· Steuergestaltung
BFH klärt wirtschaftliches Eigentum und Missbrauch bei Cum-Cum

von RD David Roth, LL.M. oec., Köln
| Der BFH hat zu einer sog. Cum-Cum-Gestaltung entschieden, dass zur Sicherheit übereignete Aktien dem Sicherungsnehmer als kurzfristigem Inhaber der Aktien zuzurechnen sind, wenn dieser die wesentlichen Rechte (insbesondere Veräußerung und Ausübung von Stimmrechten) ausüben kann. Nicht relevant ist, ob der Inhaber diese Rechte subjektiv auch wahrnehmen möchte. Soweit das FG im 2. Rechtszug keine außersteuerlichen Gründe für die Besicherung der Wertpapierdarlehensgeschäfte durch britische Aktien feststellt, sind Cum-Cum-Gestaltungen missbräuchlich. |
Sachverhalt
Die klagende Aktiengesellschaft (AG, A) übertrug 2006 festverzinsliche Wertpapiere an eine Bank (B) und erhielt als Sicherheit Aktien britischer AGen, die vor dem Dividendenstichtag übereignet wurden. Nach Dividendenzahlung tauschte A die Aktien gegen dividendenberechtigte Aktien aus und vereinnahmte die Dividenden. A war diesbezüglich verfügungsberechtigt und hielt die Aktien nur wenige Tage bis maximal drei Wochen. Der Aktieninhaberwechsel erfolgte über das elektronische System CREST, das das Anteilseignerregister automatisch aktualisierte. Stimmrechte übte A nicht aus.
Im Rahmenvertrag zwischen A und B wurde festgelegt, dass, wenn die Verbindlichkeiten aus Pensionsgeschäften, Wertpapierdarlehen oder Sicherheitsleistungen die Verbindlichkeiten der anderen Partei (über einen gewissen Schwellenwert) übersteigen, A als Sicherungsnehmer die B als Sicherungsgeber auffordern kann, einen Betrag oder Wertpapiere zu übertragen, der mindestens das Nettoausfallrisiko deckt. A war somit gegen dieses Risiko abgesichert. A erfasste die britischen Aktien bei Gutschrift mit Kurswert. Zudem setzte sie in gleicher Höhe eine Rückübertragungsverbindlichkeit an. Bei Rückgabe oder Austausch der Aktien bzw. der Beendigung des Wertpapierdarlehens buchte sie beide Positionen wertgleich ohne Gewinnauswirkung aus.
A zahlte der B eine „Arrangierungsgebühr“ von 2,2 % der gezahlten Dividenden für die Übertragung der Aktien. Diese Gebühr deckt die Prämie dafür ab, dass die B die Aktien während des Wertpapierdarlehens nicht verkaufen konnte und Kursverluste aufgrund von Dividenden hinnehmen musste. Sie fiel nur an, wenn während der Sicherheitsstellung Dividenden gezahlt wurden. 95 % der vereinnahmten Dividenden erklärte A als steuerfrei gem. § 8b Abs. 1 und 5 KStG. A zahlte am selben Tag „Kompensationszahlungen“ in gleicher Höhe an die B und zog diese in voller Höhe als Betriebsausgabe ab.
Das FA folgte dem nicht und erhöhte das zu versteuernde Einkommen um die bezogenen Dividenden abzüglich des nach § 8b Abs. 5 KStG nicht abziehbaren Betrags. Nach erfolglosem Einspruch und Klage (FG München EFG 21, 723) war die Revision der A vor dem BFH erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Entgegen der Ansicht des FG sind die streitgegenständlichen britischen Aktien der A im Zeitpunkt der Dividendenausschüttung gem. § 39 AO (i. V. m. § 20 Abs. 2a EStG ‒ nun § 20 Abs. 5 EStG ‒, § 8 Abs. 1 S. 1 KStG) steuerrechtlich zuzurechnen (BFH 13.11.24, I R 3/21, Abruf-Nr. 247288).
Ob dies bei bilanzierenden Steuerpflichtigen, wie der A, auch im Lichte des § 340b HGB, dessen Verhältnis zu § 39 AO umstritten ist (Anzinger, StuW 22, 199), uneingeschränkt gilt, kann dahinstehen, da § 340b HGB mangels „echtem Pensionsgeschäft“ nicht anwendbar war.
