Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 27.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143332

    Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 21.10.2014 – 10 U 70/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Geschäftsnummer: 10 U 70/14
    3 O 90/13 Landgericht Ulm
    Verkündet am 21. Oktober 2014

    Oberlandesgericht Stuttgart
    10. Zivilsenat

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    Im Rechtsstreit XXX

    wegen Auskunft u.a.

    hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 07. Oktober 2014 unter Mitwirkung von XXX
    für Recht erkannt:

    1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Ulm vom 17.03.2014, Az. 3 O 90/13, wird zurückgewiesen.

    2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Berufungsstreitwert: 1.000,00 €

    Gründe

    I.

    Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Architektenhonorar geltend und verlangt dabei in der ersten Stufe Auskunft über die anrechenbaren Kosten.

    Er war als Architekt für die Beklagte beim Umbau des Postgebäudes in der Straße in X zur Hochschule für X tätig. Das ursprüngliche, im Vertrag vom 05.10.2007 vereinbarte, auf anrechenbaren Kosten von 800.000,00 € beruhende Honorar erhöhten die Parteien durch eine weitere Vereinbarung vom 13.08.2008 auf Basis einer angenommenen Baukostenerhöhung auf 1.500.000 € anrechenbare Kosten (Anl. B 2). Das auf dieser Vereinbarung basierende Pauschalhonorar gemäß Schlussrechnung vom 21.10.2009 in Höhe von 70.647,21 € ist vollständig bezahlt.

    Das Landgericht gab dem Auskunftsbegehren des Klägers im Wesentlichen statt. Da der Kläger nur teilweise mit der Kostenermittlung befasst gewesen sei, insbesondere die Angebote und Rechnungen nicht in Händen gehabt habe, könne er selbst die anrechenbaren Kosten nicht feststellen. Die seitens der Beklagten überreichte Zusammenstellung der Gesamtkosten vom 18.10.2012 genüge schon deshalb nicht, weil der Kläger die anrechenbaren Kosten getrennt für Umbau und Erweiterung zu Grunde zu legen habe.

    Ein in der Vereinbarung vom 13.08.2008 liegender Teilverzicht sei wegen § 4 Abs. 4 HOAI a.F. nicht wirksam. Auch eine Bindung des Klägers an seine Schlussrechnung bestehe nicht.

    Wie der Auskunftsanspruch im Einzelnen erfüllt werde, sei letztlich ins Belieben der Beklagten gestellt (Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen oder auf andere Weise).

    Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie vorbringt, es fehle bereits an der schlüssigen Darlegung, dass ein Leistungsanspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in Betracht komme. Es sei nicht ersichtlich, weshalb das vereinbarte Pauschalhonorar zu einer Mindestsatzunterschreitung führen solle.

    Aus der Anl. B 2 (Vereinbarung über Honorarerhöhung vom 13.08.2008, Bl. 77 d. A.) gehe hervor, dass der Kläger Kenntnis von der Höhe der anrechenbaren Kosten habe.

    Die Auskunftserteilung sei der Beklagten auch nicht unschwer möglich. Für die notwendige Differenzierung zwischen den einzelnen Objekten sei die Zuziehung eines Sachverständigen notwendig, welcher nachträglich anhand der Pläne und des Objekts eine Zuordnung der bislang nicht entsprechend aufgeteilten Kosten vorzunehmen habe. Es genüge nicht, lediglich die vom Kläger angeforderten Unterlagen vorzulegen, da diese keine Informationen enthielten, die über die bereits erteilten Auskünfte hinausgingen.

    Schließlich übergehe das Landgericht, dass die Beklagte einen möglicherweise bestehenden Auskunftsanspruch bereits erfüllt habe in Form der Zusammenstellung der Gesamtkosten vom 18.10.2012 (Anl. K 5).

