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  • · Fachbeitrag · WEG-Novelle

    Rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer: das Vermögen der Gemeinschaft nach § 9a Abs. 3 WEG

    von RAin Kornelia Reinke, www.schiffer.de, Bonn

    | Die Eigentümergemeinschaft benötigt für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums Vermögen. Bis zur Novelle war das Verwaltungsvermögen in § 10 Abs. 7 WEG a. F. geregelt. Aus dem Verwaltungsvermögen ist nun das Gemeinschaftsvermögen geworden. Es findet seinen Niederschlag in § 9a Abs. 3 WEG n. F. und wird definiert als das Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, für die §§ 18, 19 und 27 WEG n. F. entsprechend gelten. Lesen Sie im Folgenden, was Sie hierzu wissen müssen. |

    1. Das bedeuten die gesetzlichen Verweise

    In der Gesetzesbegründung heißt es: § 18 WEG n. F. stellt zunächst klar, dass die Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfolgt. Somit steht jedem Eigentümer ein Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung zu. Zudem kann jeder Eigentümer sog. Notmaßnahmen i. S. d. § 18 Abs. 3 WEG n. F. auch im Hinblick auf das Gemeinschaftsvermögen treffen. Soweit der Verweis auch § 18 Abs. 4 WEG n. F. erfasst, dient dies nur der Klarstellung, denn der Begriff der Verwaltungsunterlagen schließt bereits begrifflich die Unterlagen ein, die im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens relevant sind.

     

    Der Verweis auf § 19 Abs. 1 WEG n. F. macht deutlich, dass über die Verwaltung und Benutzung des Gemeinschaftsvermögens durch Beschluss entschieden werden kann, soweit keine Vereinbarung der Wohnungseigentümer besteht. Schließlich gelten die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters nach § 27 WEG n. F. für die Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens.

     

    Darüber hinaus gelten für das Gemeinschaftsvermögen einzelne Vorschriften des § 16 WEG n. F. unmittelbar:

     

    • Früchte des Gemeinschaftsvermögens sind nach Miteigentumsanteilen zu verteilen (§ 16 Abs. 1 S. 1 und 2 WEG n. F.).
    • Kosten sind grundsätzlich nach Miteigentumsanteilen zu tragen (§ 16 Abs. 2 S. 1 WEG n. F.). Eine abweichende Verteilung kann aber beschlossen werden (§ 16 Abs. 2 S. 2 WEG n. F.).

     

    Beachten Sie | § 9 a Abs. 3 WEG n. F. sieht keine unmittelbare oder entsprechende Anwendung von § 16 Abs. 1 S. 3 WEG n. F. und § 20 WEG n. F. vor. Denn sonst könnten Individualrechte einzelner Eigentümer auf Mitgebrauch und bauliche Maßnahmen in Bezug auf Sachen entstehen, die sich im Gemeinschaftsvermögen befinden. Solche Rechte sind schon in Anbetracht der bloßen Hilfsfunktion des Gemeinschaftsvermögens für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht gerechtfertigt. Sie könnten zudem eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung des Gemeinschaftsvermögens behindern (BT-Drucksache 19/18791, S. 47).

    2. Das gehört zum Gemeinschaftsvermögen

    3. Haftung der Wohnungseigentümer

    § 9a Abs. 4 WEG n. F. entspricht § 10 Abs. 8 S. 1 bis 3 WEG a. F. Nicht übernommen wurde jedoch § 10 Abs. 8 S. 4 WEG a. F. Dieser sah eine beschränkte Haftung eines Eigentümers wegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf dessen Miteigentumsquote vor. Damit sollte die Umgehung der beschränkten Außenhaftung verhindert werden, konnte doch ein Gläubiger der Eigentümergemeinschaft einen im Innenverhältnis unbegrenzten Anspruch pfänden. Diese Privilegierung war nach der Gesetzesbegründung nicht gerechtfertigt (BT-Drucksache 19/18791, S. 48), denn wirtschaftlich führt sie zu einer unbilligen Belastung der übrigen Wohnungseigentümer. Somit haftet ein Eigentümer, der seine Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung schuldhaft verletzt hat, gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer voll und nicht nur anteilsmäßig für den durch ihn verursachten Schaden (Palandt/Wicke, a. a. O., Rn. 18).

