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  • · Fachbeitrag · Kongressbericht

    Kongressbericht zum 24. IWW-Kongress Praxis Steuerstrafrecht am 30.9.22 in Düsseldorf

    von RA Dr. Thomas Kaligin, FA StR, Berlin

    | Die schon traditionsreiche Tagung wurde von dem Präsidenten des OLG Hamburg, Herrn Dr. Tully, in gewohnt souveräner Manier moderiert. Er stellte die streitbefangenen Rechtsfragen ausgewogen dar. |

    1. Vorträge am Vormittag

    Zum Seminarauftakt gab Herr Prof. Dr. Jäger als Bundesrichter ein Update zur Rechtsprechung des 1. Steuerstrafsenats des BGH. Ein Schwerpunkt seiner Darstellung war die aktuelle Rechtsprechung zur Hinterziehung von Umsatzsteuer. Dabei ging er auf die Frage ein, ob selbstständig agierende Prostituierte als selbstständig agierende Personen zu besteuern sind oder als lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer umzuqualifizieren sind. Dabei wurde klargestellt, dass ihre „Aktivitäten“ nicht in eine dauerpflichtige Bemessensgrundlage für den Bordellbetreiber, der ein Rundum-Servicepaket anbietet, mit einbezogen werden dürfen.

     

    Ferner stellte er klar, dass die Veruntreuung von Geldern nicht umsatzsteuerbar ist. Dasselbe gilt für den Handel mit Abdeckrechnungen.

     

    Zudem erläuterte er, dass bei einem Irrtum über die Rechtslage die Feststellung eines Hinterziehungsvorsatzes als Tatbestandsirrtum (versus Verbotsirrtum) möglicherweise entfallen kann. Das ist eine Frage des Einzelfalls.

     

    Ein Schwerpunkt war die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen im Steuerstrafrecht. Dabei machte er klar, dass im Steuerrecht und Steuerstrafrecht völlig unterschiedliche Maßstäbe gelten. Die pauschalen Feststellungen der Betriebsprüfung oder der Steuerfahndung dürfen nicht ungeprüft von den Strafgerichten übernommen werden. Fehler bei den Tatsachengerichten führen automatisch zur Aufhebung im Revisionsverfahren beim BGH nebst erneuter Rückverweisung an die Tatsacheninstanz.

     

    Bei der Schätzung konstatierte er, dass die strafrechtlichen Beweiswürdigungsgrundsätze nach Maßgabe des § 261 StPO und nicht die Kriterien der AO (z. B. BFH-Judikatur zu § 162 AO) maßgeblich sind. Er machte deutlich, dass hilfsweise auch bei fehlenden Sachverhaltssegmenten auf die Grundsätze der Geldverkehrsrechnung, der inner- und außerbetriebliche Vergleich und notfalls auch die aktuelle Richtsatzsammlung des BMF als letztes Hilfsmittel im Steuerstrafverfahren zugrunde gelegt werden können.

     

    Zum Schluss seines Referats erörterte er die facettenreiche und kaum noch überschaubare Rechtsprechung zur Einziehung bei Steuerstraftaten gem. § 73 ff. StGB.

     

    Herr RA Dr. Peters, Streck Mack Schwedhelm, Köln, ging auf aktuelle Fragen des internationalen Steuerstrafrechts ein. Da in letzter Zeit grenzüberschreitende Sachverhaltsgestaltungen immer mehr zunehmen (Stichwort: Internationalisierung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs), kommen auch gesonderte Grundsätze im internationalen Steuerrecht zum Zuge. Dabei ist die Sicherstellung der Beweismittel im Ausland, insbesondere elektronische Speichermedien auf Server, Internet, Intranet bedeutsam. Die Feststellung des Orts der Geschäftsleitung der Unternehmen in Steueroasen gem. § 10 AO stellen Schwerpunkte bei der Steuerfahndung dar. Insbesondere die Feststellung der Tagesgeschäfte bzw. schädliche Mitwirkung von Inlandsaktivitäten stehen dabei im Fokus. Die Folge ist die Nichtanerkennung einer ausländischen Gesellschaft durch die Anwendung der Zugriffsbesteuerung nach Maßgabe der § 7 ff. AStG bzw. eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung gem. § 42 AO mit der Folge der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland.

     

    Am Ende des Referats stellte er die Probleme bei der grenzüberschreitenden Sachverhaltseruierung (z. B. Auswertung von E-Mails als Beweismittel) anschaulich dar sowie die Probleme, wenn im Ausland ansässige Zeugen eingesetzt werden.