    Hilfsweise sei der Kläger nach Treu und Glauben an die getroffene Pauschalhonorarvereinbarung und die darauf gründende Schlussrechnung gebunden. Die abschließende Honorarberechnung in Kenntnis einer veränderten Kostensituation reiche aus, um eine Bindung des Architekten zu bejahen. Erst recht gelte dies, wenn die Nachforderung Jahre nach dem vollständigen Rechnungsausgleich erhoben werde. Hinzu komme der Umstand, dass die Beklagte eine Mehrvergütung des Klägers nicht mehr nachträglich an ihre Kunden weiterreichen könne.

    Zudem habe der Kläger auf etwaige weitere Vergütungsansprüche wirksam verzichtet. Die Vereinbarung vom 13.08.2008 (Anl. B 2) stelle eine Vereinbarung zum Anspruchsgrund dar. Selbst wenn eine Mindestsatzunterschreitung vorläge, wäre diese Vereinbarung mit der Schlussrechnung und deren Bezahlung nach Bauausführung bestätigt worden. Nach Ausführung seien Vereinbarungen unterhalb des HOAI-Mindestsatzes ohne Weiteres zulässig.

    Dem entsprechend beantragt die Beklagte:

    Das Teilurteil des Landgerichts Ulm vom 17.03.2014 - 3 O 90/13 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

    Dem gegenüber begehrt der Kläger

    die Zurückweisung der Berufung.

    Er lässt vorbringen, die Mindestsatzunterschreitung sei offenbar.

    Der Kläger könne die anrechenbaren Kosten nicht selbst bestimmen, da ihm die Leistungsphase 7 nicht übertragen worden sei. Die Ausschreibung bzw. die Leistungsverzeichnisse seien nur zum Teil von ihm gefertigt worden (Anl. K 14). Er habe auch die Rechnungen nicht zu prüfen gehabt, sodass sie ihm gar nicht zugeleitet worden seien.

    Die Vereinbarung eines die Mindestsätze unterschreitenden Teilverzichts sei nach HOAI unwirksam. Anlässlich der Erhöhungsvereinbarung (Anl. B 2) habe der Kläger keinerlei Verzichtswillen gehabt; vielmehr sei er von der Beklagtenseite zur Unterschrift gedrängt worden, indem er vor die Alternative gestellt worden sei, den Betrag zu akzeptieren oder seitens der Beklagten keine Unterschrift zu erhalten. Das Stellen der Rechnung sei keine Willenserklärung im Sinne einer Bestätigung.

    Da der Tenor der landgerichtlichen Entscheidung die Beklagte nicht verpflichte, die jeweiligen Rechnungen differenziert nach Umbau, Erweiterung durch Anbau und sonstige Erweiterung aufzuschlüsseln, sei die Auskunftserteilung unschwer möglich.

    Die Beklagte habe die geschuldete Auskunft noch nicht erfüllt. Ohne Einsicht in die jeweiligen Rechnungen reiche das Aufstellen der Gesamtkosten nicht aus.

    II.

    Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist die für eine Berufung gemäß § 511 Abs. 2 ZPO notwendige Beschwer erreicht.

    Das Berufungsgericht legt zwar nicht den von der Beklagten vorgeschlagenen Wert des Auskunftsverlangens in Höhe von 8.000 € zugrunde. Denn dieser basiert auf der Annahme, dass entsprechende Kosten für die Durchführung des Auskunftsverlangens mithilfe eines Sachverständigen entstünden. Die erstinstanzliche Verurteilung verlangt jedoch keine sachverständige Aufarbeitung der anrechenbaren Kosten; vielmehr genügt die Beklagte dem Auskunftsverlangen, wenn sie dem Kläger diejenigen Unterlagen vorlegt, mittels derer er in die Lage versetzt wird, selbst die anrechenbaren Kosten zu bestimmen. Der Senat schätzt den damit verbundenen Zeit- und Kostenaufwand auf 1.000 €.

    Inhaltlich begründet ist die Berufung allerdings nicht.

