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  • 20.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112463

    Kammergericht Berlin: Urteil vom 13.01.2011 – 27 U 34/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    In dem Rechtsstreit
    ...
    hat der 27. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg,
    auf die mündliche Verhandlung vom 13.01.2011
    durch
    die Richterin am Kammergericht Dr. Caasen-Barckhausen als Einzelrichterin
    für Recht erkannt:

    Tenor:
    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 08. Februar 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 31 O 66/09 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 134.984,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2008 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

    Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 7% und die Beklagte zu 93%. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe
    I.

    Die Klägerin begehrt die Zahlung von Architekten- und Gutachterhonorar für Leistungen im Zusammenhang mit drei Umbau- und Sanierungsvorhaben der Beklagten in Berlin sowie den Ersatz außergerichtlich entstandener Anwaltskosten.

    Das Landgericht hat der Klage wegen einer Restforderung aus der 5. Honorarrechnung vom 13. Oktober 2008 (Anlage K 6) für die Sanierung des Hauses xxxxxxxx in Höhe von 107.970,75 EUR brutto stattgegeben und die Klage im Übrigen u.a. auch wegen des für dieses Bauvorhaben begehrten Umbauzuschlages von 20% in Höhe von 27.014,12 EUR brutto abgewiesen.

    Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Parteien in 1. Instanz, den dort gestellten Anträgen, des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen. Die Parteien haben wechselseitig Berufung eingelegt und diese fristgemäß begründet. Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung, die Klägerin gegen die Nichtzuerkennung des Umbauzuschlages.

    Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und ist darüber hinaus unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Februar 2003 - VII ZR 169/02 - der Ansicht, einer Verurteilung stünde entgegen, dass die Mindestpreisregelung des § 4 Abs. 4 HOAI gegen Art. 12 GG verstoße.

    Die Beklagte beantragt,

    unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und macht sich unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages die Urteilsgründe zu Eigen.

    Darüber hinaus ist die Klägerin der Ansicht, dass der Umbauzuschlag nach § 24 HOAI mindestsatzrelevant sei.

    Die Klägerin beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 27.014,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2008 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie ist der Ansicht, dass selbst unter Zugrundelegung, dass § 24 HOAI mindestsatzrelevant sei, die Klage insoweit zu Recht abgewiesen worden sei. Denn die vorgetragenen besonderen Umstände im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI lassen auch hier eine Mindestsatzunterschreitung zu.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    II.

    Die Berufungen der Parteien sind zulässig. Die der Klägerin ist begründet, die der Beklagten hingegen nicht.

    Die Vorschriften der HOAI richten sich nach der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung.

    Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäߧ§ 631 Abs. 1, 632 BGB, §§ 4 Abs. 4, 8 Abs. 2 HOAI einen Anspruch auf restliches Architektenhonorar in Höhe von 134.984,87 EUR.

    1.

    Zunächst hat das Landgericht entsprechend der auf den Mindestsätzen basierenden 5. Honorarrechnung vom 13. Oktober 2008 zutreffend für die Leistungsphasen 1 bis 8 nach § 15 HOAI ein Architektenhonorar von 113.504,72 EUR brutto seinen Berechnungen zu Grunde gelegt.

    Hierbei kann dahinstehen, ob der Architektenvertrag nach dem Willen der Parteien - wie das Landgericht annimmt - bereits im Frühjahr 2007 konkludent oder aber erst mit Unterzeichnung des Vertrages über Architektenleistungen vom 08. Mai 2007 am 06. August 2007 zustande gekommen ist. Denn auch im 2. Fall sind der Abrechnung nach § 4 Abs. 4 HOAI die Mindestsätze zugrunde zu legen, da die Vereinbarung gegen das Mindestsatzgebot verstößt und eine Unterschreitung des Mindestsatzes auch ausnahmsweise nicht möglich ist (§ 4 Abs. 2 HOAI).

    a.

