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  • 18.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143295

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 10.10.2014 – 9 W 34/14

    Zur Zumutbarkeit der Belastung/Verwertung eines Hausgrundstücks zwecks Deckung der Prozesskosten aus eigenen Mitteln.


    Oberlandesgericht Hamm

    9 W 34/14

    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

    Gründe:

    I.

    Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Schadensersatzklage gegen den Beklagten wegen einer Hauptforderung in Höhe von 10.109,85 €. Der haftpflichtversicherte Antragsgegner hat den auf einer fahrlässigen Inbrandsetzung von Mobiliar in der Wohnung der Antragstellerin beruhenden Anspruch vorprozessual dem Grunde nach anerkannt. Das Landgericht hat der Antragstellerin Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert, sie müsse die Prozesskosten notfalls durch Kreditaufnahme und Absicherung durch Belastung ihres hälftigen Miteigentumsanteils an dem mit einer Doppelhaushälfte bebauten unbelasteten Grundstück N-Straße in C absichern. Die Doppelhaushälfte mit einer Wohnfläche von 100 qm bewohnt die Antragstellerin gemeinsam mit ihrer Tochter. Das Landgericht hat der Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Senat vorgelegt.

    II.

    Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

    Die Antragstellerin ist gehalten, sich die zur Verfahrensführung erforderlichen Mittel durch Verwertung ihres Miteigentumsanteils an dem mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks N-Straße in C zu verschaffen. Dieses Objekt ist - auch wenn es von der Antragstellerin gemeinsam mit ihrer Tochter selbst bewohnt wird - nicht als sogenanntes Schonvermögen nach § 115 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützt.

    Das von ihr selbst und ihrer Tochter bewohnte Haus übersteigt unter den gegebenen Umständen den angemessenen Wohnbedarf und kann bei der Prozesskostenhilfeentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben.

    Anknüpfend an die Vorgängervorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG darf nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB die Gewährung von Sozialhilfe nicht von dem Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, welches von dem Hilfesuchen

    den allein oder mit einem Angehörigen bewohnt wird, abhängig gemacht werden. Die Angemessenheit bestimmt sich unter anderem nach der Zahl der Bewohner, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 09.12.2010 - 9 WF 113/10 - FamRZ 2011, 1159).

    Zur näheren Bestimmung des Begriffs des angemessenen Hausgrundstücks hat das OLG Hamm in FamRZ 2013, 142 wie folgt näher ausgeführt:

    „Das wichtigste objektivierbare Kriterium stellt dabei die Größe der Wohnfläche dar, wobei der Grenzwert für ein „Familienheim“ zur Unterbringung eines Vierpersonenhaushalts bei 130 m² lag und nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bei einer geringeren Personenzahl eine Reduzierung um jeweils 20 m² pro Person vorzunehmen war (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.12.1999 - 2 WF 105/99 - FuR 2001, 31; VG München, Beschluss vom 14.12.2009 - M 1 K0 09.4662, M 1 K0 09.4980).

    Die Angemessenheit der Größe von Familienheimen und Eigentumswohnungen war bis zum 31.12.2001 aufgrund der bis dahin in § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG enthaltenen ausdrücklichen Verweisung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WobauG) zu bestimmen. Nach dessen Aufhebung werden die für die Wohnungsbauförderung maßgeblichen Wohnungsgrößen nach dem Wohnraumförderungsgesetz durch die Länder bestimmt (vgl. VG München, Beschluss vom 14.12.2009 - M 1 K0 09.4662, M 1 K0 09.4980); mithin § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz - WoFG - vom 13.09.2001).

    Die danach maßgeblichen landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen zu § 10 WoFG, in Nordrhein-Westfalen, nämlich Nr. 5.7 der VV-WoBindG, sind nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Bundesländer - wie auch das WoFG - mit Wirkung zum 31.12.2009 außer Kraft getreten. Nr. 19 Satz 2 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB) - RdErl. d. Ministeriums für Bauen und Verkehr - IV.5-619-1665/09 vom 12.12.2009 (MBl. NRW 2010, 1), die zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des am 01.01.2010 in Kraft getretenen

    Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen, zur Steigerung der Fördermöglichkeiten der NRW.BANK und zur Änderung anderer Gesetze vom 08.12.2009 (WFNG NRW - GV NRW 2009, 772) erlassen worden sind, ordnet an, dass die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nrn. 8 bis 8b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft treten.

