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  • 18.11.2019 · IWW-Abrufnummer 212302

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 30.09.2019 – 29 U 93/18

    1. Zu den Aufgaben eines Architekten, der zumindest mit Leistungen entsprechend den Leistungsphasen 1-4 der HOAI beauftragt ist, gehört die Klärung der Frage, ob auf dem Baugrundstück ggf. hinderliche Telekommunikationsleitungen liegen.

    2. Ein Bauherr, der vor längerer Zeit die Verlegung dieser Leitung über das Baugrundstück gestattet hat, ist im eigenen Interesse gehalten, dies aktenmäßig zu dokumentieren und anlässlich einer späteren Bebauung den Baubeteiligten offenzulegen. Ein diesbezügliches Versäumnis kann die Haftung des Architekten ggf. wegen weit überwiegenden Mitverschuldens ausschließen.

    3. Ein Grundurteil darf die Mitverschuldensfrage nicht ausklammern, wenn sich der Haftungsgrund und das Mitverschulden nicht sinnvoll getrennt beurteilen lassen oder wenn ein völliger Haftungsausschluss wegen überwiegenden Mitverschuldens ernsthaft in Betracht kommt.


    OLG Frankfurt 29. Zivilsenat

    30.09.2019


    vorgehend LG Frankfurt am Main , 30. Mai 2018, 2-32 O 87/14, Urteil

    Tenor

    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. 05. 2018 verkündete Grundurteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen der Beklagten zu tragen. Die Streithelferinnen der Klägerin haben ihre außergerichtlichen Kosten beider Instanzen selbst zu tragen.

    Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    A.

    Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht der Fa. A - Immobilien GmbH & Co. KG (nachfolgend: Fa. A) Schadensersatz wegen Bauzeitverlängerung aus einem zwischen der Fa. A und der Beklagten geschlossenen Architektenvertrag vom 30.03.2012.

    Die Klägerin war Bauherrin eines Logistikparks, des sog. L-Parks, und Eigentümerin des Baugrundstücks in der L-Straße in Stadt1. Sie beauftragte die Fa. A mit Vertrag vom 24.01.2012 (Anlage K 1 im „Anlagenband Klägerseite“) mit der Konzeptionsentwicklung, Architektenplanung, Planung der technischen Ausrüstung, Statik, Ausschreibung, Projektmanagement und Vermietung des ersten Bauabschnitts. Die Fa. A vergab ihrerseits die Planungsleistungen an die Beklagte. Wegen des Inhalts des zwischen der Fa. A und der Beklagten am 30.03.2012 geschlossenen Architektenvertrags wird auf Anlage K2 (im „Anlagenband Klägerseite“) Bezug genommen. Mit der Projektsteuerung wurde die B GmbH seitens der Fa. A unterbeauftragt. Mit ihr - der B GmbH - hatte die Beklagte gemäß § 10 Ziff. 2 des Architektenvertrags vom 30.03.2012 ihre Planungsleistungen umfassend abzustimmen.

    Das Grundstück liegt im Bereich des Bebauungsplans „Krebsschere“ vom 01.12.2003, der eine Umwidmung landwirtschaftlich genutzter Fläche in Baufläche zum Gegenstand hatte. Es war vor der Baumaßnahme mit Getreide bepflanzt. Quer über das Grundstück führte ein Feldweg, unter welchem bei Beauftragung der Beklagten im Jahr 2012 eine Haupttelekommunikationsleitung zur Anbindung des Stadtgebiets Stadt1 an das Telefonnetz der F1 AG verlief. Diese Trasse war 1997 mit Genehmigung der Klägerin verlegt, in den ersten Entwurfsfassungen zum Bebauungsplan verzeichnet, in die beschlossene Fassung des Bebauungsplans „Krebsschere“ aber nicht mehr aufgenommen worden. Dort heißt es in Ziffer 5.5 (Anlage B2 im „Anlagenband Beklagtenseite“): „Die Verlegung von Versorgungsleitungen, insbesondere von Telefonleitungen, darf im gesamten Geltungsbereich nur unterirdisch erfolgen.“

