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  • 28.10.2015 · IWW-Abrufnummer 145632

    Verwaltungsgerichtshof Hessen: Beschluss vom 08.03.2012 – 3 A 398/11

    Bei entsprechender Bauartzulassung können F 90 Brandschutzdrehflügelfenster den Anforderungen an eine Brandwand genügen.


    VGH Hessen

    08.03.2012

    3 A 398/11

    Tenor:

    Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 23. Februar 2010 - 1 K 2489/08.GI – wird zurückgewiesen.

    Die Kläger haben die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

    Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
    Gründe
    1

    I.

    Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer dem Beigeladenen genehmigten Abweichung für den Einbau von vier F 90 Brandschutz-Drehflügelfenstern in eine zum Grundstück der Kläger ausgerichtete Brandwand.
    2

    Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks A-Straße, Flur …, Flurstück …/3 in der Gemarkung A, an das das Grundstück des Beigeladenen, E-Straße, Flur …, Flurstück …/1, unmittelbar angrenzt.
    3

    Unter dem 26. September 1990 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen eine Baugenehmigung zum Wiederaufbau des durch Brand zerstörten Wohn- und Geschäftshauses. Nach den dieser Baugenehmigung beigefügten Grundrissen (Bl. 38 bis 40 der Behördenakte II – BA II) nebst Grüneintragungen ist die auf der Grenze zu dem benachbarten Grundstück Flurstück …/3 zu errichtende Gebäudewand als Brandwand auszuführen.
    4

    Im September 2003 stellte der Beklagte fest, dass entgegen der erteilten Baugenehmigung in die Brandwand im zweiten Obergeschoss ein Fenster und im Dachgeschoss drei Fenster eingebaut worden waren. Der Beklagte gab dem Beigeladenen daraufhin mit Verfügung vom 19. November 2003 auf, die Fenster in der Brandwand bis zum 31. Dezember 2003, ersatzweise bis vier Wochen nach Rechtskraft der Verfügung, feuersicher zu verschließen, so dass die Brandwand den Anforderungen des § 27 HBO genüge (Ziffer 1 der Verfügung). Das sich daran anschließende Klageverfahren wurde durch Vergleich vom 09. Mai 2005 beendet. Hinsichtlich eines im Dachgeschoss zur Straße hin gelegenen Fensters hob der Beklagte die Verfügung vom 19. November 2003 auf, im Übrigen blieb Ziffer 1 der Verfügung bestehen.
    5

    Unter dem 25. April 2007 teilte der Beklagte den Klägern mit, der Beigeladene wolle die in der Brandwand vorhandenen Fenster durch F 90 Fenster austauschen, es sei beabsichtigt, die Fensteröffnungen in der Brandschutzwand zu genehmigen. Hiergegen wandten sich die Kläger mit Schreiben vom 07. Mai 2007 und teilten mit, dass sie langfristig vorhätten, an der Brandwand ihr Gebäude aufzustocken.
    6

    Am 18. Februar 2008 beantragte der Beigeladene die Genehmigung einer Abweichung von den Brandschutzvorschriften der Hessischen Bauordnung zum Einbau von F 90 Brandschutz-Drehflügelfenstern in die bereits näher bezeichnete Brandwand, die Abweichung wurde ihm mit Bescheid des Beklagten vom 08. April 2008 genehmigt. Gemäß § 63 HBO i.V.m. § 27 Abs. 8 HBO werde die beantragte Fensteröffnung als F 90 – Brandschutz Drehflügel (Putzflügel) zugelassen, wenn die uneingeschränkte Funktionsfähigkeit des Selbstschließers eingehalten werde.
    7

    Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren haben die Kläger am 29. September 2008 Klage erhoben und geltend gemacht, der Abweichungsbescheid sei formell und materiell rechtswidrig. Die Abweichungsentscheidung sei, da nicht begründet, gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 HBO formell rechtswidrig. Sie sei auch materiell rechtswidrig, da sie gegen § 13 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 8 HBO vorstoße und sie, die Kläger, in ihren Eigentumsrechten aus Art. 14 Abs. 1 GG verletze. Die Voraussetzungen für eine Abweichung gemäß § 63 Abs. 1 HBO lägen nicht vor. § 27 Abs. 8 Satz 1 HBO bestimme eindeutig, dass Öffnungen in Brandwänden unzulässig seien. Die Selbstschließer der Brandschutzfenster könnten im Brandfall keinen ausreichenden Schutz gewährleisten. Die sich unterhalb der Fenster befindende harte Bedachung erschwere lediglich einen Brandüberschlag auf ihr Haus, schließe diesen jedoch nicht aus. Der Selbstschließer an den Fenstern gewährleiste nicht ausreichend, dass diese nicht über einen längeren Zeitraum, etwa zur Belüftung der Räumlichkeiten, offen gehalten würden, was etwa durch die Benutzung eines Keils geschehen könne.
    8

    Die Kläger haben beantragt,

    1. der Abweichungs-/Befreiungsbescheid des Beklagten vom 08.04.2008 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2008 wird aufgehoben.
    2. Die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten der Kläger für das Vorverfahren
    war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig.

    9

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    10

    Ergänzend zum Inhalt der angegriffenen Bescheide ist er der Ansicht, von den Klägern seien innerhalb der gesetzlichen Frist keine begründeten Einwendungen gegen die Abweichung vorgetragen worden, so dass der Abweichungsbescheid nicht habe begründet werden müssen. Mit dem Einbau der F 90 Fenster sei die Standsicherheit der Brandwand nicht gefährdet und die geforderte Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten garantiert. Von den Klägern seien bislang keine Bauabsichten konkretisiert worden, die bei der Abweichungsentscheidung hätten berücksichtigt werden müssen. Die Anforderung der uneingeschränkten Funktionsfähigkeit des Selbstschließers gewährleiste, dass die Fenster verschlossen blieben.
    11

    Das Verwaltungsgericht Gießen hat die Klage mir Urteil vom 23. Februar 2010 - 1 K 2489/08.GI - abgewiesen. Auf Antrag der Kläger hat der Senat mit Beschluss vom 22. Februar 2011 die Berufung zugelassen.
    12

    Zur Berufungsbegründung verweisen die Kläger auf ihren bisherigen Vortrag und führen im Weiteren aus, eine Brandschutzverkleidung, die von innen nach außen den Feuerwiderstand der tragenden und aussteifenden Teile des Gebäudes und von außen nach innen den Feuerwiderstand feuerbeständiger Bauteile habe (§ 27 Abs. 3 HBO i.V.m. Nr. 43 der Anlage 1 zur HBO), sei nicht vorhanden. Entgegen der Argumentation des Verwaltungsgerichts könne eine Atypik und damit Genehmigungsfähigkeit einer Abweichung nicht immer dann angenommen werden, wenn das Normziel des § 27 Abs. 8 HBO auch durch den Einbau von F 90 Fenstern erreicht werden könne. Auf diese Art und Weise werde nämlich der Zweck des § 27 Abs. 8 HBO ausgehebelt. Die Fenster böten nicht die gleiche Sicherheit wie eine (geschlossene) Brandwand. Selbst wenn die Fenster nämlich in F 90 ausgeführt seien und mit einer automatischen Schließvorrichtung versehen seien, sei nicht gewährleistet, dass sie im Bedarfsfall rechtzeitig schlössen. Zu denken sei in diesem Zusammenhang an einen Keil, der zwischen Fensterrahmen und Fenster gesteckt werde, um ein Zuschlagen des Fensters zu vermeiden. Ebenso könnten die Sensoren des Selbstschließers verschmutzen und damit seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Auch aufgrund der Lage der Fenster oberhalb des Daches des klägerischen Gebäudes handele es sich nicht um besondere, atypische, eine Abweichung rechtfertigende Besonderheiten.
    13

    Die Kläger beantragen sinngemäß,

    unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 23. Februar 2010 - 1 K 2489/08.GI - den Abweichungs-/Befreiungsbescheid des Beklagten vom 8. April 2008 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2008 aufzuheben und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Kläger für das Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.

