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  • Strafrechtsentschädigungsverfahren

    Die richtige Abrechnung der Tätigkeit im Verfahren nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz

    von Dipl.- Rechtspfleger Joachim Volpert, Düsseldorf

    Das Gesetz über die Entschädigung von Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) sieht die Gewährung einer Entschädigung aus der Staatskasse für Schäden vor,

    • die durch eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung (§ 1 StrEG) oder
    • durch den Vollzug einer vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahme (z. B. Untersuchungshaft, Unterbringung, vorläufige Festnahme nach § 127a StPO, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, § 2 StrEG) vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens (§§ 2 – 4 StrEG)

    entstanden sind (dazu Meyer, Strafrechtsentschädigung, 5. Aufl., § 2 Rn. 1). Gegenstand der Entschädigung nach dem StrEG ist u. a. der durch eine Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden (vgl. § 7 Abs. 1 StrEG).

    Der folgende Beitrag zeigt auf, welche Gebühren der Anwalt für die Vertretung des Beschuldigten im Strafrechtsentschädigungsverfahren abrechnen kann und in welchen Fällen die in diesem Verfahren entstandene Anwaltsvergütung von der Staatskasse erstattet wird.

    Zweiteilung des Strafrechtsentschädigungsverfahrens beachten

    Das Strafrechtsentschädigungsverfahren besteht zum einen aus

    • dem Grundverfahren (§§ 1 – 9 StrEG) und
    • dem Betragsverfahren (§§ 10 ff StrEG).

    Während das Grundverfahren zur Feststellung der grundsätzlichen Entschädigungspflicht der Staatskasse dient (§§ 8 und 9 StrEG), wird im Betragsverfahren die Höhe der dem Beschuldigten zu gewährenden Entschädigung festgesetzt.

    Es gelten unterschiedliche Zuständigkeiten und Vergütungsbestimmungen

    Die Feststellung der Entschädigungspflicht der Staatskasse im Grundverfahren erfolgt nach § 8 Abs. 1 StrEG durch das Strafgericht zusammen mit der Kosten- und Auslagenentscheidung für das Hauptsacheverfahren in der das Strafverfahren abschließenden Entscheidung. Das Grundverfahren ist somit Teil des Hauptsacheverfahrens (hierzu im Einzelnen Meyer, Strafrechtsentschädigungsgesetz, a.a.O., § 8 StrEG Rn. 11). Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft (§ 8 Abs. 3 StrEG).

    Über die Höhe der dem Beschuldigten zu gewährenden Entschädigung entscheidet im selbstständigen Betragsverfahren gemäß § 10 Abs. 2 StrEG die Landesjustizverwaltung. Ist der Beschuldigte mit der Entscheidung der Landesjustizverwaltung nicht einverstanden, ist der ordentliche Rechtsweg zu den Zivilgerichten (LG) gegeben (§ 13 Abs. 1 StrEG).

    Auf Grund der Zweiteilung des StrEG sowie der unterschiedlichen Zuständigkeiten (Strafgericht, Landesjustizverwaltung, LG) müssen die folgenden unterschiedlichen Gebührenbestimmungen beachtet werden. Dazu im Einzelnen:

    Die Gebühren für das Grund- und Betragsverfahren fallen nebeneinander an

    Die im Grund- und im Betragsverfahren entstandenen Gebühren darf der Anwalt anrechnungsfrei behalten. Für den Verteidiger gilt dies nicht, da er im Grundverfahren, das Teil des Hauptverfahrens ist, keine besonderen Gebühren erhält, siehe Punkt 3.

    Zur Verdeutlichung dient folgendes Beispiel:

    Die Kostenentscheidung der Hauptsache gilt auch für das Grundverfahren

    Da das Grundverfahren Teil des Hauptsacheverfahrens ist, gilt die Kosten- und Auslagenentscheidung der Hauptsache gemäß §§ 464 ff. StPO auch für das Grundverfahren. Die Kostenerstattungsvorschriften der StPO gehen somit den Bestimmungen des StrEG vor (BGH NJW 75, 2341). Ist der Beschuldigte frei- und ihm eine Entschädigung nach dem StrEG zugesprochen worden, wird die Anwaltsvergütung für das Grundverfahren somit gemäß §§ 464b, 467 StPO gegen die Staatskasse festgesetzt. Das gilt, wenn

    • der Anwalt nur für das Grundverfahren und/oder zur Abwehr einer Strafverfolgungsmaßnahme beauftragt worden ist und besondere Gebühren nach § 91 Nr. 1 BRAGO entstanden sind (vgl. Punkt 1 und 2) sowie wenn
    • der Anwalt zum Verteidiger bestellt war und die Vergütung für die Tätigkeit im Grundverfahren bzw. zur Abwehr einer Strafverfolgungsmaßnahme in den Verteidigergebühren enthalten ist (vgl. Punkt 3 und 4).

    Fehlt die Kostenentscheidung der Hauptsache erfolgt Erstattung nach dem StrEG

    Gemäß § 7 Abs. 1 StrEG ist Gegenstand der Entschädigung der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden.

