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  • 26.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145880

    Verwaltungsgericht Köln: Urteil vom 01.07.2015 – 16 K 6872/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Verwaltungsgericht Köln

    16 K 6872/14

    Tenor:

    Der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2014 wird aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Tatbestand

    2

    Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Zuwendungsmitteln wegen möglicher Vergaberechtsverstöße.

    3

    Die Klägerin ist im Bereich des Zuwendungsrechts tätig und setzt in treuhänderischer Mittelverwaltung das durch das Abgeordnetenhaus von Berlin verabschiedete „Arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm - Arbeitsplätze für Berlin“ (ARP) um. Im Dezember 2011 wurde die Klägerin durch die Beklagte mit der Durchführung des Projektes „H. “ auf der Basis des Operationellen Programms des Bundes beauftragt. Mit Zuwendungsbescheid vom 27. Dezember 2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin für das besagte Projekt eine nicht rückzahlbare Zuwendung in Höhe von bis zu 558.847,98 Euro aus Bundesmitteln und Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF), die als Projektförderung in Form der Anteilfinanzierung im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2014 gewährt wurde. Im Bescheid wurden die diesem beigefügten Allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest-P) für verbindlich erklärt. Unter dem Punkt „Allgemeine Nebenbestimmungen“ führte der Bescheid u.a. aus, dass als Vergabeart unter gewissen Voraussetzungen freihändige Vergaben zulässig seien. Dies seien „Verfahren, bei denen sich die Auftraggeber mit oder auch ohne Teilnahmewettbewerb grundsätzlich an mehrere Unternehmen wenden, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen zu verhandeln (vgl. § 3 VOL/A). Hierbei sollen grundsätzlich mindestens drei (Hervorhebung im Original) Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. (…) Bei einem Auftragswert über 5.000 Euro (…) sind schriftliche (s.o.) Angebote einzuholen.“ Zudem wurde festgestellt, dass ein Vergabevermerk gemäß § 20 VOL/A stets zu erstellen sei. Ferner findet sich unter dem genannten Punkt ein Passus zu Honorarzahlungen: „Aufträge, die auf Honorarbasis abgewickelt werden sollen, müssen nach Maßgabe der Vergabevorschriften (siehe ANBest-P Nr. 3) vergeben werden. Der Nachweis zur Markterkundung ist zu erbringen.“

    4

    Unter der Vergabe-Nr. 00-00 00/0000 führte die Klägerin daraufhin eine Freihändige Vergabe eines Auftrags für Veranstaltungsorganisation durch, die im März 2012 durch Abschluss eines Werkvertrags mit der Auftragnehmerin Frau B. T. abgeschlossen wurde. Die Klägerin, die über ein internes Qualitätsmanagements- und Beurteilungssystem für Leistungspartner verfügt, trat vorab per E-Mail vom 5. März 2012 an insgesamt drei selbständige Dienstleister heran und forderte diese zur Abgabe eines Angebots hinsichtlich des Auftrags: „Organisation von Netzwerkveranstaltungen für das Projekt ‚Joboption‘“ auf. Den drei angeschriebenen Dienstleistern wurde eine Frist zur Abgabe von Angeboten bis zum 9. März 2012 gesetzt. Mit Schreiben vom 8. März 2012 gab die letztlich erfolgreiche Bieterin – Frau T. – ihr Angebot in einer Kostenhöhe von insgesamt 6.000 Euro ab. Bereits mit E-Mail vom 6. März 2012 hatte die zweite angefragte Bieterin, Frau Z. G. , tätig im Bereich Kommunikationsdesign, abgesagt, da die Organisation von Veranstaltungen nicht zu ihrem Leistungsspektrum gehöre. Auch die dritte angefragte Bieterin, die J. Q. GmbH, hatte per E-Mail vom 7. März 2012 wegen zeitlicher Auslastung abgesagt. Der im Zuge der Vergabe angefertigte Vergabevermerk der Klägerin weist unter Ziff. 10 („Bieterliste“) jeweils ein Angebot und ein gewertetes Angebot aus. Unter Ziff. 11 („Vergabebegründung“) findet sich ein Verweis auf eine anliegende Liste zur Bewertung der Angebote, die alle drei angefragten Dienstleister nannte.

