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  • · Fachbeitrag · Angelegenheit

    Bußgeldverfahren sind selbstständig

    Mehrere Verfahren sind so lange selbstständige Angelegenheiten, wie sie nicht formell verbunden sind. Die gemeinsame Terminierung bewirkt noch keine Verbindung (LG Potsdam 27.6.13, 24 Qs 184/12, Abruf-Nr. 132250).

     

    Sachverhalt

    Am 24.8.11 wurden zwei Bußgeldbescheide erlassen. Der eine richtete sich gegen den Betroffenen B als Bauherr wegen der Nutzungsänderung eines Grundstücks in einen Lagerplatz. Der andere richtete sich gegen die ­B-GmbH, die durch B als Geschäftsführer vertreten wird, ebenfalls wegen der ­Nutzungsänderung eines Grundstücks in einen Lagerplatz. Am 1.9.11 legte der Verteidiger V unter einem Aktenzeichen für B und unter einem anderen Zeichen für die B-GmbH Einspruch gegen die Bußgeldbescheide ein. Die Verwaltungs­behörde legte die beiden in getrennten Verfahrensakten geführten Bußgeldsachen der Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die eingelegten Einsprüche vor. Die Staatsanwaltschaft legte die Bußgeldverfahren dem AG zur Entscheidung vor. Dort erhielt das Bußgeldverfahren nur ein ­Aktenzeichen.

     

    Die Hauptverhandlung beim AG endete mit einer Einstellung „beider Bußgeldbescheide vom 24.8.11“ gemäß § 47 Abs. 2 OWiG. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Landes­kasse auferlegt. V beantragte die Festsetzung der ­Gebühren und Auslagen für das Bußgeldverfahren gegen die B-GmbH in ­Höhe von insgesamt 510 EUR und gegen B in Höhe von rund 842 EUR. Das AG hat einen Betrag in Höhe von insgesamt 270 EUR abgesetzt, weil es zwar zwei Verfahren vor der Verwaltungsbehörde gegeben habe. Deshalb seien auch die Gebühren Nrn. 5100 und 5103 VV RVG sowie die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG zweimal entstanden. Es habe aber nur ein gemeinsames Verfahren vor dem AG gegeben. Das führe dazu, dass die Gebühren nur einmal entstanden ­seien. Die ­sofortige Beschwerde des V ist erfolgreich gewesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Bei den am AG anhängigen zwei Bußgeldverfahren handelt es sich gebührenrechtlich um verschiedene Angelegenheiten. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG a.F. kann ein Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal ­fordern. Der Begriff der „Angelegenheit“ wird vom RVG nicht definiert, ­sondern vorausgesetzt (LG Bonn RVG prof. 12, 61).

     

    Maßgebend für die Abgrenzung von Angelegenheiten ist die Frage, ob ein (einheitlicher) Auftrag vorliegt, ob sich die Tätigkeit des Rechtsanwaltes im gleichen Rahmen hält und ob zwischen einzelnen Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeit ein innerer Zusammenhang besteht (BVerfG NJW 00, 3126; BGH NJW 11, 157; Burhoff/Burhoff, RVG, 3. Aufl., Teil A: Angelegenheiten §§ 15 ff. Rn. 67). Hierzu hat sich eine umfangreiche Kasuistik entwickelt (LG Bonn, a.a.O.). Mehrere Verfahren bedeuten grundsätzlich mehrere Angelegenheiten, auch bei gleichartigen Sachverhalten (AG Köln AnwBl 88, 357).

     

    Erst nach Verbindung der Verfahren durch die Verwaltungsbehörde, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht liegt eine Angelegenheit vor, sodass nur noch in diesem Verfahren Gebühren entstehen können (Burhoff/Burhoff., a.a.O., Rn. 73). Nicht formell verbundene oder getrennte Verfahren müssen kosten­rechtlich getrennt behandelt werden. Dies entspricht dem Grundsatz der Rechtsklarheit (so zutreffend FG Düsseldorf JurBüro 12, 529). Hier sind gegen B und die B-GmbH zwei verschiedene Bußgeldverfahren mit jeweils unterschiedlichen Geschäftsnummern geführt worden. Eine Verfahrensverbindung ist bis zuletzt nicht erfolgt. Auch die gleichzeitige Terminierung ­verschiedener Straf- oder Bußgeldsachen bewirkt noch keine Verbindung (Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 15 RVG Rn. 17). Diese hat durch ­einen formellen Verbindungsbeschluss zu erfolgen, vor dessen Erlass rechtliches Gehör zu gewähren ist (BGH NJW 89, 2403, 2407). Ohne Bedeutung ist, dass V im gerichtlichen Bußgeldverfahren zusammenhängend vorgetragen hat und beiden Bußgeldverfahren der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt.

     

    Entscheidend ist, dass die Bußgeldbescheide jeweils unter anderen juristischen Aspekten erlassen wurden (AG Tecklenburg AnwBl 95, 48). Es hätte aufgrund der getrennten Verfahrensführung nicht genügt, wenn V nur in ­einem Verfahren ohne Bezugnahme auf das Aktenzeichen des anderen ­Verfahrens Einspruch eingelegt hätte (LG Bonn, a.a.O.). Hatte er infolge der Verfahrensgestaltung der Verwaltungsbehörde zwei Verfahren parallel zu führen, ist nicht einzusehen, ihn gebührenrechtlich so zu stellen, als habe er nur ein einziges Verfahren geführt. Dies gilt umso mehr, als auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren keine Verbindung der Verfahren beschlossen ­wurde, was nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 4 StPO möglich gewesen wäre.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht der h.M. Solange unterschiedliche Verfahren nicht miteinander verbunden sind, ist jedes Verfahren eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit, in der nach § 15 RVG Gebühren entstehen können. Ab der Verbindung liegt nur noch eine Angelegenheit vor, ­sodass nur noch in dieser Gebühren entstehen. Die bis zur Verbindung entstandenen Gebühren bleiben dem Verteidiger nach § 15 Abs. 4 RVG erhalten.

     

    MERKE |  Werden von den Strafverfolgungsbehörden gegen einen Beschuldigten mehrere Ermittlungsverfahren geführt, ist jedes eine eigene Angelegenheit, solange die Verfahren nicht miteinander verbunden sind (LG Braunschweig RVG prof. 10, 214; LG Hamburg AGS 08, 545). Ein Grund dafür, dies für Bußgeldverfahren anders zu beurteilen, besteht nicht (so zutreffend: LG Bonn, a.a.O.).

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • RVG prof. 13, 194: Übergangsrecht nach dem 2. KostRMoG (Straf- und Bußgeldsachen)
    • siehe schon RVG 13, 129: Gleichzeitiges Verhandeln bewirkt noch keine Verbindung
    • RVG prof. 12, 189: Verbindung von Verfahren - so wirkt sie sich auf die Gebühren aus

     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 6 | ID 42428642