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  • · Nachricht · Öffentliche Aufträge

    Aufklärung über Angebotswertung: VK Bund nimmt Auftraggeber in die Pflicht

    | Einem Auftraggeber steht bei der Wertung der Angebote ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüft werden kann. Er muss die Bieter vor Angebotsabgabe auch nicht im Einzelnen (z. B. mithilfe eines Wertungsleitfadens) darüber informieren, welchen Aspekt er mit wie vielen Wertungspunkten „belohnen“ wird. Er muss aber schon mitteilen, worauf (Präsentation, Konzept, sonstige schriftliche Darlegungen der Bieter oder ähnliches) er seine Wertungsentscheidung stützen wird, so die VK Bund. |

    Der konkrete Fall

    Im konketen Fall ging es um Ingenieurleistungen nach Teil 4 Abschnitt 2 HOAI (Förderanlagen). Nach erfolgreichem Teilnahmewettbewerb wurden mehrere Büros zur Angebotsabgabe aufgefordert.

     

    Aufforderungsschreiben zur Angebotsabgabe

    Im „Aufforderungsschreiben“, das zusammen mit den Vergabeunterlagen an die Bieter übersandt wurde, war u. a. auf Auftragsgespräche hingewiesen worden. Mit deren Hilfe sollte der Bieter ermittelt werden, der im Hinblick auf die gestellte Aufgabe am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistung bietet. In dem Gespräch sollte der vorgesehene Projekt-Bauleiter sich und sein Team vorstellen und die Qualifikation anhand von Referenzobjekten darstellen (max. 3 Referenzobjekte, max. 30 Minuten). Insgesamt war eine Gesprächsdauer von ca. 45 Minuten vorgesehen. (...).“

     

    Die Zuschlagskriterien

    In der beigefügten „Aufgabenbeschreibung“ wurden unter Ziffer 3 folgende Zuschlagskriterien mit Gewichtung genannt

     

    • 45 % Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals sowie deren Auslastung und Verfügbarkeit

     

    • 30 % Projektabwicklung
      • Zu erwartende Leistung und Herangehensweise an die gestellte Aufgabe anhand der Präsentation eines Referenzobjekts
      • Methoden der Terminkontrolle/Kostenkontrolle
      • Methoden der Qualitätssicherung
      • Präsenz vor Ort

     

    • 15 % Honorar: Das Angebot mit der niedrigsten geprüften Honorarsumme erhält die Höchstpunktzahl. Null Punkte erhält ein Angebot mit dem zweifachen der niedrigsten Honorarsumme. Die Punktebewertung für die dazwischen liegenden Preise erfolgt über eine lineare Interpolation.

     

    • 10 % Vertrautheit mit BIM

    Die Wertungsbögen

    Im Anschluss an die Präsentation erstellten zwei Mitarbeiter der Behörde zu jedem Bieter einen „Wertungsbogen“, in dem sie zu jedem der vier Zuschlagskriterien handschriftlich einige kurze Stichpunkte zu ihrem Eindruck festhielten und Wertungspunkte vergaben. Außerdem enthielt die Vergabeakte ausführlichere Darlegungen zur Bewertung der Angebote in den einzelnen Zuschlagskriterien (in Dateiform). Beim ‒ zweitplatzierten ‒ Bieter, waren die einzelnen Wertungsergebnisse in Dateiform teilweise von den Ergebnissen in den handschriftlichen Wertungsbögen abgewichen. Weitere Erläuterungen enthielt die Vergabeakte nicht.

    Nachprüfungsantrag hat Erfolg

    Der Bieter stellte einen Nachprüfungsantrag und hatte damit Erfolg. Die Behörde habe den Bietern nicht eindeutig mitgeteilt, auf welche Grundlage sie ihre Angebotswertung stützen werde. Folglich seien die Angebote nicht untereinander vergleichbar. Außerdem habe die Behörde ihre Wertungsentscheidung nicht hinreichend dokumentiert. Durch diese Vergaberechtsverstöße war der Bieter in seinen Rechten verletzt (VK Bund, Beschluss vom 16.12.2022, Az. VK 1-99/22 Abruf-Nr. 234358).