     

    Der Wohnungseigentümer haftet für die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft, also Ansprüche aus Vertrag und Gesetz, z. B. wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht oder öffentlich-rechtliche Ansprüche wie Steuerschulden. Diese Haftung gegenüber einem Gläubiger der Gemeinschaft besteht nach § 9a Abs. 4 WEG n. F. nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils. Dieser bestimmt sich nach dem gemäß § 47 GO im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile (§ 16 Abs. 1 S. 2 WEG n. F.). Damit kann ein Gläubiger der Gemeinschaft entweder diese oder den einzelnen Wohnungseigentümer in Anspruch nehmen. Er muss dabei nicht zunächst die Gemeinschaft in Anspruch nehmen. Die einzelnen Wohnungseigentümer haften neben der Gemeinschaft, nicht jedoch untereinander (Palandt/Wicke, a. a. O., Rn. 16). Eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer kann auch nicht durch Mehrheitsbeschluss begründet werden (BGH 28.9.12, V ZR 251/11, Abruf-Nr. 123397).

     

    a) Ausnahmen von der quotalen Haftungsbegrenzung

    Es gibt jedoch Ausnahmen von der quotalen Haftungsbegrenzung. So haften die Eigentümer als Gesamtschuldner für Verbindlichkeiten aus einem Vertrag mit der Gemeinschaft, wenn sie sich neben dieser klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben (BGH 20.1.10, VIII ZR 329/08). Eine weitere Ausnahme besteht, wenn sich eine gesamtschuldnerische Haftung aus der Stellung als Miteigentümer des Grundstücks ergibt und es um öffentlich-rechtliche Abgaben geht. Ist z. B. durch ein Landesgesetz die gesamtschuldnerische Haftung für Entgelte wie Abfallentsorgung und Straßenreinigung angeordnet, bleibt diese bestehen (BGH 18.6.09, VII ZR 196/08).

     

    Keine quotenmäßige Haftung besteht auch für sog. Sozialverbindlichkeiten: Eine Haftung des Eigentümers für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft scheidet aus, wenn es sich um Ansprüche anderer Wohnungseigentümer handelt, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrühren (BGH 26.10.18, V ZR 279/17). Hierzu gehören nach Ansicht des BGH Aufwendungsersatzansprüche, die einem Wohnungseigentümer wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit des Verbands zustehen, und zwar auch dann, wenn die Tilgung eine Notgeschäftsführungsmaßnahme sei. Dies gälte unabhängig davon, ob eine Befriedigung aus dem Gemeinschaftsvermögen zu erwarten sei oder nicht.

     

    b) Haftungsvoraussetzungen

    Voraussetzung für die Haftung des Wohnungseigentümers ist dessen Zugehörigkeit zur Gemeinschaft. Maßgeblich hierfür ist der dingliche Erwerb oder Verlust des Eigentums. Tritt ein Erwerber nach Eintragung ins Grundbuch als Eigentümer vom Kaufvertrag zurück, bleibt die quotale Haftung bestehen. Anders als bei einer Anfechtung des Grundstückskaufvertrags begründet ein Rücktritt vom Vertrag nur einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags. Die Eigentümerstellung bleibt bis zur erneuten Umtragung des Eigentums bestehen (LG Flensburg 2.2.18, 2 O 123/15).

     

    c) Nachhaftung

    Eine Nachhaftung des Wohnungseigentümers ergibt sich aus § 9a Abs. 4 S. 1 WEG n. F., wonach nach der Veräußerung des Wohnungseigentums § 160 HGB entsprechend anzuwenden ist. Danach haftet der Wohnungseigentümer für begründete Verbindlichkeiten für einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Veräußerung des Wohnungseigentums. Die Fünf-Jahres-Frist beginnt mit der Löschung des Wohnungseigentümers im Grundbuch.

