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  • 05.01.2009 | Kostenerstattung

    Kostenerstattung bei Klagerücknahme nach Mahnverfahren

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    Legt der Antragsgegner im Mahnverfahren Widerspruch gegen den geltend gemachten Anspruch ein, geht die Sache - bei entsprechendem Antrag - ins streitige Verfahren über. Wird die Klage noch vor der Anspruchsbegründung zurückgenommen, stellt sich für den Beklagten die Frage, welche Vergütung er seinem Anwalt zahlen muss und welche Gebühren er vom Gegner erstattet erhält. Dazu im Einzelnen:  

    Vergütungsanspruch des Beklagtenanwalts

    Der Vergütungsanspruch des Beklagtenanwalts richtet sich nach dem Umfang des ihm erteilten Auftrags.  

     

    Auftrag nur für das Mahnverfahren

    War er vom Beklagten beauftragt, nur im Mahnverfahren tätig zu werden und Widerspruch einzulegen, erhält er eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Damit ist die gesamte Tätigkeit des Anwalts im Mahnverfahren (Informationsgespräch mit dem Mandanten, Prüfung des Anspruchs, Einlegung und Begründung des Widerspruchs etc.) abgegolten. Eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG entsteht durch Einlegung des Widerspruchs nicht.  

     

    Umfassender Verfahrensauftrag

    Hatte der Beklagte dem Anwalt dagegen - ein solcher Wille des Mandanten ist durch Auslegung des Auftrags zu ermitteln - bereits den (ggf. bedingten) Auftrag erteilt, ihn auch im Klageverfahren zu vertreten, gilt Folgendes: Der Widerspruch allein kann keine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auslösen, da das Streitverfahren noch nicht begonnen hat. Nach Abgabe an das Streitgericht kann der Beklagtenanwalt eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG verdienen, wenn er entsprechend beauftragt wird. Dafür genügt es, dass er z.B. die Nachricht des Gerichts über den Akteneingang entgegennimmt und anschließend pflichtgemäß prüft, ob für seinen Mandanten etwas zu veranlassen ist. Die Einreichung eines Schriftsatzes ist nicht erforderlich (BGH NJW 05, 2233).  

     

    Praxishinweis: Die 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV RVG aus dem Mahnverfahren ist auf die später entstehende Verfahrensgebühr für das Streitverfahren anzurechnen (vgl. Anm. zu Nr. 3307 VV RVG).  

     

    Verknüpft der Beklagtenanwalt den Widerspruch gemäß § 694 ZPO mit einem Klageabweisungsantrag, entsteht bei Abgabe des Verfahrens die volle 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, da der Klageabweisungsantrag einen Sachantrag darstellt. Gleiches gilt, wenn der Anwalt in der Widerspruchsschrift den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens (§ 696 Abs. 1 S. 2 ZPO) oder auf Verweisung des Rechtsstreits stellt. Auch dabei handelt es sich um Prozesshandlungen im Streitverfahren.  

     

    Anträge nach Klagerücknahme

    Wird die Klage nach Übergang ins streitige Verfahren zurückgenommen, ist hinsichtlich der Gebühren des Beklagtenanwalts zu differenzieren: Hat er den Auftrag für die Vertretung im streitigen Verfahren erst nach der Klagerücknahme erhalten, ist für ihn die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG erst nach Rücknahme entstanden, somit nur aus dem Kostenwert. Neben der 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer für das Mahnverfahren kann er eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem Kostenwert nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer verlangen. Eine 0,5 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert ist allerdings anzurechnen. Der Kostenwert berechnet sich aus den außergerichtlichen Kosten von Antragsteller und Antragsgegner sowie den Gerichtskosten.  

     

    Beispiel 1

    A beauftragt Rechtsanwalt R, für ihn gegen einen Mahnbescheid über 5.000 EUR Widerspruch einzulegen, was auch geschieht. Unmittelbar nach Abgabe der Sache an das Streitgericht nimmt der Kläger seine Klage zurück. A bittet R, nun im Streitverfahren dafür zu sorgen, dass er seine Kosten erstattet erhält. R stellt einen Kostenantrag. Welche Gebühren kann R abrechnen?  

