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  • · Fachbeitrag · Beratungshilfe

    Anspruchsberechtigung: So ermitteln Sie das Vermögen

    von Dorothee Dralle, Lehrbeauftragte an der Beuth Hochschule Berlin, geprüfte Rechtsfachwirtin, geprüfte Bürovorsteherin (RAK Berlin)

    | Sie können Beratungs- beziehungsweise Prozesskostenhilfe nur sicher beantragen, wenn geklärt ist, dass der Antragsteller nicht über einzusetzendes Einkommen verfügt (Dralle, AK 14, 193). Zudem darf kein einsetzbares Vermögen vorliegen, aus dessen Verwertung die erforderlichen Prozesskosten bestritten werden könnten. Der Beitrag stellt die wesentlichen Grundzüge zur Vermögensermittlung dar. |

    1. Vermögensbegriff ist sozialrechtlich geprägt

    Nach § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO muss die Partei für eine Prozessfinanzierung auch ihr Vermögen einsetzen. Dieses ist vom Einkommen deutlich abzugrenzen, da jeweils andere Regeln der (teilweisen) Nichtberücksichtigung gelten. Bezüglich des Vermögensbegriffs verweist § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO auf § 90 SGB XII (Sozialhilfe), der entsprechend angewandt werden muss. Die notwendige Prüfung ist also sozialrechtlich geprägt.

     

    PRAXISHINWEIS | Richter, Rechtspfleger und Urkundsbeamte können durch diesen sozialrechtlich bestimmten Prüfungsmaßstab oft überfordert sein. Je besser Sie sich auskennen und kurz und prägnant die notwendigen Auskünfte und Erklärungen geben, desto größer ist Ihre Chance, Beratungs- beziehungsweise Prozesskostenhilfe rasch bewilligt zu erhalten.

     

     

    Auch § 90 Abs. 1 SGB XII definiert den Begriff des Vermögens nicht. Im Sozialhilferecht allgemein wird unter Vermögen Folgendes verstanden:

     

    • (vorhandenes) Geld,
    • Eigentum (auch Teileigentum) an beweglichen und unbeweglichen Gütern,
    • Wertpapiere,
    • Forderungen,
    • Nutzungsrechte.

     

    Die Rechtsprechung hierzu ist sehr umfangreich und oft einzelfallbezogen. Vieles ist streitig (Gottschalk in Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl., Rn. 316 bis 338 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Jeder Einzelfall muss konkret (gegebenenfalls zunächst von Ihnen!) geprüft, entschieden und gegenüber dem Gericht begründet werden. Dennoch lassen sich einige Positionen aufzählen, die typischerweise als Vermögen einzuordnen sein können. Dies übernimmt die folgende Checkliste, deren Aufzählung jedoch nicht vollständig, sondern lediglich beispielhaft ist:

     

    CHECKLISTE /  Vermögen (§ 115 Abs. 3 ZPO, § 90 SGB XII)

    Einzusetzendes Vermögen kann sein

    • Bargeld,
    • Kontoguthaben (auch von Sparkonten), das über den Untergrenzen der DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII liegt (siehe auf S. 212 dieses Beitrags, zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII),
    • Grundstück oder Eigentumswohnung (es sei denn: Selbstnutzung siehe unten „Schonvermögen“, Nr. 8) oder Ferienhaus,
    • Bausparguthaben - jedenfalls wenn es zuteilungsreif ist oder der angesparte Betrag erheblich über dem Selbstbehalt (2.600 EUR) liegt (OLG Saarbrücken Beck RS 12, 0514; KG JurBüro 11, 376),
    • Miterbenanteil (siehe aber auch OLG Köln JurBüro 96, 143),
    • Luxusgegenstände.

