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  • 17.02.2023 · IWW-Abrufnummer 233838

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 31.01.2023 – 23 U 24/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Düsseldorf


    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal ‒ Einzelrichter ‒ vom 26.11.2019 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 450.201,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 259.242,66 Euro vom 20.07.2013 bis zum 13.01.2016, aus 504.142,38 Euro vom 14.01.2016 bis zum 27.02.2020 und aus 450.201,23 Euro seit dem 28.02.2020 zu zahlen.

    Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an die Klägerin 4.391,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2016 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 40% und die Beklagte 60%.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    1
    Gründe

    2
    I.

    3
    Die Klägerin betreibt ein überregional tätiges Architekturbüro. Die Beklagte ist eine Projektentwicklungs- und Verwaltungsgesellschaft.

    4
    Die Parteien waren durch einen Architektenvertrag (Anlage K1, Bl. 29 ff. d.A.) aus dem Jahr 2010 über die Erbringung von Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 gemäß § 33 HOAI (in ihrer für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Fassung von 2009) und verschiedene Sonderleistungen bei einem Bauvorhaben in A.-Stadt verbunden. Die Klägerin hat unstreitig mit Schreiben vom 23.11.2012 (Anlage K2, Bl. 38 f. d.A.) die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses erklärt und infolgedessen die Leistungsphase 9 nicht mehr erbracht. Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Schlussrechnung der Klägerin, mit der sie nicht das vereinbarte Pauschalhonorar (vgl. Ziff. IV. des Architektenvertrages), sondern das Honorar geltend macht, welches sich nach der HOAI bei einer Abrechnung auf Mindestsatzbasis ergeben soll. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die getroffene Honorarvereinbarung wegen Verstoßes gegen zwingendes Preisrecht unwirksam sei.

    5
    Das Landgericht hat der in der Hauptsache auf Zahlung von 818.947,70 Euro gerichteten Klage durch Urteil vom 26.11.2019 (Bl. 467 ff. d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, teilweise ‒ nämlich lediglich in Höhe von 41.013,82 Euro und einem entsprechenden Teil der geltend gemachten Nebenforderungen - stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe für erbrachte Architektenleistungen noch restliches Honorar von 40.378,27 Euro brutto aus § 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Honorarvereinbarung zu. Die Vereinbarung sei nicht wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 HOAI nichtig. § 7 Abs. 1 HOAI dürfe nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 04.07.2019 (Az.: C-377/17) nicht mehr angewendet werden. Durch den Wegfall der Mindestpreisbindung komme die Honorarvereinbarung zur Geltung, nach der die Beklagte der Klägerin noch restliche 40.378,27 Euro brutto schulde. Darüber hinaus könne die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 635,55 Euro aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB verlangen. Die Klägerin habe das Vertragsverhältnis aufgrund einer erheblichen Ehrverletzung, die ihrer Geschäftsführerin durch den Geschäftsführer der Beklagten zugefügt worden sei, berechtigter Weise außerordentlich gekündigt. Der Klägerin stehe als Schadensersatz der entgangene Gewinn aus der nicht erbrachten Leistungsphase 9 zu. Diesen schätze die Kammer gemäß § 287 ZPO entsprechend § 649 S. 3 BGB a.F. auf 5% des infolge der Kündigung entgangenen Werklohns, was 635,55 Euro entspreche.

    6
    Gegen die Klageabweisung wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

    7
    Sie hat zunächst ihre Klageforderung in vollem Umfang weiterverfolgt und beantragt,

    8
    das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und insgesamt dahingehend neu zu fassen, dass die Beklagte verurteilt wird,

    9
    1.

    10
    an sie 818.947,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 259.242,66 Euro seit dem 20.07.2013 und aus weiteren 559.705,04 Euro seit dem 14.01.2016 zu zahlen;

    11
    2.

    12
    an sie 16.027,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    13
    Nachdem der Senat die Klägerin mit Beschluss vom 14.06.2022 (Bl. 824 ff. d.A.) darauf hingewiesen hat, dass die ihrer Honorarforderung zugrunde liegende Schlussrechnung vom 25.11.2015 (Anlage K6, Bl. 73 ff. d.A.), was die Objektgliederung betrifft, sachlich unrichtig ist, hat die Klägerin unter dem 27.06.2022 neu abgerechnet (vgl. Bl. 839 ff. d.A.). Bei ihrer Abrechnung hat sie berücksichtigt, dass die Beklagte am 27.02.2022 auf das erstinstanzliche Urteil hin 53.941,15 Euro gezahlt hat.