    5

    Die Zuwendung wurde seitens der Beklagten ausgezahlt.

    6

    Mit Schreiben vom 14. August 2014 hörte die Beklagte die Klägerin wegen möglicher Vergaberechtsverstöße im Zuge der Vergabe des obigen Auftrags zu einem teilweisen Widerruf des Zuwendungsbescheids an und nannte hierbei als Rechtsgrundlagen § 49 Abs. 3 Nr. 2 und § 49a Abs. 1 und 2 VwVfG. Die Klägerin antwortete auf dieses Anhörungsschreiben, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 8. September 2014 weiteren Klärungsbedarf geltend machte. Auch hierzu nahm die Klägerin im Folgenden Stellung.

    7

    Unter dem 6. Oktober 2014 erging der hier streitgegenständliche Bescheid der Beklagten, mit dem der Zuwendungsbescheid vom 27. Dezember 2011 teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit in Höhe von 1.200 Euro widerrufen und insoweit eine Erstattung geltend gemacht wurde. Die Höhe des Widerrufs- und Rückerstattungsbetrags beruhe auf der Anlegung einschlägiger Ermessensleitlinien der Europäischen Kommission. Der Bescheid wurde in tatsächlicher Hinsicht damit begründet, dass nur zwei der drei angefragten Dienstleister über ein einschlägiges Leistungsspektrum verfügt hätten; dass die Bieterin Frau G. von vornhinein nicht in Frage gekommen sei, hätte bei einer ordnungsgemäßen Markterkundung ersichtlich sein müssen. Außerdem seien effektiv nur zwei Bieter angefragt worden, da nach Absage von Frau G. keine weitere Anfrage an andere Dienstleister gestellt worden sei; auch nach der weiteren Absage der J. Q. GmbH habe ein „Ersatz-Bieter“ angefragt werden können. Da dies nicht geschehen sei, sei letztlich nur ein Angebot eingeholt worden. In rechtlicher Hinsicht führte die Beklagte aus, dass die Klägerin hierdurch eine Auflage des Zuwendungsbescheides nicht erfüllt habe. Durch die unzweckmäßige Anfrage an Frau G. seien nur zwei Anfragen an in Betracht kommende Bieter durchgeführt worden.

    8

    Nachdem die Klägerin Ende Oktober 2014 Widerspruch eingelegt und diesen begründet hatte, erging unter dem 7. November 2014 der zurückweisende Widerspruchsbescheid, der der Klägerin am 12. November 2014 zuging. Zur Begründung verwies dieser darauf, dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin keine neuen Erkenntnisse ergäben, die eine neue Bewertung der Rechtslage zuließen.

