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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    „Wenn die Kasse klüngelt“: Beihilfe durch Verkauf von Kassenmanipulationssoftware

    von RA Thorsten Franke-Roericht, LL.M. Wirtschaftsstrafrecht, Frankfurt a.M.

    | Ein aktueller AdV-Beschluss des FG Rheinland-Pfalz (7.1.15, 5 V 2068/14, Abruf-Nr. 143859 ) zur Haftung des Gehilfen einer Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kassenmanipulationssoftware gibt Anlass, sich näher mit dem Thema Verkürzung der Einnahmen durch Einsatz von Kassenmanipulationssoftware zu befassen. Der Beitrag schließt mit Lösungskonzepten zur Bekämpfung von Kassenmanipulationen. |

    1. Sachverhalt (FG Rheinland-Pfalz vom 7.1.15)

    Im Rahmen einer kombinierten Außen- und Steuerfahndungsprüfung bei dem Eiscafé-Betreiber A stellte die Prüferin fest, dass A mindestens seit Dezember 2003 Manipulationen an den im Kassensystem erfassten Daten vorgenommen hatte. Die Manipulationen führten zu einer erheblichen Minderung der tatsächlich erzielten Umsätze. Gegen den Betreiber A wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, es folgten Durchsuchungen und Sicherstellungen von Speichermedien. Es zeigte sich: A nutzte neben seinem PC-Kassensystem „AriadneNT“ eine zusätzliche Software zur nachträglichen Verkürzung der im Kassensystem erfassten Umsätze. Diese Software war nicht nur separat auf einem USB-Stick gespeichert, sondern dort auch noch als passwortgeschütztes Spiel („Asteroids.exe“) getarnt. A räumte die Manipulationen in vollem Umfang ein. Er gab an, das PC-Kassensystem inklusive Manipulationssoftware von der X-GmbH, die Kassensysteme herstellt und vertreibt, erworben zu haben. Der Verkauf sowie die Einweisung in die Software seien durch den Geschäftsführer B der X-GmbH erfolgt. Reparaturen seien von B oder dessen Mitarbeitern durchgeführt worden; Umprogrammierungen (z.B. Änderung der Speisekarte) habe B online vorgenommen. A wurde vom LG Koblenz - rechtskräftig - wegen Steuerhinterziehung in 24 Fällen (Tatzeitraum 2003 bis 2010, Hinterziehungssumme 2 Mio. EUR) zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

     

    Gegen B wurde ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet. Bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der X-GmbH und der Wohnung des B konnten ein Stand-PC und ein USB-Stick sichergestellt werden. Das Kassensystem „AriadneNT“ befand sich auf beiden Medien. Das Kassenprogramm war mit dem Manipulationsprogramm verbunden; separate Softwarebausteine lagen nicht vor. Ferner wurden auf dem PC Teile der manipulierten Daten des A für den Zeitraum vom 8.12.03 bis 9.6.05 gefunden. Im Rahmen eines gegen den Mitarbeiter M der X-GmbH einzuleitenden Strafverfahrens wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gab dieser an, er sei für die Kassensoftware, dessen Fortentwicklung wie auch für Hard- und Softwarefragen von Kunden zuständig. Nebenbei habe er das Spiel programmiert. Von einer Manipulationssoftware wisse er jedoch nichts. Da Vollstreckungsmaßnahmen gegen A ohne Erfolg blieben, nahm das FA den B als Gehilfen der Steuerhinterziehung per Haftungsbescheid (Haftungssumme 1,6 Mio. EUR) in Anspruch.

    2. AdV-Antrag gegen Haftungsinanspruchnahme erfolglos

    B habe als Verkäufer die Haupttat des A objektiv unterstützt: Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestehe hier darin, dass der B als Geschäftsführer der GmbH dem A ein komplettes System (Kassensystem „AriadneNT“, das mit der Manipulationssoftware „Asteroids.exe“ verbunden war) verkauft habe, und zwar in dem Wissen um die Möglichkeiten, die dieses System bietet und mit dem Ziel, A eine Steuerverkürzung zu ermöglichen. Die von B in Zweifel gezogenen Aussagen des A hielt das FG für reine Schutzbehauptungen. Auch der subjektive Tatbestand gemäß § 370 AO, § 27 StGB liege vor: Das sich hinter dem Kassensystem verbergende Manipulationsprogramm sei dem B bekannt gewesen; es konnte keinem anderen Zweck als der Steuerhinterziehung dienen. Dies sei für B ohne Weiteres erkennbar gewesen.

    3. Bewertung

    Im Streitfall musste sich das FG nicht mit der Frage der für die § 71 AO-Haftung erforderlichen Feststellungen zur Steuerhinterziehung des Haupttäters befassen, da es sich - ebenso wie das FA - auf das Geständnis des A bzw. dessen rechtskräftige Verurteilung stützte. Dies ist zulässig, wenn die Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen erhoben und entsprechende Beweisanträge gestellt haben (BFH 30.7.09, VIII B 214/07, PStR 10, 7, Abruf-Nr. 094034).

