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  • · Fachbeitrag · Pflichtverteidigung

    Doppelbelastung der Staatskasse ist zulässig

    Bei dem Vergütungsanspruch, der dem Pflichtverteidiger gemäß § 45 Abs. 3 S. 1 RVG in Verbindung mit Nrn. 4100 ff. VV RVG zusteht, handelt es sich um einen eigenen Anspruch des zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalts. Der Anspruch richtet sich gegen die Staatskasse und tritt selbstständig neben den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten aus § 52 RVG. Er ist letzterem gegenüber nicht subsidiär, sondern kann wahlweise geltend gemacht werden (LG Magdeburg 2.4.14, 22 Qs 526 Js 36766/12 (21/14), Abruf-Nr. 142132).

     

    Sachverhalt

    Das AG hat den Angeklagten A vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Die Kosten und notwendigen Auslagen des A wurden der Landeskasse auferlegt. A wurde durch den Rechtsanwalt R als Pflichtverteidiger vertreten. R beantragte die Festsetzung der Gebühren als Wahlverteidiger und legte eine Geldempfangsvollmacht für A vor. Die Rechtspflegerin setzte die beantragten Kosten als Wahlverteidigergebühren ungekürzt fest.

     

    Zu einer Auszahlung des Gebührenanspruchs kam es nicht, weil die Landeskasse wegen weiterer Ansprüche der Landeskasse gegen A die Aufrechnung erklärte. Daraufhin beantragte R die Kostenfestsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren. Die Rechtspflegerin wies den Antrag zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine nochmalige Kostenfestsetzung komme nicht in Betracht. Die Landeskasse habe bereits den höheren Betrag der Wahlverteidigervergütung geleistet. Das Rechtsmittel des R hatte Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Bei dem Anspruch aus § 45 Abs. 3 S. 1 RVG handelt es sich um einen selbstständigen Anspruch des R gegen die Staatskasse. Der gesetzliche Anspruch des R auf Festsetzung und Auszahlung der Pflichtverteidigergebühren erlischt entgegen der Auffassung des AG nicht durch eine Auszahlung an A (OLG Frankfurt JurBüro 11, 34). Etwas anderes folgt auch nicht aus § 58 Abs. 3 RVG. Danach kommen auf die Pflichtverteidigergebühren nur solche Vorschüsse und Zahlungen zur Anrechnung, die der Rechtsanwalt auch tatsächlich erhalten hat. Dies ist vorliegend aufgrund der durch die Staatskasse erklärten Aufrechnung gegenüber den Wahlverteidigergebühren nicht der Fall. Eine Auszahlung ist gerade nicht erfolgt. Die Entscheidung setzt die Rechtsprechung des BVerfG um (Burhoff, RVG prof. 09, 167). Danach besteht der Anspruch auf Pflichtverteidigervergütung auch, wenn bereits eine Wahlverteidigervergütung festgesetzt wurde. Es kann zu einer Doppelbelastung der Staatskasse kommen. Davor kann sich die Staatskasse aber unter anderem schützen, indem sie den Rechtsanwalt vor Festsetzung der Wahlverteidigergebühren zum Verzicht auf seine Pflichtverteidigergebühren auffordert.

     

    MERKE | Der Verteidiger sollte § 43 RVG nicht übersehen und eine etwaig erfolgte Abtretung der Kostenerstattungsansprüche des Mandanten unverzüglich anzeigen. Dann ist eine Aufrechnung der Staatskasse ausgeschlossen.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 135 | ID 42662468