    14
    Sie beantragt nunmehr,

    15
    das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und insgesamt dahingehend neu zu fassen, dass die Beklagte verurteilt wird,

    16
    1.

    17
    an sie 450.201,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 259.242,66 Euro vom 20.07.2013 bis zum 13.01.2016, aus 504.142,38 Euro vom 14.01.2016 bis zum 27.02.2020 und aus 450.201,23 Euro seit dem 28.02.2020 zu zahlen;

    18
    2.

    19
    an sie 16.027,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    20
    Im Übrigen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.08.2022 (vgl. dort S. 3, Bl. 837 d.A.) die Klagerücknahme erklärt.

    21
    Die Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme im Termin vom 20.12.2022 zugestimmt (vgl. Bl. 872 d.A.).

    22
    Sie beantragt,

    23
    die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

    24
    Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, dass die Abrechnung der Mindestsätze im Hinblick auf die Honorarvereinbarung gegen Treu und Glauben verstoße.

    25
    Die von ihr selbst gegen das Urteil eingelegte Berufung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.02.2020 (Bl. 534 d.A.), bei Gericht eingegangen am 19.02.2020, zurückgenommen.

    26
    II.

    27
    Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

    28
    1.

    29
    Die Klägerin kann von der Beklagten die mit dem Antrag zu 1) geltend gemachte Zahlung von 450.201,23 Euro nebst Zinsen verlangen.

    30
    a)

    31
    Die Einführung der neuen Schlussrechnung vom 27.06.2022 während des laufenden Berufungsverfahrens stellt keine Klageänderung dar (vgl. BGH, Urteil v. 09.10.2003 ‒ VII ZR 335/02, NJW-RR 2004, 167; OLG Düsseldorf, Urteil v. 26.05.2015 ‒ I-23 U 80/14, BeckRS 2016, 17732 Rdnr. 23; jew. m.w.Nw.). Soweit die Klägerin aufgrund der neuen Abrechnung ihre Forderung reduziert, hat die Beklagte der Klagerücknahme gemäß §§ 525, 269 ZPO zugestimmt.

    32
    b)

    33
    Die Klägerin hatte ‒ ohne Berücksichtigung der erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils erfolgten Zahlung ‒ gegen die Beklagte noch einen restlichen Honoraranspruch für erbrachte Architektenleistungen in Höhe von 503.104,53 Euro aus § 631 Abs. 1 BGB.

    34
    (1)

    35
    Der Anspruchsgrund ‒ Vertragsschluss und Leistungserbringung durch die Klägerin bis zur Aufkündigung des Vertragsverhältnisses durch sie - ist unstreitig.

    36
    (2)

    37
    Der Anspruch ist in der genannten Höhe gerechtfertigt. Die neue Schlussrechnung der Klägerin ist sachlich und rechnerisch zutreffend.

    38
    (a)

    39
    Für die erbrachten Grundleistungen stehen der Klägerin, wie abgerechnet, die Mindestsätze der HOAI (2009) und nicht lediglich das vereinbarte Pauschalhonorar gemäß Ziffer IV. des Architektenvertrages vom 10.03./25.03.2010 (Bl. 32 d.A.) zu.

    40
    Die Honorarvereinbarung ist unwirksam, soweit sie ‒ was unstreitig ist ‒ die Mindestsätze unterschreitet. § 7 Abs. 1 HOAI, nach dem Honorarvereinbarungen, die sich außerhalb des verbindlichen Preisrahmens der HOAI bewegen, unwirksam sind, ist trotz seiner Europarechtswidrigkeit (vgl. EuGH, Urteil v. 04.07.2019 ‒ C-377/17, NJW 2019, 2529 ff.) weiter anwendbar. Denn das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sich ‒ wie hier - ausschließlich Privatpersonen gegenüber stehen, nicht allein aufgrund dieses Rechts verpflichtet ist, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, die unter Verstoß gegen Art. 15 I, II Buchst. g und III RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt Mindesthonorare für die Leistungen von Architekten und Ingenieuren festsetzt und die Unwirksamkeit von Vereinbarungen vorsieht, die von dieser Regelung abweichen (EuGH, Urteil v. 18.01.2022 ‒ C-261/20, DS 2022, 32 ff.).