    14

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    15

    Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Gebäude des Beigeladenen sei der Gebäudeklasse 4 zuzuordnen, so dass nach Anlage 1 zu § 13 Abs. 2 Satz 1 HBO 2002 auch eine andere Wand anstelle einer Brandwand als Gebäudeabschlusswand zulässig sei. Gemäß Nr. 4.3 der Anlage 1, dort Anmerkung 7, müsse nicht die gesamte Wand eine Brandwand sein. § 63 Abs. 1 HBO 2002 stelle im Übrigen einen „Systemwechsel“ dar, da anstelle der bisherigen Ausnahmen und Befreiungen der Abweichungstatbestand getreten sei. Durch die Neuregelung sei das Bauordnungsrecht in seiner Anwendung flexibler und offener gegenüber Innovationen geworden. Die bautechnische Abweichung sei mit dem zuständigen Brandschutzdezernat des Regierungspräsidiums Gießen abgeklärt worden (Bl. 20, 21, 25 Behördenakte - BA -). Am Markt seien bewegliche, selbstschließende Brandschutzverglasungen der Feuerwiderstandsklasse F 90 erhältlich, die über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik verfügten. Die angefochtene Abweichungsentscheidung vom 8. April 2008 sei zudem wegen der besonderen örtlichen Verhältnisse rechtmäßig. Ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Lichtbilder (Bl. 26 BA) befänden sich die Fenster oberhalb des Gebäudedaches der Kläger, wobei deren Dachfläche unmittelbar an die Abschlusswand des Gebäudes des Beigeladenen heranreiche und mit einer harten Bedachung (Dachziegel) gedeckt sei. Dieser Umstand reduziere eine Brandgefahr für das klägerische Gebäude im Zusammenhang mit den selbstschließenden F 90 Fenstern deutlich. Diesen besonderen örtlichen Verhältnissen sei in Abstimmung mit dem Brandschutzdezernat des Regierungspräsidiums Gießen bei der Abweichungsentscheidung Rechnung getragen worden. Gegenstand des Genehmigungsverfahrens sei zudem ausschließlich der bestimmungsgemäße Gebrauch der Fenster, ersichtlich gehöre die Verwendung eines Keils, der dem automatischen Schließen entgegenwirke, nicht hierzu.
    16

    Der Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
    17

    Die Beteiligten sind unter dem 2. Februar 2012 zur Frage einer Entscheidung nach § 130a VwGO angehört worden.
    18

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten (4 Aktenhefte). Die Unterlagen sind insgesamt zum Gegenstand der Beratung gemacht worden.
    19

    II.

    Der Senat entscheidet gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung der Kläger einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu vorab gehört worden.
    20

    Der Bescheid des Beklagten vom 8. April 2008 - 63-00220-08-18 -, mit dem die für den Einbau von F 90 Brandschutz-Drehflügelfenstern in einer Brandwand erforderliche Abweichung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften genehmigt worden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die gegen den Abweichungsbescheid erhobene Anfechtungsklage mit Urteil vom 23. Februar 2010 - 1 K 2489/08.GI - abgewiesen.
    21

    Maßgeblicher Zeitpunkt der Entscheidung ist vorliegend derjenige der letzten behördlichen Entscheidung, mithin derjenige des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2008, da es sich um eine Anfechtungssituation handelt. Gemäß § 63 Abs. 1 der Hessischen Bauordnung in der insoweit anzuwendenden Fassung vom 18. Juni 2002 (- HBO 2002 – GVBl I S. 274 ff.) kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Vorschriften dieses Gesetzes oder von Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 HBO 2002 vereinbar sind. § 3 Abs. 3 Satz 3 HBO 2002 bleibt unberührt. Gemäß § 3 Abs. 1 HBO 2002 sind bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 so anzuordnen, zur errichten, zu ändern und Instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürliche Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden.
    22

