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  • · Fachbeitrag · Selbstanzeigenberatung

    Selbstanzeige: Unwirksamkeit wegen Tatentdeckung durch ausländische Behörden

    von RD David Roth, LL.M. oec., Landesrechnungshof NRW

    | Der BGH hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass eine Selbstanzeige wegen Tatentdeckung auch dann unwirksam ist, wenn ausländische Behörden die Tat entdecken. Der Sperrgrund gilt (zeitlich) ab Tatentdeckung im Ausland, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt die Gewährung von Rechtshilfe wahrscheinlich ist. Darüber hinaus hat das Gericht angedeutet, dass sich bei anschließenden Unternehmenssanktionen nach § 30 OWiG ein Compliance-Management-System bußgeldreduzierend auswirken kann. |

    1. Verdeckte Provisionszahlungen

    Dem Urteil des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde (BGH 9.5.17, 1 StR 265/16, Abruf-Nr. 194799): Im Zusammenhang mit einem griechischen Bestechungskomplex um den Erwerb mehrerer Panzerhaubitzen eines deutschen Rüstungskonzerns erhielt der Angeklagte verdeckte Provisionszahlungen, sogenannte „Rückvergütungen“. Diese Zahlungen nebst daraus resultierenden Kapitalerträgen gab er in seiner späteren Einkommensteuererklärung nicht an. Daneben sorgte der Angeklagte dafür, dass die Bestechungsgelder in der Buchführung des Rüstungskonzerns als gewinnmindernde Betriebsausgaben verbucht wurden.

     

    Eine vom Betroffenen erstattete Selbstanzeige hat der BGH wegen Entdeckung der Tat durch griechische Behörden als unwirksam angesehen. Neben der strafrechtlichen Aburteilung der handelnden natürlichen Personen wurde der Rüstungskonzern mittels Geldbuße nach § 30 OWiG sanktioniert.

    2. Bestechungsgelder wurden als Betriebsausgaben verbucht

    Zunächst bestätigt der BGH in seiner Entscheidung die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung (BGH 9.5.17, 1 StR 265/16, Abruf-Nr. 194799). Der Rüstungskonzern hatte gezahlte Bestechungsgelder entgegen § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG als Betriebsausgaben abgezogen und dadurch ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Diese Haupttat förderte der Angeklagte dadurch, dass er die entsprechenden „Provisionsrechnungen“ freigab und an die Buchführung weiterleitete.

     

    MERKE | Die Aufdeckung von Schmiergeldzahlungen hat ‒ neben der negativen Publicity ‒ gravierende Rechtsfolgen. Steuerlich sind als Betriebsausgaben eingebuchte Bestechungsgelder nicht abzugsfähig, sodass der Gewinn entsprechend erhöht wird. Strafrechtlich stehen Steuerhinterziehung und Bestechungsdelikte im Raum. Daneben drohen Unternehmensgeldbußen nach § 30 OWiG.

     

    3. Nichterklärte „Rückvergütungen“: Steuerhinterziehung

    Die vom Angeklagten vereinnahmten „Rückvergütungen“ ordnet das Gericht als Einkünfte aus sonstigen Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG ein. Indem die verdeckten Provisionszahlungen gegenüber dem FA verschwiegen wurden, beging der Angeklagte eine Steuerhinterziehung.

    4. Tatentdeckung durch griechische Behörden

    Einer vom Betroffenen hierzu erstatteten Selbstanzeige versagte der BGH, wie zuvor das LG, die strafbefreiende Wirkung, da der Sperrgrund der Tatentdeckung (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO) vorlag. Tatentdeckung wird angenommen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Hier weist das Gericht darauf hin, dass die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht überspannt werden dürfen. Für die Tatentdeckung ist weder ein hinreichender Tatverdacht i. S. des § 170 Abs. 1 StPO erforderlich noch dass der Täter der Steuerhinterziehung bereits ermittelt ist. Entdeckung „der Tat“ reicht aus.

     

    Die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle stellt für sich allein allerdings noch keine Tatentdeckung dar. Unter Bezugnahme auf eine frühere Grundsatzentscheidung (BGH 20.5.10, 1 StR 577/09, PStR 11, 55 f., 244, BGHSt 55, 180) bestätigt der Senat jedoch erneut, dass eine Tat in der Regel entdeckt ist, wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit naheliegt. Eine Tatentdeckung ist damit bei verschleierten Steuerquellen bereits vor Abgleich mit den Steuererklärungen denkbar, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist (so der Senat unter Hinweis auf BGH 20.5.10, 1 StR 577/09, PStR 11, 55 f., 244, BGHSt 55, 180).

     

    Grundsätzlich gilt: Eine Steuerhinterziehung kann nicht nur durch Finanzbehörden, sondern von jedermann, auch Privatpersonen, entdeckt werden. Voraussetzung ist dabei, dass mit der Weiterleitung der Erkenntnisse des Entdeckers an die Behörde zu rechnen ist.