    1. Zutreffend ging das erstinstanzliche Gericht davon aus, dass einem Architekten gegenüber seinem Bauherrn ein Auskunftsanspruch über die Höhe der anrechenbaren Kosten zusteht, wenn der Architekt diese nicht ohne Mitwirkung des Bauherrn ermitteln kann. Der Auftraggeber hat dem Architekten in einem solchen Falle im Rahmen des Zumutbaren sämtliche Auskünfte zu geben oder die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, die für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten erforderlich sind (BGH BauR 95, 126).

    a) Dass der Kläger vorliegend nicht in der Lage ist, die anrechenbaren Kosten selbst zu ermitteln, folgt aus seiner eingeschränkten Beauftragung. Ihm wurden die Leistungsphasen 1 bis 9 nicht vollständig übertragen, vielmehr wurde er ausweislich des Vertrages vom 05.10.2007 (Anl. K 1, Bl. 5 ff. d. A.) mit den Leistungsphasen 1 bis 5 vollständig betraut; bei der Leistungsphase 6 hatte er nur 5 von 10 % zu erbringen; die Leistungsphase 7 gehörte gar nicht zu seinen Verpflichtungen; bei den Leistungsphasen 8 und 9 waren lediglich 17 von 34 % geschuldet.

    Nach § 10 Abs. 2 HOAI (2002) müssen die Leistungsphasen 1 bis 4 nach der Kostenberechnung, die Leistungsphasen 5 bis 7 nach dem Kostenanschlag und die Leistungsphasen 8 bis 9 nach der Kostenfeststellung abgerechnet werden.

    Zwar müsste die Erstellung der Kostenberechnung, welche in die vollumfänglich beauftragte Leistungsphase 3 fällt, dem Kläger an sich möglich sein, so dass er Leistungsphasen 1 bis 4 abrechnen können müsste.

    Da der Kläger jedoch bei der Leistungsphase 7 nicht mitwirkte, schuldete er die Erbringung des in die Leistungsphase 7 fallenden Kostenanschlags nicht. Aufgrund der eingeschränkten Beauftragung mit Leistungsphase 8 und 9 hatte er auch keine Kostenfeststellung zu erbringen. Insofern trägt der Kläger unwidersprochen vor, dass die Rechnungsprüfung nicht seine Aufgabe gewesen sei, die Rechnungen vielmehr direkt an den Bauherrn gegangen seien. Mangels Kenntnis der zu Grunde liegenden Zahlen kann der Kläger daher weder Kostenanschlag noch Kostenfeststellung zuverlässig ermitteln. Er ist diesbezüglich auf die Mitwirkung der Beklagten als Bauherrin angewiesen.

    b) Erschwert wird die Abrechnung nach HOAI im vorliegenden Fall noch dadurch, dass unstreitig sowohl bestehende Gebäude umgebaut wurden als auch eine Erweiterung durch Aufstockung und Anbau vorgenommen wurde. Nach § 23 HOAI a. F. sind die Honorare bei gleichzeitiger Durchführung von Umbauten und Erweiterungsbauten (hierzu zählen gemäß § 3 Nr. 4 HOAI a. F. Anbauten und Aufstockungen) am selben Gebäude getrennt zu berechnen, was eine Zuordnung der anrechenbaren Kosten zu den jeweiligen Baumaßnahmen voraussetzt. Sind verschiedene Gebäude betroffen, hat ohnehin eine getrennte Abrechnung zu erfolgen. Voraussetzung der getrennten Berechnung gemäß § 23 HOAI a. F. ist, dass die einzelnen Baumaßnahmen von einander trennbar sind, was vorliegend zu bejahen ist, da eine räumliche Trennung der Gebäudeaufstockung vom Umbau der bestehenden Stockwerke bzw. vom angebauten Eingangsbereich/Aufzug möglich ist. Die Trennung nach Umbau und Erweiterung ist auch deshalb von Bedeutung, da lediglich für den den Umbau betreffenden Auftragsteil gemäß § 24 HOAI a. F ein Umbauzuschlag in Betracht kommt.

