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  • 04.05.2009 | Aus den Gremien

    57. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern

    Im Folgenden wird berichtet über die 57. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern in Osnabrück (56. Tagung: RVG prof. 08, 157).  

     

    Wichtige Erkenntnisse der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern

    Generalthema 1 - Erste Erfahrungen mit dem Erfolgshonorar: Die Erfahrungen im Kreis der Gebührenreferenten mit dem seit 1.7.08 eingeschränkt zulässigen Erfolgshonorar (§ 4a RVG) tendieren gegen Null. Mögliche Ursache dafür sind die unpräzisen Formulierungen des Gesetzestextes. Diese bergen aufgrund von unbestimmten Rechtsbegriffen ein hohes Risiko für den Anwalt, eine unwirksame Erfolgshonorarvereinbarung zu treffen. Auch wird die gesetzliche Regelung als zu kompliziert bewertet. Die Anwälte sind allenfalls an Erfolgsprämien („Palmarium“) interessiert.  

     

    Grundsätzlich sind Erfolgshonorarvereinbarungen auch bei Altmandaten (Auftrag vor dem 1.7.08) möglich. Problematisch ist dabei höchstens die Voraussetzung „Zugang zum Recht ohne Erfolgshonorarvereinbarung versperrt“, da der Anwalt ohne Erfolgshonorar mandatiert wurde.  

     

    Problematisch ist, wenn ein Erfolgshonorar vereinbart werden soll, obwohl der Mandant PKH berechtigt ist, PKH aber nicht beantragen will. Grundsätzlich ermögliche PKH den Zugang zum Recht. Damit würde die wichtigste Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erfolgshonorarvereinbarung fehlen.  

     

    Im Hinblick auf das Behaltendürfen von Vergütungszahlungen (§ 814 BGB) sehen die Gebührenreferenten erhebliche Unsicherheiten bei der Auslegung von § 814 BGB. Die Bestimmung setze die positive Kenntnis der Nichtverpflichtung zur Zahlung voraus. Die positive Kenntnis beziehe sich nicht nur auf die Tatsachen, sondern auch auf die Rechtsfolgen. § 16 Abs. 2 BORA sei deshalb nicht mehr mit § 4b RVG kompatibel. Das Problem kann sich auch auf den Verjährungsbeginn für eine Rückforderung auswirken. Die vom BGH in der Entscheidung vom 8.6.04 (NJW 04, 2818) vorgenommene Interpretation zu § 814 BGB schaffe insoweit noch keine abschließende Klarheit.  

     

    Generalthema 2 - Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr: Angesichts der vielen Entscheidungen des BGH und der OLG berufen sich inzwischen auch Versicherungen und Mandanten darauf, dass die Verfahrensgebühr nicht mehr voll geltend gemacht werden könne, wenn vorgerichtlich eine Geschäftsgebühr entstanden ist. Dazu folgende Hinweise:  

     

    • Uneinheitlich bewerten die Gerichte, ob der Anwalt sich sofort hätte ein Prozessmandat erteilen lassen sollen, ohne vorgehende außergerichtliche Beauftragung. Andernfalls nehmen einige Gerichte einen Anwaltsfehler an und bewerten dieses als Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB im Hinblick auf die Festsetzung nur des anrechnungsfreien Teils der Verfahrensgebühr.

     

    • Andere Gerichte wollen stets den anrechenbaren Teil einer (fiktiven) Geschäftsgebühr in der Kostenfestsetzung von der Verfahrensgebühr abziehen, unabhängig davon, ob auch für letzte, außergerichtliche Einigungsbemühungen des Anwalts schon ein Prozessauftrag zugrunde lag. Damit werden die Auseinandersetzungen darüber, ob ein Anwalt sofort ein Prozessmandat hätte vereinbaren müssen, ins Festsetzungsverfahren gezogen.

     

    • Nach dem AG Walsrode ist für eine verzugsbegründende Mahnung kein Anspruch auf Erstattung einer Geschäftsgebühr anzuerkennen und bei bestehendem Verzug müsse sich ein Anwalt unmittelbar einen Prozessauftrag erteilen lassen. Folge: Nach dieser Rechtsprechung gibt es keine Anrechnung der Geschäftsgebühr mehr - weil erst gar keine Geschäftsgebühr aus einer unzulässigen vorgerichtlichen Beauftragung entstehen könne.