    9

    Die Klägerin hat am 11. Dezember 2014 Klage erhoben. Sie weist die monierten Vergabeverstöße zurück. Eine Freihändige Vergabe sei in Betracht gekommen und diese sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Weder das konkrete Verfahren noch der Vergabevermerk seien mangelhaft. Wie bereits im Anhörungs- und Widerspruchsverfahren geltend gemacht, komme es lediglich darauf an, drei Bieter zur Angebotsabgabe aufzufordern; ob diese tatsächlich positive Angebote abgeben, sei vergaberechtlich irrelevant. Dem sei auch eine hinreichend dokumentierte Markterkundung vorangegangen, so dass auch die Auswahl von Frau G. als angeschriebene Dienstleisterin nicht fehlerhaft gewesen sei. Diese habe als Kommunikationsdesignerin mit innovativem Leistungsspektrum Anlass geboten, sie – über den Kreis bekannter anderer Anbieter hinaus – für den Auftrag in Betracht zu ziehen. Ferner sei nach Absage der beiden Bieter eine Anfrage an „Ersatz-Bieter“ innerhalb des Vergabeverfahrens nicht zulässig gewesen, da die – ihrerseits angemessene – Abgabefrist nur bis zum 9. März 2012 gelaufen sei und eine ersatzweise Anfrage an weitere Dienstleister zu Ungleichbehandlungen der Bieter geführt hätte. Eine solche Vorgehensweise sei nicht nur unzulässig, sondern auch unpraktikabel, da so im Extremfall immer weiter zur Angebotsabgabe aufgefordert werden müsse, ohne dass sich dies mit einem akzeptablen Verwaltungsaufwand im Rahmen der Freihändigen Vergabe vertrüge. Auch sei der Vorwurf zurückzuweisen, der Vergabevermerk sei unzureichend. Es würde die Anforderungen an diesen überfordern, zu verlangen, sämtliche Einzelüberlegungen zur Markterkundung in diesen aufzunehmen. Nicht zuletzt fehle es hinsichtlich der Forderung einer umfassenden Markterkundung an einer Rechtsgrundlage. Auch in Parallelregelungen wie § 20 VOB/A sei die Markterkundung nicht als Teil der notwendigen Dokumentation aufgeführt. Letztlich könne dies jedoch auf sich beruhen, denn die Klägerin habe eine gründliche Markterkundung durchgeführt. Insbesondere sei hier auf ihr Qualitätsmanagement („Partnerbeurteilung“) zu verweisen. Sie habe weitgehende Marktkenntnis. Würde mehr verlangt werden, wäre die Normanforderung überdehnt, denn eine vollumfängliche Markterschließung gebe es nur bei einer Öffentlichen Ausschreibung, die aber gerade beim hier relevanten Auftragswert verzichtbar sei. Schließlich bestünden Zweifel an der Schwere eines – hier in Frage gestellten – Vergabeverstoßes, der jedoch für einen Widerruf erforderlich sei. Auch genieße die Klägerin Vertrauensschutz. Bezüglich des Hilfsantrags hält die Klägerin den konkreten Ansatz des Widerrufs- und Rückerstattungsbetrags für rechtswidrig. Selbst wenn ein Vergaberechtsverstoß hinsichtlich der Markterkundung vorläge, wäre dieser Fehler im Vergleich zu anderen Verstößen unweit weniger gewichtig zu werten, so dass die Kürzung um 20 % des konkreten Zuwendungsbetrags (1.200 Euro von 6.000 Euro Auftragswert) rechtswidrig sei.

    10

    Die Klägerin beantragt,

    11

    den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 7. November 2014 aufzuheben,

    12

    hilfsweise,

    13

    die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 6. Oktober 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Höhe des Widerrufsbetrags zu entscheiden.

    14

    Die Beklagte beantragt,

    15

    die Klage abzuweisen.

    16

    Zur Begründung trägt sie vor, dass faktisch nur ein Angebot vorgelegen habe. Selbst wenn man die Absagen als Angebote wertete, seien diese doch, weil nur in Form einer E-Mail verfasst, nicht formgerecht, da nicht schriftlich im Sinne von § 3a VwVfG gewesen. Die Klägerin selbst sei in ihrem Vergabevermerk von nur einem Angebot ausgegangen. Aus dem Vergabevermerk ergebe sich weiterhin nicht, ob und in welchem Ausmaße eine vorausgegangene Markterkundung erfolgt sei. Eine solche sei wesentlicher Bestandteil des Vergabeverfahrens und müsse nach § 20 VOL/A entsprechend dokumentiert werden. Es mangele somit an der Einhaltung von Vorschriften der VOL/A und der allgemeinen Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids selbst. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach erfolgter Absage zweier Dienstleister keine weiteren potentiellen Bieter angefragt habe. Es hätten hier „Ersatzangebote“ eingeholt werden müssen, gegebenenfalls unter Verlängerung der Frist zur Angebotsabgabe. Schließlich sei die Ermessensausübung auch hinsichtlich der Höhe des widerrufenen und zurückgeforderten Betrages nicht zu beanstanden.