    Mit Schreiben vom 04.01.2012 (Anlage B4 im „Anlagenband Beklagtenseite“) bat die Beklagte die Fa. A, ihr verschiedene, für die weitere Planung erforderliche Grund- und Unterlagen, insbesondere Höhenpläne für Gelände, Straßen und Kanäle, zu beschaffen. Auf diese Anfrage übersandten die Stadtwerke Stadt1 - vermittelt über den zusätzlich eingeschalteten Projektsteuerer B - der Beklagten am 17.01.2012 die Planauszüge der Versorgungsnetze für den Baubereich und ferner den Kanalplan der Klägerin. Außerdem wurden durch die Stadtwerke Stadt1 in einen auf den 12.01.2012 datierenden Lageplan - auf entsprechende Anfrage seitens der Beklagten - die Erschließungstrassen für Medien, Wasser, Strom etc. eingezeichnet. Die quer über das Baufeld verlaufende Telekommunikationsleitung fand dabei keine Erwähnung.

    Am 13.07.2012 beauftragte die Klägerin die G Neubau L-Parks Stadt1 (nachfolgend: G), die Streithelferin zu 1. auf Klägerseite, als Generalunternehmerin mit der schlüsselfertigen Errichtung des Bauvorhabens. Gesellschafter der G waren die H GmbH & Co. KG, die Streithelferin zu 2. auf Klägerseite, und die M AG, die Streithelferin zu 3. auf Klägerseite. Auf Anfrage der G vom 07.08.2012 gegenüber der F1 AG informierte diese am 17.08.2012 über die quer über das Baufeld verlaufende Telekommunikationsleitung und untersagte mit E-Mail vom 21.08.2012 Tiefbauarbeiten auf dem Baufeld. Daraufhin zeigte die G die Behinderung ihrer Arbeiten bei der Klägerin an.

    Mit E-Mail-Schreiben vom 24.08.2012, 10:47 Uhr, teilte Herr C von B Herrn D von den Stadtwerken der Klägerin mit, die Leitungen lägen nach Auskunft der F seit 1997 in dieser Trasse. Für die F sei nicht erkennbar, wieso die Klägerin, die seinerzeit am Trassenprozess beteiligt gewesen sei und die Trasse genehmigt habe, diese Information nicht dokumentiert bzw. an die Baubeteiligten kommuniziert habe.

    Gemäß Beweisbeschluss vom 26.04.2016 (BI. 437 ff. d. A.) hat das Landgericht ein schriftliches Sachverständigengutachten zu den berufstypischen Sorgfaltspflichten in Bezug auf Erkundigungen über unterirdische Telefonkabel eingeholt. Die Sachverständige E hat die Beweisfrage in ihrem Gutachten vom 18.07.2017 (hintere Aktenlasche Band III) differenzierend beantwortet und dabei verschiedentlich vermerkt, dass Rechtsfragen berührt seien.

    Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Sach- und Streitstands einschließlich durchgeführter Zeugenvernehmungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

    Das Landgericht hat den Klageantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

    Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie rügt, das Landgericht habe sich nicht hinreichend mit den Leistungsanforderungen auseinandergesetzt, die an einen Architekten, der nur für die Baugenehmigung zu sorgen habe, zu stellen seien. Es habe sich mit der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 24.10.1996 - VII ZR 283/95, BauR 1997, 154, in Widerspruch gesetzt; danach beschreibe die HOAI einen Preistatbestand, normiere aber nicht die Leistungspflicht. Die Beklagte habe aber keine Pflicht zur Erkundung von Bauhindernissen im Baugrund, insbesondere keine Pflicht zur Erkundung der F-leitung, übernommen. Diese sei - unstreitig - in keinem Register geführt und nur der Klägerin selbst bekannt gewesen. Die Klägerin hätte aber zwingend ihr Wissen um die F-leitung auf ihrem Baugrundstück schon bei Vertragsabschluss mit der Fa. A mitteilen müssen, denn nur sie habe Kenntnis davon gehabt, dass sie der F gestattet habe, auf ihrem Privatgrundstück - entlang des Feldweges - eine –F-leitung zur Anbindung des Stadtgebiets von Stadt1 zu verlegen. Wenn Grundstückseigentümer des Baugrundstücks eine Privatperson wäre, bestünden wohl keinerlei Zweifel, dass dieser Bauherr eine Offenbarungspflicht für die verlegte F-Leitung auf seinem Baugrundstück habe. Für die Klägerin habe Gleiches zu gelten. Den handelnden Organen der Klägerin müsse das Wissen ihrer Verwaltung generell zugerechnet werden. Zudem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Ausführungsplanung und die Bauüberwachung nur der Fa. A oblegen hätten, an die Beklagte aber nicht (unter-)beauftragt worden seien. Der seitens der Beklagten nach § 631 BGB geschuldete Leistungserfolg (Architektenleistungen, „die zur Erteilung einer Baugenehmigung für die in § 1 genannte Bauaufgabe erforderlich sind“), sei mit Erteilung der Baugenehmigung eingetreten und mangelfrei erfüllt worden. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der in Leistungsphase 1 vertraglich geschuldeten Grundleistungen sei fehlerhaft. „Klären der Aufgabenstellung“ gemäß Anlage 11 HOAI Leistungsphase 1a heiße im Hinblick auf die Aufgabenstellung: „Beschaffung der Baugenehmigung“. Die Erkundung von F-leitungen gehöre nicht hierher, weil sie für die Baugenehmigung keine Relevanz habe. Diese Aufgabe sei vielmehr bei der Fa. A verblieben. Jedenfalls gehöre aber die Erkundung von F-leitungen nicht zur „Klärung der Aufgabenstellung“. Zu Unrecht habe das Landgericht darauf abgestellt, ob der Feldweg öffentlich gewidmet gewesen sei; das sei nicht der Fall gewesen. Anlass zur Nachfrage bei der F habe schon deshalb nicht bestanden, weil das Telefonleitungsmonopol der F 1998 gefallen sei. Schließlich habe das Landgericht das im Falle des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach zu prüfende Mitverschulden nicht ins Betragsverfahren verweisen dürfen. Denn es liege ein grobes Versagen der Klägerin, darin, dass

    • sie die Verlegung der Haupttrasse der F-leitung weder durch Grunddienstbarkeit, Baulast oder in sonst geeigneter Form erfasst habe;

    • sie vergessen habe, die in den ersten Entwurfsfassungen zum Bebauungsplan „Krebsschere“ verzeichnete F-leitung in die beschlossene Fassung aufzunehmen;

    • sich schließlich auch nicht nach Erhalt des Schreibens vom 01.04.2012 der Beklagten an die F-leitung erinnert habe.

    Die Beklagte beantragt,

    unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin und ihre Streithelferinnen zu 1. - 3. beantragen,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigen das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

    B.

    Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Grundurteil war unzulässig, weil die Prüfung des Mitverschuldens hier nicht dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben konnte (nachfolgend I.). Der Senat hat die Sache, wie dies in der Berufungsverhandlung erörtert worden ist, auch zur Prüfung des Mitverschuldens an sich gezogen mit dem Ergebnis, dass die Klage wegen eines die Haftung der Beklagten ausschließenden, weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin abzuweisen war (nachfolgend II.).

    I.

    Das Landgericht hat verfahrensfehlerhaft ein Grundurteil erlassen und die Prüfung des von der Beklagten erhobenen Mitverschuldenseinwands dem Betragsverfahren vorbehalten.

    1. Wenn die Möglichkeit besteht, dass die Berücksichtigung des mitwirkenden Verschuldens zum völligen Ausschluss der Haftung führt, muss darüber im Grundverfahren entschieden werden (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.1951 - III ZR 83/50, BGHZ 1, 34, juris Rn. 3 m. w. N.). Die Entscheidung über das Mitverschulden kann nur dann - ausnahmsweise - dem Nachverfahren vorbehalten werden, wenn das mitwirkende Verschulden des Geschädigten zweifellos nur zu einer Minderung, nicht aber zu einer Beseitigung der Schadenshaftung führen kann (vgl. BGH, ebd.; Urt. v. 25.03.1980 - VI ZR 61/79, BGHZ 76, 397, juris Rn. 10; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.04.2014 - 1 U 27/11, juris Rn. 83). Die Frage des mitwirkenden Verschuldens eines Klägers darf zudem dann nicht dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben, wenn sich der Einwand des Mitverschuldens nicht vom Grund der Haftung trennen lässt, weil sich beides aus einem einheitlich zu würdigenden Schadensereignis ableitet (vgl. BGH, Urt. v. 19.04.2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948, juris Rn. 11 m. w. N.).