    Unter Zugrundelegung der Vorschriften der §§ 23, 24 HOAI a. F. ist festzuhalten, dass der Ankunftsanspruch nicht bereits erfüllt ist. Zwar hat die Beklagte dem Kläger umfangreiche Aufstellungen zur Verfügung gestellt. So hat sie am 18.10.2012 eine Zusammenstellung der Gesamtkosten (Bl. 28 ff. d.A.) erstellt, ebenso erfolgte bereits eine Preisübersicht über die Angebote vom 09.04.2009 (Bl. 35 d.A.). In der Aufstellung sind die einzelnen Gewerke getrennt aufgeführt; unter Angabe des jeweiligen Unternehmensnamens sind Rechnungsdaten und Rechnungsbeträge wiedergegeben. Allerdings lässt sich hieraus die für eine nach HOAI korrekte Abrechnung notwendige Differenzierung zwischen Erweiterung und Umbau nicht entnehmen. Mithin muss festgestellt werden, dass der Kläger durch die ihm mitgeteilten Daten nicht in die Lage versetzt wird, die für eine HOAI-gemäße Abrechnung erforderlichen anrechenbaren Kosten zu bestimmen.

    Auch der Vortrag der Beklagten, dem Kläger seien die anrechenbaren Kosten schon bekannt, was sich der Honorarvereinbarung (Anl. B 2, Bl. 77 d. A.) entnehmen lasse, ist schon deshalb nicht zutreffend, weil dort pauschal „Baukosten“ von 1.500.000 € angenommen werden, die notwendige Differenzierung nach § 23 HOAI a. F. aber fehlt. Zudem wurde die Vereinbarung vor Beendigung der Arbeiten getroffen, so dass die Kostenfeststellung anhand der tatsächlich anfallenden Rechnungsbeträge noch gar nicht möglich war.

    c) Die Beklagte kann nicht darauf verweisen, die Auskunftserteilung sei ihr nur unter unzumutbaren Anstrengungen möglich.

    Sicherlich ist von der Beklagten nicht zu erwarten, dass sie unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen mit den entsprechenden Kosten die einzelnen Rechnungen und die darin aufgeführten Arbeiten den unterschiedlichen Auftragsteilen zuordnet. Die Beklagte kann jedoch in zumutbarer, da mit überschaubarem Zeit- und Kostenaufwand verbundener Weise ihrem Auskunftsanspruch dadurch gerecht werden, dass sie den Kläger Einsicht nehmen lässt in die entsprechenden Rechnungen, Angebote und Pläne, die für die Zuordnung notwendig sind. Es obliegt dann dem Kläger, hieraus die anrechenbaren Kosten zu ermitteln.

    2. Ein Auskunftsanspruch des Klägers entfällt auch nicht deshalb, weil er an das vereinbarte Pauschalhonorar gebunden wäre und deshalb von vornherein feststünde, dass ein über das geleistete Pauschalhonorar hinausgehender Zahlungsanspruch des Klägers nicht gegeben, mithin der in zweiter Stufe geltend gemachte Leistungsanspruch von vornherein ausgeschlossen wäre.

    a) Das von den Parteien vereinbarte Pauschalhonorar ist wegen unzulässiger Unterschreitung der Mindestsätze gemäß § 4 HOAI a. F. nicht wirksam vereinbart. Geschuldet ist deshalb der Mindestsatz nach HOAI.

    Nach Auffassung der Beklagten - Aufstellung vom 09.04.2009, Bl. 34 d. A. - betragen die reinen Baukosten 1.698.389,18 € (netto). Dass diese Summe in der Aufstellung vom 16.10.2012 (Bl. 28 d. A.) niedriger ausfällt, ist darauf zurückzuführen, dass dort der Zuschuss in Höhe von 175.000 €, den die Beklagte vom Studentenwerk erhielt, fälschlicherweise in Abzug gebracht worden war. Dieser bezog sich jedoch unstreitig allein auf die Grundstückskosten, nicht die reinen Baukosten.

    Bei Zugrundelegung der von der Beklagten für richtig gehaltenen Honorarzone III und anrechenbaren Kosten von gerundet 1.700.000 € ergäben sich hieraus Honoraransprüche für die Vollarchitektur von 100 % in Höhe von 128.350,60 €, für die reduzierte Beauftragung des Klägers in Höhe von 74 % von 94.979,44 €. Bereits der nicht um die Umsatzsteuer erhöhte Betrag übersteigt damit die tatsächlich bezahlte Pauschalsumme (70.647,21 €).

