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  • Aktuelle Rechtsprechung

    Streitwert und Kosten:  Die Folgen der Erledigung der Hauptsache

    Das Institut der Erledigung der Hauptsache wirft immer wieder kostenrechtliche Fragen auf, die in der Praxis zwar zum juristischen Alltag gehören, aber dennoch klärungsbedürftig sind. Der folgende Beitrag setzt sich neben Grundsätzlichem vor allem mit den Änderungen durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 auseinander.

    Immer zwei Streitwerte bei beiderseitigen Erledigungserklärungen

    Für die Streitwertberechnung bei übereinstimmender Erledigungserklärung gelten für die Entscheidung nach § 91 a ZPO immer zwei Streitwerte: Alle Gebühren, die vor dem Zeitpunkt der Erledigungserklärungen angefallen sind, richten sich nach dem Streitwert der ursprünglichen Klage. Danach entspricht der Streitwert - da es nicht mehr um die ursprüngliche Klageforderung geht - den bisher entstandenen Kosten (Gerichtskosten nach dem GKG sowie Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen nach der BRAGO).

    Der Streitwert ist bei der einseitigen Erledigungserklärung streitig

    Die einseitige Erledigungserklärung führt dazu, daß an die Stelle des ursprünglichen Klageantrags ein Sachantrag auf Feststellung tritt, daß sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Es soll also festgestellt werden, daß die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und erst durch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Zur Frage, welcher Streitwert hier zugrundezulegen ist, werden drei Meinungen vertreten:

    1. Die bislang herrschende Meinung geht davon aus, daß die Verhandlungsgebühr aus dem Kostenwert, also aus der Summe aller in diesem Verfahren bis zum Zeitpunkt der Erledigungerklärung angefallenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten, zu berechnen ist. Begründet wird dies damit, daß sich das Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits vom Zeitpunkt der Erledigungserklärung an regelmäßig auf die Verfahrenskosten beschränkt (BGH NJW 1982, 768). Vorteil dieser Auffassung ist, daß nur ein einheitlicher Streitwert festgesetzt wird, so daß bei der Kostenentscheidung keine besonderen Schwierigkeiten entstehen.

    2. Nach einem Beschluß des OLG München vom 11. April 1995 beträgt der Streitwert wie bei einer sonstigen positiven Feststellungsklage 50 Prozent des ursprünglichen Streitwertes der Leistungsklage (Az.: 11 W 1022/95, OLGR 141/95 = JurBüro 1995, 644). Der Streitwert ist nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung zu messen, wobei für Feststellungsklagen in der Regel ein Abschlag von mindestens 20 Prozent angemessen ist. Soll jedoch inzidenter darüber entschieden werden, ob der Leistungsanspruch in der Vergangenheit begründet war, so muß hier der Streitwert niedriger angesetzt werden, weil der Anspruch nach der Erledigungserklärung jedenfalls nicht mehr durchgesetzt werden kann. Der Abschlag vom Wert der Hauptsache ist demnach auf 50 Prozent festzusetzen.

    In gleicher Weise argumentiert das OLG Frankfurt (Beschluß vom 29. November 1994, Az.: 22 W 41/94, OLGR 263/94).

    3. Das OLG Köln hält dagegen daran fest, daß die einseitige Erledigungserklärung den vollen Streitwert nicht verändert, da der Streitgegenstand vor und nach der Erledigungserklärung derselbe ist. Das gilt auch dann, wenn das Gericht die Erledigung der Hauptsache durch ein Versäumnisurteil ausspricht (Beschluß vom 14. Juli 1993, Az.: 17 W 145/93, OLGR 298/94 = JurBüro 1994, 734).Denn nach Auffassung des Senats ist der Rechtsstreit bzw. die Rechtshängigkeit des Rechtsstreits durch die einseitige Erledigungserklärung nicht beendet, da das Prozeßgericht über den ursprünglichen Klageanspruch zu entscheiden hat, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung nicht zustimmt, sondern den Antrag auf Klageabweisung aufrechterhält. Gibt das Gericht der Erledigungserklärung nicht statt - beispielsweise weil die Klage von Anfang an unzulässig oder unbegründet war -, so muß die Klage als solche per Urteil abgewiesen werden.