     

    Vereinzelt wurden in der Rechtsprechung zudem als Vermögen, das allerdings nur bei „Zumutbarkeit“ einzusetzen ist (§ 115 Abs. 3 S. 1 ZPO), eingeordnet

    • Forderung, jedenfalls wenn sie fällig und tituliert ist (OLG Hamm FamRZ 13, 144 - auch ohne Titel),
    • Pflichtteilsanspruch,
    • alles, was in Geld bereits ausgezahlt wurde (Abfindung (nur teilweise zumutbar: BAG NJW 06, 2206), Unterhalts- (OLG Koblenz FamRZ 08, 2288 und 01, 631), Zugewinnausgleichszahlung oder Versicherungsleistung).
    • Auslandsvermögen.
     

     

    MERKE | Gezahltes Schmerzensgeld ist kein Vermögen (§ 83 Abs. 2, § 90 Abs. 3 SGB XII, BVerwG NJW-Spezial 11, 681).

     

     

    PRAXISHINWEIS | Wichtig ist, die Antragsteller mit vorbereiteten Fragebögen nach einzelnen, häufig vorkommenden Vermögensgegenständen zu befragen. Die Auflistung in den „Ausfüllhinweisen“ zum Beratungshilfeantrag sind hilfreich. Nur wenn etwas bejaht wird, muss gegebenenfalls nachgefragt werden. Im Übrigen genügt Ihre Abschlussfrage nach „sonstigen Vermögenswerten“.

     

    2. Weitere Voraussetzung: Verwertbarkeit des Vermögens

    Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist nur tatsächlich verwertbares Vermögen einzusetzen. Auch diesbezüglich ist die Rechtsprechung oft einzelfallbezogen. Unverwertbar sind danach z. B.

    • unpfändbare Sachen,
    • unerreichbares Vermögen (Sperrkonto),
    • Vermögen, das nicht in alleiniger Verfügungsgewalt der Antragsteller steht (Miterbenanteil an einem Grundstück) - dann dürfte auch eine Beleihung kaum möglich sein,
    • Vermögensgegenstände, für die ohne große zeitliche Verzögerung eine Beitreibung oder Rechtsverfolgung nicht möglich ist,
    • Lebensversicherung, deren Rückkaufwert (noch) gering ist.

     

    Wichtig | Auch diese Aufzählung ist nicht vollständig.

     

    MERKE | Die Tatsache, dass eine Partei wenig Einkommen hat, bedeutet nicht, dass auch kein verwertbares Vermögen vorhanden ist. Häufig wird, was das Gesetz als Vermögen definiert, von der Partei nicht als solches wahrgenommen oder gar „vergessen“.

     

    3. Ausnahme: sogenanntes „Schonvermögen“

    § 90 Abs. 2 SGB XII bestimmt Ausnahmen. Obwohl verwertbares einzusetzendes Vermögen vorhanden ist, darf es in den in Nr. 1 bis Nr. 9 aufgeführten Fällen gar nicht erst für die Bewilligung von Beratungs- beziehungsweise Prozesskostenhilfe herangezogen werden. Es handelt sich um sogenanntes Schonvermögen. Dazu gehört unter anderem:

     

    • Nr. 2 in Verbindung mit § 10a EStG: Kapital und Erträge aus einer sogenannten „Riesterrente“,
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    • Nr. 4: der gesamte bisherige Hausrat, wenn er angemessen ist (also keine kostbaren Bilder oder Ähnliches),
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    • Nr. 5: Gegenstände, die der Aufnahme oder Fortsetzung einer Berufsausbildung (z.B. Laptop) oder Erwerbstätigkeit (z.B. Taxi) dienen - was nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbar ist, fällt mangels Verwertbarkeit von vornherein aus, siehe S. 211 dieses Beitrags (unten),
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    • Nr. 7: Gegenstände, die der Befriedigung geistiger, wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen (keine Luxusgegenstände),
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    • Nr. 8:ein angemessenes Hausgrundstück (auch: Eigentumswohnung oder Miteigentumsanteil), das die Partei selbst bewohnt - eventuell mit Angehörigen - oder nach dem Tod für diese zur Verfügung stehen soll (Hier ist vieles streitig, Gottschalk in Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a.a.O., Rn. 345 bis 347 - zur „Angemessenheit“ können dem mittlerweile nicht mehr unmittelbar einschlägigen 2. WoBauG (§ 39 Abs. 1 und 2) Richtwerte entnommen werden: z.B. vier Personen ca. 120 bis 130 qm (LAG Rheinland-Pfalz Beck RS 12, 67089). Für zwei Personen hielt das OLG Hamm (10.10.14, 9 W 34/14, Abruf-Nr. 143295) bis 70 qm für angemessen.)
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    • Nr. 9: kleinere Barbeträge und sonstige Geldwerte (siehe zu den Untergrenzen DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.12.03, BGBl. I, 3022 und vom 8.12.10, BGBl. I, 1864): 2.600 EUR für die Partei, zuzüglich 614 EUR für Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner und 256 EUR pro Unterhaltsberechtigtem. Zusätzlich ist bereits hier „eine besondere Notlage“ der Partei zu berücksichtigen).

