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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Auftraggeber kündigt: So wahren Sie Ihre Chance auf möglichst niedrige Umsatzsteuerbelastung

    | Wie müssen Sie Honorar versteuern, das Ihnen aus einem Vertrag zufließt, den Ihr Auftraggeber vorzeitig gekündigt hat? Müssen Sie auch auf den Honorarteil Umsatzsteuer abführen, der auf Leistungen entfällt, die Sie kündigungsbedingt nicht mehr erbringen mussten oder handelt es sich dabei um nicht steuerbaren Schadenersatz? Mit dieser Frage muss sich der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Musterprozess befassen. |

    Grundsätzliches zur vorzeitigen Vertragskündigung

    Kündigt ein Auftraggeber Ihren Architekten- oder Ingenieurvertrag aus freien Stücken (keine Kündigung aus wichtigem Grund), haben Sie Anspruch auf die komplette vereinbarte Vergütung. Sie müssen sich nur dasjenige anrechnen lassen, was Sie infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung Ihrer Arbeitskraft erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen haben (früher § 649 BGB ‒ seit 2018 § 648 BGB).

     

    Zweigliedrige Honorarrechnung

    Folglich wird eine solche Honorarabrechnung in zwei Punkte gegliedert:

     

    • 1. Die Honorierung der erbrachten Leistungen
    • 2. Die Honorierung der nicht mehr erbrachten Leistungen

     

    Honorargliederung erfolgt auch aus umsatzsteuerlichen Aspekten

    Die Aufteilung ist u. a. auch aus umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten relevant. Auf den Honorarbetrag für die erbrachten Leistungen ist Umsatzsteuer aufzuschlagen. Der Honoraranspruch für die kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungen wird dagegen als nicht umsatzsteuerbar behandelt. Letztere Auffassung basiert auf einer Entscheidung des BGH. Er ist der Auffassung, dass für die Vergütung für die kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungen keine Umsatzsteuer anfällt (BGH, Urteil vom 22.11.2007, Az. VII ZR 83/05; Abruf-Nr. 080224).

    Finanzämter und -gerichte begehren auf

    Der Architekt musste jetzt aber erfahren, dass Betriebsprüfer des Finanzamts dieses BGH-Urteil nicht (mehr) anwenden wollen.

     

    Architekt und Auftraggeber hatten „60/40-Regelung“ vereinbart

    Im konkreten Fall hatte der Architekt mit dem Auftraggeber vertraglich vereinbart, dass im Kündigungsfall die „60/40-Regelung“ angewendet werden soll. Sie besagt, dass er 60 Prozent der kündigungsbedingt noch nicht verdienten Honoraranteile abrechnen kann (und nur die restlichen 40 Prozent als erspart gelten). Das Geld floss, der Architekt erstellte seine Steuererklärung. Er bezog sich auf die BGH-Rechtsprechung und behandelte den 60-Prozent-Honoraranteil als Schadenersatz, der nicht steuerbar ist. Damit erlitt er vor dem Finanzamt und dem FG Schiffbruch. Beide behandelten auch diesen Vergütungsbestandteil als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig (FG Niedersachsen, Urteil vom 28.02.2019, Az. 5 K 214/18, Abruf-Nr. 211566).

     

    Darum soll der Honoraranteil kein Schadenersatz sein

    Das FG hat einen steuerbaren Leistungsaustausch damit begründet, dass sich die Vertragsparteien nicht auf die Zahlung eines Schadenersatzes an Stelle des vertraglich geschuldeten Honorars geeinigt hätten. Vielmehr hätten sie das Honorar, das dem Architekten nach dem ursprünglichen Vertrag bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags zustand, nur zahlenmäßig konkretisiert. Der Architekt habe insgesamt ein Entgelt als Gegenleistung für die von ihm erbrachte Architektenleistung erhalten. Das Schaubild zeigt, wie unterschiedlich FG und BGH argumentieren.

     

    So argumentiert das FG

    So argumentiert der BGH

    Für die noch nicht erbrachten Leistungen muss in der Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen werden.

    Für die noch nicht erbrachten Leistungen darf keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden.

    Es liegt kein Schadenersatz vor. Es liegt vielmehr nach Kündigung des Vertrags eine neu definierte Gegenleistung vor.

    Es handelt sich um eine Entschädigung. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Zahlung auch dann erfolgt, wenn noch gar keine Leistung erbracht wurde.

     

    Auf andere Entscheidung des BFH hoffen

    Das FG hat gegen seine Entscheidung die Revision zugelassen, weil es von der BGH-Entscheidung abgewichen ist. Der Architekt hat sie eingelegt. Der Musterprozess wird beim BFH unter dem Az. V R 13/19 geführt.

     

    PRAXISTIPPS |

    • Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater, wenn Sie einen Kündigungsfall haben und bitten Sie ihn, Ihren Fall nach § 363 Abs. 2 AO offen zu halten.
    • Informieren Sie ihn auch über eine Urteilsbesprechung, die der Richter am FG Dr. Matthias Wackerbeck in der Fachzeitschrift „Entscheidungen der Finanzgerichte“ (EFG) vorgenommen hat. Nach seiner Auffassung weicht die Entscheidung des FG möglicherweise nicht nur von der Rechtsprechung des BGH, sondern auch von der des BFH ab. Der habe nämlich mit Urteil vom 30.06.2010 (Az. XI R 22/08, Abruf-Nr. 103550) zur sog. Fautfracht nach § 415 Abs. 2 Nr. 2 HGB entschieden, dass diese als gesetzlich festgelegte, pauschale Kündigungsentschädigung kein steuerbares Leistungsentgelt sei und gleiches auch für vertraglich vereinbarte Kündigungsentschädigungen gelte. Nach Auffassung von Herrn Wackerbeck weist die 60/40-Vereinbarung deutliche Ähnlichkeiten zur Fautfracht nach § 415 Abs. 2 Nr. 2 HGB auf. Der Unterschied bestehe nur darin, dass im BFH-Fall die Kündigung vor der Leistungserbringung ausgesprochen worden war, sodass überhaupt keine (unstreitig steuerbaren) Leistungsteile erbracht worden waren.
    • Fazit: Die Chancen auf eine planerfreundiche Entscheidung des BFH stehen nicht schlecht. PBP hält Sie auf dem Laufenden.
     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 20 | ID 46176199