    Würde dagegen - wie in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2014 beklagtenseits ausgeführt - von einer Kostenberechnung mit 800.000 € und einem Kostenanschlag mit 1.268.000 € ausgegangen, ergäbe sich folgender Honoraranspruch:

    für die Leistungsphasen I bis IV: 27% aus 65.213 € = 17.607,51 €
    für die Leistungsphasen V bis VII: 30% aus 98.019,46 € = 29.405,84 €
    für die Leistungsphasen VIII und IX: 17% aus 128.350,60 € = 21.818,60 €,

    in der Summe 68.832,95 €. Nach Erhöhung um die Umsatzsteuer läge der Betrag mit 81.911,21 € ebenfalls deutlich über der bezahlten Pauschalsumme in Höhe von 70.647,21 €.

    Dabei sind mögliche Umbauzuschläge noch ebenso wenig berücksichtigt wie die sich bei getrennter Abrechnung wegen der Degression der Honorartabelle ergebende Honorarerhöhung. Außen vor bleibt auch der Vortrag des Klägers, es komme Honorarzone IV zur Anwendung.

    b) Die Beklagte kann sich nicht auf einen Honorarverzicht des Klägers in Form der Anl. B 2 (Bl. 77 d.A.) berufen. Hier vereinbarten die Parteien auf Basis einer „Baukostenerhöhung auf 1,5 Mio. €“ ein weiteres Honorar von 35.000,00 € brutto und legten ausdrücklich fest, dass „weitere Honorarerhöhungen nicht mehr gestellt“ werden.

    Einem Architekten sind allerdings nach der HOAI Verzichte auf ihm zustehendes Honorar nicht möglich, insoweit dadurch der Mindestsatz unzulässigerweise unterschritten wird. Vergleiche der Parteien eines Architektenvertrages über das Honorar sind, solange die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind, nur im preisrechtlichen Rahmen der HOAI möglich. Bei Abschluss der Vereinbarung Anl. B 2 am 13.08.2008 waren unstreitig die Arbeiten des Klägers noch nicht abgeschlossen. Ein hierin vereinbarter Verzicht ist daher rechtlich nicht zulässig. Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.03.1996, VII ZR 75/95: Dort wurde ein nachträglich erklärter Totalverzicht für zulässig erklärt, weil die Verzichtsvereinbarung als actus contrarius der vertraglichen Anspruchsbegründung unmittelbar nur den von der HOAI nicht erfassten Anspruchsgrund betreffe. Der Bundesgerichtshof hielt seine Rechtsprechung zur Beschränkung der Vertragsfreiheit hinsichtlich der Honorarhöhe jedoch ausdrücklich aufrecht. Im Zeitraum zwischen Auftragserteilung und Abschluss der Architektentätigkeit sind nach dem Regelungszweck des § 4 Abs. 4 HOAI a. F. daher sämtliche Vertragsänderungen ausgeschlossen, die nur die Höhe des Honorars für einen noch nicht erledigten Auftrag betreffen. Der Kläger war demzufolge nicht befugt, sich auf einen Teilverzicht, der zu einem unterhalb der verbindlichen Mindestsätze liegenden Pauschalhonorar führt, einzulassen.

    c) Honorarnachforderungen des Klägers sind auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er an die unwirksame Pauschalvereinbarung gebunden wäre.

    Ein Architekt kann ausnahmsweise an eine unwirksame Honorarvereinbarung gebunden sein, wenn die weitere Geltendmachung von darüber hinausgehenden Honorarforderungen treuwidrig im Sinne von § 242 BGB ist. Ein Architekt, welcher zunächst unterhalb der Mindestsätze seine Arbeiten zusagt, später aber nach den Mindestsätzen abrechnen will, verhält sich widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einer Abrechnung nach Mindestsätzen entgegen, sofern der Auftraggeber sich auf die Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages nicht zugemutet werden kann, und er auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und auch vertrauen durfte (BGH BauR 2000, 1512).