    Die Rechtsanwaltsgebühren

    Wird ein Rechtsstreit durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung gemäß § 91 a ZPO oder durch eine einseitige Erledigungserklärung beendet, ist grundsätzlich eine Prozeßgebühr entstanden. Für den Fall, daß die Hauptsache weder verhandelt noch erörtert wurde, ist für die Stellung der Kostenanträge eine Verhandlungsgebühr angefallen. Ob diese gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in Höhe von 10/10 oder gemäß § 33 Abs. 1 BRAGO in Höhe von 5/10 abzurechnen ist, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen danach, ob die Verhandlung streitig geführt wurde oder nicht.

    Grundsätzlich fallen bei beiderseitigen Erledigungserklärungen jetzt drei Gerichtsgebühren an

    Nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung vor dem 1. Juli 1994 hatte die Beendigung eines gerichtlichen Verfahrens durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung gemäß § 91 a ZPO kostenmäßigend zur Folge, daß lediglich eine Gebühr nach der KVGKG-Nr. 1010 entstand. Seit dem Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes kann jedoch die dreifache Gebühr nach der KVGKG-Nr. 1201 durch eine Erledigungserklärung nicht mehr auf eine einfache Gebühr ermäßigt werden, weil die Erledigungserklärung einer Klagerücknahme nicht mehr gleichgestellt ist.

    Bei der Kombination der Erledigungserklärungen mit einem Vergleich über die Kosten findet eine Kostenermäßigung statt

    Eine Kostenermäßigung auf eine Gerichtsgebühr ist jedoch zu bejahen, wenn sich die Parteien hinsichtlich der Verfahrenskosten vergleichen. Hierzu zwei neuere Entscheidungen:

    • Nach dem Beschluß des OLG Celle vom 29. September 1995 ermäßigt sich die gerichtliche Verfahrensgebühr nach der KVGKG-Nr. 1202 c) auf den einfachen Gebührensatz, wenn die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären und sich über die Kosten vergleichen (Az.: 8 W 251/95, OLGR 23/95).
    • Das OLG München hat mit Beschluß vom 27. September 1995 entschieden, daß die Gebührenermäßigung gemäß KVGKG-Nr. 1312 c) eintritt, wenn die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären und anschließend einen Vergleich über die Kostentragung schließen (Az.: 11 W 2055/95, OLGR 84/96).

    Die Senate beider Gerichte stellen sich auf den Standpunkt, daß zunächst grundsätzlich eine dreifache Verfahrensgebühr anfällt, die nur unter bestimmten Voraussetzungen auf eine einfache Gebühr reduziert werden kann. Dies ist zum Beispiel der Fall bei der endgültigen Erledigung des Verfahrens - und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Prozeßverfahren in erster oder zweiter Instanz, um ein Verfahren auf Anordnung von Arrest oder um eine einstweilige Verfügung handelt. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob eine Klage oder ein Antrag zurückgenommen, ob ein Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil ergangen oder ob ein Vergleich abgeschlossen worden ist - es sei denn, daß bereits ein Urteil verkündet worden ist.

    Erledigungserklärungen sind keine Klagerücknahme

    Zur Begründung führten die Richter aus: Erledigungserklärungen stehen nach den KVGKG-Nrn. 1202, 1221, 1231, 1312 nicht einer Klagerücknahme gleich. Diese Regelung wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 12/6962, 70) damit erklärt, daß die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens eine „erhebliche richterliche Mühewaltung auslöse“, weil „eine weitgehende Auseinandersetzung mit dem Streitgegenstand nötig sei“. Eine grundsätzliche gebührenmäßige Begünstigung ist damit nicht mehr gerechtfertigt.

    Ein Vergleich über die Kosten erübrigt „richterliche Mühewaltung“!

    Wird jedoch die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wird gerade über die Kosten des Verfahrens ein Vergleich geschlossen, so ist davon auszugehen, daß das Verfahren tatsächlich durch einen Vergleich erledigt, also abgeschlossen ist und eine richterliche „Mühewaltung“ nicht mehr nötig wird.

    Zum gleichen Ergebnis, nur mit anderer Begründung, kommt das OLG München in einem Beschluß vom 25. September 1995 (Az.: 11 W 2390/95): Der Ermäßigungstatbestand greift nur dann, wenn sich das Verfahren durch die Erledigungserklärung tatsächlich (teilweise) erledigt. Folgt dieser Erklärung aber ein Vergleich oder ein Anerkenntnis bezüglich der Kosten des Verfahrens, so stellt die Erledigungserklärung nur die Vorstufe für den Vergleich dar, der das Verfahren letztlich endgültig erledigt. Auch hier kann die Verfahrensgebühr damit auf eine ermäßigt werden.

    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 06/1996, Seite 10

    Quelle: Ausgabe 06 / 1996 | Seite 10 | ID 105996