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  • 23.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221329

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 28.02.2020 – 24 U 36/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Frankfurt 24. Zivilsenat

    28.02.2020


    Tenor

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 22.11.2018 wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Dieses und das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % desjenigen Betrages leistet, dessen Vollstreckung sie betreibt.

    Der Streitwert beträgt 221.953,64 € für beide Instanzen.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Begutachtung.

    Die Klägerin kaufte ein Grundstück von einem Herrn A mit Vertrag vom 27.03.2007 und 29.09.2008. Sie plante eine Umwandlung der dort ehemals betriebenen Fabrik in Wohnungen. Der Verkäufer sollte ursprünglich Altlastenfreiheit durch Gutachten der Beklagten nachweisen und nach der ursprünglichen Kaufvertragsversion dafür haften, bzw. eventuelle Altlasten beseitigen. Geschlossen wurde der Kaufvertrag dann jedoch mit der Maßgabe, daß Herr A weder für Altlasten haften solle, noch zu deren Beseitigung verpflichtet war. Im Gegenzug wurde der ursprünglich angedachte Kaufpreis von 565.000.- € auf 160.000.- € reduziert. Die Beklagte hatte 2 Angebote zur Begutachtung erstellt und zwar für Baugrunduntersuchung und Bausubstanzuntersuchung. Während das Gutachten über die Bausubstanz erstellt wurde, liegt ein solches über den Baugrund bis heute nicht vor. Die Beklagte hatte die Begutachtung vom 20.07.2007 wie folgt beschrieben:

    „Die Untersuchung der Bausubstanz hat orientierenden Charakter und zielt auf die Ermittlung von eventuell vorhandenen erheblichen finanziellen Risiken als Grundlage für den Kauf/Verkauf.“. Die Beklagte führte in ihrem Anschreiben zum Bausubstanzgutachten aus: „Die Ergebnisse/Erkenntnisse aus den Bodenuntersuchungen sind jedoch bereits in der Kostenschätzung berücksichtigt.“.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der hierzu angestellten Überlegungen wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

    Die Klägerin verweist auf den Kostenansatz über 56.000.- € für Baugrundaltlasten in dem Bausubstanzgutachten vom 20.07.2007, dem der von ihr veranlasste Bericht vom 14.10.2009 über eine Bodenuntersuchung gegenüberstehe. Eine Abnahme der Beklagtenleistung sei nicht erfolgt, vielmehr handele es sich um einen noch nicht fertiggestellten Auftrag gemäß email des Herrn A vom 29.08.2007 und weiteren Aufforderungen an die Beklagte, die Begutachtung fertigzustellen. Zu der geplanten Umnutzung des Betriebsgeländes gehöre auch eine Bodensanierung. Entsprechend sei die Untersuchung auf Schadstoffe für den Erwerb des Geländes und dessen anschließende Sanierung bauwerksbezogen mit der Folge einer 5-jährigen Verjährung. Die Beklagte habe jedoch trotz Mahnung die Erstellung des Bodengutachtens hinausgezögert. Im Abschluss des Kaufvertrages liege keine Billigung der Leistungen der Beklagten und auch keine Teilabnahme durch Weiterleitung des Gutachtens an Herrn C. Die Klägerin sei in den Vertrag mit Herrn A eingetreten und habe in diesem Sinne die Begutachtung fortgeführt. Sie habe jedoch darauf vertrauen dürfen, daß die Angaben der Beklagten zu Kosten hinsichtlich des Bodens auf einer gründlichen Begutachtung beruhten. Das Landgericht hätte den Zeugen A vernehmen müssen. Bestritten werde, daß A den Auftrag auf Grundlage der AGB der Beklagten erteilt habe.

    Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter und beantragt,

    die Beklagte unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung gemäß den Klageanträgen erster Instanz zu verurteilen, wegen deren Wortlaut auf den erstinstanzlichen Tatbestand verwiesen wird.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Beklagte meint, Ziel des Gutachtens sei gewesen, den Verkaufswert zu ermitteln, nicht jedoch Grundlage unbekannter Planungen zu werden. Derart sei es feststellender und nicht projektierender Art, da die Wirtschaftlichkeit einer Umnutzung nicht Untersuchungsthema gewesen sei. Damit handele es sich nicht um Leistungen an einem Gebäude mit der Folge einer zweijährigen Verjährung. Durch die Weiterleitung des Gutachtens im Sinne einer Freigabe sei dieses abgenommen worden, wie auch die Leistung einer Schlusszahlung ohne Mängelrüge erweise. Mit der Beendigung des Gutachtervertrages mit A Ende 2008 sei ein neues Vertragsverhältnis mit der Klägerin Anfang 2009 mit der Folge einer durchgreifenden Verjährungseinrede zustande gekommen. Selbst wenn man jedoch von einem noch nicht abgeschlossenen Gutachtenvertrag mit der Beklagten ausgehe, habe ein Vertrauenstatbestand der Klägerin nicht entstehen können. Die Beklagte habe schließlich die Kostenschätzung mangels Bezahlung seitens A nicht fertiggestellt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster und zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    II.

    Die Berufung ist zulässig: Die landgerichtliche Entscheidung ist dem Klägervertreter gemäß Empfangsbekenntnis vom 16.01.2019 zugestellt worden. Der Berufungseinlegung vom 15.02.2019 folgte die Berufungsbegründung vom 15.04.2019 innerhalb der um einen Monat verlängerten Berufungsbegründungsfrist.

    Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Auf die zutreffenden Überlegungen in den Gründen der landgerichtlichen Entscheidung wird Bezug genommen. Das Berufungsgericht macht sich diese zu eigen.

    Zentrales Thema in den Kaufvertragsverhandlungen waren die auf dem Grundstück befindlichen Altlasten. Diese drängten sich nicht nur ohnehin auf, nachdem sich auf dem Gelände über viele Jahre eine Fabrik befunden hatte und zwar zu einer Zeit, als die Umweltschutzanforderungen einen wesentlich geringeren Stellenwert besaßen, als in der heutigen Zeit. Die Klägerin hatte deshalb von vorneherein allen Anlass zu prüfen, welches Ausmaß eventuelle Verunreinigungen hatten. Nach dem zugrundeliegenden Vertrag gemäß Nachtrag 7 oblag die Haftung für Altlasten allein der Klägerin selbst und zwar in vollem Umfange. Daß dem Verkäufer etwaige Altlasten bekannt gewesen wären, steht nicht in Rede und wäre im Verhältnis zur Beklagten auch ohne Belang.

    Darüber hinaus sind die Altlasten Gegenstand von Untersuchungen gewesen in deren Folge der Kaufpreis um 70 % reduziert wurde. Dabei war der Klägerin bewusst, daß das beauftragte und in Aussicht gestellte Bodengutachten nicht vorlag. Das heißt, die Klägerin hatte eine für ihre Kaufentscheidung wesentliche Information nicht, als sie sich gleichwohl zum Erwerb entschloss. Daß die Beklagte dabei zur Fertigstellung ermahnt wurde, zeigt allenfalls die Bedeutung des ausstehenden Bodengutachtens, ändert aber nichts an der Tatsache, daß dieses nicht vorlag und bis heute nicht vorliegt. Eine Haftung der Beklagten resultiert daraus allenfalls im Rahmen gutachterlicher Vertragserfüllungspflichten, nicht jedoch im Hinblick auf die gleichwohl getroffene Kaufentscheidung der Klägerin.

    Die Beklagte hat selbst am 31.08.2007 erklärt: „Der Bericht für die Bodenuntersuchungen wird von uns noch geschuldet. Die Erstellung einer Leistungsbeschreibung und eines Leistungsverzeichnisses für die Schadstoff- oder Bodensanierung sind Planungsleistungen und nicht Gegenstand des beauftragten Angebotes. Auf Ihren Wunsch sind wir gern bereit, Ihnen diese Leistungen anzubieten. Eine Kostenermittlung könnte dann aufgrund des Leistungsverzeichnisses vorgenommen werden.“. Daraus erhellt, daß die Kosten der Bodensanierung noch gar nicht ermittelt waren, bevor sich die Klägerin entschlösse, gleichwohl den fraglichen Kaufvertrag abzuschließen.

    Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der vorliegenden Kostenschätzung, die unter dem Stichwort „Verunreinigter Boden (Auffüllung)“ lediglich Entsorgungskosten für den verunreinigten Boden aufführt, nicht jedoch die Kosten einer Auffüllung oder Sanierung. Die Kostenschätzung ist schließlich vor dem Hintergrund des seitens der Beklagten geschuldeten Auftragsumfanges zu sehen: Dieser wird von der Klägerin nicht beschrieben, sondern auf den vorgelegten Bericht der Beklagten zu einer „Standortbegutachtung hinsichtlich baustoff- und nutzungsbedingter Schadstoffe“ verwiesen. Diese beschreibt den Auftrag soweit hier relevant dahingehend, „im Vorfeld der Veräußerung (…) das Gelände hinsichtlich Bodenkontaminationen zu untersuchen.“.

    Welchen Umfang diese Untersuchungen haben sollten, bleibt damit ebenso unklar, wie die Frage, ob die von der Klägerin in Bezug genommene Kostenschätzung überhaupt abschließend war. Zweifel daran ergeben sich bereits aus der Kostenschätzung selbst, wenn es in den dortigen Anmerkungen heißt: „… die Massen sind daher überschlägig ermittelt“ und: „Die Flurstücke … und … wurden zunächst zurückgestellt“. Bezüglich der Tankstelle soll nach der Kostenschätzung ein „Aushub/Entsorgung wegen Geruch“ nicht unbedingt erforderlich sein (?), weshalb die dazu genannten Kosten in der Gesamtsumme nicht berücksichtigt wurden. Wenn die Klägerin bei dieser Sachlage zur Begründung ihrer Rechtsauffassung auf die E-Mail der Beklagten vom 20.07.2007 Bezug nimmt, nach der die Ergebnisse/Erkenntnisse aus den Bodenuntersuchungen bei der Kostenschätzung Berücksichtigung gefunden haben, verhilft das dem klägerischen Anliegen nicht zum Erfolg. Denn es bleibt offen, welchen Umfang der Untersuchungsauftrag hatte, welchen Umfang die angestellten Untersuchungen hatten und vor allem, ob die Untersuchungen und Ergebnisse wirklich abschließend oder aber lediglich vorläufig oder grob orientierend waren im Sinne eines dahingehend erteilten Auftrages. Auf die sich bereits aus der Kostenschätzung selbst ergebenden offensichtlichen Zweifel wurde hingewiesen. Auch diese haben den Auftraggeber und die Klägerin nicht zu Nachfragen veranlasst. Vielmehr wurde das offensichtlich unklare, zweifelhafte und unvollständige Begutachtungsergebnis hingenommen.

    Wenn die Klägerin indes durch die Inanspruchnahme der Fa. X an die Fertigstellung des Begutachtungsauftrages der Fa. Y im Jahre 2000 anknüpfen will, gesteht sie damit zu, daß diese Begutachtung noch nicht abgeschlossen war und sie weiteren Klärungsbedarf sah. Sie erklärt dazu selbst, daß die Leistungen der Beklagten noch nicht einmal „weder von der Klägerin, noch von Verkäufer Herrn A oder der Fa. Y GmbH abgenommen“ worden sind. Also stand eine Entgegennahme der Leistungen der Beklagten als vertragsgemäße Erfüllung des erteilten Untersuchungsauftrages noch aus.

    Die Klägerin verneint damit selbst einen Vertrauenstatbestand im Sinne einer tragenden Entscheidungsgrundlage für ihren Grundstückserwerb.

    Sie setzt sich damit weiterhin in Widerspruch zu ihrer Argumentation, mit der Einbeziehung der im Ergebnis mit 56.000.- € bezifferten Bodensanierungskosten habe ihr eine - allerdings fehlerhafte - Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestanden. Denn mit dieser Argumentation hätte es ja der Vorlage des detaillierten Gutachtens deshalb gar nicht mehr bedurft, weil die entscheidende Kostenschätzung im Sinne des Gutachtenergebnisses und der Entscheidungsgrundlage für die Kaufentscheidung der Klägerin bereits vorgelegen hatte.

