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  • Kostenfestsetzung
    Wann ist ein Kostenerstattungsanspruch verwirkt?
    von Bürovorsteher Detlev Schönemann, Würzburg
    Es ist anerkannt, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung (§ 242 BGB) auch im Kostenfestsetzungsverfahren gilt. Der Beitrag zeigt, wann und unter welchen Voraussetzungen die Verwirkung eintritt.
    Verwirkung ist ein Sonderfall unzulässiger Rechtsausübung
    Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen wird (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 242 Rn. 87). Verwirkung im Kostenfestsetzungsverfahren ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Dies gilt für den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegen die unterlegene Partei und auch für den prozessualen Anspruch gegen das Gericht auf nachträgliche Festsetzung der Kosten (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 104 Rn. 21 "Verwirkung"). Denn dem Gericht kann nicht zugemutet werden, an der, wenn auch formellen, Verwirklichung eines gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhaltens mitzuwirken (OLG Frankfurt RPfleger 77, 261; a.A. OLG Stuttgart RPfleger 84, 113).
    Zeitmoment muss gegeben sein
    Es muss eine längere Zeit vergangen sein, seit die Möglichkeit besteht, das Recht geltend zu machen. Das LG Bonn legt einen Zeitraum von sieben Jahren nach Abschluss des Rechtsstreits zu Grunde, innerhalb dessen das Kostenfestsetzungsverfahren nicht betrieben wurde (RPfleger 84, 245). Nach OLG Frankfurt reichen schon drei 3/4 Jahre (MDR 74, 240).
    Umstandsmoment muss erfüllt sein
    Der Erstattungspflichtige muss aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen, dass dieser den Anspruch nicht mehr geltend machen will und somit kein Anlass für den Pflichtigen besteht, sich in seiner Wirtschaftsführung darauf einzurichten, dass er nach mehreren Jahren noch in Anspruch genommen wird. Es genügt insoweit das passive Verhalten des Erstattungsberechtigten (OLG Frankfurt RPfleger 77, 261).
    Nach OLG Bamberg können dabei Gesichtspunkte der Rechtssicherheit, der Rücksichtnahme auf den Pflichtigen und die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs eine Rolle spielen (JurBüro 87, 1412; OLG Frankfurt JurBüro 74, 229).
    Teilfestsetzung schließt Verwirkung aus
    Verwirkung kann nicht angenommen werden, wenn z.B. zunächst eine Teilfestsetzung der Kosten des Prozessbevollmächtigten erfolgte, die Festsetzung vergessener Verkehrsanwaltskosten aber erst nachträglich innerhalb einer kürzeren Zeitspanne als der o.a. beantragt wird.
    Regelmäßig genügen vier Jahre Zeitablauf zwischen dem ersten Kostenfestsetzungsbeschluss und einem nachträglichen Festsetzungsantrag, um Verwirkung anzunehmen. Was für ein ergänzendes Festsetzungsverfahren gilt, gilt erst recht für die "Erst"-Festsetzung (LG Bonn RPfleger 84, 245).
    Aber: Erstattungspflichtiger darf sich nicht selbst treuwidrig verhalten
    Etwas anderes gilt, wenn der Erstattungspflichtige einen sich aus derselben Kostenentscheidung ergebenden ausgleichsfähigen Gegenanspruch hat und darauf nicht verzichtet. Dies ist der Fall, wenn gemäß § 106 ZPO das Kostenausgleichsverfahren auf Grund einer Kostenentscheidung erfolgt, nach der die Prozesskosten ganz oder z.T. nach Quoten verteilt wurden. Verzichtet der Erstattungspflichtige nicht ausdrücklich auf seinen Kostengegenanspruch, verstößt er selbst gegen Treu und Glauben und kann sich nicht auf die Verwirkung des Kostenfestsetzungsrechts des Erstattungsberechtigten berufen (LG Frankfurt RPfleger 87, 332).
    Verjährung beachten
    Der Erstattungsanspruch gegen die Gegenpartei verjährt erst in 30 Jahren, § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Verwirkung kann aber schon vorher eintreten, aber nicht innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl. § 8 Rn. 71).
    Besonderheiten gelten im Verhältnis Staatskasse und Kostenschuldner
    Etwas anderes gilt im Verhältnis zwischen Staatskasse und Kostenschuldner. Gemäß § 20 GKG (§ 7 GKG a.F.) soll letzterer gegen eine verspätete Nachforderung von Gerichtskosten geschützt werden. Das OLG Koblenz hält z.B. das Nachforderunsgrecht der Staatskasse für verwirkt, wenn im Rahmen von PKH Ratenzahlungen festgesetzt wurden und diese nach Ablauf von zwei Jahren geändert werden sollen (FamRZ 00, 762).
    Kosten wegen irrigen Ansatzes dürfen nur nachgefordert werden, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Rechtskraft der Entscheidung oder anderweitiger Verfahrenserledigung mitgeteilt wurde. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist (OLG Düsseldorf RPfleger 90, 480). Sie soll verhindern, dass der Zahlungspflichtige nach längerer Zeit mit Nachforderungen behelligt wird. Der Begriff Nachforderung ist als Sammelbegriff zu verstehen, worunter nicht nur zusätzliche Forderungen fallen, die zur Erhöhung des Schuldbetrags führen, sondern auch bislang nicht geltend gemachte Forderungen, die an Stelle des nicht berechtigten oder fallen gelassenen Teils einer Einzel- oder Gesamtforderung nachgeschoben werden. Ein irriger Ansatz von Kosten liegt vor, wenn er zum objektiv unrichtigen Ergebnis führt, z.B. wenn der Kostenbeamte einzelne Posten auslässt, ein Rechtsirrtum bei der Festlegung des Kostenansatzes erfolgt oder wenn eine Änderung in der Streitwertfestsetzung den ursprünglichen Ansatz objektiv irrig gemacht hat (Hartmann KostG, a.a.O., § 20 GKG Rn. 9). Kein irriger Ansatz liegt vor, wenn nur die Summe auf Grund eines Rechenfehlers falsch ist. Dies gilt auch für Vergütungsfestsetzung des beigeordneten Anwalts. Ist die Jahresfrist des § 20 GKG abgelaufen, ist auch das Erinnerungsrecht der Landeskasse wegen Rückforderung einer überhöhten Vergütungsfestsetzung verwirkt (OLG Düsseldorf JurBüro 96, 144).
    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 10/2004, Seite 177
    Quelle: Ausgabe 10 / 2004 | Seite 177 | ID 106668