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  • · Anspruchsübergang

    Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 11 RVG schützt Anwalt nicht vor Rückforderungen

    Bild: © Looker_Studio ‒ stock.adobe.com

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    Im Hinblick auf ihre Vergütungsansprüche sind einige Anwälte trickreich. Sie sollten aber darauf achten, dass Sie keinen prozessualen Fehler begehen, der dazu führt, dass Rechtsschutzversicherungen Vorschüsse zurückverlangen können.

    1. Wann Rückforderungen einer Rechtsschutzversicherung entstehen

    Rückforderungen kommen in der Praxis häufig vor, wenn ein Rechtsschutzversicherer involviert ist. Klassisch ist zum Beispiel, dass die Versicherung dem Anwalt, den der Versicherungsnehmer (Mandant) beauftragt hat, einen Vorschuss auf die zu erwartende Terminsgebühr bezahlt. Findet dann aber kein Termin statt bzw. wird ein Berufungsverfahren ohne Termin beendet (§ 522 Abs. 2 ZPO), fordern die Rechtschutzversicherer den gezahlten Vorschuss zurück. Immerhin ist keine Terminsgebühr entstanden.

    2. Warum der Trick nicht funktioniert

    Einige Anwälte beantragen nach dem nicht stattgefundenen Termin ‒ in Kenntnis des Forderungsübergangs nach § 86 Abs. 1 VVG ‒ eine Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG ‒ einschließlich der Terminsgebühr. Sie begründen dies z. B. mit einem angeblich gebührenauslösenden Telefonat. An dem Festsetzungsverfahren ist die Rechtsschutzversicherung in der Regel nicht beteiligt. Sie klagt im Nachgang auf Rückerstattung des Vorschusses.

     

    Die Rechtsprechung verneint die Bindungswirkung des Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 11 RVG für die Rechtsschutzversicherung (so jüngst BGH 12.6.25, IX ZR 163/24; Abruf-Nr. 249113). Die Versicherung muss daher den Beschluss, der im Prozess auf Rückzahlung der Vergütung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Anwalt erging, nicht gegen sich gelten lassen. Das gilt insbesondere, wenn der Anwalt den Antrag auf Festsetzung erst gestellt hat, nachdem er vom Übergang etwaiger Ansprüche auf den Versicherer Kenntnis erlangt hatte.

     

    Gründe gegen die Bindungswirkung

    Ein Anwalt muss nach §§ 675, 667 BGB nicht verbrauchte Vorschüsse zurückzahlen. Bei rechtsschutzversicherten Mandanten geht ein solcher Rückzahlungsanspruch gemäß § 86 Abs. 1 VVG automatisch auf den Rechtsschutzversicherer über, weil dieser mit dem Vorschuss einen ersatzfähigen Schaden des Versicherungsnehmers ausgeglichen hat (vgl. BGH RVG prof. 25, 203).

     

    Die Rechtskraft von Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen (§ 11 RVG) wirkt nur zwischen den am Verfahren Beteiligten (§ 325 Abs. 1 ZPO). Da der Versicherer am Verfahren nicht beteiligt war, besteht somit keine Bindungswirkung.

     

    Die Rechtskraft erstreckt sich nach § 325 Abs. 1 ZPO nicht auf die Versicherung. Die Rückzahlungsansprüche des Versicherungsnehmers sind bereits mit der Vorschusszahlung auf die klagende Rechtsschutzversicherung übergegangen (§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG). Dieser Forderungsübergang fand statt, bevor das Verfahren zur Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG begonnen wurde.

     

    Grundsätzlich muss der neue Gläubiger ein rechtskräftiges Urteil gegen sich gelten lassen, das in einem nach dem Forderungsübergang zwischen Schuldner und bisherigem Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit über die Forderung ergangen ist. Das gilt nicht, wenn der Schuldner den Forderungsübergang bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit kannte. § 407 Abs. 2 BGB schützt nur gutgläubige Schuldner, die beim Eintritt der Rechtshängigkeit den Forderungsübergang nicht kannten. Andernfalls ist der Gläubiger ‒ hier der Anwalt ‒ bösgläubig.

     

    Weder § 407 Abs. 2 BGB noch § 11 RVG enthalten eine planwidrige Lücke. Ein Anwalt kann sich nicht darauf berufen, dass ihm sonst das vereinfachte Verfahren des § 11 RVG „genommen“ werde. Bei einem Forderungsübergang darf er nicht gegen den falschen Gläubiger die Festsetzung beantragen.

    3. Dass sollten Sie in der Praxis beachten

    Von Ihnen sind eine besonders sorgfältige und transparente Handhabung von Vergütungsfestsetzungen, insbesondere bei bekanntem Forderungsübergang, gefordert.

     

    a) Erhöhte Sorgfaltspflicht bei Kenntnis eines Forderungsübergangs

    Sobald Sie wissen, dass Vorschüsse von einem Rechtschutzversicherer gezahlt wurden und ein Rückforderungsanspruch übergegangen ist, dürfen Sie keine Festsetzung nach § 11 RVG mehr gegen den Mandanten beantragen, um die Vergütungssituation zu seinen Gunsten zu klären.

     

    b) Gefahr von Rückzahlungsprozessen

    Die Festsetzung gegen den Mandanten nach § 11 RVG bietet keinen Schutz. Sie müssen damit rechnen, dass der Rechtsschutzversicherer trotz Festsetzungsbeschluss Rückforderungsklage erhebt ‒ und damit durchdringt.

     

    c) Festsetzungsanträge nach § 11 RVG nur begrenzt geeignet

    § 11 RVG schützt Sie nicht, wenn Sie bösgläubig sind, d.h. wenn Sie wissen, dass der Versicherer Inhaber des Rückforderungsanspruchs ist. Das schränkt faktisch das § 11-RVG-Verfahren bei rechtsschutzversicherten Mandanten ein. Daher sollten Sie dokumentieren, ab wann Sie Kenntnis vom Forderungsübergang hatten z. B. durch ein Schreiben des Versicherers.

     

    d) Strategiewechsel

    Wenn der Rechtsschutzversicherer die Entstehung einer Gebühr bestreitet und Sie sicher sind, dass sie entstanden ist, sollten Sie eine negative Feststellungsklage gegen den Versicherer erheben, statt ein Verfahren § 11 RVG gegen den falschen Schuldner (Mandanten) zu beantragen.

     

    e) Mandanteninformation

    Informieren Sie Mandanten über den Konflikt mit der Rechtsschutzversicherung. Dokumentieren Sie dies in den Akten, um Haftungsfragen zu minimieren.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2026 | Seite 13 | ID 50645992