     

    Im Hinblick auf die Voraussetzungen der strafbaren Beihilfe nimmt das FG einerseits Bezug auf die ständige Rechtsprechung des BGH (1.8.00, 5 StR 624/99, BStBl II 01, 79), andererseits bezieht es sich auf die BFH-Rechtsprechung (zur Haftung eines Großhändlers wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eines Kunden - BFH 21.1.04, XI R 3/03, PStR 04, 151). Auf dieser Grundlage geht das FG davon aus, dass als Hilfeleistung i.S. des § 27 StGB jede Handlung anzusehen ist, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. Vorliegend habe B das komplette Kassensystem verkauft in dem Wissen um die Möglichkeiten, die dieses System bietet und mit dem Ziel, A eine Steuerverkürzung zu ermöglichen. Die Hilfeleistung wurde damit bereits vor Ausführung der Haupttat erbracht. Ein derart früher Anknüpfungspunkt für die Hilfeleistung ist zulässig (statt vieler Schmidt in Wannemacher, Steuerstrafrecht, 6. Aufl., Rn. 612 m.w.N.).

     

    Sodann übernimmt das FG die seitens des BGH/BFH formulierten Anforderungen an den Gehilfenvorsatz (BGH 1.8.00, a.a.O.; BFH 21.1.04, a.a.O.). Unklar bleibt hier, was das FG im Hinblick auf die Vorsatzanforderungen meint, wenn es ausführt, das sich hinter dem Kassensystem verbergende Manipulationsprogramm sei dem B „bekannt“ und für ihn zudem „ohne Weiteres erkennbar“ gewesen, dass es keinem anderen Zweck diente, als eine Steuerhinterziehung vorzubereiten: Während begrifflich mit „bekanntn“ wohl an das intellektuelle Element des Vorsatzes („Wissen“) angeknüpft werden soll, ist hingegen „erkennbar“ nicht mit einem Wissen bzw. dem voluntativen Vorsatzelement („Wollen“) in Einklang zu bringen (BFH 21.1.04, a.a.O. - verwendet ebenfalls diese Begrifflichkeiten).

     

    Damit zeigt sich ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen: Die bereits in objektiver Hinsicht durch die Reichweite der Förderungsformel ausgedehnte Zurechnung strafbaren Verhaltens wird durch den „Verzicht“ auf die Feststellung des voluntativen Vorsatzelements zusätzlich subjektiv ausgehöhlt (Schmidt in Wannemacher, Steuerstrafrecht, 6. Aufl., Rn. 619). Ferner: Da das FG an den Verkauf des Kassensystems inklusive Manipulationssoftware anknüpft, fehlen Ausführungen zu der Frage, auf welche VZ sich der Vorsatz des B überhaupt beziehen soll. Dies führt zu einer problematischen Ausdehnung der Beihilfe auf einen fast unbegrenzten künftigen Zeitraum (so bereits Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, Oktober 2009, § 370 Rn. 175, zum anonymisierten Geldtransfer in das Ausland durch Bankangestellte).

    4. Verkürzungstools im digitalen Zeitalter

    Während in der Vergangenheit Manipulationsmöglichkeiten bei elektronischen Registrierkassen - zu nennen sind beispielsweise der Einsatz von „Chefschlüsseln“ zwecks Reduzierung bzw. Stornierung von Umsätzen oder das Verschleiern von tatsächlichen Umsätzen auf „Trainingsschlüsseln“ (Burkhard, DStZ 05, 268) - das Interesse weckten, rücken nun „Verkürzungstools“ (digitale Manipulationsmöglichkeiten) in den Vordergrund. Der verstärkte Einsatz solcher Tools ist insbesondere der Verbreitung von PC-gestützten Kassensystemen und Point-of-Sale-Systemen (ermöglichen bargeldlosen Zahlungsverkehr, z.B. EC-Cash) geschuldet. Als Verkürzungstool wird allgemein jedes digitale Instrument (USB-Stick, Software oder vorab digital manipuliertes Erfassungsgerät) verstanden, mit dem sich Umsätze falsch erfassen oder vollständig und richtig erfasste Daten nachträglich verändern lassen (Pump, DStZ 13, 299, 300). Innerhalb der Instrumente wird begrifflich noch einmal differenziert: Sogenannte „Phantomware“ ist bereits in der Buchhaltungssoftware der elektronischen Registrierkasse oder des computergestützten POS-Systems installiert, sogenannte „Zapper“ sind externe Softwareprogramme zur Durchführung der Umsatzverkürzung, die sich auf einem elektronischen Speichermedium (z.B. USB-Stick) befinden oder online abgerufen werden. Da moderne Registrierkassen über entsprechende Schnittstellen verfügen, ist der Einsatz von Zappern auch auf diesen Geräten möglich.