     

    Herr RA Dr. Geuenich, StB, Dipl.-Finw. (FH), Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf, referierte zur Relevanz von Compliance-Management-Systemen im (Steuer-)Strafrecht, und dies auch im Hinblick auf die Umsetzung des FISG vom 3.6.21. Er stellte klar, dass § 91 Abs. 3 AktG es hiermit notwendig macht, Tax CMS einzuführen. Im Anwendungserlass zur AO zu § 153 AO vom 23.5.16 hat die Finanzverwaltung das „Bonbon“ dargestellt, dass bei der Einführung von innerbetrieblichen Kontrollsystemen (IKS) möglicherweise eine strafrechtliche Verantwortung im Wege des Anscheinsbeweises vermieden werden kann.

     

    Um dies zeitnah prüfen zu können, werden in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und NRW bereits Pilotprojekte praktiziert.

     

    In Kürze ist geplant, die Grundsätze zur Tax CMS neu zu fassen. Er schloss seine Ausführungen mit Blick auf die weitere Entwicklung der Grundsätze des U.S. Department of Justice ‒ Compliance und auf der Ebene der OECD.

     

    Am Ende referierte er den Vorschlag der Bundessteuerberaterkammer zur Bedeutung von Tax CMS vom 1.12.21.

     

    In der Podiumsdiskussion nach der Mittagspause stellte Herr Herr Prof. Dr. Jäger nochmals klar, dass es nicht strafverschärfend wirken kann, wenn Tax CMS nicht eingeführt wird, da es nach geltendem Recht noch keine gesetzliche Pflicht in den Steuergesetzen gibt, ein solches System einzuführen.

     

    Herr OStA Fuchs, Staatsanwaltschaft Köln (in der Abteilung Organisierte Wirtschaftskriminalität), referierte zum Thema Geldwäsche und Steuerhinterziehung im Hinblick auf Hawala-Investments (in Gestalt des Transfers von Geldbeträgen aus Europa in die Türkei und den Nahen Osten). Dargestellt wurde der Handel mit unversteuertem Gold, um Umsatzsteuer zu vermeiden.

    2. Foren am Nachmittag

    Mit einem neuen Format ging es am Nachmittag in den zwei Foren weiter. Die Referenten haben jeweils als Tandem die Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet:

     

    In einem Co-Referat von Frau RAin Dr. Janika Sievert, LL.M. Eur., FAin StR und FAin StrR, ECOVIS L+C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Würzburg, und der Betriebsprüferin Frau Andrea Köchling (Landesfinanzverwaltung Hamburg) wurden die steuerlichen Schnittstellen im Besteuerungsverfahren und korrespondierendem Steuerstrafverfahren dargelegt. Der Grenzbereich zwischen einer Außenprüfung und der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens nach § 10 BpO und die damit verbundenen Konsequenzen wurden anhand zahlreicher Fallbeispiele instruktiv eruiert.

     

    In einem weiteren Co-Referat von Herrn RA StB Hammes und Herrn LRD Dr. Webel (Finanzverwaltung Hamburg) wurden weitere Problembereiche im Besteuerungsverfahren versus Steuerstrafverfahren referiert.

     

    Aus aktuellem Anlass stellte Herr Hammes dar, dass die ersten Verfahren wegen Subventionsbetrugs im Hinblick auf die mehrfache Beantragung von Corona-Soforthilfen bei verbundenen Unternehmen konstatiert werden konnten. Der diffuse Begriff des verbundenen Unternehmens (z. B. Ausweitung oder Nichtausweitung auf Betriebsaufspaltungsverhältnisse) wurde problematisiert. Anhand zahlreicher aktueller Fallbeispiele wurde die Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung nach Maßgabe des § 162 AO bei einer fehlerhaften Kassenführung anhand von aktuellen Judikaten dargestellt.

    3. Fazit

    Das etablierte Seminar reflektierte den Rechtszustand des vergangenen Jahres im Steuerstrafrecht national und international auf einem intellektuell sehr hohen Niveau. Die aussagekräftigen Tagungsunterlagen erhöhen den Nutzungswert der Tagung.

     

    Die auf einem sehr anspruchsvollen Level abgehaltene Veranstaltung ist für Berater der rechts- und steuerberatenden Berufe zu empfehlen, um sich über den aktuellen Stand der Rechtslage zu informieren.

     

    • Jetzt anmelden

    Die Veranstaltung wird im nächsten Jahr voraussichtlich am 10.11.23 mit den gleichen aktualisierten Prämissen wiederholt werden. Sie werden erneut Gelegenheit haben, über aktuelle Entwicklungen im Steuerstrafrecht zu diskutieren. Sie können sich heute schon für den nächsten Kongress anmelden (www.iww.de/seminare).

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2022 | Seite 283 | ID 48673704

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