Bei A liegt zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum vor
Wirtschaftliches Eigentum erlangt ein Erwerber von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn er alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte ‒ insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrechte ‒ ausüben kann und die mit den Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen auf ihn übergegangen sind (BFH, 2.2.22, I R 22/20, BFHE 276, 20; 23.11.22, I R 36/19, GmbH-Rundschau 23, 624). Bei Wertpapierdarlehen kann das wirtschaftliche Eigentum an Wertpapieren i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO ausnahmsweise beim Darlehensgeber (hier: B) verbleiben, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass dem Darlehensnehmer nur eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte (BFH 18.8.15, I R 88/13, BFHE 251, 190). Dies kann der Fall sein, wenn bei einem „Gesamtvertragskonzept“ dem Erwerber zwar schuldrechtlich das volle Eigentum an Aktien verschafft werden soll und die freie Verfügung über die Aktien vereinbart ist, allerdings wegen der weiteren abgeschlossenen Verträge im Ergebnis der Erwerber weder die Kursrisiken und Kurschancen trägt, noch die Dividenden erhält, er außerdem an einer Verfügung über die Aktien während der Darlehensdauer gehindert ist und überdies die mit dem Aktienbesitz verbundenen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte nicht ausüben kann.
Obwohl die Übertragung der britischen Aktien in den Verträgen als Sicherheitengestellung bezeichnet wurde, liegt kein Fall des in § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO beispielhaft aufgezählten typischen Sicherungseigentums vor, bei dem wirtschaftliches Eigentum beim Sicherungsgeber (hier: B) verbleibt. A (Sicherungsnehmer) konnte und durfte die Sicherheit jederzeit auch ohne Eintritt eines Sicherungsfalls veräußern. Aufgrund dieser besonderen rechtlichen Ausgestaltung der Sicherungsabrede ist die so bezeichnete Vereinbarung vielmehr mit einem Wertpapierdarlehen vergleichbar.
Die laufenden Erträge aus den Aktien standen zwar wirtschaftlich weiterhin der B zu. So flossen die (von A zwar vereinnahmten) Dividenden betrags- und zeitgleich über die vereinbarten „Kompensationszahlungen“ in voller Höhe an die B. Das „Gewinnbezugsrecht“ (Dividenden) aus den Aktien (als gewichtiges Indiz für wirtschaftliches Eigentum) verblieb vollständig bei der B.
Soweit das FG allerdings angenommen hatte, dass auch die übrigen mit dem Eigentum an Aktien verbundenen wesentlichen Rechte ebenfalls nicht der A zustanden, beruhte dies jedoch auf einer unzutreffenden Rechtsansicht. Denn das FG hatte außer Acht gelassen, dass bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentümers danach zu fragen ist, ob die mit dem Vollrecht verbundenen rechtlichen Befugnisse, soweit sie wirtschaftlich wertvoll sind, rechtlich einem anderen zustehen oder tatsächlich von einem anderen wahrgenommen werden können. Nicht relevant ist hingegen die subjektive Absicht, bestehende Befugnisse auch wahrnehmen zu wollen. Entscheidend ist daher nur, ob A die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Stimmrechte und die Möglichkeit zur Realisation einer Kursänderung der Aktien rechtlich zugestanden haben und ihr auch tatsächlich möglich gewesen sind.
Dies ist der Fall. A war nach der Sicherungsabrede rechtlich befugt, über die Aktien zu verfügen, insbesondere sie zu veräußern. Sie war aufgrund dieser Abrede nur verpflichtet, nach Beendigung der besicherten Geschäfte (hier: der Wertpapierdarlehensgeschäfte) gattungsgleiche Aktien an die B zurück zu übertragen. Faktische Veräußerungshindernisse (etwa wegen kurzfristiger Kündigungsfristen zugunsten der B oder jederzeitiger kurzfristiger Fälligkeit einer Rückübertragungsverpflichtung) bestanden nicht. Auch die kurzfristige Haltedauer schadet nicht, da selbst eine Haltedauer von wenigen Tagen ausreicht, um Kursschwankungen von börsennotierten Aktien ‒ zu denen die übertragenen britischen Aktien zählten ‒ kurzfristig realisieren zu können.
Während der Zeit, in der A zivilrechtlich Inhaberin der Aktien gewesen war, konnte sie die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte ausüben. Der Inhaberwechsel ist über das elektronische Börsensystem CREST abgewickelt worden. Dies führt automatisch eine zeitgleiche Aktualisierung des von der betreffenden AG geführten elektronischen Registers über die Anteilseigner herbei, sodass die AG ungeachtet des kurzfristigen Inhaberwechsels die Stellung der A als neue Inhaberin kannte.