    Die Unterschreitung des Mindestsatzes und damit die Unwirksamkeit des Vertrages ergibt sich bereits daraus, dass entsprechend Ziff. 2.5 der Vereinbarung der Umbauzuschlag nach § 24 HOAI mit 0% vereinbart worden ist. Bei Bauvorhaben mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, wie dem vorliegenden Bauvorhaben, gilt nach § 24 Abs. 1 Satz 4 HOAI " sofern nicht etwas anderes schriftlich vereinbart ein Mindestzuschlag von 20% als vereinbart ". Damit aber ist der Umbau- und Modernisierungszuschlag nach § 24 HOAI mindestsatzrelevant mit der Folge, dass die Abbedingung dieses Zuschlages zu einer Unterschreitung des Mindestsatzhonorars führt (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., § 24 Rn. 11). Auch entspricht entgegen der Ansicht der Beklagten das vereinbarte Honorar von 80.001,68 EUR netto nicht dem Mindestsatz, weil die Leistungsphasen 1 bis 4 nicht übertragen worden sind. Denn ausweislich der Ziff. 1 sind sämtliche Leistungsphasen vereinbart. Ziff. 1.2 gibt dem Auftraggeber entsprechend der Bemerkung unter der Fußnote 5 des Vertrages lediglich die Möglichkeit, aus den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 einzelne Teile nicht zu beauftragen. Hiervon hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Es sind sämtliche Leistungsphasen beauftragt, wie sich auch aus Ziff. 4.4 der Vereinbarung ergibt, in welcher zusätzlich neben dem ursprünglichen Vertragstext der Zahlungsplan für die Erbringung der einzelnen Leistungsphasen 1 bis 7 und Leistungsphase 8 festgelegt worden ist.

    b.

    Die Beklagte kann sich nicht auf einen Sonderfall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI berufen, der die Unterschreitung der Mindestsätze ausnahmsweise zuließe. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zwecks der Mindestsatzregelung ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist (BGH MDR 1997, 729 f. [BGH 22.05.1997 - VII ZR 290/95]). Die zulässigen Ausnahmefälle dürfen aber einerseits nicht dazu führen, dass der Zweck der Mindestsatzregelung gefährdet wird, einen "ruinösen Preiswettbewerb" unter Architekten und Ingenieuren zu verhindern. Andererseits aber können alle diejenigen Umstände eine Unterschreitung der Mindestsätze rechtfertigen, die das Vertragsverhältnis so deutlich von den üblichen Vertragsverhältnissen unterscheiden, dass ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist. Dies kann der Fall sein, wenn die vom Architekten oder Ingenieur geschuldete Leistung nur einen besonders geringen Aufwand erfordert, sofern dieser Umstand nicht schon bei den Bemessungsmerkmalen der HOAI zu berücksichtigen ist. Ein Ausnahmefall kann ferner beispielsweise bei engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art oder sonstigen besonderen Umständen gegeben sein (BGH a.a.O.). Nicht ausreichend im vorliegenden Fall ist, dass die Klägerin in der Vergangenheit bereits im Jahre 2005 Arbeiten für die Beklagte übernommen hat. Denn Beziehungen wirtschaftlicher Art verlangen zur Begründung eines von der Rechtsordnung geduldeten Rabatts eine durch eine ständige Geschäftsbeziehung für den Auftragnehmer begründete gewisse Sicherheit und Stabilität und darüber hinaus, dass dem Auftragnehmer Teilleistungen oder auch die Koordinierungstätigkeit erleichtert werden (vgl. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., § 4 Rn. 87 m.w.N.). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Die Klägerin ist mit dem streitgegenständlichen Bauvorhaben xxxxxxxxxx erst im Jahre 2007 beauftragt worden. Aber auch die privaten Beziehungen des Handlungsbevollmächtigten der Beklagten, xxxxxx und dem Geschäftsführer der Beklagten führen nicht dazu, dass ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI zu bejahen ist. Die Freundschaft entwickelte sich über annähernd 5 Jahre, bis sie Ende 2008 ihr Ende fand. Es sind keine Umstände ersichtlich, dass der Geschäftsführer der Klägerin aus bloßer Verbundenheit mit xxxxxx , der Gesellschafter und Geschäftsführer der xxxxxxx Forschungsgesellschaft mbH war, der Beklagten, einer juristischen Person, einen besonderen Preisnachlass gewähren wollte. Motivation dürfte vielmehr gewesen sein, sich für weitere Umbaumaßnahmen auf dem Gelände der Beklagten anzudienen. Dieses im Verhältnis zu anderen Architekten wettbewerbsschädigende Verhalten soll aber gerade durch das Preisrecht der HOAI verhindert werden.

    c.

    Die Berufung der Klägerin auf die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung vom 08. Mai/06. August 2007 ist auch nicht gemäߧ 242 BGB nach Treu und Glauben ausgeschlossen.

    Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, verhält sich der Architekt, der später nach den Mindestsätzen abrechnen will, widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nicht zugemutet werden kann (BGH NJW 1997, 2329 f. [BGH 22.05.1997 - VII ZR 290/95]). So liegt der zu entscheidende Fall aber nicht. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht erkennbar ist, dass diese auf die Wirksamkeit der schriftlichen Honorarvereinbarung vertraut hat oder vertrauen durfte. Die Mindestsatzproblematik war ihr ausweislich des von ihr in diesem Rechtsstreit vorgetragenen Inhaltes eines zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten geführten Gespräches nach den vorangegangenen Bauvorhaben mit dem Architekten xxx , der "nach bekanntem Schema mit Mindestsatzabrechnungen" operierte (vgl. Schriftsatz vom 12.12.2009 S. 10), bekannt. Als Folge hieraus haben die Geschäftsführungen der xxxxxxx -Gesellschaften, zu denen auch der Handlungsbevollmächtigte xxxxxx gehörte, strikte Weisungen erhalten, nur noch schriftliche Verträge abzuschließen. Schließlich ist es schlicht unglaubhaft, dass der in Bausachen erfahrene Handlungsbevollmächtigte xxx , der nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin in den vergangenen 10 Jahren alle Pflegestandorte der Unternehmensgruppe mit verschiedenen Architekten und Baufirmen instandgesetzt und modernisiert hat, allein mit der Klägerin in den Jahren 2005 das Altenwohnheim xxxxxxxx in Werther (Westfalen), xxxxxxxx in Schönow, Umbau xxxxxxxxxx in Dortmund Mengede, keine Vorstellung vom Preisrecht der HOAI gehabt haben soll.

    d.

    Die Klägerin hat die Leistungsphasen 1 bis 8 erbracht und eine prüffähige 5. Honorarrechnung vom 13. Oktober 2008 überreicht. Mithin ist die Hauptforderung fällig (§§ 8 Abs. 1 und 2 HOAI).

    Soweit die Beklagte beanstandet, dass die Klägerin im Rahmen der Bestimmung der anrechenbaren Kosten als Honorarbemessungsgrundlage die mitverarbeitete vorhandene Bausubstanz nach § 10 Abs. 3a HOAI nicht nach den einzelnen Leistungsphasen differenziert hat, ist dies eine Frage der Begründetheit des Anspruchs. Die Klägerin ermittelt auf 9 Seiten als Anlage zur 5. Honorarvereinbarung die Mengen der mitverarbeiteten Bausubstanz mit 268.375,23 EUR und legt sie unter Hinweis darauf, dass sie in jeder Leistungsphase vollständig einbezogen werden können, der Honorarberechnung zu Grunde. Dem Beweisantritt der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens wäre nur nachzugehen gewesen, wenn sie vorgetragen hätte, welcher Prozentsatz ihrer Ansicht nach in den verschiedenen Leistungsphasen richtigerweise einzusetzen gewesen wäre. Darauf hat bereits das Landgericht hingewiesen. Die Durchführung einer Beweisaufnahme wäre auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen.

    Damit stehen der Klägerin abzüglich der geleisteten Zahlungen die ihr vom Landgericht zugesprochenen offenen 107.970,75 EUR zu.

    2.

    Darüber hinaus hat die Klägerin nach § 24 Abs. 1 Satz 4 HOAI einen Anspruch auf einen Umbauzuschlag von 20% in Höhe von 27.014,12 EUR brutto, da dieser wie bereits dargelegt als Mindestzuschlag mindestsatzrelevant ist und besondere Umstände nach § 4 Abs. 2 HOAI, die eine Unterschreitung erlaubten, nicht gegeben sind. Mithin hat die Klägerin insgesamt einen Honoraranspruch von 134.984,87 EUR brutto.

    Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Entgegen der Ansicht der Beklagten steht einer Verurteilung nicht entgegen, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 4 HOAI gegen Art. 12 GG verstieße . Denn diese Ansicht trifft nicht zu und wird im Übrigen auch nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertreten. In der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird lediglich die Frage aufgeworfen, ob die Anwendung des § 4 Abs. 4 HOAI auf eine Honorarvereinbarung zwischen einem Auftraggeber mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland und einem Auftragnehmer mit Sitz in einem anderen EG-Staat der Dienstleistungsfreiheit entgegenstehen könnte, also eine ersichtlich andere Fallkonstellation.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssage keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

    Vorschriften§ 4 Abs. 2 HOAI § 10 Abs. 3a HOAI § 15 HOAI § 24 HOAI § 242 BGB