     

    • Als wesentliches Motiv für die restriktive Handhabung der Anrechnungsthematik bei den Kostenbeamten der Gerichte wurden die Sparbemühungen der Länder ausgemacht. Durch die Kürzung der Verfahrensgebühr können die PKH-Ausgaben reduziert werden.

     

    • Besonders prekär ist die Situation in den Gerichtsbezirken, wo nicht entsprechend dem Wortlaut des § 58 Abs. 2 RVG auf die Abrechnung bzw. die Zahlung, sondern allein auf die Entstehung der Geschäftsgebühr abgestellt wird, u.a. im OLG-Bezirk Oldenburg.

     

    • Bei bayerischen Gerichten sollen bei vorgerichtlicher Anwaltstätigkeit regelmäßig 0,5 von der Verfahrensgebühr abgezogen werden, unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr tatsächlich entstanden ist oder entsprechend vorgetragen wird. Als Beispiel für die von den Gerichten praktizierte Ausweitung der Anrechnungsanwendung wird die Entscheidung OLG Stuttgart 15.7.08 (AGS 08, 383) genannt zum Thema „Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr im Hauptsacheverfahren“.

     

    Als Lösung der verfahrenen Situation in der Kostenfestsetzung wurde auf den Gesetzesvorschlag des BMJ für einen § 15a RVG-E verwiesen. Danach betrifft die Anrechnungsregelung den erstattungspflichtigen Dritten nur, wenn die Geschäftsgebühr tituliert oder vom Dritten bereits bezahlt worden ist. Da mit einer rückwirkenden gesetzlichen Neuregelung nicht zu rechnen ist, wurden für laufende Mandate konkrete Lösungen angesprochen:  

     

    • Mandatierung per Prozessauftrag auch für vorgerichtliche Einigungsbemühungen des Anwalts, was auch für den potenziellen Beklagten oder Antragsgegner prinzipiell möglich ist (BGH AGS 08, 274 m. Anm. N. Schneider = zfs 08, 407 m. Anm. Hansens).
    • Mandatierung mit dem beschränkten Auftrag nach Nrn. 2300, 2302 VV RVG (Schreiben einfacher Art, Geschäftsgebühr nur 0,3 und Anrechnungssatz nur 0,15 statt z.B. 0,65 oder 0,75). Die Darlegungslast für ein höherwertiges Vertretungsmandat liegt grundsätzlich beim Erstattungspflichtigen.
    • Vereinbarung eines Beratungsmandats im vorgerichtlichen Bereich mit vereinbartem Ausschluss der Anrechnungsregelung des § 34 Abs. 2 RVG.
    • Ein Vertretungsauftrag mit Vergütungsvereinbarung schließt die Anrechnungsregelung der Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG aus, weil dann keine Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG, sondern eine vereinbarte Vergütung anfällt. Das gilt auch für die Vereinbarung der Zahlung einer 1,3 Gebühr.
    • Auch kann allein die Anrechnungsvorschrift durch Vergütungsvereinbarung ausgeschlossen werden. Die dadurch verursachte Schlechterstellung des eigenen Mandanten kann durch entsprechende Vereinbarung einer Rückwärtsanrechnung neutralisiert werden (Hansens, RVG report 08, 324).

     

    Geschäftsgebühr - Durchschnittlicher Tätigkeitsumfang: Diesbezüglich wird vertreten, dass es nicht auf den Inhalt des Mandats, sondern nur auf den reinen Zeitaufwand ankommt. Die übrigen Bedingungen für die Bewertung des Gebührensatzes der Geschäftsgebühr sollen an anderer Stelle einfließen. Die niedersächsischen Rechtsanwaltskammern hatten sich bereits darauf geeinigt, dass auch Besprechungen mit dem Gegner zur Überdurchschnittlichkeit des Umfangs der Tätigkeit führen können.  