Fraglich ist, ob Sicherheitengestellung eine missbräuchliche Gestaltung ist
Die Sache ist aber an das FG zurückzuverweisen, um aufzuklären, ob die Sicherheitengestellung in Form der britischen Aktien im konkreten Streitfall eine missbräuchliche Gestaltung i. S. d. § 42 AO darstellt. Die nach dem Streitjahr eingeführte Spezial-Missbrauchsregel des § 8b Abs. 10 KStG verdrängt nicht die allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 42 AO.
Beim Gestaltungsmissbrauch muss das FG insbesondere prüfen, ob die Absicherung des Wertpapierdarlehens durch die Übertragung der britischen Aktien auch außersteuerliche Gründe (etwa versicherungsaufsichtsrechtlicher Art) gehabt hat oder nur der Generierung von Steuervorteilen diente.
Ein handelsrechtlicher Gewinn bei A aus allen Geschäften gemeinsam reicht für den außersteuerlichen Grund allerdings nicht aus. Sollte das FG keine durchschlagenden außersteuerlichen Gründe für die Besicherung der Wertpapierdarlehensgeschäfte feststellen können, dürfte in der vereinbarten Sicherheitengestellung eine missbräuchliche Gestaltung zu sehen sein.
Relevanz für die Praxis
Die Leitsatz-Entscheidung betrifft eine Konstellation der sog. Cum-Cum-Gestaltungen.
Bestimmung wirtschaftlichen Eigentums bei Wertpapierleihe
Dabei bestätigt der BFH bezüglich des wirtschaftlichen Eigentums in Wertpapierleihe-Fällen den Grundsatz, dass diese Frage regelmäßig unter „Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls“ sowie Berücksichtigung etwaiger „Gesamtvertragskonzepte“ (wie aus den Cum-Ex-Fällen bekannt) zu beantworten ist. Gleichwohl fokussiert sich der BFH (wie in seinem ersten Leitsatz plakativ hervorgehoben) auf die Indizien „Veräußerung“ und „Stimmrecht“. Für die Praxis bleibt damit festzuhalten, dass zwar stets eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls mit allen Indizien (einschließlich Gesamtvertragskonzepte) erfolgen muss, die Indizien „Veräußerung“ und „Stimmrecht“ dabei aber besonders gewichtig sind.
Beachten Sie | Der BFH bleibt damit de facto bei zwei Einzelaspekten (Veräußerungsbefugnis, Stimmrecht) stehen, ohne das (auch laut BFH eigentlich in den Blick zu nehmende) Gesamtvertragskonzept hinreichend einzubeziehen. Aufgrund der Aktiengattungsschuld war es A zwar möglich, die Aktie während der kurzen Leihdauer in der Hoffnung zu veräußern, kurz vor Fälligkeit der Rückübertragungspflicht diese zu einem niedrigeren Kurs wieder erwerben zu können und dadurch einen Kursgewinn zu erzielen. Dies ist bei Dividenden-Aktien tatsächlich aber kaum der Fall, da sie nach Dividendenabschlag am Niedrigsten notieren. Zudem waren Kursschwankungen der Aktien wegen des wechselseitigen Ausgleichs von Nettoausfallrisiken (s. Rahmenvertrag) sowie über sog. Marginzahlungen zwischen A und der Bank auszugleichen. A trug damit (trotz Veräußerungsbefugnis und möglicher Kursschwankungen innerhalb weniger Tage) wirtschaftlich keine Kursrisiken/-chancen (Buchholz, in HFSt ‒ Heidelberger Beiträge zum Finanz- und Steuerrecht ‒ 22 (2024), 125 (131)).
Der BFH geht auch nicht darauf ein, dass Aktien unmittelbar nach Dividendenausschüttung i. d. R. im Wert verlieren, sich dieser Verlust bei A nach den Verträgen jedoch nicht realisierte bzw. realisieren konnte. Vielmehr nahm A die Ausbuchung (trotz erfolgtem Dividendenabschlag) wertmäßig in gleicher Höhe wie im Erwerbszeitpunkt (dabei noch mit Dividendenzuschlag) vor.
