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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Einspruch gegen Strafbefehl ‒ mit welchen Konsequenzen ist zu rechnen?

    von RA Jan Lampe, FA StR, zertifizierter Berater Steuerstrafrecht (DAA), Hollender Lampe Lampe, Mönchengladbach

    | Steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren laufen vielfach auf den Erlass eines Strafbefehls hinaus. Die hieraus resultierende Verteidigungsstrategie soll im Folgenden unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Strafbefehlsverfahrens dargestellt werden. |

     

    Frage des Steuerberaters: Ich vertrete eine GmbH in einem Betriebsprüfungsverfahren. Während der Betriebsprüfung wurde gegen den Geschäftsführer der GmbH ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nach mehreren Gesprächen mit dem Betriebsprüfer blieben einige Punkte strittig. Bei den offenen Positionen handelt es sich zum einen um Sachverhaltsfragen, zum anderen aber auch um rechtliche Würdigungen. Dementsprechend konnte keine Verständigung im Betriebsprüfungsverfahren erreicht werden. Die Straf- und Bußgeldsachenstelle hat den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Der Strafbefehl ist antragsgemäß ergangen. Ich habe im Auftrag des Mandanten Einspruch eingelegt. Was muss mein Mandant, aber auch ich als sein Steuerberater beachten, und welche Risiken sind mit einem Einspruch gegen den Strafbefehl verbunden?

     

    Antwort des Strafverteidigers: Das Strafbefehlsverfahren ist ein schriftliches Verfahren, welches der beschleunigten und vereinfachten Verfahrenserledigung dient. Wegen dieses summarischen Charakters sind an seine Zulässigkeit und an die durch Strafbefehl festsetzbaren Rechtsfolgen Grenzen gesetzt. Ein Strafbefehlsantrag ist nur im Zuständigkeitsbereich des Einzelrichters und des Schöffengerichts zulässig ‒ also nur bei Vergehen, nicht bei Verbrechen und nicht bei Straftaten, die vor die Strafkammer des LG gehören. Damit kann auch ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 AO) im Strafbefehlswege behandelt werden.

     

    Der Strafbefehlsantrag soll nach § 407 StPO nur gestellt werden, wenn eine Beweisaufnahme in gerichtlicher Hauptverhandlung nicht erforderlich erscheint. Diese Bewertung ist der StA und im Steuerstrafverfahren der Finanzbehörde überlassen. Die Ankündigung eines Einspruchs hindert die Beantragung eines Strafbefehls nicht (Nr. 175 Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)). Die Verteidigung muss vor dem Antrag nicht gehört werden und hat keine realistische Möglichkeit, das vereinfachte Verfahren zu verhindern.

     

    Der Strafbefehlsantrag darf und wird von der Steuerbehörde regelmäßig durch Übersendung eines Strafbefehlsentwurfs an das AG gestellt. Das Gericht prüft dann anhand der Ermittlungsakte, ob es den Strafbefehl entsprechend des ihm übersandten Entwurfs erlässt oder den Erlass des Strafbefehls ablehnt. Nach § 408 Abs. 3 StPO ist auch die Anberaumung einer Hauptverhandlung möglich.

     

    Nach Zustellung des Strafbefehls hat der Beschuldigte zwei Wochen Zeit, Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen. Angehörige der steuerberatenden Berufe können den Einspruch nicht als alleinige Verteidiger einlegen.

     

    Nach Einspruch tritt der Strafbefehlsantrag an die Stelle einer Anklageschrift. Das weitere Verfahren behält gleichwohl seinen Charakter als vereinfachtes Verfahren: Es gilt das vereinfachte Beweisaufnahmeverfahren (§ 411 Abs. 2 S. 2 StGB, § 420 StGB). Das Gericht ist damit bei der Bescheidung von Beweisanträgen nicht an § 244 Abs. 3 StPO gebunden, sondern kann sie sehr viel einfacher auf der Grundlage seiner Aufklärungspflicht zurückweisen. § 244 Abs. 3 StPO normiert, dass ein Beweisantrag nur abgelehnt werden darf, wenn eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder wenn es unerreichbar ist, wenn der Antrag zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt ist oder wenn eine erhebliche Behauptung so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

     

    Das kann zu erheblichen Nachteilen für die Verteidigung führen, insbesondere in „Schätzungsfällen“. Unklarheiten im Sachverhalt sind im Steuerstrafrecht keine Seltenheit. Häufig werden die Schätzungen aus dem Betriebsprüfungsverfahren 1:1 im Steuerstrafverfahren übernommen. Ohne förmliches Beweisantragsrecht ist die Verteidigung erheblich daran gehindert, auf einen justizförmig festgestellten Sachverhalt als Urteilsgrundlage hinzuwirken und die Zugrundelegung eines geschätzten Sachverhalts zu verhindern.

     

    Wird gegen den Strafbefehl kein Einspruch eingelegt, erlangt er dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein Urteil. Das kann ein Vorteil sein, wenn sich später herausstellt, dass an der Sache „mehr dran war“ als im Strafbefehl beschrieben. Zu bedenken ist aber auch, dass nach Einspruch in der Hauptverhandlung der Richter nicht an das Strafmaß des Strafbefehls gebunden ist; er kann darüber hinausgehen, was allerdings in der Praxis kaum vorkommt und mit einem entsprechenden Hinweis auf die beabsichtigte Verböserung verbunden sein sollte, um dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, den Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen.

     

    PRAXISTIPP | Die Finanzverwaltungen bevorzugen Anträge auf Erlass eines Strafbefehls im Vergleich zu einer Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft zwecks Anklageerhebung nicht selten auch dann, wenn die Beweislage das Strafbefehlsverfahren nicht zulässt. Sofern der Beschuldigte darin eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsmöglichkeiten sieht, sollte er versuchen, die Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft zu erreichen.

     

    Zeichnet sich in diesen Fällen ein Strafbefehlsantrag der Finanzbehörde ab, kann ein entsprechender Antrag direkt an die Staatsanwaltschaft gestellt werden. Substanziierte Ausführungen zur fehlenden Zulässigkeit des Strafbefehlsverfahrens sowie die Ankündigung, gegen einen Strafbefehl in jedem Fall Einspruch einzulegen und gegebenenfalls Beweisanregungen, die Umfang und Schwierigkeit der Beweisaufnahme abschätzen lassen, sind ratsam.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 267 | ID 45412916

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