     

    Einige Teilnehmer der Gebührenreferentenkonferenz haben zur Differenzierung gemahnt. Es müsse auch auf das jeweilige Rechtsgebiet des Auftrags abgestellt werden. Außerdem sei der Streitwert zu berücksichtigen, da bei hohen Streitwerten in der Regel der Aufwand höher sei. Besprechungen mit dem Gegner seien ein Indiz für den überdurchschnittlichen Umfang der Anwaltstätigkeit. Vor der Festlegung einer bestimmten Zeitdauer, die den Durchschnittsaufwand markiere, wurde gewarnt. Zu dieser Frage waren sich die Gebührenreferenten nicht einig. Nach anderer Ansicht gebe der Gesetzeswortlaut vor, den Umfang allein nach der Zeit zu bestimmen und nicht auf das jeweilige Rechtsgebiet abzustellen. Die Gebührenreferenten wollen diese unterschiedliche Bewertung nicht durch Beschlüsse einengen. Sie legten deshalb keine allgemeinen Kriterien für die Feststellung einer besonders umfangreichen Anwaltstätigkeit fest.  

     

    Geschäftsgebühr als Schadenersatzposition: Viele Instanzgerichte bewerten die Geschäftsgebühr unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB als durch die Gegenseite nicht erstattungspflichtig. Im Bezirk der RAK Nürnberg gibt es in der Regel einen Hinweis des Gerichts, der Gelegenheit zum weiteren Vortrag gebe. Im Bereich der RAK Freiburg sei nur eine Entscheidung bekannt, in der die Geschäftsgebühr unter Hinweis auf Mitverschulden des Anspruchstellers nicht zugesprochen worden sei. Betont wurde, dass außergerichtliche Einigungsversuche nicht, wie von Rechtsschutzversicherern gelegentlich vorgetragen, Anwaltsfehler darstellen. Es sei geradezu anwaltliche Pflicht, Prozesse nach Möglichkeit zu vermeiden und nicht jede Sache streitig zu klären.  

     

    Beratung und Berechnung der üblichen Vergütung: Hat der Anwalt keine Vereinbarung (in Textform) über seine Beratungsvergütung getroffen, steht ihm nach § 34 Abs. 1 S. 2 RVG i.V. mit § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zu. Weitgehend einig waren sich die Gebührenreferenten darüber, dass ein Rückgriff auf die vor dem 1.7.06 geltende Regelung in Nr. 2100 VV RVG a.F. unzulässig sein soll, weil § 34 Abs. 1 RVG n.F. gerade die frühere Regelung ersetzen sollte. Auch sind die Beurteilungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG dogmatisch nur mit Klimmzügen zu erreichen. Zudem ist auch nicht die Angemessenheit, sondern die Üblichkeit einer Vergütung maßgebend nach § 612 Abs. 2 BGB.  

     

    Aus dem Bereich der Kammer Hamm wurde berichtet, dass verstärkt gutachterliche Stellungnahmen der Kammer zur Berechnung der Beratungsgebühr nach § 34 RVG angefordert würden. Dies erkläre sich dadurch, dass die Gerichte nicht so recht wissen, wie die Berechnung erfolgen müsse. Die RAK Hamm hat dazu ein Mustergutachten formuliert, um die Sache klarer zu machen. Das Mustergutachten sieht eine ausführliche Darstellung der Rechtslage vor. Auch aus anderen Kammerbezirken wurde berichtet, dass es Probleme im Umgang mit der üblichen Vergütung bei Fehlen einer Vergütungsvereinbarung nach § 34 RVG gebe. Die RAK Düsseldorf habe sich dagegen entschieden, die durchschnittliche Vergütung zu veröffentlichen. Es werde aber der Hinweis gegeben, dass die Rechtsschutzversicherer 190 EUR für die Erstberatung und insgesamt 250 EUR für die weitergehende Beratung zahlten.  

     

    Verwiesen wurde darauf, dass in verschiedenen Publikationen Untersuchungen zur Höhe der Stundensätze veröffentlicht wurden z.B. im JUVE-Magazin aber auch durch das Soldan Institut für Anwaltsmanagement. Dagegen wurde eingewandt, dass Umfrageergebnisse regelmäßig problematisch seien, da unsicher sei, ob die dort genannten Stundensätze auch beim Mandanten durchgesetzt werden könnten. Die Umfragen stützten sich nur auf Angaben, welche Stundensätze verlangt würden, nicht darauf, welche Stundensätze auch durchsetzbar seien.  

     

    Gegen eine Berechnung der durchschnittlichen Beratungsvergütung nur nach Stundensätzen äußerten einige Gebührenreferenten folgende Kritik: Viele Kanzleien könnten nicht Gewinn bringend mit Stundensätzen arbeiten. Man solle sich deshalb keinesfalls nur an Stundensätzen orientieren. Auch seien die §§ 315, 316 BGB nach Auffassung des Vorstands der RAK Hamm nicht anwendbar.  