    Mit § 63 HBO 2002 sind die bisherigen tatbestandlichen Abweichungsvoraussetzungen des Bauordnungsrechts gestrafft und erleichtert worden. Die Regelung geht davon aus, dass die materiellen Vorschriften des Bauordnungsrechts bestimmte - namentlich in den Regelungen des Brandschutzes verstärkt verdeutlichte - Schutzziele verfolgen und zu deren Erreichung einen, aber auch nur einen Weg von mehreren möglichen Wegen weisen. Mit der neuen Abweichungsregelung wird die Erreichung des jeweiligen Schutzziels der Norm in den Vordergrund gerückt und so das Bauordnungsrecht vollzugsgerecht flexibilisiert. Dies gilt vor allem in Bezug auf bisherige Befreiungen, die im Einzelfall nur unter eng begrenzten Voraussetzungen, insbesondere unter dem Erfordernis der einzelfallbezogenen Atypik, erteilt werden konnten (vgl. Allgeier/Rickenberg, Die Bauordnung für Hessen, 8. Aufl., 2008, § 63 Rdnr. 6; Hornmann, Hessische Bauordnung (HBO), 2. Aufl., 2011, § 63 Rdnr. 6, 34 m.w.N.).
    23

    Daraus folgt, dass auch die Anforderungen des § 27 Abs. 8 HBO 2002, wonach Öffnungen in Brandwänden nicht zulässig sind, grundsätzlich einer Abweichung gemäß § 63 HBO 2002 zugänglich sind, soweit die Anforderungen des § 27 Abs. 1 HBO, wonach Brandwände so beschaffen sein müssen, dass sie bei einem Brand ausreichend lang standsicher bleiben und die Ausbreitung von Feuer und Rauch auf andere Gebäude oder Gebäudeabschnitte ausreichend lang verhindern, gewahrt sind.
    24

    Die Genehmigungsfähigkeit der hier streitigen Abweichung folgt nicht bereits aus dem Hinweis des Beklagten, nach § 27 Abs. 3 HBO 2002 seien anstelle von Brandwänden auch Wände zulässig, die die Anforderungen der Nr. 4.2 und 4.3 der Anlage 1 HBO 2002 erfüllten. Der Beklagte hat weder substantiiert dargelegt, dass die Hauswand des Beigeladenen den Anforderungen der Nr. 4.3, dort Anmerkung 7 Anlage 1 zu § 13 Abs. 2 Satz 1 HBO 2002 entspricht, noch enthält der Bescheid des Beklagten vom 8. April 2008 Auflagen dahingehend, dass die Brandwand bei Einbau der Drehflügel Fenster entsprechend den Vorgaben der Anlage 1 HBO 2002, dort Nr. 4.3 auszuführen wäre. Hierauf kam es jedoch streitentscheidend bereits deshalb nicht an, da selbst wenn die Wand den Anforderungen der Nr. 4.3, dort Anmerkung 7 der Anlage 1 zu § 13 Abs. 2 Satz 1 HBO 2002 entspräche, gemäß § 27 Abs. 10 HBO 2002 auch für diese Wand die Absätze 4 bis 9 des § 27 HBO 2002 sinngemäß Geltung mit der Folge entfalten, dass auch in diesen Wänden Öffnungen wie in Brandwänden grundsätzlich unzulässig sind. Bei der Frage der Genehmigungsfähigkeit einer Abweichung haben mithin bei einer den Anforderungen der Anlage 1, dort Nr. 4.3 HBO 2002 entsprechenden Hauswand keine anderen (Sicherheits-) Kriterien zu gelten.
    25