     

    d) Einwendungen und Einreden

    Nach § 9a Abs. 4 S. 2 WEG n. F. kann der Eigentümer gegenüber einem Gläubiger neben den in seiner Person begründeten Einwendungen (vor allem Aufrechnung, Zurückbehaltungsrecht, Stundung, Treu und Glauben) auch die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehenden Einwendungen und Einreden geltend machen. Ausgeschlossen ist der Eigentümer aber mit Einwendungen und Einreden gegenüber der Gemeinschaft. Damit soll verhindert werden, dass sich der Gläubiger mit internen Streitigkeiten aus dem Innenverhältnis der Eigentümer auseinandersetzen muss. Wird ein Eigentümer von einem Dritten in Anspruch genommen, kann er von der Gemeinschaft Freistellung verlangen oder, soweit er anteilig gezahlt hat, Rückgriff nehmen.

    4. Zwangsvollstreckung

    Gläubiger der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer können auf das Gemeinschaftsvermögen zugreifen. Das gilt auch, soweit es um Ansprüche der Gemeinschaft gegen die Wohnungseigentümer und gegen Dritte geht.

     

    Zu den pfändbaren Ansprüchen der Gemeinschaft gehören der Anspruch, ihr die finanzielle Grundlage zur Begleichung der laufenden Verpflichtungen durch Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan, seine Ergänzung (Deckungsumlage) oder die Jahresabrechnung zu verschaffen, sowie Ansprüche aus Verletzung dieser Pflicht.

     

    Beachten Sie | Somit kann der Gläubiger Ansprüche der Gemeinschaft gegen einzelne Eigentümer pfänden, Beitragsvorschüsse, Sonderumlagen oder Schadenersatz wegen Pflichtverletzung an die Gemeinschaft zu zahlen (BGH 2.6.05, V ZB 32/05; MüKo/Burgmair, BGB, § 9a WEG Rn. 53, 55).

     

    § 9a Abs. 4 WEG n.F. hat Auswirkungen auf bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 2 WEG n.F. Gestatten die Wohnungseigentümer einem einzelnen auf dessen Kosten die Vornahme einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums, muss diese im Namen der Gemeinschaft beauftragt werden. Damit entsteht eine Außenhaftung aller Wohnungseigentümer (hierzu mehr in einer der nächsten Ausgaben von MK).

    5. Insolvenzverfahren

    § 9a Abs. 5 WEG n. F. entspricht inhaltlich § 11 Abs. 3 WEG a. F. Danach findet ein Insolvenzverfahren über das Gemeinschaftsvermögen nicht statt. Gleichwohl ist eine Vollstreckung in das Gemeinschaftsvermögen bis zur vollständigen Befriedigung möglich. Die Wohnungseigentümer müssen ggf. durch Sonderumlage für ausreichendes Vermögen sorgen (Hügel/Elzer, a. a. O., Rn. 175). Im Vollstreckungsverfahren ist der bestellte Verwalter zur Erstellung eines Vermögensverzeichnisses verpflichtet und muss dessen Richtigkeit an Eides statt versichern (BGH 22.9.11, I ZB 61/10).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Reinke, Rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, MK 21, 211
    • Reinke, Rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer: Rechte und Pflichten nach § 9a Abs. 2 WEG n. F., MK 21, 232
    • Horst, Der neue Verwaltungsbeirat: ein „ungekrönter König“?, MK 21, 17
    • Reinke, Was wird aus Altvereinbarungen und -beschlüssen?, MK 21, 30
    • Horst, Eigentümerversammlung: Neues und Bewährtes, MK 21, 55
    • Reinke, Der Verwalter: Was darf er jetzt, was darf er nicht?, MK 21, 75
    • Reinke, Der Verwalter im Außenverhältnis, MK 21, 95
    • Reinke, Verwaltervertrag und zertifizierter Verwalter, MK 21, 112
    • Reinke, Der neue § 3 WEG: Sondereigentum an Stellplätzen und Freiflächen, MK 21, 150
    • Reinke, Entziehung von Wohnungseigentum: Auswirkungen des § 17 WEG n. F. und Entziehungsgründe, MK 21, 172
    • Reinke, Entziehung von Wohnungseigentum: Abmahnung, Entziehungsbeschluss, Klage und Vollstreckung, MK 21, 192
    Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 17 | ID 47849522