     

    Wertungsentscheidung war nicht transparent genug

    inem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Wertung der Angebote zwar ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt von den Nachprüfungsinstanzen überprüft werden kann. Darüber hinaus muss ein Auftraggeber die Bieter vor Angebotsabgabe grundsätzlich nicht im Einzelnen (z.B. mithilfe eines Wertungsleitfadens) darüber informieren, welchen Aspekt oder Umstand er z.B. mit wie vielen Wertungspunkten „belohnen“ wird

     

    Der konkreten Wertung vorgelagert ist jedoch die Frage, auf welcher Grundlage die Angebote untereinander verglichen werden sollen, um unter diesen das wirtschaftlichste auswählen zu können. Je offener die ausgeschriebenen Vorgaben für die Bieter und je gröber die Wertungsvorgaben des Auftraggebers an sein Bewertergremium gefasst sind, desto eher besteht das Risiko, dass die Gleichmäßigkeit der Bewertung und damit die Gleichbehandlung der Bieter sowie die Transparenz der Wertungsentscheidung eines öffentlichen Auftraggebers nicht hinreichend gewährleistet ist. Ein öffentlicher Auftraggeber ist deshalb verpflichtet, den Bietern seine Vorgehensweise bei der Wertung so eindeutig mitzuteilen, dass diese wissen, was der Auftraggeber von ihnen erwartet und auf was sich seine Wertung stützen wird.

     

    Diesen Anforderungen war der Auftraggeber nicht hinreichend gerecht geworden. Denn was sie den Bietern hinsichtlich der von ihr vorgesehenen Wertungsgrundlagen sowie ihres Wertungsprozesses mitgeteilt hat, ist aus maßgeblicher objektiver Sicht eines mit der Ausschreibung vertrauten, erfahrenen Bieters nicht eindeutig. So deuten die Wertungsbögen in der Vergabeakte und die Äußerungen der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren darauf hin, dass die Antragsgegnerin nur die mündlichen Ausführungen der Bieter in der Angebotspräsentation bewerten wollte. Demgegenüber ergibt sich diesbezüglich aus den Vergabeunterlagen, aufgrund derer die Bieter ihre Angebote erstellt haben, kein eindeutiges Bild - zum Teil wird hierin zumindest für einige der drei qualitativen Zuschlagskriterien auf die Wertung einer Präsentation hingewiesen, zum Teil jedoch darauf, dass zumindest auch die schriftlichen Ausführungen eines Bieters wertungsrelevant sein sollen:

     

    Aufgabenbeschreibung reicht nicht

    In der EU-Bekanntmachung war zur Vorgehensweise bei der Wertung der Angebote (unproblematischerweise) nichts niedergelegt.

     

    • Die Vergabeunterlagen enthielten u.a. die „Aufgabenbeschreibung“, diese wiederum unter Ziffer 3 (Seite 4) die vier Zuschlagskriterien
      • „Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals sowie deren Auslastung und Verfügbarkeit“, „
      • Projektabwicklung“,
      • „Honorar“ und
      • „Erfahrung in der Anwendung der Planungsmethode BIM“.
    • Was die Antragsgegnerin anhand dieser Kriterien bewerten wolle (Präsentation, schriftliche Darlegungen der Bieter etc.), ließ sich aus der Aufgabenbeschreibung nicht entnehmen. Lediglich zum Kriterium „Projektabwicklung“ wurde in einem Unterpunkt erwähnt, dass die zu erwartende Leistung und Herangehensweise an die gestellte Aufgabe „anhand der Präsentation eines Referenzobjekts“ bewertet werden solle. Aus objektiver Sicht eines fachkundigen, erfahrenen Bieters seit dies so zu verstehen gewesen, dass nur zum Kriterium „Projektabwicklung“ eine Präsentation wertungsrelevant sein solle.

     

