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  • · Fachbeitrag · Öffentliche Aufträge

    BayObLG: Für mindestens fünf Jahre festgelegte Stundensätze sind dem Bieter unzumutbar

    | Eine kaufmännisch vernünftige Angebotskalkulation ist unzumutbar, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das Maß hinausgehen, das den bietenden Planungsbüros obliegt. Dieses Maß ist überschritten, wenn der öffentliche Auftraggeber den Bieter fünf Jahre lang nur Maximalstundensätze gewährt, die Orientierungswerten entsprechen, die schon im Ausschreibungszeitpunkt einen allenfalls minimalen Sicherheitszuschlag ermöglichten. Das hat das Bayerische Oberlandesgericht einem öffentlichen Auftraggeber ins Stammbuch geschrieben. |

    Um diese Stundensätze und -anpassungen ging es

    Im konkreten Fall ging es um Leistungen der Tragwerksplanung Gebäude nach § 51 HOAI für die Erweiterung einer Grundschule. Die Auftragsbekanntmachung war am 26.07.2022 erfolgt.

     

    Die Höchststundensätze

    In dem zugrundeliegenden Vertragsangebot (Stufenvertrag) waren die Honorare für Grundleistungen und Besondere Leistungen geregelt. Letztere sollten nach Zeitaufwand abgerechnet werden. Jeder Bieter sollte seine Netto-Stundensätze in ein Honorarblatt eintragen. Dabei hatte der Auftraggeber in selber Maximalstundensätze eingesetzt.

     

    Diese beliefen sich auf die im Ausschreibungszeitpunkt gültigen Orientierungswerte des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr aus dem Jahr 2021 und waren nach der Qualifikation des jeweiligen Mitarbeiters gestaffelt. Sie betrugen

    • 117 Euro/h für den Büroinhaber/Geschäftsführer,
    • 82 Euro/h für Mitarbeiter mit technischen oder wirtschaftlichen Aufgaben und
    • 61 Euro/h für technische Zeichner/CAD-Bearbeiter oder sonstige Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation und technischen oder wirtschaftlichen Aufgaben).

     

    Die Stundensatzanpassungsklausel im Vertrag

    § 7 Ziffer 3 des Vertrags enthielt außerdem folgende Preisanpassungsklausel: „Beträgt der vertragliche Leistungszeitraum mehr als fünf Jahre und ändert die Auftraggeberin ‒ infolge einer Änderung der Orientierungswerte des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr ‒ die bei ihr geltenden Höchstbeträge für Stundensätze, werden die hier vereinbarten Stundensätze frühestens nach Ablauf von fünf Jahren ab beidseitiger Vertragsunterzeichnung entsprechend angepasst. Bei allen anderen Verträgen gibt es keine dynamische Anpassung der Stundensätze.“

    So begründet das BayOblG seine Entscheidung

    Ein Bieter stellte sich auf den Standpunkt, dass u. a. die Stundensätze und die vertragliche Stundesatzanpassungsklausel unwirksam waren. Er verlangte die Aufhebung des Vergabeverfahrens und zog vor Gericht. Das BayObLG gab ihm Recht. Es begründet das u. a. wie folgt (BayObLG, Beschluss vom 06.12.2023, Az. Verg 7/23, Abruf-Nr. 239038).

     

    Kaufmännisch vernünftige Angebotskalkulation war unmöglich

    Den Bietern ist auf der Basis der Vergabeunterlagen eine kaufmännisch vernünftige Angebotskalkulation insofern unzumutbar, als für die Vergütung der nach Stundenhonorar abzurechnenden Leistungen mit Bindungswirkung für einen extrem langen Zeitraum nach Vertragsschluss Maximalstundensätze vorgegeben sind, die Orientierungswerten entsprechen, welche im Ausschreibungszeitpunkt zwar noch gültig waren, aber bereits zu diesem Zeitpunkt einen allenfalls minimalen Sicherheitszuschlag ermöglichten.

     

    Durch die Kombination einer langen Bindung an die Vertragskonditionen mit engen Vorgaben, die die Kalkulationsfreiheit der Bieter beschränken, war diesen die Möglichkeit genommen, das mit der langen Bindungsdauer einhergehende Preisrisiko durch entsprechenden Zuschlag bei der Kalkulation zu berücksichtigen. Eine kalkulatorische Berücksichtigung des Risikos im Rahmen des Zuschlags auf das Honorar für Grundleistungen ist wegen des Verbots von Mischkalkulationen nicht möglich.