    41
    Ein Fall des § 7 Abs. 3 HOAI, in dem eine Unterschreitung der Mindestsätze ausnahmsweise zulässig ist, liegt nicht vor. Ein Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Zwecks der Mindestsatzregelung, einen ruinösen Preiswettbewerb unter Architekten und Ingenieuren zu verhindern, ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen erscheint. Erforderlich ist, dass sich das Vertragsverhältnis deutlich von üblichen Vertragsverhältnissen dieser Art unterscheidet, etwa weil die vom Architekten oder Ingenieur geschuldete Leistung nur einen besonders geringen Aufwand erfordert, enge Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Natur zwischen den Vertragsparteien bestehen oder eine Planung mehrfach Verwendung findet (vgl. zum Vorstehenden: BGH, Urteil v. 22.05.1997 ‒ VII ZR 290/95, NJW 1997, 2329, 2330; Versäumnis- und Endurteil v. 27.10.2011 ‒ VII ZR 163/10, ZfBR 2012, 225, 226; jew. m.w.Nw.). Einen solchen Fall hat die Beklagte, die insoweit als Auftraggeberin die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.07.2016 ‒ I-5 U 73/14, NZBau 2017, 96 Rz. 24 ff.), nicht vorgetragen. Die in der Sache unstreitigen großen Bauvorhaben (vgl. S. 4 Klageerwiderung, S. 6 ff. des Schriftsatzes der Klägerin v. 30.06.2016, Bl. 139, 178 ff. d.A.), auf die sie in diesem Zusammenhang verweist, rechtfertigten keine Ausnahme. Denn sie führten auch nach der eigenen Darstellung der Beklagten nicht zu einer engen wirtschaftlichen Verflechtung der Parteien, weil sie hieran überwiegend nicht selbst, sondern in unterschiedlicher Konstellation in Person ihrer Gesellschafter, Rechtsvorgänger oder assoziierten Unternehmen beteiligt waren.

    42
    Die Geltendmachung der Mindestsätze durch die Klägerin verstößt schließlich nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, so verhält sich ein Architekt, der später nach den Mindestsätzen abrechnen will, zwar widersprüchlich. Sein widersprüchliches Verhalten steht der Geltendmachung der Mindestsätze nach Treu und Glauben aber nur dann entgegen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut und sich in einer Weise darauf eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung der Mindestsätze nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil v. 22.05.1997 ‒ VII ZR 290/95, a.a.O., 2331; Versäumnis- und Endurteil v. 27.10.2011 ‒ VII ZR 163/10, a.a.O., 227; Urteil v. 19.11.2015 ‒ VII ZR 151/13, NJW-RR 2016, 213, 214 f.; jew. m.w.Nw.). Dies ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Zum einen musste der Beklagten als in der Baubranche tätigem Unternehmen die Unwirksamkeit einer die Mindestsätze unterschreitenden Honorarvereinbarung bekannt sein. Zum anderen belegt der vorvertragliche Schriftverkehr (Anlagen K9 bis K10b, Bl. 190 ff. d.A.), dass gerade die Beklagte auf den Abschluss der von ihr als äußerst großzügig bemessen erachteten Honorarvereinbarung gedrungen und damit letztendlich ebenso wie die Klägerin den in Rede stehenden Widerspruch verantwortet.

    43
    (b)

    44
    Die Abrechnung berücksichtigt den Grundsatz einer getrennten Honorarberechnung für mehrere Objekte, § 11 Abs. 1 S. 1 HOAI. Im vorliegenden Fall liegen aus den Gründen des Hinweisbeschlusses des Senats vom 14.06.2022 (Bl. 824 ff. d.A.) zwei Objekte i.S.d. § 2 Nr. 1 HOAI (2009) vor, nämlich ein Objekt des Typs „Gebäude“ und ein Objekt des Typs „raumbildender Ausbau“. Die Abrechnung enthält eine entsprechende Objektgliederung.