     

    Außerdem wurde die Berechtigung der Kammern zur Vorlage von Gebührengutachten zur Ermittlung der durchschnittlichen, ortsüblichen Beratungsvergütung generell in Zweifel gezogen. Dies seien keine Gutachten nach § 14 Abs. 2 RVG, da es sich nicht um Fragen zur Angemessenheit der Vergütung innerhalb eines vorgegebenen Gebührenrahmens handele. Vermutlich würden die Gerichte in Zukunft verstärkt nach empirischen Untersuchungsergebnissen fragen.  

     

    Auch das Institut für Freie Berufe in Nürnberg habe eine Umfrage zum RVG durchgeführt. Trotz schlechten Rücklaufs seien die Ergebnisse nach wissenschaftlichen Maßstäben repräsentativ.  

     

    Für den Fall, dass ein Gericht nach der ortsüblichen Vergütung für eine anwaltliche Beratung frage, sind die meisten Gebührenreferenten der Auffassung, dass ein Gutachten erstattet werden sollte, unabhängig von einer Rechtspflicht aus § 14 Abs. 2 RVG. In 12 Kammerbezirken werden die Gutachten jedenfalls auf ähnlicher Grundlage wie bei der RAK Hamm erstattet.  

     

    Fazit: Die gerichtliche Durchsetzung eines Beratungshonorars ohne Vergütungsvereinbarung bleibt rechtlich heikel.  

     

    Gebühren für Änderungsschutzklage und Erstattung durch Rechtsschutzversicherung: Ein Arbeitnehmer hatte einen Anwalt beauftragt, eine Änderungskündigung abzuwehren. Der Anwalt hatte die Änderungskündigung mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen, zugleich für den Mandanten das Änderungsangebot mit gesondertem Schreiben an den Arbeitgeber unter dem Vorbehalt angenommen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sei. Er hat für seine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren eine Gebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgerechnet. Für die Tätigkeit direkt gegenüber dem Arbeitgeber im Hinblick auf die Vorbehaltsannahme rechnete er zusätzlich eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ab, die entsprechend Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte der Anrechnung unterfalle. Dem war die Rechtsschutzversicherung seines Mandanten entgegen getreten. Die Versicherung meinte, dass die Vorbehaltsannahme keine Wahrnehmung der rechtlichen, sondern ausschließlich der wirtschaftlichen Interessen darstelle, da mit der Vorbehaltsannahme keine rechtlichen Einwendungen gegen den erhobenen Anspruch vorgetragen wurden. Nach Ansicht der Gebührenreferenten hat es sich um anwaltliche Tätigkeiten in der selben Angelegenheit gehandelt, sodass lediglich einmal die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, aber keine GeschAäftsgebühr entstanden sei. Anders wäre der Fall bei zeitlicher Staffelung zu bewerten. Dann entsteht zunächst die Geschäftsgebühr und anschließend die Verfahrensgebühr mit der Folge der Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr.  

     

    Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG: Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wird eingestellt und die Sache an die Bußgeldstelle abgegeben. Auch dieses Ermittlungsverfahren wird eingestellt. Grundsätzlich kann der Anwalt jeweils eine zusätzliche Befriedungsgebühr sowohl im Strafverfahren nach Nr. 4141 VV RVG als auch im OWi-Verfahren nach Nr. 5115 VV RVG abrechnen. Einige Rechtsschutzversicherungen lehnen das ab. Es handele sich um ein einheitliches Ermittlungsverfahren. Die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft sei daher nur eine Teileinstellung. Eine endgültige Verfahrenseinstellung erfolge erst durch die Bußgeldstelle. Deshalb könne keine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG entstehen (so auch einige AG sowie Mayer/Kroiß, RVG 2. Aufl., zu Nrn. 4142-4147 VV Rn. 4). Der überwiegende Teil der Literatur und eine Reihe von AG bewerten dies aber als zwei Angelegenheiten i.S. von § 17 Nr. 10 RVG (LG Osnabrück ZfSch 08, 711). Dies bestätigt den Grundsatz, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nach dessen Einstellung sich anschließendes Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten bilden. Nach Meinung der Gebührenreferenten handelt es sich um zwei Angelegenheiten. Folge: Es entstehen die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG für die Einstellung des Strafverfahrens sowie eine weitere zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG für die Einstellung des Bußgeldverfahrens.  