    • Im „Aufforderungsschreiben“ war den Empfängern mitgeteilt worden, dass diese „für Auftragsgespräche ausgewählt“ worden seien und dass „diese Auftragsgespräche“ der Ermittlung des Bieters dienten, der die beste Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistung biete, also den Zuschlag erhalten solle. Diese allgemeine Formulierung kann so verstanden werden, dass im Auftragsgespräch alle Zuschlagskriterien behandelt werden sollen. Wertungsrelevante Grundlage für alle Kriterien wäre also die in diesem Gespräch stattfindende Präsentation. Der Inhalt dieses Präsentationsgesprächs wird aber weiter unten in diesem Schreiben eingeengt.
      • Der vorgesehene Projektleiter solle „in diesem Gespräch“ „sich und ... sein Team vorstellen und ... seine Qualifikation für die gestellte Aufgabe anhand von Referenzprojekten darstellen (maximal 3 Referenzobjekte, maximal 30 Minuten)“. Anders also als in der Aufgabenbeschreibung niedergelegt sollen laut Aufforderungsschreiben maximal 30 der insgesamt 45 Minuten des Auftragsgesprächs der Vorstellung des Projektleiters und seines Teams dienen, außerdem soll der Projektleiter in diesem Zeitraum ausschließlich seine Qualifikation anhand von maximal 3 Referenzobjekten darstellen. Aus objektiver Empfängersicht betreffen diese Erläuterungen das erste Zuschlagskriterium, das u.a. die Qualifikation und Erfahrung des auftragsausführenden Personals beinhaltet. Ein Teil dieses Zuschlagskriteriums, nämlich die Qualifikation des Projektleiters (und nicht ebenfalls des übrigen mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals i.S.d. Zuschlagskriteriums) soll also anhand der angesprochenen Präsentation bewertet werden. Zum Inhalt der übrigen 15 Minuten dieses Gesprächs, also dem letzten Drittel dieser Besprechung, sowie zur Art der Bewertung der übrigen qualitativen Zuschlagskriterien und auf welcher Grundlage die laut diesen Kriterien ebenfalls wertungsrelevante Qualifikation und Erfahrung des weiteren Personals in die Wertung einzubringen ist (schriftlich, ebenfalls im Rahmen einer Präsentation im Auftragsgespräch, sonstiges?), enthält das Aufforderungsscheiben nichts.

     

    • Ein wiederum anderes Bild von der geplanten Vorgehensweise bei der qualitativen Angebotswertung vermittelt das Angebotsschreiben, das den Bietern ebenfalls mit dem Aufforderungsschreiben übersandt wurde und das diese der Antragsgegnerin ausgefüllt mit ihrem Angebot vorlegen sollten. Hier sind einige
      • individuelle Angaben zum Projektleiter und den sonstigen im Projektteamcvorgesehenen Mitarbeitern vorzunehmen (Name, Berufsbezeichnung/Qualifikation, Dauer der Bürozugehörigkeit und der Berufserfahrung), persönliche Referenzen des Projektleiters,
      • die innerbetrieblichen Methoden der Termin- und Kostenkontrolle und der Qualitätssicherung sind zu nennen,
      • ferner ist anzugeben, wie die Bauüberwachung (Präsenz vor Ort) sichergestellt werden soll.
    • Damit sind in diesem Formblatt objektiv betrachtet alle drei qualitativen Zuschlagskriterien angesprochen worden, nämlich erstens die Qualifikation und Erfahrung des Personals (wobei nur beim Projektleiter konkrete Referenzen zumindest zur Planungsmethode BIM abgefragt werden und für die übrigen Mitarbeiter nur die Dauer der Berufserfahrung und Bürozugehörigkeit in Jahren), zweitens die im Rahmen des Kriteriums „Projektabwicklung“ wertungsrelevanten Aspekte „Methoden der Terminkontrolle/Kostenkontrolle“, „Methoden der Qualitätssicherung“ und „Präsenz vor Ort“ und drittens das Zuschlagskriterium „Erfahrung in der Anwendung dercPlanungsmethode BIM“ (allerdings nur anhand von Referenzaufträgen des Projektleiters, also nicht des übrigen vom Bieter vorgesehenen Projektteams). Dieses Schreiben ist aus objektiver Empfängersicht so zu verstehen, dass die hier genannten laut Zuschlagskriterien wertungsrelevanten Aspekte anhand der incdiesem Schreiben gemachten Angaben bewertet werden sollen ‒ anderenfalls wäre es sinnlos, von den Bietern in diesem Formular hierzu Eintragungen zu verlangen.

     

    „Aus jedem einzelnen der o.g. Schreiben und Formblätter wird somit nicht eindeutig klar, wie die Auftragger bei der Wertung vorgehen werde ... Mangels hinreichend eindeutiger Wertungsvorgaben sind die Angebote nicht untereinander vergleichbar, so dass unter diesen nicht anhand der Zuschlagskriterien in einem wirksamen Wettbewerb willkürfrei das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden kann (VK Bund, Beschluss vom 16.12.2022, Az. VK 1-99/22 Abruf-Nr. 234358).

     

    WeiterFührender hinweis

    • Beitrag „VgV-Reform: Werden künftig 10.000 Planungsaufträge mehr im Jahr EU-weit ausgeschrieben?“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 49231696
    Quelle: ID 49290917