Erstaunlich ist auch, dass der Senat von den bisher für Anteile an Kapital-gesellschaften geltenden wesentlichen Indizien abweicht: So stellte der BFH bisher auf die „wesentlichen Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte ‒ insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrechte“ ‒ ab (BFH 2.2.22, I R 22/20, BFHE 276, 20; BFH, 23.11.22, I R 36/19, GmbH-Rundschau 23, 624). Dies verschiebt der I. Senat nun dahingehend, dass die wesentlichen mit den Aktien verbundenen Rechte „insbesondere Veräußerung und Ausübung von Stimmrechten“ seien. Warum das Gewinnbezugsrecht (hier: Dividendenberechtigung) ‒ gerade im hier relevanten unmittelbaren Zeitraum des Dividendenstichtags ‒ nicht mehr „insbesondere“ wesentlich sein soll, bleibt unbeantwortet.
BFH weicht vom Record-Date-Prinzip für Stimmrechtsausübung ab
Der I. Senat hat die Stimmrechtsausübung an den zivilrechtlichen Übertragungszeitpunkt angeknüpft, mithin an die zivilrechtliche Aktieninhaberschaft/den Aktienbesitz. Seit dem UMAG (Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, 22.9.05, BGBl I, 2802; Butzke, WM 05, 1981) gilt aber gem. § 123 AktG (s. § 16 EGAktG) ab 2005 für deutsche Inhaberaktien das (aus dem angloamerikanischen Raum übernommene) sog. Record-Date-Prinzip. Seitdem ist die Teilnahme an der Hauptversammlung/das Stimmrecht nicht mehr an den zivilrechtlichen Aktienbesitz zur Zeit der Hauptversammlung, sondern (für deutsche Inhaberaktien) an einen Legitimationsstichtag („Record Date“, „Nachweisstichtag“) 21 Tage (3 Wochen (!)) vor der Hauptversammlung geknüpft. Aktionäre, die ihre Aktien nach Ablauf des 21. Tages vor dem Tag der Hauptversammlung erworben haben, können daraus weder das Teilnahmerecht noch das Stimmrecht oder andere hauptversammlungs- oder beschlussbezogene Rechte in der Hauptversammlung bis zu deren Beendigung ausüben. Stimmberechtigt ist nur der Aktionär, der am Record Date im Aktienregister der Aktiengesellschaft als Aktieninhaber verzeichnet war.
Der Nachweistag/Record Date des § 123 AktG spielt für die Dividendenberechtigung allerdings keine Rolle (dividendenberechtigt bleibt der die Aktie am Hauptversammlungstag haltende Aktionär), sondern nur für das Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen und das Stimmrecht auszuüben.
Record Date für Stimmrecht/Hauptversammlung und Record Date für Dividendenberechtigung sind daher unterschiedlich. Die Art. 5 Abs. 1, 3c, Art. 7 Abs. 2 und 3 der EU-Aktionärsrichtlinie (2007/36/EG vom 11.7.07) sehen Ähnliches für die EU-Mitgliedstaaten (einschließlich United Kingdom) vor („Nachweisstichtag“ darf nicht mehr als 30 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung liegen, auf die er sich bezieht.). Britische AGen machen und machten auch i. d. R. vom Record-Date-Konzept für ihre Hauptversammlungen ([Annual] General Meetings = [A]GM) Gebrauch. I. d. R. werden unterschiedliche Record Dates für Hauptversammlungen und Dividendenausschüttungen beschlossen. Soweit ersichtlich, hatte der Companies Act 2006 (bis auf Section 360B Abs. 2 „A traded company must determine the right to vote at a general meeting of the company by reference to the register of members as at a time (determined by the company) that is not more than 48 hours before the time for the holding of the meeting.“) hierzu aber keine eindeutigen Vorgaben, sodass letztlich nur durch die Satzungen bzw. Beschlüsse der britischen Unternehmen das Record Date für deren (A)GM und dortige Stimmrechte eindeutig bestimmt werden kann (ähnlich Rau, FR 17, 1043).