    In der Tat war die Begutachtung seitens der Beklagten (mit Ausnahme des offensichtlich nicht vorliegenden Berichts zu den Bodenuntersuchungen, dessen Fehlen von der Klägerin hingenommen wurde) jedoch abgeschlossen und hat die Klägerin die Beklagte erst im Wege der hiesigen Forderungen in Anspruch genommen, nachdem sie zwei Jahre nach dem Kaufvertragsabschluß vom 29.09.2008 eine erneute Bodenbegutachtung in Auftrag gegeben hatte. Darin liegt ein Verstoß der Klägerin gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, musste sich ihr doch angesichts der oben angesprochenen Punkte aufdrängen, daß die Frage der Altlastenkontamination noch nicht sicher und abschließend geklärt war.

    Dies gilt zusätzlich vor dem Hintergrund, daß Auftraggeber der Beklagten nicht die Klägerin war, sondern die Verkäuferseite, deren Interesse an umfassender Aufklärung der Altlasten im Zweifel geringer war, als das der Klägerin als Käuferin.

    Entsprechend findet sich im letztendlich geschlossenen Kaufvertrag die Passage: „… der Inhalt des Gutachtens ist dem Käufer bekannt. Dem Käufer ist daher im Umfang des Gutachtens der Zustand etwaiger Altlasten, Grundwasserverunreinigungen, schädlicher Bodenverunreinigungen und dergleichen (…) bekannt. In Anbetracht der vorstehend getroffenen Regelung des Altlastenrisikos werden etwaige Ausgleichsansprüche des Käufers gegen den Verkäufer (…) ausgeschlossen, ausgenommen Vorsatz oder Arglist des Verkäufers…“. Vorsatz oder Arglist des Verkäufers hat die Klägerin nicht dargetan.

    Der geltend gemachte Anspruch ist darüber hinaus verjährt. Denn die seitens der Beklagten geschuldete Begutachtung hatte keinen Bezug zu einem konkret zu errichtenden Bauwerk i.S.d. § 634 a Abs. 1 Ziffer 2 BGB. Nur nach dieser Vorschrift gilt eine 5-jährige Verjährungsfrist für Planungsleistungen im Hinblick auf ein Bauwerk. Gegenstand des Gutachtenauftrages war jedoch nicht eine projektierende Planung im Hinblick auf die seitens der Klägerin angedachte Nutzungsänderung einer Umwandlung in Wohneinheiten. Gegenstand des Gutachtenauftrages war vielmehr eine feststellende Bestandsaufnahme im Sinne einer Zustandsbeschreibung des Grundstücks, bestehend aus Grund und aufstehender Altbebauung. Denn die Klägerin (und der Verkäufer) wollten eine Entscheidungsgrundlage für den anstehenden Grundstückserwerb und die diesbezügliche Preisfindung des Grundstückskaufvertrags, womit der Gutachtenauftrag der Beklagten erschöpft war. Derart hatte die Beklagte mit der seitens der Klägerin für einen auf den Erwerb folgenden Zeitraum angedachten Wohnüberbauung im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Bodenbegutachtung nichts zu tun. Entsprechend heißt es im Kaufvertrag: „Eine bestimmte Beschaffenheit ist nicht vereinbart, eine bestimmte Verwendung des Kaufgegenstandes wird nicht vorausgesetzt.“.

    Bei dieser Sachlage war es in erster Linie Aufgabe der Klägerin eine Beschaffenheit des Kaufgegenstandes für ihre Zwecke zu prüfen und ggfs. vor abschließender Prüfung von einem Erwerb Abstand zu nehmen.

    Einer Einvernahme des Zeugen A bedurfte es nach dem oben Gesagten nicht. Seine Benennung für die Behauptung der Klägerin, von der Beklagten sei zugesagt worden, „dass bei der Sanierung im Wesentlichen nur die von der Beklagten in der Kostenschätzung angegebenen Kosten anfallen werden“, ist als verspätet (§531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO) nicht zu berücksichtigen, abgesehen davon, daß die Formulierung „im Wesentlichen“ zu unklar und unbestimmt ist.

    Nach alledem war der Berufung der Erfolg zu versagen.

    Nebenentscheidungen: §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.