     

    Kalkulationsfreiheit der Bieter war über die Maßen eingeschränkt

    Die Vorgaben bewirken eine gewichtige Beschränkung der Kalkulationsfreiheit der Bieter. Zwar waren die vorgegebenen Höchstsätze für Stundenhonorare nicht schon zum Zuschlagszeitpunkt unangemessen niedrig. Jedoch führe die Regelung in § 7 Ziffer 3 des Vertrags dazu, dass die mit dem Honorarangebot verlangten Stundensätze für die Dauer von mindestens fünf Jahren ab beidseitiger Vertragsunterzeichnung und ggf. sogar für den gesamten darüber hinausgehenden Zeitraum der Vertragsdurchführung fortgelten. Selbst wenn die Orientierungswerte an die weitere Marktentwicklung angepasst würden, bliebe der Auftragnehmer an dann nicht mehr marktgerechte Stundensätze mindestens für fünf Jahre ab Vertragsunterzeichnung gebunden.

     

    Ob die Stundenhonorare nach Ablauf dieses ohnehin langen Zeitraums überhaupt angepasst werden, steht zudem nach dem klaren Wortlaut der Klausel in der alleinigen Entscheidungshoheit des Auftraggebwers. Da Planungsleistungen weiterer Leistungsphasen vom erfolgreichen Bieter geschuldet sind, wenn sie innerhalb von zwölf Monaten nach Fertigstellung der jeweils zuletzt übertragenen Leistungen vergeben werden, und in diesem Zusammenhang auch die nach Zeitaufwand zu vergütenden zusätzlichen Leistungen zum vereinbarten Stundensatz zu erbringen sind, steht unter Berücksichtigung der unschädlichen Unterbrechungszeiträume eine erhebliche Dauer der vertraglichen Beziehung, mithin ein nicht unbedeutender Risiko- und Kalkulationsfaktor im Raum.

     

    Wie Preisanpassungsvorbehalte aussehen müssten

    Preisanpassungsvorbehalte dienen regelmäßig dazu, das Gleichgewicht von Preis und Leistung bei längerfristigen Dauerschuldverhältnissen zu bewahren. Sie nehmen dem Leistungserbringer das wirtschaftliche Risiko für langfristige Kalkulationen ab; gleichzeitig sichern sie den Vertragspartner vor einer Einpreisung von Sicherheitszuschlägen bei Vertragsschluss.

     

    Fehlt in einem längerfristigen Dauerschuldverhältnis eine Preisanpassungsklausel, kann das anfängliche Gleichgewicht von Preis und Leistung während der Laufzeit der vertraglichen Bindung gestört werden. Dieses wirtschaftliche Risiko wird der Leistungserbringer regelmäßig bei der Kalkulation seines langfristigen Angebotspreises durch entsprechenden Aufschlag berücksichtigen. Entsprechendes gilt grundsätzlich für den Fall, dass eine Preisanpassung zwar vertraglich vorbehalten ist, das wirtschaftliche Risiko aber - wie es vorliegend aufgrund der vorgesehenen Verzögerung einer zudem freibleibenden Preisanpassung der Fall ist - dadurch allenfalls teilweise abgefedert wird.

     

    Vorliegend ist es den Bietern aufgrund der niedrigen Deckelung der Maximalstundensätze keinesfalls möglich, einen Sicherheitszuschlag im Hinblick auf die lange Dauer der Konditionenbindung einzukalkulieren. Die Orientierungswerte stammen aus dem Jahr 2019. Die entsprechenden Höchstsätze dürften zwar noch innerhalb der Bandbreite derjenigen Stundensätze liegen, die bei der Ausschreibung noch als angemessen angesehen werden konnten.

     

    Sie lagen aber unterhalb derjenigen Beträge, die sich unter Verwendung des AHO-Stundenrechners (abrufbar unter: https://www.aho.de/service/stundensatzrechner/) bei Zugrundelegung der von der Vergabekammer herangezogenen Parameter ergeben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass sowohl erhebliche Preissteigerungen, etwa im Bereich der Elektrizität, als auch signifikante Kostensteigerungen für Personal bereits im Ausschreibungszeitraum zu beobachten waren und weitergehende belastende Auswirkungen insbesondere des Kriegs Russlands gegen die Ukraine auf die Marktbedingungen nahelagen.

     

    Dass die Orientierungswerte bereits während der überschaubaren Dauer des Nachprüfungsverfahrens angehoben worden sind, entspricht angesichts der Veränderungen des Marktumfelds seit 2019 der bereits im Ausschreibungszeitpunkt objektiv zu erwartenden Entwicklung. Der Umstand, dass die zur Festlegung von Maximalstundensätzen verwendeten Orientierungswerte schon jetzt als überholt angesehen werden müssen, kann als objektive Bestätigung für das bereits bei Ausschreibung greifbar naheliegende Risiko bedeutsamer Kostensteigerungen gelten, das im Verlauf der Vertragsdurchführung bei ausbleibender oder verzögerter Preisanpassung für die nach Stundenhonorar zu vergütenden Leistungen das vertragliche Gleichgewicht bedroht. Angesichts des niedrigen Niveaus der vorgegebenen Maximalstundensätze ist es den Bietern nicht möglich, dieses Risiko durch entsprechenden Zuschlag auf den Stundenhonorarsatz zu berücksichtigen

    Quelle: ID 49662734