Letztlich müsste daher eindeutig bestimmt werden, wer am Record Date der Hauptversammlung/(A)GM der Aktie als Aktionär im Aktionärsregister der jeweiligen britischen Gesellschaft verzeichnet war, um zu wissen, wer Stimmrechte an den einzelnen britischen Aktien hat. Aufgrund der kurzfristigen Haltedauer der Aktien bei A dürften innerhalb dieser Haltedauer durchgeführte Hauptversammlungen jedoch vermutlich jeweils Record Dates betreffen, die vor dem Aktienerwerb der A liegen, womit ein Stimmrecht der A in diesen Hauptversammlungen (während der Haltedauer) ausgeschlossen wäre (Aktionärin am Record Date wäre immer noch die B; vgl. für § 123 AktG: FG Hessen, 28.1.20, 4 K 890/17, EFG 20, 1160 unter I) 1) a) aa) ccc) (2) (a) [cc]).: „Aufgrund der zeitlichen Nähe der Übertragung vor dem Dividendenstichtag konnte in der Mehrzahl der Fälle bereits die Frist zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts (vgl. § 123 Abs. 2 AktG) nicht mehr eingehalten werden.“). In einem solchen Fall läge (neben der an die B durchgereichten Dividenden-Kompensationszahlung) ein weiteres gewichtiges Indiz für fehlendes wirtschaftliches Eigentum (fehlendes Stimmrecht) bei A vor. Warum weder FG noch BFH hier nähere Feststellungen zu den jeweiligen einzelnen britischen Aktien getroffen haben, ist unklar; der BFH misst dem Stimmrecht gleichwohl wichtige indizielle Bedeutung bei.
Dass die A während der Haltedauer der Aktien Aktionärin für innerhalb der Haltedauer liegende Record Dates ist und ggf. Stimmrechtsmöglichkeiten für später ‒ nach Aktientausch/-rückgabe an die B ‒ stattfindende Hauptversammlungen erworben hat, würde am Ergebnis nichts ändern: A hätte zu diesem späteren Zeitpunkt zwar Stimmrechte in einer Hauptversammlung ausüben können, wegen der Rückübertragung/Austausch der Aktien an die B aber keinerlei sonstige Aktienrechte (Veräußerung, Kursschwankungen, Gewinnbezugsrecht etc.) mehr vorzuweisen. Ob das FG im zweiten Rechtsgang konkretere Feststellungen zum Stimmrecht nachholt bzw. (nach BFH-Entscheidung überhaupt noch) nachholen darf, bleibt abzuwarten.
Konsequenzen für weitere Cum-Cum-Fälle
Insgesamt ist diese Entscheidung für die steuerliche wie steuerstrafrechtliche Aufarbeitung der sog. Cum-Cum-Fälle bedeutsam. Zwar bestätigt der Senat hinsichtlich des wirtschaftlichen Eigentums i. S. d. § 39 AO den Grundsatz, dass eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (nebst Berücksichtigung eines „Gesamtvertragskonzepts“) unter Würdigung aller anerkannter Indizien erfolgen muss. Gleichwohl stellt er ‒ in Abkehr zur FG-Entscheidung und dieser Grundsätze sowie früherer Nuancierungen des BFH ‒ wesentlich auf die Veräußerungsbefugnis und die Stimmrechte des Aktienerwerbers ab und betont, dass subjektive Absichten, bestehende Befugnisse auch wahrnehmen zu wollen, irrelevant sind. Indem der BFH das wirtschaftliche Eigentum beim Sicherungsnehmer (A) bejaht, ist die Entscheidung für Berater und Verteidiger interessant, um Cum-Cum-Konstellationen nicht bereits an § 39 AO scheitern zu lassen. Ob sich bei verstärkten Aufklärungsbemühungen zum Stimmrecht unter Geltung des Record-Date-Prinzips im zweiten Rechtszug hierbei andere Ergebnisse als vom BFH nonchalant zugrunde gelegt ergeben, bleibt abzuwarten. Instanzgerichte sollten bei der Prüfung des wirtschaftlichen Eigentums subjektive Aspekte bzw. dahingehend fehlinterpretierbare Formulierungen unterlassen und allein auf objektive Indizien abstellen; sonst droht eine Aufhebung durch den BFH.
Erstaunlich eindeutige Segelanweisungen und damit eine vorwegnehmende Klärung bringt die Entscheidung für die Frage des Gestaltungsmissbrauchs. Soweit keine versicherungs(aufsichts)rechtlichen Gründe für die Gestaltungen festgestellt werden, stellen Cum-Cum-Gestaltungen laut I. Senat des BFH einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO dar. Berater und Verteidiger sind daher gehalten, möglichst außersteuerliche Gründe für die besagten Gestaltungen zu finden, um § 42 AO zu widerlegen.