     

    Lösung: R kann folgende Gebühren in Rechnung stellen:  

     

    Mahnverfahren (Wert: 5.000 EUR)  

     

     

    0,5 Verfahrensgebühr, Nr. 3307 VV RVG  

     

    150,50 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

     

    20,00 EUR  

     

     

    170,50 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

     

    32,40 EUR  

     

     

    202,90 EUR  

    Kostenantrag im Streitverfahren (Wert: bis 900 EUR [hier 645,39 EUR = 202,90 EUR für R, 381,99 EUR für den Anwalt des Klägers und 60,50 EUR Gerichtskosten])  

     

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  

    84,50 EUR  

     

    abzüglich 0,5 Verfahrensgebühr aus 900 EUR  

    ./. 32,50 EUR  

     

    Nach Anrechnung verbleibende Verfahrensgebühr  

     

    52,00 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

     

    10,40 EUR  

     

     

    62,40 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

     

    11,86 EUR  

     

     

    74,26 EUR  

     

     

    War dem Anwalt im Zeitpunkt der Rücknahme bereits ein Auftrag für das streitige Verfahren erteilt worden, fällt die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem vollen Streitwert an. Infolge vorzeitiger Erledigung durch Klagerücknahme ist aber nur der ermäßigte Satz (0,8) nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG abrechenbar, wenn er bis dahin nur das Verfahren geführt oder z.B. eine Einrede erhoben hat. Er kann zusätzlich eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem Kostenwert verlangen, wobei § 15 Abs. 3 RVG zu beachten ist. Die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr darf nicht überschritten werden.  

     

    Beispiel 2

    A erteilt R einen bedingten Verfahrensauftrag, da ihm ein Mahnbescheid über 5.000 EUR zugestellt wurde. R legt Widerspruch ein und rügt die örtliche Zuständigkeit des angegebenen Streitgerichts. Nach Abgabe der Sache an das Streitgericht nimmt der Kläger die Klage vor Anspruchsbegründung zurück. R stellt einen entsprechenden Kostenantrag. Welche Gebühren kann R abrechnen?  

     

    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:  

     

    Mahnverfahren (Wert 5.000 EUR*)  

     

     

    wie Beispiel 1  

     

    202,90 EUR  

     

     

     

    Streitverfahren  

     

     

    0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 VV RVG** aus 5.000 EUR  

    240,80 EUR  

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 900 EUR  

    84,50 EUR  

     

    Gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,3 aus 5.000 EUR (391,30 EUR)  

    325,30 EUR  

     

    Anrechnung nach der Anm. zu Nr. 3307 VV RVG  

    0,5 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR  

     

    ./. 150,50 EUR  

     

    Nach Anrechnung verbleibende Verfahrensgebühr  

     

    174,80 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

     

    20,00 EUR  

     

     

    194,80 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

     

    37,01 EUR  

     

     

    231,81 EUR  

     

     

    * Der Wert beträgt 5.000 EUR und nicht 5.900 EUR, da Kosten (hier Wert bis 900 EUR) nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V. mit § 43 Abs. 1 GKG nicht berücksichtigt werden dürfen.  

    ** Einrede der örtlichen Unzuständigkeit führt nur zur verminderten Verfahrensgebühr.  

     

    Hat der Anwalt Widerspruch eingelegt und zugleich auch Klageabweisung beantragt, fällt dafür die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem vollen Streitwert an, wenn die Sache aufgrund eines vom Kläger im Mahnbescheid gestellten Abgabeantrags im ordentlichen Verfahren anhängig wird. Für den Kostenantrag entsteht daneben keine zusätzliche Gebühr.  