    2. Beide Ausschlusstatbestände sind im vorliegenden Fall gegeben, sodass das Landgericht die Mitverschuldensfrage im Grundverfahren hätte klären müssen. Zu beantworten war die nicht sinnvoll aufzuspaltende Frage, wem die Erkundigungen bezüglich der die Bauarbeiten hindernden Telekommunikationsleitungen oblagen. Ein Haftungsausschluss wegen überwiegenden Mitverschuldens kam ernsthaft in Betracht.

    3. Der Senat hat die Prüfung der Mitverschuldensfrage entsprechend seiner Ankündigung in der mündlichen Verhandlung an sich gezogen und dadurch den Verfahrensfehler des Landgerichts gleichsam geheilt.

    II.

    Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte ist zwar dem Grunde nach gegenüber der Klägerin als Zessionarin (nachfolgend 1.) nach §§ 634 Nr. 4, 280 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, hat sie doch ihre Pflichten aus dem Architektenvertrag mit der Fa. A dadurch verletzt, dass sie sich bei der F nicht nach deren Leitungen erkundigt hat (nachfolgend 2.). Der Bauverzögerungsschaden aus der verspäteten Erkundung der F-Leitung beruht indessen auch darauf, dass die Klägerin ihr Wissen um diese mit ihrer Erlaubnis verlegte Leitung nicht ordnungsgemäß dokumentiert und nicht an die Baubeteiligten weitergegeben hat (nachfolgend 3.). Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ergibt, dass die Haftung der Beklagten ausgeschlossen ist (nachfolgend 4.).

    1. Die Anspruchsberechtigung der Klägerin aus abgetretenem Recht der Fa. A als Auftraggeberin der beklagten Architekten ist im Berufungsverfahren außer Streit. Es handelt sich um einen Fall zulässiger Drittschadensliquidation. Der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Pflichten stand der Fa. A zu, die als Generalplanerin die Beklagte mit Architektenleistungen (unter-)beauftragt hatte. Der streitgegenständliche Schaden ist nicht ihr, sondern der Klägerin als Bauherrin entstanden. Die Abtretung hat den Ersatzanspruch und den Schaden in der Person der Klägerin zusammengeführt.

    2. Zu Recht hat das Landgericht dem Grunde nach eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung von Planungspflichten aus dem Architektenvertrag angenommen. Ihm kann in der Würdigung beigepflichtet werden, die von der Beklagten zu vertretende Pflichtverletzung bestehe darin, das Vorhandensein von (nicht überbaubaren) Telekommunikationsleitungen nicht abgeklärt zu haben.

    a) Zutreffend hat das Landgericht die Pflicht zur Prüfung der Geeignetheit des Baugrunds der Objektplanung zugeordnet, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Prüfung der Leistungsphase 1 (Grundlagenermittlung) oder etwa der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) zuzuordnen ist. Zu den Hauptpflichten eines - wie die Beklagte - mit Leistungen entsprechend den Leistungsphasen 1 - 4 der HOAI beauftragten Architekten gehört es, die Eignung des Baugrundes für das Bauvorhaben zu prüfen und den Bauherrn entsprechend zu beraten (vgl. Korbion, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Aufl. 2016, § 34 Rn. 157). Dieser Prüfungspflicht genügt der Architekt nicht allein dadurch, dass er dem Bauherrn empfiehlt, ein entsprechendes Baugrundgutachten einzuholen (vgl. dazu Werner/Frechen in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl. 2018, Rn. 1986); sie erstreckt sich vielmehr auch auf im Baugrundstück liegende Kabel und Leitungen (vgl. Korbion, a. a. O.).

    Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht zur Bestimmung des von der Beklagten geschuldeten Leistungsumfangs die Leistungsbilder der HOAI herangezogen. Denn die Parteien des Architektenvertrags haben ausdrücklich im Vertrag auf die HOAI Bezug genommen und damit die in § 34 HOAI und in Anlage 10 zu § 34 HOAI beschriebenen Leistungen vertraglich in Bezug genommen und vereinbart. Dass sich der Pflichtenumfang der Beklagten auf die Genehmigungsplanung beschränkt habe und auch die Leistungsphasen 1 und 2 darauf beschränkt gewesen seien, für die Baugenehmigung zu sorgen, lässt sich dem Architektenvertrag vom 30.03.2012 (Anlage K 2) demgegenüber nicht entnehmen.

    b) Die Existenz einer Telekommunikationsleitung auf dem Baugrundstück lag nicht so fern, dass die Beklagte auf entsprechende Erkundigungen verzichten durfte. Das Gegenteil ist richtig.

