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  • · Fachbeitrag · Kopierkosten

    Aktendoppel für den Mandanten? Ermessen des Verteidigers

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Grundsätzlich obliegt die Entscheidung, welche Aktenteile ein Verteidiger für seinen Mandanten kopiert, in seinem Ermessen. Aus Sicht eines sorgfältigen und vernünftigen Verteidigers kann es erforderlich sein, dem Mandanten Akten(-bestandteile) in Kopie zur Verfügung zu stellen, wenn dieser die Kopien benötigt, um gemeinsam mit dem Verteidiger die Verteidigung einzurichten (LG Aachen 16.6.14, 67 KLs-901 Js 193/12-11/12, Abruf-Nr. 143265 ).

     

    Sachverhalt

    Der (Pflicht-)Verteidiger kopierte aus der Verfahrensakte mehr als 100 Seiten für den Angeklagten und machte dafür eine Dokumentenpauschale geltend. Der Rechtspfleger lehnte deren Festsetzung ab. Die Erinnerung des Verteidigers hatte Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Herstellung und Übergabe der Kopien ist notwendig im Sinne der Nr. 7000 Nr. 1 c) VV RVG, da ein vernünftiger und sorgfältiger Verteidiger diese Vorgehensweise zur effektiven Gestaltung der Verteidigung für erforderlich halten durfte. Die Entscheidung, welche Aktenteile ein Verteidiger für seinen Mandanten kopiert, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen. Im Verfahren kann es erforderlich sein, dass der Mandant selbst die Möglichkeit hat, umfassend, sorgfältig und ohne Zeitdruck den Akteninhalt ganz oder teilweise auch durch mehrmaliges Lesen zu erfassen, um sich in die Gestaltung der Verteidigung konstruktiv einzubringen.

     

    Hierzu kann gehören, dass der Mandant durch Aushändigung von Kopien in die Lage versetzt wird, den Verteidiger auf Umstände hinzuweisen, deren Erheblichkeit dem Verteidiger entgangen ist oder deren Erheblichkeit sich dem Verteidiger mangels eigener Wahrnehmung von tatsächlichen Geschehensabläufen nicht erschlossen hat oder erschließen konnte. Dies kann auch prozessuale Umstände erfassen, die sich aus den Akten ergeben. Der sorgfältige Verteidiger ist daher nicht gehalten, den Mandanten immer ausschließlich über die Aktenbestandteile zu informieren, die er nach eigener Prüfung für erheblich hält. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es, dem Verteidiger und seinem Mandanten eine Arbeitseffektivität zu ermöglichen, die strafprozessual als waffengleich zu betrachten ist.

     

    Praxishinweis

    Aus dem Beschluss lässt sich das Fazit ziehen, dass dem Verteidiger ein weitgehendes Ermessen eingeräumt ist. Er darf es aber andererseits nicht überstrapazieren: So wird er keine Aktenbestandteile für den Angeklagten kopieren dürfen, bei denen schon von vornherein jede Bedeutung für das Verfahren ausgeschlossen ist.

     

    Der Verteidiger sollte sich überlegen und gegebenenfalls selbst prüfen, welche Unterlagen beziehungsweise Kopien er dem Mandanten zur Verfügung stellt. Auf der sicheren Seite wird er im Zweifel immer sein, wenn er aus einer umfangreichen Akte nur Teile kopiert und dem Mandanten zur Verfügung stellt. So war es auch hier. Der Verteidiger hatte von einer äußerst umfassenden Hauptakte nur einen sehr kleinen Teil kopiert.

     

    Um Schwierigkeit bei der Erstattung und Festsetzung zu vermeiden, kann der Pflichtverteidiger gegebenenfalls den Weg über § 46 Abs. 2 S. 3 in Verbindung mit Abs. 2 S. 1 RVG gehen und die Feststellung der Erforderlichkeit des Aktendoppels beziehungsweise des Aktenauszugs durch das Gericht beantragen. Eine andere Möglichkeit zur Klärung ist, insoweit einen Vorschuss gemäß § 47 RVG zu verlangen (Burhoff, RVG prof. 14, 158 und 173).

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 207 | ID 42766091