    5. Politischer Druck nimmt zu

    In 2013 stellte die OECD ihren Bericht „Umsatzsteuerverkürzung mittels elektronischer Kassensysteme: Eine Bedrohung für die Steuereinnahmen“ vor. Einleitend stellte man fest, Methoden der Umsatzverkürzung mittels elektronischer Kassensysteme würden Steuerhinterziehungen erleichtern und weltweit zu gewaltigen Steuerausfällen führen. Einige Software-Anbieter sollen ihre Systeme mit Funktionen zur Umsatzverkürzung sogar international vermarkten. Was die Aussichten für die Zukunft anbelange, so berichteten auf dem Gebiet tätige Betriebsprüfer und Steuerfahnder, dass die verschiedenen Techniken ständig weiterentwickelt und immer raffinierter ausgestaltet würden, um eine Entdeckung zu verhindern. Auf einer Pressekonferenz (Titel: „Wenn die Kasse klüngelt“) im Frühjahr 2014 führte Finanzminister Norbert Walter-Borjans aus, dass man den massenhaften Betrug an manipulierten Kassen nicht länger hinnehmen werde. Dem Staat entgingen Jahr für Jahr schätzungsweise bis zu 10 Mrd. EUR. Walter-Borjans kündigte an, den Betrug an der Kasse im Kreis von Bund und Ländern auf die Tagesordnung zu setzen und auf eine rasche gemeinsame Lösung zu dringen. Zudem wurde auf den OECD-Bericht verwiesen. Ebenso bemerkenswert: Eine auf der Pressekonferenz vorgestellte PowerPoint-Präsentation der OFD NRW befasste sich mit einer als Spiel getarnten Kassenmanipulationssoftware namens „A.exe“ (anonymisiert). Hierbei dürfte es sich um die in dem Verfahren vor dem FG streitgegenständliche Software „Asteroids.exe“ handeln. Der OECD-Bericht und die Präsentation sind auf der Website des Ministeriums verfügbar.

    6. Aktuelle Bekämpfungsansätze

    Von 2008 bis 2012 förderte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Entwicklung eines Konzepts zum kryptografischen Manipulationsschutz für Registrierkassen. Das Projekt lief unter der Bezeichnung „INSIKA“ (Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme). Technisch wird lediglich eine handelsübliche Smartcard verwendet, die jedem Bezahlvorgang eine digitale, manipulationssichere Signatur zuweist. Zudem werden auf der Card Informationen gespeichert. In Hamburg seien bereits mehrere hundert Taxen auf freiwilliger Basis mit einer solchen Technik unterwegs. Es sei daher nur eine Frage der Zeit, bis sich INSIKA auch in anderen Städten und Branchen durchsetzen werde. Obwohl moderne Kassensysteme mit Smartcards bzw. Signaturen versehen werden können, besteht bislang keine Verpflichtung, diese auch einzusetzen. Es wird allerdings empfohlen, solche Maßnahmen als Tax-Compliance-Strategie zu nutzen (Rätke in Klein, AO, 12. Aufl., § 146 Rn. 103).

     

    Das NRW-Finanzministerium (Pressemitteilung des Ministeriums vom 3.4.14). fordert die gesetzliche Einführung einer Software, die Manipulationen aufdeckt. Darüber hinaus sollen FÄ künftig auch unangemeldet Kassen in Betrieben überprüfen können. Die Herstellung und der Vertrieb von Software mit Manipulationsmöglichkeiten sollen verboten werden. Insgesamt knüpft man damit an die Empfehlungen der OECD an.

     

    Schließlich: Die Finanzverwaltung setzt zunehmend spezialisierte Betriebsprüfer ein. Wird festgestellt, dass derartige Software installiert ist, soll eine Vermutung dafür sprechen, dass von Beginn an oder nachträglich Manipulationen erfolgt sind (Rätke in Klein, a.a.O. Rn. 102). Es besteht die Gefahr, dass die Buchführung verworfen wird und Hinzuschätzungen erfolgen: Nach Ansicht des FG Düsseldorf (20.3.08, 16 K 4689/06, EFG 08, 1256) müsse zwar zugestanden werden, dass wohl kein EDV-System Manipulationen völlig ausschließen könne. Dennoch dürfte es an einer ordnungsgemäßen Kasse fehlen, wenn - wie im Streitfall - das Kassensystem auf Manipulationen geradezu angelegt sei. Das FA dürfe dann die Buchführung nach § 158 AO verwerfen und Hinzuschätzungen vornehmen. Das FG Bremen (17.1.07, 2 K 229/04 (5), EFG 08, 8) gelangte zu der Überzeugung, dass an einer elektronischen Registrierkasse nachträglich Manipulationen vorgenommen worden waren. Bereits aus diesem Grund sei die Buchführung zu verwerfen, mithin eine Schätzung gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 AO gerechtfertigt.

     

    Im Übrigen kann der jahrelange Einsatz von Kassenmanipulationssoftware - in Verbindung mit Steuerhinterziehungen - den Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis rechtfertigen (VG Ansbach 26.11.13, AN 4 K 13.01021, mit Anmerkung Wegner, PStR 14, 36).

    Quelle: Ausgabe 03 / 2015 | Seite 66 | ID 43203158

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