     

    Anwaltliche Verrechnungsstelle: Das Justizministerium Baden-Württemberg hat vorgeschlagen, Angaben zur Zusammenarbeit von Anwälten mit anwaltlichen Verrechnungsstellen in die offiziellen Online-Rechtsanwaltsregister der Kammern aufzunehmen. Gegen solche Veröffentlichungen von anwaltlichen Abtretungsverträgen (Factoring) haben verschiedene Kammern berufsrechtliche und datenschutzrechtliche Bedenken vorgetragen. Es sei allein Sache des Anwalts, solche Daten zu veröffentlichen. Zudem sei eine Honorarabtretung an nichtanwaltliche Unternehmen immer nur mit Einverständnis des Mandanten zulässig. Außerdem seien die Kammern verantwortlich für die Richtigkeit der in den Verzeichnissen veröffentlichten Daten. Die Kammern haften also im Zweifel für jede Unrichtigkeit der Angaben, insbesondere bei Veränderung der Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle. Die Gebührenreferenten teilten die Bedenken der betroffenen Kammern.  

     

    Stundensatz und Zeiterfassung: Anwälte behandeln die Themen Zeittaktklauseln, Zeiterfassung sowie das Problem der Abrechnung von aufgeblähtem Zeitaufwand bei Stundensatzvereinbarungen unterschiedlich. Diese Probleme treten insbesondere bei Großkanzleien auf. Die Gebührenreferenten sind einig, sich mit diesen Problemfeldern auf der nächsten Tagung zu befassen.  

     

    Wettbewerb mit Inkassobüros: Durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vom 1.7.08 ist den Inkassobüros erlaubt, auch in gerichtlichen Mahnverfahren Gläubiger zu vertreten und die damit verbundenen Kosten bis zur Höhe von 25 EUR als notwendige Rechtsverfolgungskosten in der Kostenerstattung geltend zu machen, § 4 Abs. 4 S. 2 RDG-EG i.V. mit § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Daher werben Inkassobüros damit, dass sie billiger seien als Anwälte. Der Wettbewerb verschärft sich. Vertreten wird sogar, dass Gläubiger einer Zahlungsforderung aus Gründen der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) gehalten seien, die günstigeren Inkassobüros statt Anwälte zu beauftragen. Ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen gegen solche Werbeaussagen wurde von den Gebührenreferenten nicht als Erfolg versprechend angesehen. Eine Schadensminderungspflicht zulasten anwaltlicher Mandatierung bei Mahnaufträgen sehen die Gebührenreferenten aber nicht.  

     

    Vorsteuerabzug beim PKH-berechtigten Mandanten: Einem Mandanten, der vorsteuerabzugsberechtigt war, war PKH bewilligt worden. Bei der Abrechnung der PKH-Anwaltsgebühren setzte die Staatskasse die Mehrwertsteuer von der Gebührenforderung ab, da der Mandant diese aus der Anwaltsrechnung aufkommensneutral als Vorsteuer gegenüber dem Fiskus geltend machen könne. Daher müsse der Anwalt diese Position direkt gegenüber seinem Mandanten ansetzen. Verwiesen wurde dabei auf eine BGH-Entscheidung zu § 126 ZPO (Beitreibung der Anwaltskosten, NJW-RR 07, 285). Diese Vorschrift und auch die BGH-Entscheidung betrifft allerdings das Verhältnis zwischen dem bestellten Anwalt und dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner, nicht das Verhältnis zwischen Anwalt und Staatskasse. Die Gebührenreferenten verweisen auf die insoweit notwendige Unterscheidung zwischen einem Erstattungsanspruch des vorsteuerabzugsberechtigten Mandanten gegen einen unterlegenen Gegner bzw. gegen die Staatskasse einerseits und dem Zahlungsanspruch des Anwalts gegenüber der Staatskasse aufgrund seiner Beiordnung. Entscheidend soll dabei sein, wem gegenüber die anwaltliche Dienstleistung erbracht worden ist.  

