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  • · Fachbeitrag · Steuerfahndung

    Bank im Inland: Anzeigepflicht für Konten bei Zweigniederlassungen im Ausland europarechtswidrig?

    von RD David Roth, LL.M. oec., Köln

    | Der BFH (1.10.14, II R 29/13, Abruf-Nr. 173110 , Az. EuGH C-522/14 ) hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die nach § 33 Abs. 1 ErbStG deutschen Steuer(fahndungs)behörden gegenüber bestehende Anzeigepflicht eines inländischen Kreditinstituts mit Zweigstellen im EU-Ausland europarechtskonform ist. Dahingehende Steufa-Aufforderungen an Banken sind daher zurzeit angreifbar. |

    1. Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG

    Gemäß § 33 Abs. 1 ErbStG haben Unternehmen, die sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befassen, die in ihrem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten, dem für ErbSt zuständigen Finanzamt in der Form des § 1 ErbStDV anzuzeigen. Soweit tatsächliche Anhaltspunkte darauf hindeuten, dass ein Kreditinstitut seiner Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, kann auch die Steuerfahndung gemäß § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 AO im Wege der Steueraufsicht die betreffende Bank zur Anzeige auffordern (Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen, 2014, S. 137 ff.). Dies betrifft in der Regel eine Vielzahl von Erblassern. Entsprechende Aufforderungen haben daher Sammelauskunftscharakter. Grundsätzlich sind auch Vermögensgegenstände anzuzeigen, die in einer unselbstständigen ausländischen Zweigniederlassung verwahrt werden (BFH 31.5.06, II R 66/04, PStR 07, 26, BStBl II 07, 49; FG München 25.7.12, 4 K 2675/09, DStRE 13, 481). Zu dieser Konstellation wirft der BFH nun europarechtliche Fragen auf, die vom EuGH zu klären sind.

    2. Sachverhalt (BFH vom 1.10.14, II R 29/13)

    Die Klägerin betrieb in Deutschland ein Kreditinstitut. Eine rechtlich unselbstständige Zweigstelle befand sich in Österreich. Für die in dieser Zweigstelle geführten Konten erstattete die Bank in einem Einzelfall keine Anzeige nach § 33 Abs. 1 ErbStG. Aufgrund dieses Präzedenzfalls forderte die Steuerfahndung die Bank nach § 33 Abs. 1 ErbStG auf, alle von der österreichischen Zweigniederlassung verwalteten Vermögensgegenstände inländischer Erblasser, in der nach § 1 ErbStDV vorgesehenen Form dem Erbschaftsteuer-Finanzamt anzuzeigen. Mit ihrer Revision rügte die Bank einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG).

    3. Vorlageentscheidung

    Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH hinsichtlich der Europarechtskonformität des § 33 Abs. 1 ErbStG angerufen. Aus Sicht des BFH stellt sich die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EG) der Anzeigeverpflichtung des § 33 Abs. 1 ErbStG entgegensteht (nach der ein Kreditinstitut mit Sitz in Deutschland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbstständigen österreichischen Zweigstelle verwahrt oder verwaltet werden, anzuzeigen hat), wenn in Österreich keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort sogar einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen. Ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit könne sich möglicherweise aus dem Zusammenwirken der unterschiedlichen Steuervorschriften des Ansässigkeitsstaats (Deutschland) und des Niederlassungsstaats (Österreich) ergeben. Dabei sei zu klären, welchem Staat diese Beschränkung zuzurechnen sei. Zudem sei in Rechnung zu stellen, dass das Steuerrecht europarechtlich (bis auf den Bereich der Mehrwertsteuer) noch nicht harmonisiert sei und daher unterschiedliche nationale Steuerregime grundsätzlich zulässig seien.

     

    Für den BFH stellte sich weiter die Frage, ob ein etwaiger Eingriff nicht aufgrund des anerkannten europarechtlichen Rechtfertigungsgrunds der „Sicherstellung wirksamer steuerlicher Kontrollen“ aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Jedenfalls führt das Gericht aus, dass § 33 Abs. 1 ErbStG der vollständigen, gleichmäßigen und effektive Besteuerung erbschaftsrechtlicher Sachverhalte dient, womit ein Rechtfertigungsgrund möglich erscheint. Daneben weist der BFH darauf hin, dass die Niederlassungsfreiheit auch nicht über Gebühr eingeschränkt werde. § 33 Abs. 1 AO sei geeignet, die Erreichung des Ziels der effektiven steuerlichen Kontrolle zu erreichen. Die Rechtfertigungsregelung gehe auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei und habe daher keine unzulässige „überschießende Tendenz“.