    17

    Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.

    18

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

    19

    Entscheidungsgründe

    20

    Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung übertragen hat.

    21

    Das Gericht kann ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn die Beteiligten haben gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis hiermit erklärt. Dieses Einverständnis blieb von der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter unberührt und wurde durch die Übertragungsentscheidung nicht verbraucht.

    22

    Die Klage hat Erfolg.

    23

    Die mit dem Hauptantrag zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

    24

    Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist hinsichtlich des teilweisen Widerrufs § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit nur widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Bei einer Auflage in diesem Sinne handelt es sich gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG um eine zusätzlich mit einem Verwaltungsakt verbundene – selbstständig erzwingbare – Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird.

    25

    Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für einen Teilwiderruf des Zuwendungsbescheides vom 27. Dezember 2011 sind nicht gegeben. Denn die durch die Beklagte angeführten Auflagenverstöße durch die Auftragsvergabe der Klägerin im Zuge des Projekts mit der Vergabe-Nr. GS-MJ 03/2012 sind nicht gegeben.

    26

    Richtig ist, dass die gemäß der ausdrücklichen Regelung im Zuwendungsbescheid vom 27. Dezember 2011 zum Bestandteil des Bescheides gemachten und diesem beigefügten ANBest-P einschließlich der Regelungen unter Ziff. 3.1 Auflagen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG sind.

    27

    Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. Februar 2005 – 15 A 1065/04, NVwZ-RR 2006, 86, und vom 20. April 2012 – 4 A 1055/09, NVwZ-RR 2012, 671; Beschlüsse vom 22. Juni 2006 – 4 A 2134/05, juris, und vom 14. August 2013 – 12 A 1751/12, juris; vgl. auch VGH BW, Urteil vom 17. Oktober 2013 – 9 S 123/12, DVBl. 2014, 321 m.w.N.

    28

    Diese Auflage ist als Bestandteil des Zuwendungsbescheids bestandskräftig geworden und damit im Zuwendungsrechtsverhältnis der Klägerin zur Beklagten wirksam. Danach bestand für die Klägerin die Verpflichtung, bei der Vergabe von Aufträgen für Dienstleistungen den Abschnitt I der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – ausgenommen Bauleistungen – (VOL) anzuwenden. Das Gleiche folgt – unabhängig von der bereits durch Bezugnahme auf die ANBest-P getroffenen Regelung – aus den ausdrücklichen Bestimmungen des Zuwendungsbescheides selbst (dort S. 3 und 4), der unter dem Punkt „Allgemeine Nebenbestimmungen“ weitestgehend wortlautgleiche Formulierungen zur VOL/A enthält. Gegen diese Verpflichtung, die VOL und deren Bestimmungen zu beachten, hat die Klägerin hier entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verstoßen. Ein Vergabeverstoß liegt weder darin, dass letztlich nur ein positives Angebot abgegeben wurde (1.), noch ist von einer unzureichenden Markterkundung bzw. Vergabedokumentation auszugehen (2.).

    29

    1.

    30

    Die Anforderungen an das Vergabeverfahren in der hier gewählten und bezüglich der Verfahrenswahl zwischen den Beteiligten nicht streitigen Form der Freihändigen Vergabe sind in § 3 der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A) vom 20. November 2009 niedergelegt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 VOL/A sind Freihändige Vergaben Verfahren, bei denen sich die Auftraggeber mit oder auch ohne Teilnahmewettbewerb grundsätzlich an mehrere ausgewählte Unternehmen wenden, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen zu verhandeln. Nach Satz 4 dieser Vorschrift sollen hierbei mehrere – grundsätzlich mindestens drei – Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Dem entspricht die im Wortlaut identische Bestimmung im Zuwendungsbescheid selbst, der lediglich den Zusatz enthält, dass schriftliche Angebote einzuholen sind. Diesen Anforderungen wurde die Auftragsvergabe zur Vergabe-Nr. 00-00 00/0000 gerecht.