    Es bestehen bereits Zweifel, ob die Beklagte auf die Wirksamkeit der Honorarabrede vertrauen durfte. Da es sich bei der Beklagten um eine im Siedlungs- und Wohnungsbau unternehmerisch tätige Auftraggeberin handelt, darf die Kenntnis des Mindestpreischarakters der HOAI erwartet werden. Wer um die Unzulässigkeit der Honorarunterschreitung weiß, ist in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit einer die Mindestsätze nicht erreichenden Honorarabrede in der Regel nicht schützenswert.

    In jedem Fall reicht der Vortrag der Beklagten, sie könne die Kosten nicht weiterreichen, nicht aus, um das Merkmal des Sich-Einrichtens auf die Honorarvereinbarung substantiiert darzulegen.

    Darüber hinaus ist auch die Unzumutbarkeit der Zahlung des Differenzbetrags nicht genügend dargetan. Bei einer geschätzten Größenordnung des bei Abrechnung nach Mindestsätzen noch geschuldeten Differenzbetrags zwischen ca. 20.000 € und 80.000 € ist nicht ersichtlich, dass eine Nachzahlung die Beklagte, deren wirtschaftliche Situation im Einzelnen nicht bekannt ist, unzumutbar hart träfe. Dies gilt vor allem, wenn der Differenzbetrag in Relation zu den Gesamtkosten des Bauvorhabens von nach Angaben der Beklagten ca. 2.000.000 € gesetzt wird.

    d) Im Stellen der Schlussrechnung über den vereinbarten Pauschalbetrag liegt auch kein konkludent erklärter Honorarverzicht. Regelmäßig kann das Stellen einer Rechnung ohne weitere Anhaltspunkte nicht als Verzichtserklärung auf nicht abgerechnete, aber noch geschuldete Beträge ausgelegt werden (BGHZ 120, 133).

    Eine Nachforderung des Architekten nach erteilter Schlussrechnung kann im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen, was sich allerdings noch nicht aus der Erteilung einer Schlussrechnung für sich genommen, sondern nur aus einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen ergeben kann.

    Wird eine Schlussrechnung erteilt, kann der Auftraggeber regelmäßig davon ausgehend, dass in ihr die Leistungen abschließend berechnet sind. Allerdings ist nicht jedes dahingehende Vertrauen schutzwürdig. Es müssen deshalb in jedem Einzelfall die Interessen des Architekten und die des Auftraggebers umfassend geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Da die vorliegende Schlussrechnung eine nach HOAI unzulässige Mindestsatzunterschreitung beinhaltet und die Beklagte als professionell im Wohnungsbau tätiges Unternehmen die Grundsätze der HOAI kennen muss, ist ihr Vertrauen auf die Endgültigkeit der erteilten Schlussrechnung nicht schützenswert.

    Weil es sich um eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung handelt, kann der Hinweis der Beklagten auf eine Entscheidung des OLG München vom 29.06.12, 9 U 1410/12, in welcher eine Bindung an die Schlussrechnung angenommen wurde, nicht verfangen. Dort wurde entschieden, dass wegen des Gesamtverhaltens des Architekten (nämlich r„abschließende Honorarberechnung mit Schlussrechnung in Kenntnis der veränderten Kostensituation, verbindliche Vereinbarung über die Bezahlung des Restbetrages aus der Schlussrechnung, völlig überraschende Stornierung der Schlussrechnung unmittelbar nach Zahlungseingang“) eine Nachzahlung nicht zugemutet werden könne. Der Unterschied zu dem hier zu entscheidenden Sachverhalt liegt vor allem darin begründet, dass die Parteien in der Münchener Entscheidung nach Erteilung der Schlussrechnung noch eine weitere Zahlungsabrede über den Schlussrechnungsbetrag getroffen hatten, an die sich der Auftraggeber gehalten hatte.

    III.

    Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, Art. 26 Nr. 8 EGZPO.