    45
    (c)

    46
    Im Hinblick auf die Grundlagen des Honorars nach § 6 Abs. 1 HOAI (2009) gilt im Einzelnen folgendes:

    47
    Die anrechenbaren Kosten (Position 1.0) sind unstreitig. Ihnen liegt zutreffender Weise die Kostenberechnung nach DIN 276 (Anlage) zugrunde.

    48
    Die Honorarbezugssummen (Position 2.0) sind gemäß § 32 HOAI zutreffend berechnet.

    49
    Dass die Rechnung die in Rede stehenden Objekte gemäß §§ 5 Abs. 1, Abs. 4, 34 Abs. 4, Anlage 3 HOAI (2009) jeweils der Honorarzone IV zuordnet (Positionen 3.1, 3.2), ist nicht zu beanstanden. Die Zuordnung folgt der nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen B. im Ergänzungsgutachten vom 20.03.2019 (S. 6, 12, Bl. 420, 426 d.A.), der damit seine ursprüngliche Feststellung einer Zuordnung zur Honorarzone III im Ausgangsgutachten vom 26.02.2018 (S. 40, Bl. 330 d.A.) korrigiert hat. Der überdurchschnittliche Standard des Bauvorhabens lässt sich nicht zuletzt auch im Hinblick auf seine Konstruktion, was die Zusammenfassung mehrerer Gebäude zu einem Baukörper durch ein gemeinsames Kellergeschoss betrifft, den Stadtteil, in dem das Vorhaben realisiert wurde, die Größe der Wohnungen, die Ausstattung des Objekts und das Vorhandensein einer Tiefgarage gut nachvollziehen.

    50
    Sowohl der angesetzte Mindestsatz (Position 3.3), als auch die Bewertung der erbrachten Leistungsphasen (Position 3.4) nach § 33 HOAI (2009) sind zutreffend.

    51
    Der Rechnung liegt mit der Honorartafel zu § 34 Abs. 1 HOAI (2009) die richtige Honorartafel zugrunde.

    52
    (d)

    53
    Das Honorar ist auf Grundlage der einschlägigen Honorartafel im Wege der linearen Interpolation nach § 13 HOAI zutreffend berechnet. Es beträgt für das Objekt „Gebäude“ 438.542,58 Euro netto (Position 4.0) und für das Objekt „raumbildender Ausbau“ 232.598,12 Euro. Insgesamt ergibt sich ein Honorar für die erbrachten Grundleistungen von 671.140,70 Euro netto.

    54
    Zu Recht hat die Klägerin 5% hiervon als pauschale Nebenkosten angesetzt. Dies entspricht der unter Ziffer IV des Architektenvertrages getroffenen Vereinbarung. Insoweit ist die Honorarvereinbarung wirksam. Eine pauschale Abrechnung der Nebenkosten konnte bei Auftragserteilung frei vereinbart werden, § 14 Abs. 3 HOAI (2009). Die Teilnichtigkeit wegen Mindestsatzunterschreitung führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Honorarvereinbarung, § 139 BGB. Aus der Erhaltungsklausel unter Ziffer XV.2 kann geschlossen werden, dass sich die Parteien im fraglichen Fall grundsätzlich an ihren weiteren Vereinbarungen festhalten lassen wollen. Ein besonderes Interesse der Beklagten, welches im vorliegenden Fall für eine Gesamtnichtigkeit der Honorarvereinbarung sprechen könnte, ist nicht erkennbar. Die Pauschale beträgt insgesamt 33.557,04 Euro.

    55
    (e)

    56
    Für wiederholte Grundleistungen stehen der Klägerin die abgerechneten Beträge von insgesamt 96.965,67 Euro (Position 6.0) und insgesamt 13.171,19 Euro (Position 8.0, Anlagen 1 bis 3) zu. Allerdings ist Grundlage nicht § 10 HOAI (2009), weil dieser mehrere Vorentwurfs- und Entwurfsplanungen betrifft, wie sie hier mit den Leistungsphasen 6 und 7 nicht in Rechnung gestellt sind. Da auch die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 2 S. 2, 7 Abs. 5 HOAI (2009) nicht vorliegen, richtet sich die Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB (vgl. Messerschmidt in: BeckOK HOAI, 3. Ed. Stand: 30.09.2021, § 10 HOAI 2013, Rdnr. 4 m.w.Nw.). Für die Honorierung kann damit ‒ wie seitens der Klägerin geschehen ‒ auf die Mindestsätze der HOAI als übliches Honorar abgestellt werden. Das Honorar ist danach zutreffend berechnet.