    In den Fällen, in denen die StPO keine Kostenentscheidung und -festsetzung vorsieht - z. B. bei einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 oder § 153 Abs. 2 StPO -, kann die Anwaltsvergütung für die Abwehr der Strafverfolgungsmaßnahme bzw. für die Tätigkeit im Grundverfahren nur über das StrEG erfolgen (BGH JurBüro 77, 1365). Dabei gilt Folgendes: –Ist der Anwalt nur mit der Abwehr der Strafverfolgungsmaßnahme und/oder für das Grundverfahren beauftragt worden (vgl. Punkt 1 und 2), sind die Gebühren gemäß § 91 Nr. 1 BRAGO nebst Auslagen und Umsatzsteuer als Vermögensschaden gemäß § 7 Abs. 1 StrEG erstattbar.

    Ist der Anwalt hingegen auchals Verteidiger tätig geworden, muss von den Verteidigergebühren für das gesamte Strafverfahren unter Anwendung der Differenztheorie der fiktive Teil des Honorars ermittelt werden, der auf die Tätigkeit im Rahmen der Abwehr der Strafverfolgungsmaßnahme bzw. auf die Tätigkeit im Grundverfahren entfällt (Meyer, Strafrechtsentschädigung, a.a.O., § 7 Rn. 16). Dazu folgendes Beispiel:

    Praxishinweis: Dem Beschuldigten sind sämtliche Verteidigerkosten als Vermögensschaden nach dem StrEG zu erstatten, wenn er bei vernünftiger und objektiver Würdigung ohne den Vollzug der Strafverfolgungsmaßnahme keinen Verteidiger beauftragt hätte und/oder der Verteidiger ganz überwiegend gegen die Strafverfolgungsmaßnahme vorgehen sollte und auch vorgegangen ist (Meyer, Strafrechtsentschädigung, a.a.O., § 7 Rn. 16). Wegen § 464d StPO ist die Ermittlung des als Vermögensschaden zu erstattenden Teils der Anwaltsvergütung neben der Differenztheorie auch durch Quotenschätzung bzw. -bildung zulässig, (Meyer, a.a.O.).

    Vergütung für Betragsverfahren wird als Vermögensschaden (§ 7 StrEG) erstattet

    Nach Teil I lit. B Ziffer II Nr. 2h der Bundeseinheitlichen Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (Anlage C zu den RiStBV), abgedruckt bei Kleinknecht/Meyer- Goßner, StPO, a.a.O., S. 1922, sind die nach § 118 BRAGO für das Betragsverfahren vor der Landesjustizverwaltung entstandenen Anwaltsgebühren (vgl. Punkt 5) als Teil des Vermögensschadens gemäß § 7 Abs. 1 StrEG aus der Staatskasse erstattungsfähig (Gerold/Schmidt/V. Eicken/Madert, BRAGO, a.a.O., § 87 Rn. 9).

    Praxishinweis: Die Landesjustizverwaltung kann es ablehnen, Anwaltskosten für die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen im Betragsverfahren zu erstatten, wenn es sich um einen einfach gelagerten Fall handelt (LG Koblenz NStZ 01, 500). Um einen einfach gelagerten Fall handelt es sich beispielsweise, wenn nur die Haftentschädigung nach § 7 Abs. 3 StrEG in Höhe von 11 EUR für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung geltend gemacht wird (LG Flensburg JurBüro 97, 317; LG Koblenz a. a. O.). Lehnt die Landesjustizverwaltung die Einbeziehung der Anwaltsvergütung in den Entschädigungsbetrag ab, muss der Anwalt seine Vergütung bei seinem Mandanten geltend machen.

    Für das Klageverfahren nach § 13 StrEG gelten §§ 91, 103 ff. ZPO

    Die im Zivilverfahren vor dem LG gemäß § 13 StrEG entstandene Vergütung (§§ 31 ff. BRAGO, vgl. Punkt 6) kann im Falle des Obsiegens des Beschuldigten/Klägers im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 91, 103 ff. ZPO gegen die Staatskasse/Beklagte festgesetzt werden (LG Flensburg JurBüro 83, 1564).

    Praxishinweis: Hat es der Beschuldigte unterlassen, die im Betragsverfahren nach § 118 BRAGO entstandenen Anwaltskosten als Vermögensschaden bei der Landesjustizverwaltung anzumelden (§ 10 StrEG), können diese Kosten nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach einem erfolgreichen Rechtsstreit gemäß § 13 StrEG geltend gemacht werden. Denn es handelt sich um vorprozessuale Anwaltskosten (LG Flensburg, a.a.O.). Die vorprozessualen Anwaltskosten für das Betragsverfahren vor der Landesjustizverwaltung müssen dann gegebenenfalls in einem besonderen Klageverfahren gegen die Landesjustizverwaltung geltend gemacht werden.

    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 06/2003, Seite 91

    Quelle: Ausgabe 06 / 2003 | Seite 91 | ID 106542