    Für die Belegung von gefördertem Wohnraum im Sinne des § 18 WFNG NRW sind ab dem 01.01.2010 die in Nr. 8. 2 der WNB angesetzten Werte der Wohnflächen maßgeblich. Nach Nr. 8.2 der WNB zu Absatz 2 ist „angemessen“ im Sinne des § 18 Abs. 2 WFNG NRW in der Regel für eine alleinstehende Person eine Wohnungsgröße von 50 m² Wohnfläche. Für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen sind zwei Wohnräume oder 65 m² Wohnfläche und für jede weitere haushaltsangehörige Person ein weiterer Raum oder weitere 15 m² Wohnfläche angemessen. Eine Überschreitung der als angemessen erachteten Wohnfläche ist in der Regel dann als geringfügig anzusehen, wenn die angemessene Wohnungsgröße um bis zu 5 m² Wohnfläche überschritten wird.“

    Damit kann nach diesen Maßstäben ein angemessener Wohnraum der Antragstellerin von 70 m² angenommen werden. Die von ihr bewohnte Doppelhaushälfte ist mit 100 m² mithin nicht mehr angemessen.

    Die Antragstellerin muss für die Prozesskosten daher grundsätzlich ein Darlehen gegen die Bestellung eines Grundpfandrechts aufnehmen. Die Verwertung der selbst bewohnten Wohnung zur Finanzierung der Verfahrenskosten ist unter Zugrundlegung der sozialhilferechtlichen Maßstäbe notwendig. Grundvermögen, das nicht unter das Schonvermögen fällt, ist uneingeschränkt einzusetzen. Es muss belastet oder verwertet werden. Bei Grundvermögen, das nicht Schonvermögen ist, ist jedenfalls eine Belastung durch Kreditaufnahme zumutbar.

    Dass die Antragstellerin zur Finanzierung der sich bei streitiger Durchführung des Verfahrens auf etwa 2.620,- € belaufenden Prozesskosten auch unter dinglicher Absicherung einen entsprechenden Kredit nicht erlangen kann, ist ebenso wenig dargelegt, wie bisher nicht die Frage angesprochen worden ist, ob die Antragstellerin von ihrem getrennt lebenden Ehegatten einen Prozesskostenvorschuss erlangen kann.

    Soweit eine Fremdfinanzierung der Prozesskosten in Rede steht, macht die Antragstellerin lediglich pauschal und ohne konkreten Nachweis geltend, dass eine Finanzierung der Prozesskosten durch eine dinglich abgesicherte Kreditaufnahme ausscheide, da kein Bankunternehmen zu einer Finanzierung bereit sei, weil sie ihren Lebensunterhalt durch Unterhaltsleistungen absichere. Offensichtlich hat die Antragstellerin bislang nicht einmal den Versuch unternommen, einen Kredit aufzunehmen. Dafür, dass einem solchen Kreditwunsch von vornherein kein Erfolg beschieden wäre, gibt es keinen Anhaltspunkt. Die finanziellen Verhältnisse der Antragstellerin sind so bestellt, dass sie, müsste sie die Prozesskosten aus ihren Einkünften bestreiten, Prozesskostenhilfe nur mit einer Ratenzahlungsanordnung in beträchtlicher Höhe erwarten könnte.

    Dem Akteninhalt lässt sich schließlich nicht entnehmen, ob die Kosten der Sanierung gemäß der Schlussrechnung der Fa. BBS Gebr. C GmbH v. 09.12.2013 über 10.109,85 € noch offen sind, oder ob diese inzwischen beglichen worden sind. Sofern letzteres der Fall ist, wäre der Frage nachzugehen, aus welchen Mitteln dies geschehen ist.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

    RechtsgebieteZPO, SGB XIIVorschriften§§ 114, 115 Abs. 3 ZPO; § 90 SGB XII