     

    Zudem könne ein Kreditinstitut nicht geltend machen, dass die Finanzbehörden sich im Wege der Amtshilfe die notwendigen Informationen besorgen. Ohne die Anzeige der Bank gäbe es keine Anhaltspunkte für verschwiegene Einkünfte oder Vermögenswerte. Insofern könnten Informationen über steuererhebliche Tatsachen in Bezug auf einen Steuerpflichtigen auch nicht durch Ersuchen an ausländische Behörden beschafft werden. Einer statthaften Beschränkung der Niederlassungsfreiheit stehe auch das neue DBA Österreich-Deutschland nicht entgegen, da dieses auf die Streitjahre nicht anwendbar sei.

    4. Einordnung und Praxishinweise

    Bisher hatten die Finanzgerichte zu § 33 Abs. 1 ErbStG keine europarechtlichen Bedenken (BFH 31.5.06, II R 66/04, PStR 07, 26, BStBl II 07, 49; FG München 25.7.12, 4 K 2675/09, DStRE 13, 481). Vor diesem Hintergrund und den Ausführungen des BFH zu möglichen Rechtfertigungsmöglichkeiten scheint der Senat wohl von einer europarechtskonformen Regelung auszugehen. In diese Richtung könnte auch der Hinweis des BFH auf das EuGH-Urteil „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt“ (23.10.08, C-157/07, DStRE 09, 556) zu verstehen sein, in dem für eine ähnliche Sachlage eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit unter Hinweis auf die „Kohärenz des nationalen Steuersystems“ gerechtfertigt worden ist. Das letzte Wort zu den europarechtlichen Fragen hat jedoch der EuGH.

     

    Im nationalen Recht ist bei entsprechenden Steufa-Aufforderungen nach § 33 Abs. 1 ErbStG grundsätzlich Folgendes zu beachten: Aufforderungen nach § 33 Abs. 1 ErbStG werden von der Fahndung als umfassendes Aufklärungsmittel genutzt. Dabei wird um Nachholung der Anzeige an die Erbschaftsteuer-Finanzämter ersucht, womit die Empfangszuständigkeit gewahrt bleibt. Die nachgeholten auch an die Steufa weitergeleiteten Angaben liefern dann Ansatzpunkte für weitergehende steuer-/strafrechtliche Ermittlungen gegen sämtliche Erben/Erblasser, deren Vermögen noch nicht vollumgänglich angezeigt und erfasst war.

     

    Generell gilt, dass die Fahndung - ähnlich wie bei Sammelauskunftsersuchen - nicht ohne konkreten Anlass eine Aufforderung nach § 33 ErbStG stellen darf. Vielmehr ist auch hier ein tatsächlicher Anhaltspunkt („hinreichender Anlass“) erforderlich, der darauf hindeutet, dass das betreffende Kreditinstitut seinen § 33 ErbStG-Pflichten bisher nicht nachgekommen ist (BFH 31.5.06, II R 66/04, PStR 07, 26, BStBl II 07, 49). Hat die Steuerfahndung demgegenüber keine konkreten Anhaltspunkte für Anzeigeverletzungen und geht es der Fahndung nur darum überhaupt zu erfahren, ob die Bank pflichtgetreu gehandelt hat, liegt eine unzulässige Ermittlung ins Blaue vor (Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen, 2014, S. 138; Matthes in Kohlmann, Steuerstrafrecht, Rn. 225 zu § 404 AO).

     

    Etwaige Auskunftsverbote nach ausländischem Recht stehen einem Steufa-Ersuchen grundsätzlich nicht entgegen. Auch § 30a AO ist unerheblich (BFH 31.5.06, II R 66/04, PStR 07, 26, BStBl II 07, 49).

     

    Die Aufforderung der Steuerfahndung stellt einen Verwaltungsakt dar und kann von der Bank auf dem Finanzrechtsweg mit Einspruch, AdV und Klage angegriffen werden. Soweit entsprechende Unterlagen der Steufa bereits mitgeteilt worden sind und Einzelverfahren gegen die Erben/Erblasser betrieben werden, ist eine Verwertung der auf die Anzeige zurückgehenden Beweismittel unter Hinweis auf ein steuerrechtliches (bzw. im Strafverfahren strafprozessuales) Verwertungsverbot anzugreifen. Hier ist bisher nicht geklärt, ob aus der (möglicherweise) europarechtswidrigen Beweisermittlung tatsächlich ein steuerrechtliches bzw. strafrechtliches Beweisverwertungsverbot abgeleitet werden kann.

     

    Über diese Auswirkungen hinaus hat § 33 Abs. 4 ErbStG auch im Steuerordnungswidrigkeitenrecht Bedeutung (Hunsmann in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, Rn. 244 zu § 377).

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Löwe-Krahl, Ausländische Konten: Meldepflicht der Banken, PStR 07, 26
    Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 51 | ID 43098938

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