     

    § 90 Abs. 3 SGB XII ermöglicht es, bei der Feststellung von sogenanntem Schonvermögen die Einzelfallgerechtigkeit ausschlaggebend sein zu lassen: Wenn ein Einsatz von Vermögen außerhalb des oben genannten Katalogs des § 90 Abs. 2 SGB XII eine Härte bedeuten würde, wird es zum „Schonvermögen“.

     

    PRAXISHINWEIS | Nach dem Gesetz liegt eine Härte „insbesondere (!) vor, wenn eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde“. Ebenso wie in § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII hat das Gericht also einen weiteren großen Ermessenspielraum - und Sie damit eine gute Einzelfallbegründungsmöglichkeit (beachten Sie aber OLG Dresden FamRZ 01, 632).

     

     

    Konkrete Fälle des nicht verwertbaren Vermögens gibt die folgende Checkliste beispielhaft an:

     

    CHECKLISTE /  „Schonvermögen“ (§ 90 Abs. 2 SGB XII)

    Sogenanntes Schonvermögen ist:

     

    • Vermögen aus öffentlichen Mitteln (Lastenausgleichs- oder Arbeitsförderungszahlungen),
    • „Riesterrente“,
    • Vermögen zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks für Behinderte oder Pflegebedürftige,
    • angemessener Hausrat,
    • Gegenstände für den Beruf oder die Berufsausbildung,
    • Familien- und Erbstücke,
    • angemessenes selbstbewohntes Hausgrundstück,
    • Bargeld (bis zu einer Höhe von z.B. 1.600 EUR),
    • Kontobestände (auch von Sparkonten), jedenfalls, wenn sie unter der Untergrenze (s.o.) liegen.
     

     

    PRAXISHINWEIS | Fragen Sie bei Ihrem Mandanten wirklich so viele Positionen wie möglich ab. Scheuen Sie sich nicht. Nicht jede Partei war immer schon ohne Einkommen. Manchmal wurde geerbt, gelegentlich nur scheinbar unbedeutende kleine Vermögensgegenstände vergessen. Das beharrliche Nachfragen dient (auch) dem Schutz der Partei: Falsche, das heißt auch unvollständige, Angaben können fatale Folgen haben - nicht zuletzt aber auch für Sie: Wenn die Beratungs-, beziehungsweise Prozesskostenhilfe widerrufen oder nicht gewährt wird, und Sie keinen Vorschuss gefordert und erhalten haben, gehen Sie leer aus.

     

     

    Ihre möglichen Einkünfte in Beratungs- beziehungsweise Prozesskostenhilfeverfahren hat der Gesetzgeber schon drastisch gekürzt. Nur wenn die Grundlagen einer Bewilligung im Einzelfall durch Sie oder Ihre Mitarbeiter rasch, vor allem aber präzise geklärt werden, hält sich Ihr Aufwand in erträglichen Grenzen oder es führt Sie sicher zu einer „normalen“ Gebührenberechnung.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 210 | ID 43043907