    31

    Der Wortlaut dieser Bestimmung ist eindeutig. So fordert dieser von der Klägerin, sich – auf der ersten Stufe – an mehrere ausgewählte Unternehmen zu wenden, um mit diesen – auf der zweiten Stufe – über die Auftragsbedingungen zu verhandeln. Konkretisiert wird dies durch den ebenfalls eindeutigen Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 4 VOL/A, wonach grundsätzlich mindestens drei Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen. Dies tat die Klägerin mit ihren im März 2012 erfolgten Anfragen an drei Unternehmer, mit denen sie diese unter Beifügung der vollständigen Vergabeunterlagen zu schriftlichen Angeboten aufforderte. Nicht erforderlich ist nach dem Wortlaut, dass auch sämtliche – und nicht wie hier geschehen nur ein – Unternehmer positive, d.h. zusagende Angebote abgeben. Eine solche Anforderung wie auch ein Erfordernis der Einholung weiterer „Ersatzangebote“ nach Absage eines oder mehrerer Unternehmer ergibt sich auch nicht aus dem für die Auslegung zusätzlich maßgeblichen,

    32

    vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2007 – 6 C 1.07, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 94 Rn. 36 = NVwZ 2008, 906,

    33

    Sinnzusammenhang der vergaberechtlichen Bestimmungen. Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen erfolgt grundsätzlich in Öffentlicher Ausschreibung, da diese nach dem allgemeinen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Mittelverwendung, wie er in § 55 der Bundeshaushaltsordnung – BHO zum Ausdruck kommt, am ehesten zur Vermeidung von Manipulationen und zur Förderung des weitesten Wettbewerbs geeignet ist.

    34

    Vgl. Ortner, in: Heiermann/Zeiss, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 3 VOL/A 2009 Rn. 24.

    35

    Demgegenüber können nach § 55 Abs. 1 BHO die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände es ausnahmsweise rechtfertigen, eine „unterhalb“ des streng formalisierten Vergabeverfahrens der Öffentlichen Ausschreibung liegende Vergabeform zu wählen, die ihrerseits an formale Anforderungen geknüpft ist. Eine solche Ausnahme liegt nach dem hier einschlägigen § 3 Abs. 5 Buchst. i VOL/A vor, wenn die Freihändige Vergabe durch Ausführungsbestimmungen eines Bundes- bzw. Landesministers bis zu einem bestimmten Höchstwert zugelassen ist. Dies ist hier der Fall und verleiht dem Zweck Ausdruck, zwar auch im Vergabeverfahren der Freihändigen Vergabe die Leistung im Wettbewerb einzukaufen, aber zugleich – in Anbetracht der eher niedrigen Auftragswerte – die Anforderungen an die Verfahrensgestaltung und –handhabung nicht zu überspitzen und so gleichsam spiegelbildlich die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durch exzessiven Verwaltungsaufwand zu konterkarieren. Sofern die Wahl der Freihändigen Vergabe – wie hier – zulässig ist, bestehen lediglich gegenüber dem Aufwand angemessene Verfahrensanforderungen, die insbesondere im Wortlaut der Vergabebestimmungen Niederschlag gefunden haben. Dem trägt § 3 Abs. 1 Sätze 3 und 4 VOL/A dadurch Rechnung, dass keineswegs vom Wettbewerbsprinzip dispensiert wird, sondern auch hier geboten ist, die Leistung im Wettbewerb einzukaufen, d.h. grundsätzlich mindestens drei Vergleichsangebote einzuholen. Ansonsten gilt hier die größtmögliche Flexibilität bei der Gestaltung des Verfahrensablaufs.

    36

    Vgl. Ortner, in: Heiermann/Zeiss, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 3 VOL/A 2009 Rn. 18; Hausmann, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 29; Kaelble/Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, VOL/A, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 12.