     

    Beispiel 3

    A wendet sich an R, weil ihm ein Mahnbescheid über 5.000 EUR zugestellt wurde. Er gibt R den Auftrag, Widerspruch einzulegen und auch schon einen Klageabweisungsantrag zu stellen, weil er sich um die Angelegenheit nicht weiter kümmern will. Als die Klage nach Übergang ins streitige Verfahren vor Anspruchsbegründung zurückgenommen wird, stellt R noch einen entsprechenden Kostenantrag. Welche Gebühren kann R in Rechnung stellen?  

     

    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:  

     

    Mahnverfahren (Wert: 5.000 EUR)  

     

     

    wie Beispiel 1  

     

    202,90 EUR  

    Streitverfahren (Wert: 5.000 EUR)  

     

     

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  

    391,30 EUR  

     

    Anrechnung nach der Anm. zu Nr. 3307 VV RVG 0,5 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR  

     

    ./. 150,50 EUR  

     

    Nach Anrechnung verbleibende Verfahrensgebühr  

     

    240,80 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

     

    20,00 EUR  

     

     

    260,80 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

     

    49,55 EUR  

     

     

    310,35 EUR  

     

     

    Erstattungsanspruch des Beklagten gegen den Kläger

    Hinsichtlich des Erstattungsanspruchs ist zu differenzieren:  

     

    Klageabweisungsantrag vor Anspruchsbegründung

    Die Erstattung einer 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV RVG durch den Kläger nach Klagerücknahme wird allgemein bejaht. Problematisch ist allerdings, ob der Beklagte auch die Erstattung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG verlangen kann, wenn sein Anwalt vor Anspruchsbegründung bereits einen Klageabweisungsantrag gestellt hat. Dagegen spricht, dass es vor Anspruchsbegründung noch nicht notwendig ist, einen Sachantrag zu stellen. In diesem Stadium ist dem Beklagten noch gar nicht bekannt, mit welchen sachlichen Gründen der Kläger ihn in Anspruch nehmen will und ihm droht aus einem fehlenden Klageabweisungsantrag auch kein prozessualer Nachteil.  

     

    Die Erstattungsfähigkeit einer 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG wird man dagegen bejahen müssen. In diesem Zusammenhang hat das KG - unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung - in überzeugender Weise auf die Rechtsprechung des BGH zur Erstattung der Kosten in Berufungssachen Bezug genommen (AGS 08, 23): Im Fall einer nur Frist wahrend eingelegten und noch nicht begründeten Berufung darf der Berufungsbeklagte unmittelbar einen Anwalt beauftragen, der sich für die Instanz bestellt. Die hierdurch entstehende 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG ist erstattungsfähig (BGH NJW 03, 756). In einer solchen Lage befindet sich auch der Antragsgegner im Mahnverfahren, wenn die Streitsache nach Abgabe an das Prozessgericht dort anhängig geworden ist. Der Beklagte kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist. Ihm ist nicht zumutbar, ohne anwaltliche Hilfe die Klagebegründung oder die vom Prozessgericht zur Klagebegründung gesetzte Frist abzuwarten. In erstattungsrechtlicher Hinsicht darf er also einem Anwalt Prozessauftrag erteilen und dieser darf sich gegenüber dem Prozessgericht als Bevollmächtigter melden, was eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG auslöst.  

     

    Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens

    Der zusammen mit dem Widerspruch gestellte Antrag des Beklagten auf Durchführung des streitigen Verfahrens löst zwar die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus. Diese ist aber nicht erstattungsfähig, wenn der Kläger bereits im Mahnbescheidsantrag einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Grund: Prozessual überflüssige Anträge können keinen Erstattungsanspruch gegen den Gegner auslösen.  

     

    Hat der Kläger den Antrag noch nicht gestellt oder zurückgenommen, ist die volle Verfahrensgebühr des Beklagtenanwalts erstattungsfähig. Denn der Beklagte ist berechtigt, die Abgabe des Mahnverfahrens an das Streitgericht zu beantragen, wenn der Kläger dies nicht getan hat und auch den Mahnbescheid nicht zurücknimmt. Der von dem Beklagten gestellte Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens und Abgabe an das Streitgericht ist zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig.  

     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2009 | Seite 10 | ID 123592