Geschäftsgebühr verminderte Betrag (so im Ergebnis, wenn auch mit anderer Anrechnungsreihenfolge: OLG Stuttgart AGS 08, 384; OLG München AGS 09, 438).

     

    • Beispiel 4: Außergerichtliche Tätigkeit mit gleichem Wert

    Der Anwalt ist zunächst außergerichtlich tätig wegen Baumängeln von 30.000 EUR. Die Sache ist sehr umfangreich, sodass eine 2,0-Gebühr angemessen ist.

     

    Anschließend führt der Anwalt das Beweisverfahren durch. Es findet ein Sachverständigentermin statt, an dem er teilnimmt. Hiernach kommt es zum Hauptsacheverfahren, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

     

    Die Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens mit dem Höchstsatz von 0,75 anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG). Die volle - nicht die um die Anrechnung verminderte - Verfahrensgebühr ist wiederum auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG).

     

    • 1. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 30.000 EUR)

    2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    1.516,00 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.536,00 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    291,84 EUR

    Gesamt

    1.827,84 EUR

     

     

    • 2. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 30.000 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    985,40 EUR

    gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,75 aus 30.000 EUR

    ./. 568,50 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    909,60 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    1.346,50 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    255,84 EUR

    Gesamt

    1.602,34 EUR

     

     

    • 3. Rechtsstreit (Wert: 30.000 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    985,40 EUR

    gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG anzurechnen, 1,3 aus 30.000 EUR

    ./. 985,40 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

    909,60 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    929,60 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    176,62 EUR

    Gesamt

    1.106,22 EUR

     

    5. Vorherige außergerichtliche Tätigkeit mit höherem Wert

    Ist der Gegenstandswert der nachfolgenden Angelegenheit geringer (s.o. Beispiel 3), kommt die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Beweisverfahren nicht voll zum Tragen.

     

    Kommt es dann aber zu einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren, auf das auch anzurechnen ist, so wird der bisher nicht angerechnete Betrag nunmehr angerechnet (so im Ergebnis OLG München AGS 09, 438).

     

    • Beispiel 5: Außergerichtliche Tätigkeit mit geringerem Wert

    Der Anwalt war zunächst nach einem Wert von 10.243,96 EUR außergerichtlich tätig. Anschließend wurde ein selbstständiges Beweisverfahren über einen Teilbetrag in Höhe von 5.010 EUR geführt und danach der Rechtsstreit, wiederum über 10.243,96 EUR.

     

    Der nach Anrechnung im Beweisverfahren verbliebene Restbetrag der Geschäftsgebühr ist jetzt im Rechtsstreit anzurechnen.

     

    • 1. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 10.243,96 EUR)

    1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    683,80 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    703,80 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    133,72 EUR

    Gesamt

    837,52 EUR

     

     

    • 2. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 5.010 EUR)

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    439,40 EUR

    anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, 0,65 aus 5.010 EUR

    ./. 219,70 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    239,70 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    45,54 EUR

    Gesamt

    285,24 EUR

     

     

    • 3. Rechtsstreit

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.243,96 EUR)

    683,80 EUR

    anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG,

    1,3 aus 5.010,00 EUR

    ./. 439,40 EUR

    anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG,

    0,65 aus 10.243,96 EUR

    ./. 341,90 EUR

    ./. bereits im Beweisverfahren angerechneter

    219,70 EUR

    Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.243,96 EUR)

    631,20 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Zwischensumme

    773,40 EUR

    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

    146,95 EUR

    Gesamt

    920,35 EUR

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Gebührenanrechnung im Berufungsverfahren, Onderka, RVG prof. 12, 63
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 83 | ID 39014610