    37

    Dem ist die Klägerin jedoch nachgekommen. Dass zwei der angefragten Bieter abgesagt haben, fällt als Tatsache an sich nach den obigen Grundsätzen nicht in die Verantwortungssphäre der Klägerin. Dies gilt jedenfalls insoweit, als – wie hier – die grundsätzliche Auswahl der angefragten Dienstleister nicht zu beanstanden ist. Nach den in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen und seitens der Klägerin im Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen steht nicht in Zweifel, dass das Unternehmen id praxis GmbH ein entsprechendes Leistungsspektrum aufwies; dessen Absage erfolgte allein aus zeitlichen Kapazitätsgründen. Nicht zu beanstanden ist in einer Gesamtschau aller Umstände – nicht zuletzt der weiten Aufgabenstellung der Klägerin im Gefüge des mit Zuwendungsbescheid vom 27. Dezember 2011 geförderten Projektes – die Aufforderung zur Angebotsabgabe gegenüber Frau G. . Dass diese bei ihrem zugebenermaßen so offenen wie innovativen Geschäftsansatz (heute: „Kommunikationsdesign“) von vornherein für die Organisation von Veranstaltungen nicht in Betracht gekommen wäre, drängt sich jedenfalls nicht auf. Im Gegenteil spricht für den gewählten Ansatz der Klägerin, dass sie neben zwei sozusagen „sicheren Kandidaten“ für den zu vergebenden Auftrag auch einen potentiellen Bieter zur Angebotsabgabe aufforderte, dessen Leistungsspektrum innovative Lösungen erwarten ließ.

    38

    Nach Absage der beiden genannten Unternehmer war die Klägerin nach den obigen Grundsätzen auch nicht gehalten, weitere Dienstleister zur Angebotsabgabe aufzufordern und hierfür gegebenenfalls die gesetzte Abgabefrist von fünf Arbeitstagen über den 9. März 2012 hinaus zu verlängern. Denn eine solche Obliegenheit hatte die Klägerin, ohne dass hiermit eine Aussage über die Vereinbarkeit mit den vergaberechtlichen Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und des Wettbewerbs getroffen wäre, im gegebenem Einzelfall nicht. Dem steht nämlich ebenfalls die oben ausgeführte Maßgabe entgegen, in vertretbarer Zeit und mit angemessenem Verwaltungsaufwand zu einer Vergabeentscheidung zu kommen; die Ausgestaltung des Verfahrens unterliegt einem weiten Spielraum der Vergabestelle.

    39

    Vgl. Kaelble/Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, VOL/A, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 12.

    40

    Wie die Klägerin zu Recht hervorhebt, erscheint kaum begründbar, wie eine Freihändige Vergabe wie die vorliegende gestaltet werden sollte, wenn jeweils angesprochene Bieter absagen. Wie oft dann eine „Angebotsfristverlängerung“ in Betracht zu ziehen wäre oder gegebenenfalls sogar ein gänzlich neues Vergabeverfahren, konnte auch die Beklagte nicht überzeugend darlegen.

    41

    Auch die weitere (Zusatz-)Anforderung des Zuwendungsbescheids, wonach schriftliche Angeboten einzuholen sind, hat die Klägerin gewahrt. Es kommt dabei nicht auf die Form der Absage durch die beiden Unternehmer J. Q. GmbH und Frau G. , nämlich per E-Mail ohne elektronische Signatur. Das einzig gewertete positive Angebot durch Frau T. erging in schriftlicher Form (vgl. § 126 BGB). Dies entsprach der Vorgabe des Zuwendungsbescheides und auch der Festlegung durch die Klägerin als Auftraggeberin, in welcher Form die Angebote einzureichen sind. Diese bestimmte in ihrem Vergabeblatt (vgl. Bl. 17 der Gerichtsakte), dass Angebote ausschließlich schriftlich, per Post oder direkt bei der Klägerin abgegeben werden könnten. Dass darüber hinaus auch Absagen, die nach dem oben Gesagten keine Verpflichtung zur Einholung von „Ersatzangeboten“ auslösten, in dieser Form zu ergehen hätten, erschließt sich nicht.

    42

    2.