    (1) Die Erklärung der Beklagten unter § 1 Nr. 1.1. des Architektenvertrags, dass ihr unter anderem die Verkehrs- und Erschließungssituation des Grundstücks bekannt sei, ist insoweit allerdings ohne Belang. Sie erstreckt sich nicht auf verborgene Telekommunikationsleitungen, die nicht gerade der Erschließung des Baugrundstücks dienen.

    (2) Der Feldweg, unter dem die Leitung verlegt war, stellte eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Fläche dar, was sich daraus ergibt, dass das an seinem Anfang aufgestellte Verkehrsschild 250 „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ mit dem Zusatzschild „Landwirtschaftlicher Verkehr frei“ versehen war (Fotografie Bl. 351 d. A.). Die Sachverständige hat mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung zutreffend ausgeführt, dass unter öffentlichen Straßen erfahrungsgemäß mit der Verlegung verschiedenster Leitungen gerechnet werden muss.

    (3) Hinzu kommt, dass der Bebauungsplan (Anlage B5) unter Z. 5.5 die unterirdische Verlegung von Versorgungsleitungen, insbesondere von Telefonleitungen, vorgab und dass benachbarte Grundstücke bereits bebaut waren.

    c) Traf die Beklagte danach eine Pflicht, sich über Telekommunikationsleitungen kundig zu machen, so genügte sie dieser nicht mit dem Schreiben an die Fa. A vom 04.01.2012. Dieses Schreiben bezieht sich seinem Wortlaut nach nicht auf unterirdische Telefonleitungen. Insoweit hat das Landgericht zutreffend auf die Auskunft der Stadtwerke Stadt1, mit welcher diese die Planauszüge der Versorgungsnetze der Stadtwerke und den Kanalplan vorlegte, verwiesen, aus der sich ergab, dass jeder Versorger nur Pläne seiner „eigenen" Leitungen führe.

    d) Der Streitfall gibt keinen Anlass zur Prüfung der Frage, ob die Beklagte auch noch andere Telekommunikationsunternehmen hätte befragen müssen. Die F1 AG ist zumindest ganz überwiegend Eigentümer und Betreiber der im Bundesgebiet verlegten Telekommunikationsleitungen. Wenn die Beklagte rechtzeitig dort angefragt hätte, wären die streitgegenständlichen Schäden vermieden worden. Die Haftung der Beklagten lässt sich deshalb im Ansatz mit dem Landgericht darauf stützen, dass die Beklagte auf eine Befragung der F1 AG verzichtet hat.

    3. Bei der Entstehung der streitgegenständlichen Schäden hat allerdings auch ein erhebliches Verschulden der Klägerin mitgewirkt (§ 254 Abs. 1 BGB). Das Mitverschulden der Klägerin ist jedenfalls nach § 242 BGB ungeachtet dessen zu berücksichtigen, dass nicht sie, sondern die Zedentin Fa. A Vertragspartner der Beklagten war.

    a) Für einen Mitverschuldensabzug kommt es entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nicht darauf an, ob der Geschädigte Rechtspflichten gegenüber dem Schädiger oder gegenüber Dritten verletzt hat; ausreichend ist vielmehr die Verletzung von Obliegenheiten, die dem Schutz der eigenen Interessen dienen und die der Geschädigte in Verfolgung dieser Interessen vernünftigerweise hätte beachten müssen (vgl. BGH NJW 2009, 582, 585). Angesichts dessen kann der Mitverschuldensabzug nicht mit der Begründung verneint werden, die Kommunen in Hessen seien weder zur Dokumentation von Telekommunikationsleitungen in Bebauungsplänen noch zum Führen eines ihr gesamtes Gebiet erfassenden Leitungskatasters verpflichtet.

    b) Das Mitverschulden der Klägerin ergibt sich daraus, dass sie ihr anlässlich der unstreitigen Gestattung der Leitungsverlegung erworbenes Wissen um die auf ihrem eigenen Grundstück verlegte Leitung nicht ordnungsgemäß dokumentiert und an die Baubeteiligten weitergegeben hat.