     

    Gegenstandswert beim Gesamtvergleich: In einem Gerichtsverfahren einer Bank gegen ihren Kunden wandte dieser Falschberatung seitens der Bank ein und erklärte die Aufrechnung mit Klageforderungen der Bank in Höhe von 4,1 Mio. EUR. Zuvor hatte er Vermögenswerte auf Angehörige übertragen. Die Bank hatte außerdem gegen diese Angehörigen eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung erhoben, Streitwert ca. 130.000 EUR. Zur Beendigung des Verfahrens hatte das Gericht den Abschluss eines Gesamtvergleichs angeregt. Es fanden außergerichtliche Besprechungen über die Gesamtproblematik statt. Die beiden Verfahren waren nicht gemäß § 147 ZPO miteinander verbunden worden. Die Parteien nahmen einen Vergleichsvorschlag des Gerichts zur Erledigung beider Verfahren schriftlich an. Regelungsgegenstand war das Verhältnis zwischen der Bank und dem Kunden. Die Duldungsklage sollte bei dieser Gelegenheit mit erledigt werden. Über die Höhe der Gebühren des Anwalts der Angehörigen hat sich ein neuer Streit entzündet. Nach Ansicht von Teilnehmern der Konferenz ist für diesen Anwalt eine 1,5 Einigungsgebühr aus dem hohen Wert des Klageverfahrens Bank gegen Kunden entstanden, außerdem eine 0,8 Verfahrensgebühr sowie eine 1,2 Terminsgebühr aus dem niedrigeren Streitwert des Duldungsverfahrens.  

     

    Beratungshilfe: Voraussetzungen für die Pflicht zur Übernahme: Der für das Thema Geld zuständige Ausschuss 3 der Satzungsversammlung hat vorgeschlagen, einen Katalog in einen neuen § 16a BORA aufzunehmen, der klarstellt, unter welchen Voraussetzungen der Anwalt die Übernahme von Beratungshilfeleistungen ablehnen darf. Dieser von der Satzungsversammlung bereits beschlossene Katalog, der aber noch einer Genehmigung des BMJ bedarf, sieht die Ablehnung von Beratungshilfemandaten bei folgenden Konstellationen als nicht berufsrechtswidrig an:  

     

    • Keine Verpflichtung des Anwalts, vor Vorlage eines Berechtigungsscheins und Zahlung der Beratungshilfegebühr nach Nr. 2500 VV RVG die Beratungshilfeleistung zu erbringen,
    • Keine Verpflichtung des Anwalts, einen Beratungshilfeantrag zu stellen,
    • Beratungshilfe kann im Einzelfall aus wichtigem Grund abgelehnt oder beendet werden, wobei ein wichtiger Grund in der Person des Anwalts selbst oder in der Person und dem Verhalten des Mandanten liegen kann oder darin, dass die Beratungshilfebewilligung nicht den Voraussetzungen des Beratungshilfegesetzes entspricht, insbesondere wenn
    • der Anwalt durch Erkrankung oder durch berufliche Überlastung an der Beratung/Vertretung gehindert ist oder es ihm auf dem Rechtsgebiet, auf dem Beratungshilfe gewünscht wird, an hinreichenden Rechtskenntnissen oder an Erfahrungen fehlt,
    • der beratungshilfeberechtigte Mandant seine Eigenleistung nach einmaliger Mahnung nicht erbringt,
    • der beratungshilfeberechtigte Mandant seine für die Mandatsbearbeitung erforderliche Mitarbeit verweigert,
    • das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant aus Gründen, die im Verhalten oder in der Person des Mandanten liegen, schwerwiegend gestört ist,
    • sich herausstellt, dass die Einkommens- und/oder Vermögensverhältnisse des Mandanten die Bewilligung von Beratungshilfe nicht rechtfertigen,
    • Beratungshilfe im Beratungshilfeschein für eine nicht konkret bezeichnete Angelegenheit bewilligt wurde,
    • Beratungshilfe im Beratungshilfeschein für mehrere Angelegenheiten bewilligt wurde.

     

    Das Bundesjustizministerium hat allerdings bereits Bedenken gegen einige der von der Satzungsversammlung beschlossenen Ausnahmetatbestände angemeldet.  

     

    Themen der nächsten Gebührenkonferenz: Hauptthemen sollen das Zeithonorar und Zeiterfassung sowie Gebührenüberhebung und Änderungen in familienrechtlichen Abrechnungen sein.  

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2009 | Seite 85 | ID 126400