    43

    Ein Auflagenverstoß liegt auch nicht in einer unzureichenden Markterkundung bzw. Vergabedokumentation durch die Klägerin. Zunächst ist ein Verstoß gegen § 20 VOL/A nicht ersichtlich. Nach dieser Bestimmung ist das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Zur Auslegung dieser allgemein gehaltenen Verfahrensvorschrift kann sinngemäß auf den Regelungsinhalt der Parallelvorschrift des § 24 Abs. 2 EG VOL/A abgehoben werden, der in weiteren Details den Mindestgehalt der Dokumentation enthält.

    44

    Hillmann, in: Heiermann/Zeiss, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 20 VOL/A 2009 Rn. 14.

    45

    Hinsichtlich der zentralen Anforderungen entspricht der Vergabevermerk der Klägerin den dort genannten Mindestbestimmungen. Insbesondere wurde durch die, wenn auch nur über den Link bzw. Verweis abrufbare, Auflistung der einzelnen Dienstleister unter Ziff. 11 die Auswahl und Berücksichtigung derselben nachvollziehbar und transparent dargestellt und dokumentiert (vgl. § 24 Abs. 2 Buchst. b und c EG VOL/A).

    46

    Vgl. hierzu Kaelble/Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, VOL/A, 4. Aufl. 2014, § 24 EG Rn. 33.

    47

    Demgegenüber tritt in den Hintergrund, dass Ziff. 10 des Vergabevermerks selbst nur von einem Angebot spricht. Nach § 20 VOL/A ist der Auftraggeber jedoch nicht generell und in jedem Fall gehalten, eingehend eine erfolgte Markterkundung darzulegen. Auch im streng formalisierten Vergabeverfahren ergeben sich die konkreten Anforderungen hierzu aus dem Einzelfall. Danach liegt auch kein Verstoß gegen die ausdrückliche Bestimmung des Zuwendungsbescheides vom 27. Dezember 2011 vor, wonach bei Honorarzahlungen der Nachweis der Markterkundung zu erbringen ist. Dass die Markterkundung nicht zu den von § 20 VOL/A – inhaltlich sinngemäß konkretisiert durch § 24 Abs. 2 EG VOL/A – ausdrücklich verlangten Verfahrensschritten gehört, steht nach dem Wortlaut der Regelung fest. Dass die Klägerin hingegen durch das von ihr eingehend geschilderte Qualitätsmanagementsystem der „Partnerbeurteilung“ und ihre vorhandene Marktkenntnis den Anforderungen einer Markterkundung entspricht, konnte die Beklagte nicht durchgreifend in Zweifel ziehen. Nicht zuletzt ist auch hierbei der bereits dargelegte Sinnzusammenhang zu beachten, in den Bestimmungen der Vergabeart der Freihändigen Vergabe hineingestellt sind. Zu verlangen, dass in einem Einzelfall wie dem vorliegenden bereits die Markterkundung derart umfassend sein müsste, dass die Klägerin gleichsam sämtliche Leistungsanbieter vor Augen haben und dies auch entsprechend dokumentieren müsste, würde eine unangemessene Überforderung des Verfahrens bedeuten. Dass zudem Sachgründe für die Anfrage an die als innovativ voreingeschätzte Unternehmerin Frau G. bestanden, konnte die Klägerin im konkreten Einzelfall darlegen. Dass daher bei anderen Aufträgen gegebenenfalls strengere Voraussetzungen der Markterkundung und ihrer Dokumentation gelten können, bleibt durch die vorliegende Wertung unberührt.

    48

    Angesichts fehlender objektiver Vergabeverstöße kann offen bleiben, ob die Beklagte ihr Ermessen in richtiger Weise ausgeübt hat.

    49

    Nach alledem ist die angefochtene Widerrufsentscheidung aufzuheben. Zugleich kann damit auch die angefochtene Festsetzung des Rückforderungsbetrages nach § 49a Abs. 1 VwVfG keinen Bestand haben.

    50

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

    51

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.