    Die Genehmigung der Abweichung von den Vorgaben des § 27 Abs. 8 HBO 2002 ist jedoch rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, da sie nach den eingereichten Unterlagen materiell gerechtfertigt ist, das Ziel des Brandschutzes gleichermaßen erfüllt wie eine geschlossene Brandwand und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Nach den von dem Beklagten eingereichten Unterlagen sowie der Stellungnahme des Regierungspräsidiums Gießen vom 21. November 2007 erfüllen die von dem Beigeladenen zum Gegenstand seines Abweichungsantrags gemachten bauartgeprüften F 90 Brandschutz-Drehflügelfenster auch unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse die Anforderungen des § 27 Abs. 1 HBO 2002 und können daher grundsätzlich im Rahmen einer Abweichungsentscheidung nach § 63 Abs. 1 HBO 2002 als gleichwertige Brandschutzelemente anerkannt werden. Zwar können nach Mitteilung des Beklagten vom 31. Januar 2012 die ursprünglich von dem Beigeladenen ins Auge gefassten F 90 Brandschutz-Drehflügelfenster der Firma C nicht mehr zur Ausführung kommen, da diese Firma mittlerweile insolvent ist. Entscheidend ist jedoch nicht die Verwendung eines Fensters eines bestimmten Anbieters, sondern vielmehr die Tatsache, dass bauartzugelassene F 90 Brandschutz-Drehflügelfenster am Markt vorhanden sind, die den Anforderungen des § 27 Abs. 1 HBO 2002 entsprechen. Nach der von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 31.Januar 2012 eingereichten „Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung“ des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 16. Februar 2007 für bewegliche, selbstschließende Brandschutzverglasung „HOBA 13“ der Feuerwiderstandsklasse F 90 nach DIN 4102-13 der Firma A. GmbH & Co. KG erfüllt die bewegliche, selbstschließende Brandschutzverglasung die Anforderungen der Feuerwiderstandsklasse F 90 unabhängig von der Richtung der Brandbeanspruchung (Ziffer 1.2.6). Die insgesamt zehn Seiten umfassenden Bauartzulassung stellt umfangreiche Anforderungen an Zulassungsgegenstand und Anwendungsbereich, Eigenschaften und Zusammensetzung, Herstellung und Kennzeichnung sowie Bestimmungen für die Ausführung und stellt damit die ordnungsgemäße Herstellung und den Einbau der Fenster sicher.
    26

    Dabei hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass Gegenstand eines Abweichungs- ebenso wie eines Baugenehmigungsverfahrens ausschließlich der bestimmungsgemäße Einsatz der Baumaterialien, wie hier der F 90 Brandschutz-Drehflügelfenster seien kann. Ausweislich der eingereichten Unterlagen ist davon auszugehen, dass die beantragten F 90 Brandschutzdrehflügelfenster im Falle eines Brandes selbsttätig schließen und dann für den geforderten Zeitraum von 90 Minuten die Ausbreitung von Feuer und Rauch auf andere Gebäudeabschnitte ausreichend verhindern können.
    27

    Zwar ist den Klägern einzuräumen, dass der Beklagte das ihm gemäß § 63 Abs. 1 HBO 2002 eingeräumtes Ermessen in dem Ausgangsbescheid vom 8. April 2008 nicht betätigt hat. Zurecht hat jedoch das Verwaltungsgericht darauf verwiesen, dass die Kläger substantiiert im Vorverfahren nachbarschützende Aspekte nicht dargelegt haben, die eine Ermessenbegründung des Beklagten erforderlich gemacht hätten. Der Beklagte hat zudem in dem Widerspruchsbescheid vom 25. August 2008 sowie in dem darauf folgenden verwaltungsgerichtlichem Verfahren, in dem gemäß § 114 VwGO Ermessenserwägungen nachgeschoben werden können, die für und gegen eine Abweichung sprechenden Aspekte hinlänglich dargelegt und seine Entscheidung entsprechend begründet. Das Ermessen des Beklagten ist auch nicht dahingehend reduziert, dass nur die Versagung einer Abweichung als ermessensfehlerfrei angesehen werden kann und deshalb das Anfechtungsbegehren der Kläger Erfolg haben müsste. Aufgrund der Tatsache, dass sich sämtliche Fenster in der Brandwand oberhalb der Traufe des klägerischen Gebäudes befinden, ist im Brandfall das Gebäude der Kläger nicht unmittelbar gefährdet.
    28

    Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
    29

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
    30

    Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47 Abs.1 GKG.

    RechtsgebietBauO He 2002Vorschriften§ 27 BauO HE 2002; § 63 BauO HE 2002