    57
    (f)

    58
    Soweit die Klägerin für Sonderleistungen auf Grundlage ihres Angebots vom 05.11.2009 (Anlage K4, Bl. 67 ff. d.A.) 10.000,-- Euro abrechnet, ist ihre Forderung unstreitig. Das Honorar für Sonderleistungen ist frei vereinbar; die Mindestpreisbindung des § 7 Abs. 1 HOAI (2009) greift insoweit nicht ein.

    59
    (g)

    60
    Nach dem Vorstehenden ergibt sich für erbrachte Leistungen insgesamt ein Netto-Honorar von 824.834,60 Euro, nämlich 671.140,70 Euro für Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8, 33.557,04 Euro pauschale Nebenkosten, 110.136,86 für Wiederholungsleistungen und 10.000,-- Euro für Sonderleistungen. Zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer beträgt das Honorar 981.553,17 Euro. Werden hiervon die unstreitig auf die erbrachten Leistungen gezahlten Abschläge von insgesamt 478.448,64 Euro brutto in Abzug gebracht, verbleibt ein Rest von 503.104,53 Euro.

    61
    (3)

    62
    Der Anspruch ist fällig geworden. Es kann dahinstehen, ob die gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich erforderliche Abnahme erfolgt ist. Denn unabhängig hiervon ist ein Abrechnungsverhältnis entstanden, aufgrund dessen die Klägerin abrechnen und die Begleichung eines sich hieraus zu Lasten der Beklagten ergebenden Solls einfordern kann. Die Beklagte ist mit der Abrechnung einverstanden. Sie beruft sich nämlich nicht auf ausstehende Erfüllungsansprüche, weder in Form einer Nachbesserung der erbrachten Leistungen, noch in Form der Ausführung der zum Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung noch nicht erbrachten Leistungen (Leistungsphase 9). Der Fälligkeit steht auch § 15 Abs. 1 HOAI nicht entgegen. Denn eine fehlende Prüffähigkeit der Schlussrechnung hat die Beklagte nicht eingewandt.

    63
    c)

    64
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte darüber hinaus, wie das Landgericht zu Recht geurteilt hat, einen Schadensersatzanspruch in Höhe des entgangenen Gewinns für den unstreitig nicht erbrachten Leistungsteil (Leistungsphase 9) aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Die Gründe und die im Rahmen des § 287 ZPO an § 649 S. 3 BGB a.F. angelehnte Schätzung des Schadens greift die Berufung nicht an. Die aus der neuen Schlussrechnung ersichtliche Berechnung des Schadens (Positionen 4.0 und 5.0) ist sachlich und rechnerisch zutreffend. Insgesamt beläuft sich der Anspruch auf 1.037,85 Euro (678,16 Euro + 359,69 Euro).

    65
    d)

    66
    Die Hauptforderung der Klägerin, die sich aus restlichem Honorar (503.104,53 Euro) und Schadensersatz (1.037,85 Euro) zusammensetzt, beträgt insgesamt 504.142,38 Euro.

    67
    Nach der Schlussrechnung (Position 9) hat die Klägerin die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils unstreitig geleistete Zahlung der Beklagten vollständig auf die Hauptforderung verrechnet, obwohl in der Zahlung, wie der Rechnungstext ausweist, Zinsen enthalten gewesen sein sollen. Die Verrechnung entspricht damit nicht der Tilgungsreihenfolge des § 367 Abs. 1 BGB. Die genannte Vorschrift ist jedoch dispositiv. Die Beklagte hat der aus der Schlussrechnung ersichtlichen Anrechnung ihrer Zahlung auf die Hauptforderung nicht widersprochen. Vor diesem Hintergrund kann ihr stillschweigendes Einverständnis mit der Verrechnung unterstellt werden (vgl. hierzu: BGH, Urteil v. 27.06.1995 ‒ XI ZR 213/94, NJW-RR 1995, 1257, 1258 m.w.Nw.). Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Verrechnung gemäß der geänderten Antragstellung der Klägerin dazu geführt hat, dass ein Teil der Zinsforderung entfällt.

