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  • 29.01.2009 | Finanzgerichtliche Verfahren

    So rechnen Sie richtig ab

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    Der Beitrag zeigt die wichtigsten Verfahrenssituationen bei der Vertretung vor den Finanzgerichten und die dabei entstehenden Gebühren.  

     

    Erstinstanzliches Verfahren

    Anders als nach der BRAGO erhält der Anwalt in erstinstanzlichen Verfahren vor den Finanzgerichten die für Rechtsmittelverfahren erhöhten Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG, so Vorbem. 3.2.1 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG. Damit würdigt der Gesetzgeber, dass das Finanzgericht in seiner Struktur wie ein Obergericht ausgebildet und gleichzeitig erste sowie letzte Tatsachenin-stanz ist. Während die Terminsgebühr wie in erstinstanzlichen Verfahren 1,2 beträgt, beläuft sich die Verfahrensgebühr auf einen Satz von 1,6.  

     

    Beispiel

    M erhält einen Einkommensteuerbescheid, in dem seine Fortbildungskosten nicht berücksichtigt werden. Die Steuerlast erhöht sich dadurch um 2.500 EUR. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren lässt er durch Rechtsanwalt R Klage vor dem Finanzgericht erheben, der auch den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrnimmt. R kann folgende Gebühren aus einem Gegenstandswert von 2.500 EUR abrechnen:  

     

    1,6 Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG  

     

    257,60 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG  

     

    193,20 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

     

    20,00 EUR  

     

     

    470,80 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

     

    89,45 EUR  

     

     

    560,25 EUR  

     

     

    Auch bei der Erledigungsgebühr ist die Stellung der Finanzgerichte als Obergerichte zu berücksichtigen. In Nr. 1004 VV RVG ist eine (erhöhte) Erledigungsgebühr von 1,3 zwar nur für die Fälle vorgesehen, dass über den Gegenstand ein Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig ist. Für den Fall der Erledigung eines erstinstanzlichen Verfahrens vor einem Finanzgericht ist Nr. 1004 VV RVG jedoch entsprechend anzuwenden (FG Rheinland-Pfalz AGS 08, 181; FG Baden-Württemberg JurBüro 07, 198).  

     

    Praxishinweis: Nach dem zum 1.9.09 in Kraft tretenden FamFG wird allerdings die analoge Anwendung der Nr. 1004 VV RVG nur für die in Vorbem. 3.2.1 und 3.2.2 VV RVG genannten Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren angeordnet (BT-Drs. 16/9733, 254). Dies spricht dafür, dass für das finanzgerichtliche Verfahren künftig nur eine 1,0 Erledigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG abgerechnet werden kann.  

     

    Endet der Auftrag des Anwalts vorzeitig, kann er für seine Tätigkeit nur eine 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG abrechnen.  

     

    Eine Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG entsteht - außer in den Fällen der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung - auch, wenn nach § 79a Abs. 2, §§ 90a oder 94a FGO (also durch Gerichtsbescheid bzw. in einem nach billigem Ermessen des Gerichts bestimmten Verfahren) ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, nicht jedoch bei einem Hauptsacheerledigungsbeschluss nach § 79a Abs. 2 FGO (FG Brandenburg AGS 07, 85), da diese Vorschrift in Nr. 3202 VV RVG nicht genannt wird.  

     

    In Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3202 VV RVG wird zwar auch die Anm. zu Nr. 3104 VV RVG für anwendbar erklärt, wonach eine Terminsgebühr auch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs entstehen kann. Da in finanzgerichtlichen Verfahren jedoch nur tatsächliche Verständigungen, nicht aber Vergleiche im Sinne einer Einigung über Rechtsfragen zulässig sind, scheidet eine Terminsgebühr nach dieser Alternative aus.  

