· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet
Mandant ignoriert die Berichtigungspflicht gemäß § 153 AO, was bedeutet das für den Berater?
von RA Rico Deutschendorf, FA StR, Leipzig
| Oftmals wird erst in einer Betriebsprüfung (BP) festgestellt, dass die für den Prüfungszeitraum (PZR) abgegebenen Steuererklärungen falsch waren und dadurch zu wenig Steuern festgesetzt wurden. Zieht sich der Fehler auch durch Zeiträume außerhalb des PZR, besteht grundsätzlich eine Anzeige- und Berichtigungspflicht ( § 153 AO ). Ein Verstoß gegen § 153 AO kann eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen darstellen. Für den Steuerberater (StB) stellt sich dann die Frage, ob auch er belangt werden kann, wenn der Mandant die Pflichten aus § 153 AO nicht erfüllt. |
Frage des Steuerberaters: Anfang 2019 stellte sich im Rahmen einer BP für die Jahre 2013 bis 2015 heraus, dass mein Mandant im PZR zu hohe Vorsteuerbeträge geltend gemacht und dadurch im Ergebnis zu wenig USt angemeldet hatte. Hintergrund war ein unzutreffender Vorsteuer-Aufteilungsmaßstab, der dem FA aber bekannt war. Vorsatz oder Leichtfertigkeit meines Mandanten scheiden daher aus. Ich habe meinen Mandanten telefonisch auf die Berichtigungspflicht aus § 153 AO hingewiesen, da auch die USt-Jahreserklärungen 2016 und 2017 sowie die USt-Voranmeldungen für 2018 den gleichen Fehler enthalten. Mein Mandant weigert sich jedoch, diese Jahre zu berichtigen. Immerhin entsprechen die aktuellen USt-Voranmeldungen für 2019 nun den Vorgaben der BP. Welche Konsequenzen hat das Verhalten meines Mandanten für mich? Muss ich gar das Mandat niederlegen?
Antwort des Strafverteidigers: Gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht eine Anzeige- und Berichtigungspflicht gegenüber dem FA, wenn ein Steuerpflichtiger nachträglich und vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass seine Steuererklärung unrichtig war und es dadurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist. Die Anzeige muss „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) erfolgen. Dabei soll ‒ selbst bei komplexeren unternehmensbezogenen Sachverhalten i‒ ein Zeitraum von höchstens zwei Wochen maßgeblich sein, in einfachen Fällen auch ein deutlich kürzerer Zeitraum. Das Merkmal „unverzüglich“ bezieht sich nur auf die Anzeige, die „Richtigstellung“ kann später nachgereicht werden (Rätke in Klein, AO, § 153 Rn. 20). Im Normalfall enthält schon das Exposé (Zwischenbericht) der BP, jedenfalls aber der abschließende BP-Bericht einen Hinweis auf § 153 AO , wonach Steuererklärungen und Voranmeldungen für Zeiträume außerhalb des PZR zu berichtigen sind. Spätestens mit Bekanntgabe dieses Hinweises durch die BP dürfte der „Startschuss“ für die „Unverzüglichkeit“ fallen.
Steuerstrafrechtliche Konsequenzen muss der StB aber nicht befürchten. Ein Verstoß gegen § 153 AO ‒ keine oder verspätete Anzeige ‒ kann zwar eine Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) darstellen (Jäger in Klein, AO, § 370 Rn. 63; Rätke in Klein, AO, § 153 Rn. 21). Das setzt jedoch eine eigene Rechtspflicht zur Aufklärung des FA voraus (Jäger in Klein, AO, § 370 Rn. 61). Adressat der Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 AO ist aber nur der Steuerpflichtige, nicht dessen StB (Jäger in Klein, AO, § 370 Rn. 31, 65; Rätke in Klein, AO, § 153 Rn. 6). Aufgrund der aus dem Mandatsverhältnis folgenden Verschwiegenheitspflicht darf der StB auch nicht eigenmächtig ‒ gegen den Willen seines Mandanten ‒ die Steueranmeldungen berichtigen. Ein solches Verhalten wäre berufsrechtswidrig und könnte zu zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen des Mandanten führen. Unter Umständen kann sich der StB auch gemäß § 203 StGB strafbar machen.
Der StB muss das Mandat hier aber auch nicht beenden. Es genügt, dass er seinen Mandanten (unverzüglich) auf die Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 AO hinweist. Der Hinweis auf § 153 AO sollte schriftlich unter Angabe des Datums dokumentiert werden, am besten durch ein Anschreiben an den Mandanten oder notfalls durch eine Aktennotiz des StB (Beweisvorsorge). Eine kommentarlose Übersendung des BP-Berichts, der den Hinweis auf § 153 AO enthält, dürfte dagegen nicht genügen.
Anders wäre es, wenn der Mandant verlangen würde, auch bei den aktuellen USt-Voranmeldungen (2019) entgegen der Auffassung der BP den alten, unzutreffenden Aufteilungsmaßstab zugrunde zu legen. An solchen USt-Voranmeldungen dürfte der StB nicht mehr mitwirken: Der Mandant macht sich gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Steuerhinterziehung durch aktives Tun) strafbar, beim StB käme zumindest eine strafbare Beihilfe zur Steuerhinterziehung seines Mandanten in Betracht. Er muss das Mandat niederlegen.
- Hält man die Rechtsauffassung der BP vorliegend für falsch, sollte dennoch der „sicherste Weg“ beschritten werden: Die Steueranmeldungen werden zunächst auf Basis der BP-Feststellungen erstellt. Danach wird Einspruch eingelegt (§ 355 Abs. 1 S. 2 AO) und die Rechtsfrage im Einspruchs- oder notfalls im finanzgerichtlichen Verfahren geklärt.
- Die Pflichten aus § 153 AO werden erfahrungsgemäß nicht immer ernst genommen. In den meisten Fällen wäre eine Anzeige aufgrund Zeitablaufs schon nicht mehr „unverzüglich.“ Verstöße gegen § 153 AO werden strafrechtlich auch eher selten verfolgt. Hier ist jedoch gegebenenfalls auf regionale Unterschiede zu achten. Ein Verfolgungsrisiko besteht jedenfalls.
- In Zweifelsfällen sollte die Berichtigung „selbstanzeigefest“ sein, also auch alle Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Selbstanzeige erfüllen (Rätke in Klein, AO, § 153 Rn. 8). Dabei ist insbesondere der 10-Jahres-Berichtigungszeitraum (§ 371 Abs. 1 S. 2 AO) zu beachten. Zudem muss schon in der Anzeige des Fehlers zugleich auch die vollständige Berichtigung enthalten sein, da seit 2011 „gestufte“ Selbstanzeigen nicht mehr in Betracht kommen (Jäger in Klein, AO, § 371 Rn. 54). Anderenfalls besteht das Risiko einer Unwirksamkeit der Selbstanzeige, weil zwischenzeitlich Sperrgründe eintreten können (insbesondere Tatentdeckung, Anordnung einer BP oder Einleitung eines Steuerstrafverfahrens).
- Eine etwaige Haftung des StB für Steuerschulden des Mandanten gemäß § 71 AO setzt eine (vorsätzliche) Beteiligung des StB an einer Steuerhinterziehung seines Mandanten voraus. Daran fehlt es aber vorliegend, sodass eine steuerrechtliche Haftung des StB nicht in Betracht kommt.