    68
    Nach Abzug der Zahlung verbleibt eine Hauptforderung von 450.201,23 Euro (= 504.142,38 Euro ./. 53.941,15 Euro), die der Klägerin, wie beantragt, zuzusprechen ist.

    69
    e)

    70
    Die Klägerin kann Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem in der Hauptsache zuzusprechenden Betrag im beantragten Umfang verlangen, §§ 286, 288 Abs. 2 BGB a.F. Die Verzinsung beginnt bereits am 20.07.2013 und nicht erst, wie das Landgericht geurteilt hat, am 11.08.2013. Mit dem Ausgleich der ersten Schlussrechnung vom 24.06.2013 über 259.242,66 Euro (Anlage BB5, Bl. 571 f. d.A.) ist die Beklagte nämlich ohne Mahnung in Verzug geraten, weil die Rechnung mit der bis zum 19.07.2013 gesetzten Zahlungsfrist eine kalendermäßige Zeitbestimmung im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB beinhaltete. Hinsichtlich ihrer erhöhten Forderung gemäß Schlussrechnung vom 25.11.2015 ist der Verzug mit Ablauf des 13.01.2016 aufgrund des mit einer entsprechende Fristsetzung versehenen Mahnschreibens vom 16.12.2015 (Anlage K7, Bl. 103 ff. d.A.) eingetreten. Der Verzug endete teilweise, soweit nämlich die Beklagte auf das erstinstanzliche Urteil hin gezahlt hat (53.941,15 Euro), mit Ablauf des 27.02.2020, § 187 Abs. 1 BGB analog.

    71
    2.

    72
    Die mit dem Antrag zu 2) geltend gemachte Nebenforderung ist nicht in vollem Umfang gerechtfertigt.

    73
    a)

    74
    Die Klägerin kann von der Beklagten Erstattung der ihr  vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.391,90 Euro verlangen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Die Rechnung ihrer Anwälte vom 03.03.2016 (Anlage BB6, Bl. 573 d.A.) ist nicht in voller Höhe zu erstatten. Eine Erstattung ist nur für Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 504.142,38 Euro, d.h. dem Betrag der berechtigten Hauptforderung, gerechtfertigt. Soweit das Landgericht lediglich eine Geschäftsgebühr von 1,3 anstelle der angesetzten 1,8 berücksichtigt und die Erhöhungsgebühr von 0,3 außer Acht gelassen hat, greift die Berufung die Entscheidung nicht an. Hinsichtlich der gezahlten Umsatzsteuer ist der Klägerin kein Schaden entstanden, weil sie vorsteuerabzugsberechtigt ist. Die 1,3 Geschäftsgebühr aus dem genannten Gegenstandswert beträgt 4.371,90 Euro, (3.213,-- Euro + 150,-- Euro) x 1,3. Hinzu kommt die Auslagenpauschale von 20,-- Euro.

    75
    b)Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten von 5.350,18 Euro für das eingeholte Honorargutachten des Sachverständigen C. steht der Klägerin gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB dagegen nicht zu. Denn das Gutachten war für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht erforderlich. Mit dem Landgericht ist anzunehmen, dass die Klägerin als Architekturbüro grundsätzlich selbst in der Lage ist, eine Honorarrechnung auf Mindestsatzbasis aufzustellen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Objektgliederung. Deren tatsächliche Grundlagen waren der Klägerin aus eigener Anschauung bekannt. Was die rechtlichen Folgen für die Aufstellung der Honorarrechnung betrifft, sind bei einem Architekturbüro zumindest Grundkenntnisse vorauszusetzen. Im Übrigen besteht ein prozessuales Risiko, was sich durch die vorprozessuale Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht vermeiden lässt.

    76
    c)

    77
    Die geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen stehen der Klägerin auf den zuzusprechenden Betrag aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB a.F. zu. Die Klageschrift ist der Beklagten am 27.04.2016 zugestellt worden (vgl. Bl. 113 d.A.). Die Verzinsung beginnt mithin am 28.04.2016, § 187 BGB analog.

    78
    III.

    79
    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO.

    80
    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO

    81
    Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

    82
    Streitwert des Berufungsverfahrens

    83
    bis 19.02.2020:              818.947,70 Euro (Berufung der Klägerin: 777.933,88 Euro; Berufung der Beklagten: 41.013,82 Euro)

    84
    ab 20.02.2020:              777.933,88 Euro