     

    Neu sind demgegenüber die Ausführungen des BGH, dass auch Angehörige ausländischer Behörden als Tatentdecker i. S. des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO in Betracht kommen, wenn der betreffende Staat aufgrund bestehender Abkommen internationale Rechtshilfe leistet (auch Rolletschke/Roth, Die Selbstanzeige, 2015, Rn. 323 m. w. N.). Dabei sei für die Beurteilung, ob mit einer Weitergabe der Informationen zu rechnen ist, auf die Wahrscheinlichkeit der Rechtshilfegewährung abzustellen. Eine solche Lage ergibt sich nach dem BGH nicht erst zu dem Zeitpunkt, in dem sich die ausländische Behörde zur Bewilligung der Rechthilfe entschließt. Sie kann vielmehr bereits mit dem Erlangen der Informationen über die Straftat zusammentreffen, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt die Rechtshilfegewährung wahrscheinlich ist. Dies hängt davon ab, wie die jeweilige Praxis des betroffenen Staates bei der Rechtshilfe in Fiskalangelegenheiten ausgestaltet ist.

     

    MERKE | Indem der BGH eindeutig auf den Begriff „Rechtshilfe“ ‒ also die strafrechtliche internationale Zusammenarbeit ‒ abstellt, spielt die steuerliche (internationale) „Amtshilfe“ bei dieser Einschätzung wohl keine Rolle. Neben den einschlägigen Rechtshilfeabkommen müssen die Verfolgungsbehörden bzw. das Gericht nach der BGH-Entscheidung auch die Rechtshilfepraxis des jeweiligen Staates in den Blick nehmen. Hierzu führt der BGH in seinem eigenen Fall (Rechtshilfepraxis Griechenlands) allerdings nichts Konkretes aus.

     

    Daneben ist die vom BGH vorgenommene Vorverlagerung des Entdeckungszeitpunkts von besonderer Bedeutung: Wann diese Erkenntnisse bei den ausländischen Behörden vorlagen, dürfte für deutsche Ermittlungsbehörden nicht immer einfach festzustellen sein. Insofern wird die Praxis hilfsweise auf die zwar spätere, aber einfacher feststellbare Entschließung zur Rechtshilfe abstellen.

     

    Neben diesen abstrakten Voraussetzungen leitet der BGH die konkrete Entdeckung der Tat auch aus dem Kontext ab: Nach Art und Weise der Verschleierung über zypriotische Firmen und Einschaltung Schweizer Bankhäuser sowie des Zusammenhangs mit Bestechungszahlungen sei es auch für die griechischen Ermittlungsbehörden nach kriminalistischer Erfahrung „ausgesprochen naheliegend“, dass der Angeklagte die Einnahmen in Deutschland nicht gegenüber Finanzbehörden erklärt habe.

    5. Compliance-System kann Unternehmensgeldbuße reduzieren

    Interessant sind auch die Ausführungen des BGH zur gegen den Rüstungskonzern verhängten Geldbuße nach § 30 OWiG. Die Norm ermöglicht es, eine Geldbuße gegen juristische Personen festzusetzen; sie knüpft dabei an eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit ihrer Leitungspersonen an. Das Gericht stellt hierzu klar, dass nur eine einzige Geldbuße gegenüber dem Unternehmen festgesetzt werden kann, selbst wenn mehrere Leitungspersonen an ein und derselben Straftat beteiligt gewesen sind. Bei der Bemessung der Geldbuße ist dann allerdings die Schuld aller an der Anknüpfungstat beteiligten Leitungspersonen bußgelderhöhend einzubeziehen.

     

    Grundsätzlich sind hierbei auch § 30 Abs. 3 OWiG, § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG in den Blick zu nehmen, nach denen die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll, der aus der Ordnungswidrigkeit gezogen worden ist. In diesem Zusammenhang weist der BGH erstmals darauf hin, dass ein effizientes Compliance-Management-System, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss, bußgeldmindernd berücksichtigt werden kann. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob das Unternehmen in der Folge des aktuellen Gerichtsverfahrens entsprechende Regelungen optimiert hat und seine betriebsinternen Abläufe nun so gestaltet, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig deutlich erschwert werden.

     

    MERKE | Neben BMF und Behörden, die eine positive Wirkung von innerbetrieblichen Kontrollsystemen im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen vorsätzlicher Steuerhinterziehung und fahrlässiger Berichtigung nach § 153 AO in Nr. 2.6 AEAO zu § 153 AO dokumentiert haben, weist nun auch die Rechtsprechung auf die bußgeldmindernde Wirkung entsprechender Compliance-Systeme hin.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2017 | Seite 197 | ID 44770603

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