    (1) Der Senat vertritt insoweit nicht eine umfassende Dokumentations- und Informationspflicht einer Gemeinde für das gesamte Gemeindegebiet. Es geht im Streitfall vielmehr darum, ob der Bauherr ihm bekannte, sein Baugrundstück betreffende, dem Bauvorhaben potenziell hinderliche Umstände im eigenen Interesse den an dessen Realisierung Beteiligten zu offenbaren hat. Diese Frage ist nach Einschätzung des Senats ohne Weiteres zu bejahen.

    (2) Zu Unrecht meint die Klägerin zuletzt in der Berufungserwiderung, ihr habe das Wissen um die Telekommunikationsleitung auf ihrem Baugrundstück gefehlt. Dass diese Leitungstrasse in den Plänen der Stadtwerke Stadt1, die der Beklagten auf ihre Anforderung vom 04.01.2012 übersandt worden waren, keine Erwähnung fand, schließt ein Mitverschulden nicht aus. Einmal durch Organvertreter erworbenes Wissen der juristischen Person muss dieser aus Gründen des Verkehrsschutzes dauerhaft zugerechnet werden, wenn der Geschäftspartner damit rechnen kann, dass es „typischerweise aktenmäßig festgehalten“ wird (vgl. Staudinger/Schwennicke, BGB (2019), § 26 BGB, Rn. 132 mit zahlreichen Nachweisen aus der BGH-Rechtsprechung). Die von der Rechtsprechung entwickelte Lehre vom Organisationsmangel gilt nach § 89 BGB auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts (Palandt-Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 89 Rn. 4).

    Unstreitig waren die Entscheidungsträger der Klägerin im Jahr 1997 in die Verlegung der F-trasse dergestalt eingebunden, dass sie ihre Erlaubnis zur Nutzung des im Eigentum der Klägerin stehenden Privatgrundstücks durch die F1 AG erteilt haben. Angesichts der Länge und der Bedeutung des verlegten Kabels handelte es sich um einen wichtigen Vorgang, den jeder private Grundstückseigentümer anstelle der Klägerin aktenmäßig festgehalten hätte, um im etwaigen Fall einer späteren Bebauung auf diese verschriftlichte Information zurückgreifen zu können. Für die Klägerin als an die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung gebundene Kommune muss dies erst recht gelten, ohne dass es einer abschließenden Entscheidung bedarf, ob der Rechtsverkehr insofern gesteigerte Erwartungen hegen darf, wofür nach Ansicht des Senats viel spricht.

    Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile ergibt ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin, dass eine Haftung der Beklagten insgesamt ausgeschlossen ist. Der Beklagten fällt ein einfach fahrlässiges Erkundigungsversäumnis in Bezug auf einen ihr unbekannten Umstand zur Last. Die Klägerin muss sich demgegenüber zumindest so behandeln lassen, als sei ihr der das Bauvorhaben hindernde Umstand bekannt gewesen. Dass sie diese ihre Kenntnis an die Baubeteiligten nicht weitergegeben hat, wiegt ungleich schwerer und führt im Ergebnis dazu, dass sie die Verantwortung für die Verzögerungsschäden selbst tragen muss.

    III.

    Die Gewährung eines Schriftsatznachlasses an die Klägerin oder die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung waren nicht geboten. Der Senat hat in der Berufungsverhandlung keine Hinweise i. S. d. § 139 ZPO erteilt, sondern im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage seine vorläufige Einschätzung zu den ausgeschriebenen, zentralen Streitfragen des Rechtsstreits offenbart. Die Frage der Zulässigkeit eines Grundurteils ohne Mitverschuldensprüfung war in der Berufungsbegründung ausdrücklich angesprochen. Desungeachtet hat der Senat den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 24. 9. 2019 (Bl. 818 ff. d. A.), der keinen neuen Tatsachenvortrag enthielt, berücksichtigt.

    IV.

    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

    RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriften§ 254 BGB, § 634 Nr. 4 BGB, § 280 BGB, § 304 I ZPO