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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Passivierung hinterzogener Steuern und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge

    von RA Dirk Aue, Jarosch & Partner, Düsseldorf

    | Bargeldbranchen mit hohem Personalaufwand wie z.B. die Gastronomie oder das Taxigewerbe werden regelmäßig vom FA und dem Zoll überprüft. Meist sind es Kassenführungsmängel oder Verstöße gegen die Aufbewahrungspflicht von Ursprungsaufzeichnungen, die dazu führen, dass die Buchführung als nicht ordnungsgemäß verworfen und die Möglichkeit einer Schätzung eröffnet wird. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen werden gezahlte Schwarzlöhne mangels Empfängerbenennung regelmäßig nicht als Betriebsausgabe anerkannt ( § 160 AO ). Unstreitig wirken sich dagegen die USt, LSt und bis 2007 auch GewSt sowie die nachzuentrichtenden Sozialversicherungsbeiträge gewinnmindernd aus. Fraglich ist der Zeitpunkt des Ansatzes in der (Steuer-)Bilanz. |

     

    Frage des Steuerberaters: Meine Mandantin betreibt ein Taxiunternehmen mit fünf Fahrzeugen. Auf eine anonyme Anzeige hin wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und wegen des Verdachts der Beitragsvorenthaltung nach § 266a StGB eingeleitet. Im Rahmen einer Durchsuchung im Jahr 2012 wurden vom Zoll zahlreiche Unterlagen sichergestellt und die Daten der Taxameter ausgelesen. Auf dieser Grundlage wurden die Einnahmen für die Jahre 2006 bis 2010 kalkuliert. Die Mandantin hatte nämlich die ursprünglichen Schichtzettel nicht aufbewahrt. Der ebenfalls kalkulierte Personalaufwand wurde zur Grundlage eines LSt-Haftungsbescheids. Die Rentenversicherung fordert daneben Sozialversicherungsbeiträge in erheblicher Höhe in Form eines Summenbeitragsbescheids gemäß § 28f Abs. 2 SGB IV nach. In welchen Jahren können USt, GewSt und LSt sowie die Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt werden? Wirkt sich dies für die strafrechtliche Beurteilung aus?

     

    Antwort des Verteidigers: Rückstellungen für hinterzogene Steuern sind nach der Rechtsprechung des BFH erst zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem der Steuerpflichtige aufgrund eines hinreichend konkreten Sachverhalts ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung rechnen muss (BFH 11.10.12, X R 23/10, Abruf-Nr. 123085 ). Dies sei, so der BFH, frühestens dann der Fall, wenn das FA eine „aufdeckungsorientierte Maßnahme“ treffe, vorliegend also der Zeitpunkt der Durchsuchungsmaßnahme in 2012. Die für die Jahre 2006 bis 2010 nachzuentrichtende USt und GewSt wirken sich damit erst bei der Gewinnermittlung für 2012 aus.

     

    Der Berücksichtigung der GewSt für 2006 und 2007 in 2012 steht § 4 Abs. 5b EStG nicht entgegen, da die Vorschrift gemäß § 52 Abs. 12 S. 7 EStG nur für diejenige GewSt gilt, die für Erhebungszeiträume ab 2008 festgesetzt wird. Die Übergangsvorschrift stellt somit auf den Erhebungszeitraum ab, für den die GewSt festgesetzt wurde und nicht auf den Veranlagungszeitraum, für den die GewSt als Betriebsausgabe abgezogen werden soll.

     

    Mit der Frage des Zeitpunkts der Passivierung der LSt-Haftungsschuld und der Sozialversicherungsverbindlichkeiten hat sich der BFH in einem Urteil vom 16.2.96 (I R 73/95, BStBl II 96, 592) befasst. Bei den Sozialabgaben, so der BFH damals, handele es sich um eine dem Grunde und der Höhe nach gewisse Verbindlichkeit, die mit der Lohnzahlung entstehe und sich nach der Höhe des gezahlten Lohns richte. Die Sozialversicherungsverbindlichkeiten seien daher in dem Wirtschaftsjahr zu berücksichtigen, in dem sie entstanden sind, da nicht davon auszugehen sei, dass diese Verbindlichkeiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssten.

     

    Anderes gelte für die LSt, da der Arbeitgeber hier nicht selber Schuldner sei, sondern nur als Haftungsschuldner nach § 42d Abs. 1 EStG herangezogen werden könne (BFH 16.2.96, a.a.O.). Hierbei müsse das FA zunächst ein Entschließungs- und dann gegebenenfalls auch noch ein Auswahlermessen ausüben. Die Frage, ob und wer für die LSt in Haftung genommen werde, sei zunächst ungewiss und die Lohnsteuerhaftungsschuld damit erst in dem Moment zu passivieren, wenn mit der Haftungsinanspruchnahme ernsthaft zu rechnen sei. Auch dies wird im Zweifel der Zeitpunkt der „aufdeckungsorientierten Maßnahme“ sein.

     

    Der BGH vertritt bei der strafrechtlichen Beurteilung dagegen bislang die Auffassung, dass bei der Gewinnermittlung die sich ergebende GewSt und USt als Betriebsausgabe abzuziehen sei. Bereits auf der Tatbestandsebene seien diese Steuern gewinnmindernd zu berücksichtigen.

     

    Das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 S. 3 AO) stehe dem nicht entgegen, weil dieser Vorteil dem Täter bei wahrheitsgemäßen Angaben ohne Weiteres von Rechts wegen zugestanden hätte (BGH 17.4.08, 5 StR 547/07, NStZ 09, 157 m.w.N.). Dieses Urteil wurde durch eine Entscheidung des 1. Strafsenats vom 2.12.08 (1 StR 375/08, wistra 09, 68) bestätigt. Für strafrechtliche Zwecke sind somit die Rückstellungen in dem Jahr zu passivieren, in dem die GewSt und die USt entstanden sind. Das gleiche dürfte für die LSt und die Sozialabgaben gelten, weil auch diese regelmäßig in einem engen wirtschaftlichen Verhältnis zu den damit verbundenen (verschwiegenen) Betriebseinnahmen stehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Müsste der BFH heute erneut über die Frage des Zeitpunkts der Passivierung vorenthaltener Sozialabgaben entscheiden, würde er in Fortsetzung seiner jüngsten Rechtsprechung mit einiger Sicherheit nicht mehr auf den Zeitpunkt der Entstehung der Abgaben, sondern wie auch bei den hinterzogenen Steuern auf den Zeitpunkt der Entdeckung bzw. der „aufdeckungsorientierten Maßnahme“ abstellen.

     

    Seine Entscheidung vom 11.10.12 (a.a.O.) begründete der BFH nämlich explizit mit den allgemein für die Bildung von Rückstellungen geltenden Grundsätzen des Handels- und Steuerbilanzrechts sowohl wegen zivilrechtlicher Schadensersatzverpflichtungen als auch wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen, wozu selbstverständlich auch die Beiträge zur Sozialversicherung gehören.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 191 | ID 39961480

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