     

    Vorausgegangene außergerichtliche Tätigkeit

    Hat der Anwalt den Mandanten vor dem gerichtlichen Verfahren bereits außergerichtlich oder im Verfahren gegenüber der Finanzbehörde vertreten, erfolgt eine Anrechnung der dort entstandenen Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG. Die Anrechnung erfolgt auf die gerichtliche Verfahrensgebühr, wenn und soweit derselbe Gegenstand betroffen ist.  

     

    Beispiel

    M erhält einen Bescheid über Grunderwerbsteuer von 7.500 EUR. Er beauftragt R, dagegen Einspruch einzulegen, da seiner Ansicht nach der fragliche Vorgang nicht steuerbar ist. Im Einspruchsverfahren korrigiert die Behörde den Bescheid wegen einer falschen Berechnung auf 5.000 EUR. R erhebt auftragsgemäß Klage vor dem Finanzgericht. R kann folgende Gebühren abrechnen:  

     

    Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 7.500 EUR)  

    1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG  

     

     

     

     

    535,60 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

     

     

     

     

    20,00 EUR  

     

     

     

     

     

    555,60 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

     

     

     

     

    105,56 EUR  

     

     

     

     

     

    661,16 EUR  

     

     

    Gerichtliche Tätigkeit (Wert: 5.000 EUR)  

    1,6 Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG  

    481,60 EUR  

     

    Anrechnung der 0,65 Geschäftsgebühr aus 5.000 EUR, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG  

     

    ./.195,65 EUR  

     

    verbleibende Verfahrensgebühr  

     

    285,95 EUR  

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG  

     

    361,20 EUR  

    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  

     

    20,00 EUR  

     

     

    667,15 EUR  

    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 19 %  

     

    126,76 EUR  

     

     

    793,91 EUR  

     

     

    Sind aufgrund der außergerichtlichen Tätigkeit des Anwalts mehrere Geschäftsgebühren entstanden, ist für die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG die zuletzt entstandene Gebühr maßgebend.  

     

    Beispiel

    Hat R bei einer durchschnittlichen Angelegenheit für eine außergerichtliche Tätigkeit eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG und für die Vertretung im Einspruchsverfahren vor der Behörde eine 0,7 Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV RVG erhalten, wird im gerichtlichen Verfahren die halbe Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV RVG (also 0,35) auf die Verfahrensgebühr angerechnet.  

     

     

    Eilverfahren

    Nach § 69 Abs. 2 FGO kann die Finanzbehörde die Vollziehung eines Bescheids auf Antrag ganz oder teilweise aussetzen. Lehnt sie einen solchen Aussetzungsantrag ab, kann der Betroffene einen Aussetzungsantrag beim Finanzgericht nach § 69 Abs. 3 FGO stellen. Im Verhältnis zum Verwaltungsverfahren, zum Einspruchsverfahren und zum gerichtlichen Verfahren handelt es sich bei dem Eilverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO um eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit, vgl. § 17 Nr. 1 RVG.  

     

    Auch für die Vertretung im Aussetzungsverfahren vor dem Finanzgericht erhält der Anwalt die Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG. Zwar werden in Vorbem. 3.2 Abs. 2 S. 1 VV RVG die erstinstanzlichen Gebühren für anwendbar erklärt, wenn in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das Berufungsgericht Gericht der Hauptsache ist. Dies gilt jedoch für die Verfahren vor den Finanzgerichten nicht, weil diese gerade nicht als Berufungs-, sondern als erstinstanzliches Gericht tätig werden und außerdem die analoge Anwendung der Vorschrift nur für die Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit angeordnet wurde, Vorbem. 3.2 Abs. 2 S. 2 VV RVG.  

     

    Einzeltätigkeiten

    Ist der Anwalt im finanzgerichtlichen Verfahren als Verkehrsanwalt eingeschaltet worden, erhält er eine 1,0 Verfahrensgebühr, Nr. 3400 VV RVG. Als Terminsvertreter erhält er eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV RVG sowie eine Terminsgebühr nach Nr. 3402 VV RVG. Für sonstige Einzeltätigkeiten vor den Finanzgerichten erhält der Anwalt eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG.  

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2009 | Seite 34 | ID 124152